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Der jüngere Titurel
und
sein Verhältnis zu Wolfram von Eschenbaeh.
Von
Conrad Borchling
auf Emden.
Am 29. Mai 1895
von der philosophischen Fakultät der Universität Göttingen
gekrönte Preisschrift.
Göttingen 1897.
Druck der Dieterich’schen Univ.-Buclidruckerei (W. Fr. KJsinor).
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Die vorliegende Preisschrift gilt zugleich als Dissertation.
Referent : Herr Prof. Dr. R o e t h e.
Tag der mündlichen Prüfung: 27. April 1896.
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Thema der Premaufgabe:
Die Fakultät wünscht, dass durch eine genaue Vergleichung
des jüngeren Titurel mit Wolframs Parzival und Titurel festge-
stellt werde,
1. in welchem Masse der Dichter des jüngeren Titurel
nach Inhalt und Sprache von seinem Vorbilde abhängig sei,
2. ob wir zu der Annahme genöthigt sind, dass Albrecht
für sein Epos noch andere wesentliche Quellen benutzt habe,
als Wolframs Dichtungen.
Es empfiehlt sich, dass der Untersuchung nicht nur Hahn’s
Ausgabe des jüngeren Titurel, sondern auch der auf der hiesigen
Bibliothek vorhandene alte Druck (von 1477) zu Grunde gelegt
werde. Die Fakultät hält es nicht für unerlässlich, dass die Auf-
gabe für den ganzen Umfang des jüngeren Titurel gelost werde,
sondern würde zufrieden sein, wenn der Bewerber sie erschöpfend
für einen Teil der Albrecht’sehen Dichtung erledigte, der geeig-
net ist, einen Ausblick auf das Ganze zu gewähren.
Das Urteil der Fakultät lautet:
Die Abhandlung stellt der Arbeitskraft, dem Scharfblick und
der Belesenheit des Verfassers ein recht günstiges Zeugniss aus.
In ihrem ersten Theile erweitert sich ihm die von der Fakultät
verlangte inhaltliche Vergleichung des jüngern Titurel mit Wolf-
rams Dichtungen zu einer vortrefflichen , reichhaltigen und sorg-
fältigen Quellenuntersuchung, die einen schätzbaren Beitrag zur
Charakteristik des spätmittelhochdeutschen Epos bildet und in
ihren Resultaten gewiss zu ergänzen, aber schwerlich umzustürzen
ist Nicht ganz so gelungen ist der zweite Theil der Arbeit,
der die sprachliche und stilistische Abhängigkeit Albrechts yon
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Wolfram darstellt. Der Verfasser hat aus Zeitmangel nur etwa
ein Sechstel des jüngern Titurel ausschöpfen können; er ist des
gewonnenen Materials nicht durchweg Herr geworden und lässt
wenigstens ein für diese Quellenfrage wichtiges Moment, den
Fremdwörtergebrauch , zu sehr ausser Acht ; auch fehlt eine ab-
schliessende Zusammenfassung. Wenn die Fakultät demnach auch
verlangen muss, dass der Verfasser vor dem Drucke seiner Ab-
handlung die inhaltlichen und formellen Mängel ihres zweiten Theils
abstelle *), so erkennt sie doch auch in ihm den grossen Fleiss, die
sachgemässe Anlage, die Fülle der Gesichtspunkte, den klaren Sinn
für das Wesentliche rühmend an. Die Fakultät schätzt die Arbeit
in ihrer Gesammtheit als eine sehr tüchtige, wissenschaftlich för-
dernde philologische Leistung und spricht ihr mit Befriedigung
den vollen Preis zu.
*) Diese Umarbeitung ist inzwischen nach den Wünschen der Fakultät erfolgt.
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Meinen lieben Eltern.
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Die Wertschätzung, die der s. g. jüngere Titurel im Laufe
der Zeiten erfahren hat, ist immer abhängig gewesen von der Be.
urteilung des Verhältnisses dieses grossen mhd. Epos zu Wolfram
v. Escheubach. Solange man den Dichter des jg. Titurel mit Wol-
fram identificierte , hat das Gedicht auch treulich alle Schicksale
der Wolframschen Werke, vor allem des Parzival, mit durchge-
macht. Sobald aber ein klarer Kopf einmal die Nichtigkeit der
Ansprüche des jg. Titurel auf Wolframs Autornamen energisch
ausgesprochen hatte, haben sich die Wege des Parzival und des
Titurel getrennt, und ein himmelweiter Abstand trennt heute für
unser Empfinden den jg. Titurel von den echten Werken Wolframs.
Der Dichter des Titurel selbst hatte durch die Behandlung
seines Stoffes, durch die Einflechtung der echten Wolframschen
Titurel -Strophen, und nicht zum mindesten durch die gewandte
Benutzung stilistischer Hülfsmittel, das meiste dazu beigetragen,
dass sein Gedicht sehr bald als ein Werk des grossen , damals
besonders hochgeschätzten Meisters angesehen wurde. Fortan steht
der Titurel Wolframs ebenbürtig, ja zuweilen als das Hauptwerk
Wolframs, dem Parzival zur Seite. Für das ganze Mittelalter gilt
diese Auffassung, in demselben Jahre 1477 wurden Parzival und
Titurel bei Joh. Mentelin in Strassburg*) gedruckt, und als in
der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Werke der grossen
mhd. Epiker aus ihrem langen Schlummer erwachten , behauptete
sich das Ansehen des Titurel, als Wolframschen Werkes, in un-
verminderter Stärke. Das umfangreiche Werk, in dessen innerste
Tiefen niemand eindrang , erschien den Aussenstehenden damals
wie eine unerschöpfliche Fundgrube mittelalterlicher Sagen -Ele-
mente , wie das stolzeste Denkmal mhd. Sprache. Der phan-
*) Nicht bei G. Zainer in Augsburg, wie noch Burgers Index zu Hains Re-
pertorium angiebt, cf. Dziatzko, Sammlung bibl.-wiss. Arbeiten, Heft ü, p. 17.
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tastische Görres nennt im Anfänge seiner Einleitung zum Lobengrin
den Titurel „die Mitte, Siegel, Kleinod und Edelstein“ der drei
Epen vom hl. Grale. Rosenkranz stellte den Titurel gar mit der
Divina Comedia Dantes in eine Linie , und selbst der nüchternere
Docen bezeichnete die von ihm entdeckten Münchener Bruchstücke
des Wolframschen Titurel als Bruchstücke einer vor-eschen-
backischen Bearbeitung des Titurel.
Wie mit einem Schlage aber änderte sich das Bild, als Karl
Lachmann zuerst in seiner „Auswahl“ (pag. IV und XX VI) , dann
noch einmal mit Nachdruck in der Einleitung zu seiner Ausgabe
Wolframs (pag. XXIX) die Meinung zurückwies: „der Dichter
des Parzival und der Titurel - Bruchstücke habe nachher auch den
ganzen langweiligen und albernen Titurel verfasst“. Damit war das
Urteil des jg. Titurel gesprochen, und ebenso hoch, wie man früher
zu ihm aufsah , ebenso tief pflegt man seitdem auf ihn herabzu-
sehen. Auch die philologische Arbeit, die sich den Werken Wolf-
rams in so reichem Masse zuwandte, hat den Titurel in unbilliger
Weise vernachlässigt. Und doch ist das Verhältnis zwischen dem
jg. Titurel und Wolframs Werken, vor allem was den Stoff anbe-
langt, von der grössten Wichtigkeit für die interessante aber
schwierige Frage nach den Quellen der Wolframschen Graldich-
tungen. Noch Lachmann glaubte aus den Worten des Titurel-
Dichters mit Sicherheit schliessen zu dürfen , dass derselbe „das
französische Gedicht des Provenzalen Guiot vor sich gehabt habe und
der Anordnung desselben streng gefolgt sei“ (Wolfram v. E., pag.
XXIV). Wollte man also dem problematischen Gewährsmann Wol-
frams etwas näher kommen, so war es dringend erforderlich, den
jg. Titurel , dieses einzige weitere Zeugnis für das Werk Kiots,
genau auf seine Quellen hin zu untersuchen.
Gegenüber Lachmanns Ansicht stellte zuerst Simrock in seiner
Uebersetzung von Wolframs Parzival und Titurel (1. Aufl. 1842,
Bd. I pag. 499 ff.) die Behauptung auf, dass der Dichter des Titurel
eine französische Quelle nicht benutzt, sondern alles was er Neues
biete, aus Andeutungen ira Parzival und den echten Titurelstrophen
herausgeklaubt habe. Allein Simrock hat diese Behauptung nicht
durch eine ins einzelne gehende Untersuchung erwiesen , und so
sind wir heute noch nicht in der Lage , über das Verhältnis des
jg. Titurel zu seinen Vorgängern, vor allem zu Wolfram, bestimmt
und scharf zu urteilen.
Die Klarstellung dieser Frage ist die Aufgabe der folgenden
Untersuchung. Durch eine genaue Vergleichung des jg. Titurel
mit Wolframs Parzival und Titurel nach Inhalt und Sprache soll
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festgestellt werden, ob Wolfram die einzige wesentliche Quelle
Albrechts gewesen ist, oder ob wir genötigt sind, ausser Wolfram
noch eine andere, französische oder deutsche, Vorlage für den jg.
Titurel anzunehmen.
Die Arbeit zerfällt ihrer Natur nach in 2 grosse Teile, die
Vergleichung des Stoffes der beiden Epen (wenn wir Parzival
und Wolframs Titurel als eine Einheit auffassen), und die Ver-
gleichung ihrer Sprache.
Für den ersten Teil ist der Untersuchung Hahns Ausgabe
des jg. Titurel (= H) zu Grunde gelegt, mit Hinzuziehung des
Alten Druckes von 1477 (= A. D.)*) an den Stellen, wo derselbe
eine wesentliche Abweichung im Stofflichen darbietet. Für die
Vergleichung der Sprache dagegen müssen beide Ausgaben, die
sich einander überall ergänzen und controlieren , gemeinsam als
Ausgangspunkt der Untersuchung dienen.
*) Nach dem Exemplare der Göttinger Univ.-Bitil.
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I. Teil.
Stoffliche Abhängigkeit des jg. Titurel von Wolfram.
Abschnitt I: Titurel.
Wenn wir die gewaltige Masse von Aibrechts Gedichte über-
schauen, so finden wir in dem scheinbaren wüsten Durcheinander der
verschiedensten Abenteuer bei genauerem Hinsehen doch eine gewisse
Ordnung und Einteilung des ungeheuren Stoffes. Der Dichter
selbst giebt uns einen Fingerzeig, wenn er (str. 5687 H.) das Drei-
gestirn seiner Helden in einer Strophe vereinigt :
Gamuret der eine, Farcifal der ander
Fri vor allem meine, da hicz der drille Tschionatulander.
Um diese 3 Helden gruppiert sich der Stoff unseres Gedichtes in
der Weise, das Schionatulander in der Mitte steht. Sein Helden-
tum, das Cap. IX — XXXV des A. D. einnimmt, bildet den Kern
und das Rückgrat des Gedichtes. Während seiner Jugend ist
Gamuret der Held der Avcntiure, und in dem Augenblicke, wo
Schionatulander nach einer glänzenden Heldenlaufbabn endlich von
Orilus getötet wird , tritt Parzival in die Erscheinung. Allein
dessen Erlebnisse sind kurz und dürftig behandelt, Sigunes ewige
Klagen um den Geliebten und die Rache für Schionatulander nehmen
einen breiten Raum ein , sodass wir auch hier den Haupthelden
selten aus dem Gedächtniss verlieren.
In dieser Weise hat der Dichter des jg. Titurel die Andeu-
tung Wolframs (Tit. 39, 4) , dass Schionatulander dirre äventiure
ein herre werden solle, aufgefasst und in seiner Weise ausgestaltet.
Ueberhaupt bat er, wie zu erwarten war, Wolframs erstes Frag-
ment zum Ausgangspunkt genommen ; mit dem Cap. V des jg. Titurel,
dessen erste Strophe = W. Tit. 1 ist , beginnt die Schilderung
von Sckiouatulanders Jugend. Die vorhergehenden Cap. II — IV
enthalten weiter nichts als eine Darstellung der Geschichte Titu-
rels bia zu eben dem Momente, mit welchem Wolframs erstes
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Fragment einsetzt. Dem Ganzen ist dann noch, wie am Ende des
eigentlichen Werkes eine Fortsetzung der Geschichte des Grales
und seiner Hüter hinzugefügt ist, so hier die Vorgeschichte des
Gralgeschlechtes vorgesetzt.
Mit dieser Vorgeschichte des Gralgeschlechtes , die das erste
Cap. des A. D. ausmacht, wollen wir jetzt beginnen *).
Cap. I. (= str. 77 — 256 H.) Der Dichter setzt ein mit einer
Darlegung seines Programms, denn so dürfen wir die str. 77 H.
wohl auffassen :
Der von Provensäle und Flegetänis parliure ,
Heidenisch von dem gräle und franeeis turnt sie tunt vil uventiure.
Dm teil ich diutsch, gan mir sin got, hie künden:
Wae Par cif dl da birget, das wirt ec lichte brüht an vakclziinden.
v. 1 — 5 giebt der Dichter als seine Quelle den Kyot und Flege-
tanis an, deren Aventiure vom Grale er ins Deutsche übertragen
wolle. Was wir von dieser Berufung Albrechts auf seine Quelle
zu halten haben , wird uns der 2. Teil der Untersuchung lehren ;
nichts hindert uns, diese Worte Albrechts als eine einfache Nach-
ahmung der gleichen Berufungen Wolframs anfzufassen. Desto
wichtiger sind v. 6 — 7 : Was Pa reif äl det birget , dae u'irt ee lichte
bräht (in vakelsiinden. Also, alles was Wolfram im Parzival (und,
setzen wir stillschweigend hinzu, in seinem Titurel) an Aventiuren
noch ausgelassen bat, das will Albrecht in seinem Gedichte nach-
tragen. Bei einer solchen Arbeit ist es aber selbstverständlich,
dass sich Wiederholungen längerer Partien aus dem älteren Stücke
wie einzelne Hinweise auf dasselbe nicht vermeiden lassen. Daher
stammen also die zahllosen direkten Anspielungen auf Wolframs
Gedichte, die wir im ganzen Titurel finden, und andrerseits die
ausgefifhrten Paralleldarstellungen in beiden Epen , wo natürlich
der jg. Titurel meistens kürzer und dürftiger ist, weil er Be-
kanntes voraussetzt.
Ferner erlauben uns aber Albrechts oben angeführte Worte,
in unserer Untersuchung von dem, was Albrecht an ausgeführten
Berichten Neues giebt , sofort alles das auszuscheiden , was sich
in Wolframs Epen, wenn auch nur mit wenigen Worten angedeutet
*) Pie dem ganzen Gedichte vorausgescliickte geistliche Einleitung Albrechts,
(Tit. str. 1 — 76) ist, bis auf die Verfasserstrophen 55—61, ganz aus Wolfram-
schen Gedanken zusanimengeflirkt. Pie Grundlage bilden die theologischen Ge-
danken der Einleitung des Willehalm, darin eingeschoben ist eine Paraphrase der
Parzival -Einleitung und gelegentlich zerstreute Anspielungen auf andere Stellen
Wolframs.
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findet. Von dem, was dann übrig bleibt, bilden wieder eine be-
sondere Kategorie diejenigen Züge nnd Darstellungen , die bei
Wolfram zwar nicht von derselben Person oder Sache, aber doch
sonst bei einer andern Gelegenheit erzählt werden. Diese Paral-
lelenbildungen sind ein charakteristisches Merkmal aller jüngeren
und naehahmenden Epen, die mit den in ihrer Vorlage vorhandenen
Zügen und Motiven frei wirtschaften. Wie kommt es sonst, dass
in jedem solchen späteren Werke der Held mit unvermeidlicher
Sicherheit alle diejenigen Thaten verrichtet, die schon so viele
andere vor ihm gethan haben?
Erst das. was jetzt nach all diesen Abzügen übrig bleibt, ist
entweder der eigenen Erfindung unseres Dichters zuzuschreiben,
oder der Benutzung einer zweiten Vorlage. Da entscheiden dann
die sachlichen Gründe.
Kehren wir nach diesen Erörterungen über die Methode un-
serer Untersuchung zur Vorgeschichte des Gralgeschlechts zurück.
Der Titurel*) berichtet uns darüber folgendes:
Troye und Rom sind die Wiegen des Geschlechtes. Senabor
von Capadozze, der Stammvater, war noch ein Heide, er lebte zu
der Zeit, da Jesus Christus durch seinen Tod die Welt erlöste.
Senabors Sohn Barille, der nach dem edeln Steine genannt war,
liess sich mit 4 Brüdern taufen, während die übrigen Heiden blie-
ben. Das geschah etwa um die Zeit der Belagerung Jerusalems
durch Vespasian. Der zog den Barille und zwei seiner Brüder nach
Rom, während die ungetauften Brüder des Barille weiterhin Per-
sigene und Cappadozze verwüsteten, bis auch sie in späterer Zeit
den heidnischen Glauben ablegten. Dem Barille gab der Kaiser
seine Tochter Argusille zur Frau und belehnte ihn mit Frankreich,
seine beiden Brüder mit Anschowe und Kurnawale. Durch sie
wurden diese Länder dem Christentum gewonnen, dem nur Frank-
reich später noch einmal entfremdet wurde.
Barilles Sohn war Titurisone, der nach Barillens hinterlistiger
Ermordung durch die Heiden von Galitze und Sarragossa König
wurde. Titurisone vermählte sich mit Elyzabel, der Tochter des
Königs von Arragun, eines Verwandten des Kaisers Tiberie. Da
Titurisones Ehe lange kinderlos blieb, fuhr er, auf den Rat weiser
Männer, mit seiner Gemahlin nach dem heiligen Grabo und weihte
ein kostbares Bild. Gott erhörte ihr Gebet; nach einer stürmi-
schen Rückfahrt langen sie wieder in ihrem Lande an, und bald
nachher wird ihnen ein Sohn geboren.
*) So worden wir von jetzt an Albrccbts Werk einfach nennen, während
Wolframs Bruchstücke durch W. Tit. bezeichnet werden sollen.
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In der Taufe wird dem Kinde der Name Titnrel gegeben, der
aus den 6 ersten Lettern von Tituriaone und den beiden ersten
und letzten von Elyz&bel zusammengesetzt ist. Titurel wird unter-
richtet in allen Tugenden, aber sein Sinn steht mehr auf Ritter-
schaft, als auf gelehrte Bildung. Im Ovidius liest er über die
Minne, und hält sie infolgedessen für einen bösen „schrat“. Seine
Fragen nach ihr werden lange Zeit nicht beantwortet, da die Kö-
nigin, seine Mutter, verboten hat, dem Knaben von der Minne zu
sprechen. Schliesslich Übertritt aber der Erzieher das Gebot der
Königin und belehrt den Knaben über die wahre und die falsche
Minne.
Als Titurel herangewachsen ist, empören sich die Heiden von
Aveme und Navarra gegen seinen Vater. Titurisone ruft die Ker-
linge, Provenzen, die von Arle und von Luteringe, wo damals der
erste Herzog Karl regierte, zu Hülfe, und besiegt die Heiden völ-
lig. Titurel kämpft hier zum ersten Male mit und zeichnet sich
vor allen aus. Er besitzt alle Tugenden eines Christen und lässt
sich durch Gottes reichliche Gaben nicht zum Hochmut und Abfall
von Gott verleiten. Sein Dienst gilt goto und reinen teilen. So
lebt er bis zu seinem BO. Jahre. —
Die so kurz skizzierte Vorgeschichte des Gralgeschlechtes,
wie sie Albrecht erzählt, characterisiert sich bei näherer Betrach-
tung leicht als eigne Arbeit Albrechts. Von allen diesen Dingen
erfahren wir weder bei Wolfram noch bei den nordfranzösischen
Dichtern der Gralsage irgend etwas; sie Kiot zuzuschreiben, ver-
bieten die Angaben Wolframs P. 4B5, wonach auch Kiot die Ge-
schichte des Gralgeschlechtes erst mit Titurel anfing.
Bei allen Dichtern , die der Blütezeit der mhd. Epik folgen
und die grossen Werke ihrer Vorgänger zu ihrem Ausgangspunkte
nehmen, ist nichts gewöhnlicher, als dass sie den Stammbaum der
berühmten epischen Helden nach oben oder nach unten erweitern,
meistens um die Verwandtschaft ihrer eigenen Helden mit einem
Parzival, Gawan u. s. w. ad oculos zu demonstrieren. Albrecht
hat eine besondere Vorliebe dafür, alle bedeutenderen Personen
seines Gedichtes bis auf ihre ältesten Vorväter zurückzuverfolgen.
So führt er das Geschlecht des Baruchs Ackerin von Baldac hinauf
bis auf den alten König Ahasver, und auf der andern Seite hin-
unter bis auf den Terramer des Willehalm, so giebt er sogar dem
Secureis, seiner eigenen Erfindung, wenigstens noch einen Vater
und Grossvater. Diese Neigung Albrechts zeigt uns deutlich den
gelehrten Dichter. Bei ihm artet die Eigentümlichkeit Wolframs,
die diesen scharf von Chrestien unterscheidet, dass er nämlich
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auch ganz nebensächlichen Personen ihren bestimmten Namen giebt,
zur gelehrten Spielerei aus.
Der Name des Stammvaters des Gralgeschlechtes ist Senahor,
nach Görres (Einleitung zu Lohengrin . p. XLII) im arabischen
„der Weise“*). Er stammt aus Cappadoeze ; diesen Namen hat
Albrecht wohl aus dem hl. Georg Reinbots entlehnt, den er später
einmal sehr ausführlich citiert (str. 4745 f.) : auch str. 104 lässt
sich ungezwungen auf Reinbots Gedicht beziehen.
Der Sohn des Senahor ist Burille, dessen Name von dem Edel-
stein Beryll genommen ist. Durch seine Gemahlin verknüpft Al-
brecht das ans Troja entsprossene Geschlecht Titurels auch mit
Rom und setzt es so dem Geschleehte des Eneas ebenbürtig an
die Seite.
Der Sohn dc9 Barille ist dann Txturisone, oder wie ihn die
Heidelberger Handschrift No. 141 (= H. bei Zarncke, Graltempel)
nennt: Titurilone **). Dieser Name ist natürlich aus Titurel abge-
leitet und ebenso wie Elyzabel (cf. str. 104) eine Erfindung Albrechts.
Ganz dieselbe Art der Namenbildnng finden wir schon in der Pi-
latuslegende, wo den Eltern des Pilatus die Namen Pyla und Atus
beigelcgt werden, und Albrecht selbst hat sie später bei der Be-
nennung der Eltern der Königin Secundille noch einmal angewandt
(str. 2939).
Die gelehrte Art unseres Dichters zeigt sich vor allem auch
in den durchgeführten Synchronismen. Der Stammvater des
Gralgeschlechtes lebte zu der Zeit, als .Jesus Christus gekreu-
zigt wurde; als nach der Eroberung Jerusalems Barille nach Rom
übersiedelte und mit Frankreich belehnt wurde, war das 500 Jahre
vor der Zeit, wo Gaudin (W.s Gandin), der Grossvater Parzivals,
und Markes von Kornwale lebten. So giebt auch Gottfried von Mon-
mouth in seiner Historia regum Britanniae (ed. San-Martc) Buch XI,
cap. 2 an, dass Artus seine tötliche Wunde empfangen habe : anno
ab incamatione dominica quingentesimo quadragesimo secundo. Da wir
aus einer andern Stelle des Titurel die Bekanntschaft Albrechts mit
Gottfrieds Chronik nachweisen können, ist es wahrscheinlich, dass
Albreeht diese seine Berechnung nach der Angabe Gottfrieds an-
gestellt hat. Mit dieser Methode Albrechts hängen eng zusammen
die wunderbaren Angaben über Titurels Alter. Er ist in der 2.
Generation nach jenem Ausgangspunkte von Albrechts Berechnung
*) Doch lasst sich Görres Krklärung weder hier, noch bei den übrigen Namen
ans unserer Sage halten, wie mich Herr Prof. Wellhausen frcundlichst belehrt.
**) Vergl. Fr. Adelung, Altdeutsche Gedichte in Rom oder fortgesetzte Nach-
richten, pag. 9.
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geboren; mit 50 Jahren wird er zum Gral berufen (str. 252 ff.);
als der Graltempel fertig ist und Titurel sich vermählt, zählt er
etwas über 400 Jahre (str. 416 und 431); und als er endlich stirbt,
hat er 500 Jahre dem Grale gedient (str. 6177). Von diesen An-
gaben findet sich bei Wolfram oder sonst irgendwo gar nichts;
da ist Titurel immer nur der Vater oder Grossvater des Gral-
königs, ein alter, bei Wolfram bettlägeriger, Mann. Da aber Al-
breclit den Stammvater des Geschlechtes in die Zeit Christi setzt,
musste er entweder ein langes Gcschlechtsregister erfinden , um
die 500 Jahre auszufiillen, oder sich auf andere Weise helfen. Da
bot sich ihm die wunderbare lebenspendende Eigenschaft des Grales
dar, und so machte er sich diese ungeheuerlichen Angaben über
Titurels Alter zurecht.
Von einzelnen Zügen finden sich einige, deren Ursprung
wir noch nachweisen können. So ist vor allen das Gebot der Kö-
nigin , dass niemand dem Knaben Titurel etwas über das Wesen
der minne sagen soll , eine schwächliche Nachahmung der ängst-
lichen Besorgnis der Herzeloyde, die allen ihren Dienern verbietet,
dem Knaben Parzival von ritteraehaft zu sprechen. Die Lektüre
des Ovid bei dieser Gelegenheit einzuführen, ist ein wundervolles
Zeugnis für Albrechts Eigenart.
Die Namen der Bundesgenossen Titurisones (str. 192) sind
sämtlich aus Wolframs Willehalm entlehnt, wo sie als Bundes-
genossen Willehalms auftreten, cf. Wh. 15, 28. 135, 16. 437, 19. Nur
die von Arle finden sich nicht dabei, aber vergl. z. B. Wh. 221,18.
Der Kriegsruf des Titnrisone ist (str. 115) Montjoy *) , die
Heiden antworten mit Tervigmt ; das stammt aus Wolframs Wil-
ehalm 18,28—19,2. — Der Schilderung von Titurels Persönlichkeit
liegen offenbar die Andeutungen Wolframs Tit. 1 — 5 zu Grunde. —
Die Botschaft des Engels bei der Geburt Titurels erinnert
lebhaft an Erzählungen wie die Erscheinung des Engels in der
Simson - Geschichte. So ist auch die Geschichte von der anfäng-
lichen Kinderlosigkeit der Eltern Titurels und ihrer Wallfahrt
zum heiligen Grabe, wo sie ein Opfer darbringen, ein bekanntes,
jedem mittelalterlichen Dichter zugängliches Motiv.
Endlich findet sich eine ähnliche Geschichte, wie sie von dem
treulosen Verhalten der Heiden gegen Barille erzählt wird , im
Grand St. Graal cap. 47 , wo erzählt wird , wie sich der König
Agrestes von Kamalot in verräterischer Absicht von Josephe tau-
fen lässt ; sobald aber Josephe fortgezogen ist, tötet Agrestes die
*) Hahns Lesart ÄMchowe ist Corruptel.
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von ihm zurück gelassenen Weisesten und wird wieder Heide. Zur
Strafe dafür wird er wahnsinnig (cf. Bireh - Hirschfeld , Sage vom
Gral, pag. 24). Dass Albrecht diese Stelle gekannt hat, lässt sich
nicht erweisen. Ebensowenig ist es notwendig, Kenntnis des Grand
St. Graal fiir Albrecht anzunehmen bei der Einführung des Vespe-
sian, wie Hamburger (Zs. f. d. Ph. 21,413) meint; Albrecht hat
dieses Wissen sicherlich ans lat. Legenden.
Wir fassen also unsere Darlegungen dahin zusammen , dass
Albrecht das ersteCapitel seines Gedichtes im gan
zen frei erfunden, im einzelnen aber die verschieden
sten Anregungen benutzt hat.
Die jetzt folgenden Capp. II — IV des Titurel schildern die
Schicksale Titnrels von seiner Berufung zum Grale bis zu dem
Punkte, wo Wolframs erstes Fragment einsetzt. In breiter Dar-
stellung spinnt Albrecht doch nur die zahlreichen Anspielungen
Wolframs auf diese Periode von Titurels Leben aus.
Cap. II. (str. 257 — 280 H.) Das kurze 2. Cap. des Tit. erzählt
uns, wie Titurel durch den Engel Gottes zum Gral berufen wurde.
Albrecht führt Wolframs kurze Angaben darüber (W. Tit. 6,1 — 2;
Parz. 601, 24 — 25) etwas weiter aus.
Titurel nimmt schmerzlichen Abschied von seinen Eltern, die
auf seinen Rat (str. 266, 7) beschliessen, ein gottgeweibtes Leben
zu führen , und mit ihren Ländern die Söhne von Bariliens Brüdern,
die Anschowc und Kornwal innehaben, belehnen.
Cap. III. (str. 281—415 H.) Von Engeln wird Titurel durch
den Gralwald (Foreis Salvatsche) nach Monsalvatsche geleitet. Ueber
diese Engel, die ersten Pfleger des Grals, spricht Wolfram aus-
führlich P. 454, 24—30 und 471, 15—28. cf. 798. Albrecht denkt
sich ibre Thätigkeit gerade so wie später die der Tempieisen : sie
geleiten die Auserkorenen des Grals, verteidigen den Wald des
Grals und hüten den Gral selber. Die Beschreibung des Gral-
waldes (str. 282. 284—86, 2) beruht vor allem auf P. 250, 3 — 7 und
20—25. Eine genaue Beschreibung der wunderbaren Eigenschaften
des Grals, sowie der Art, wie die Gralhüter berufen werden, lehnt
der Dichter ab, indem er auf Wolfram verweist (str. 261; ähnlich
str. 294).
Obwohl nun der Gralberg, wie schon sein Name sagt (Mont-
salvatsch — (irr behahieue berg str. 289)*), vor Christen, Juden und
Heiden wohl bewahrt war , umzieht Titurel ihn doch mit einer
Mauer und erbaut eine feste Burg auf demselben. Für die Be-
*) cf. Tcü IL
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Schreibung dieses Palastes und seiner Ausschmückung wird der
Leser schon wieder auf Parzival V. verwiesen (str. 300 und 310).
Bis dahin hatten die Hüter des Grals in Zelten auf dem Berge
gelagert, der Gral selbst schwebte frei in der Luft durch Gottes
Kraft und liess sich von niemandem tragen oder anrühren. In
einer reichen, mit dicken Seidenstoffen behängten Ciborie lag er,
seiner Heiligkeit angemessen , und versorgte seine Hüter mit jeg-
licher Art Speise und Trank. Bei Wolfram liegt der Stein auf
einem grünen Achmardi (P. 235, 20) , nur diese Unterlage erblickt
Feirefiz, ehe er getauft ist (P. 810,10). Dass der Gral früher
ohne Träger frei in der Luft schwebte, hat Albrecht aus W. Tit.
24, 4 abstrahiert, wo es heisst : die sich der gräl eem ersten tragen
lie, das was Schoysiäne. Ueber die nahrungsspendende Kraft des
Grals vergl. P. 238, 8 ff. und 469, 2 — 3. 470, 11—20.
Das Gebiet des Grals, die Wüste des Foreis Salvatsehe, sichert
Titurel durch unablässige Kämpfe mit den umwohnenden Heiden.
Salvaterra (= Wolframs Terre de Sidvrcsche P. 251, 4. 797, 7) liegt
noch heute in Galizien*), aber der Gral ist in das ferne Indien
zum Priester Johannes gewandert (str. 306— 7).
Der übrige Teil des 3. Capitels enthält die ausführliche Be-
schreibung des Tempels, den Titurel für den Gral in ungeahnter
Pracht und Herrlichkeit erbaut. Bei Wolfram findet sich ein Tem-
pel des Grales nur ein einziges Mal ganz im Vorübergehn erwähnt
(P. 816, 15). Hier hat Albrecht eingesetzt und aus eigenen Mit-
teln eine grossartige Schilderung eingefügt, die nicht nur als dich-
terische Leistung, sondern auch für die kunstgeschichtliche For-
schung von grösstem Interesse ist **). Ob dem Dichter dabei ein
bestimmter Dom seiner Zeit vorgosch webt hat, oder ob er einer
schriftlichen Vorlage gefolgt ist, oder ob er endlich seine Beschrei-
bung aus vielen verschiedenen Quellen selbst erst zusammengesucht
hat, das vermag ich noch nicht zu entscheiden.
Den Grundriss des Tempels findet Titurel eines Morgens durch
die Kraft des Grales auf dem Plateau des Berges aufgezeichnet.
Alles, dessen man zum Baue bedurfte, spendet der Gral (350).
Inmitten des gewaltigen Tempels wird ein kleines Modell des
Ganzen als Allerheiligstes für den Gral errichtet. Nach der Voll-
endung des Tempels wird er von dem Bischof Penitenze , einem
*) Vergl. unten p. 12.
**) Vergl. unter den Speeialausgabcn dieser Partie des Titurel besonders die
Ton 8. Boisseree (Abh. der Kgl. Bayer. Akad. d. Wiss., phil.-hist. CI. Bd. I (1834)
pag. 307—92) und die von Zarncke (Abh. der Särhs. Ges. d. Wiss., phil.-hist. CI.
Bd. YU (1879) pag. 375—054).
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12
Verwandten Titurels ans dem Gralgeschlechte , eingeweiht, und
ein Engel trägt den Gral an den für ihn bestimmten Platz*).
Cap. IV. ( str . 416—475 II.) Ala der Tempel des Grals vol-
lendet ist, erwählt der Gral dem Titurel Richoude von Spangen
zur Gemahlin. Die Namen ihrer Eltern, Frimutel und Richoude,
hat Albrecht natürlich von Titurels Kindern her übertragen, nicht
umgekehrt, wie er uns str. 420 und 435 glauben machen will. Von
den 3 Richouden Albrechts erwähnt Wolfram überhaupt nur die
Tochter Titurels , Parz. 84, 10 , wo sie Herzeloydens base heisst ;
erst Albrecht hat den Namen auf Titurels Gemahlin und deren
Mutter übertragen. Von dem Gefolge, das Richoude nach Salva-
terre geleitet, werden nach dem Gebote des Grals nur 400 Edel-
knaben und 80 Jungfrauen in die Gralburg aufgenommen. Aus
den Knappen sucht sich Titurel 200 Sckildgefiihrten aus, mit denen
er erst am See Brubane, dann auf dem Hofe der Gralburg fur-
niert (cf. P. 227, 8 — 16).
Als der Bischof, der einst Titurels Schwert eingesegnet hatte
(A. D.), das Paar getraut hat, liegen sie die ersten beiden Nächte,
ohne Gemeinschaft zu pflegen (Nachahmung von Parz. 201, 19 —
203, 10. Parzival und Condwiramurs). Nach 20 Jahren stirbt Ri-
choude, nachdem sie ihrem Gemahl 12 Kinder geboren hat, von
denen aber merkwürdiger Weise alle ausser Frimutel und Richoude
früh gestorben sind (cf. str. 565 —567); sie kamen eben nachher
überhaupt nicht mehr vor. Um die junge Richoude wirbt Gailet
(cf. P. 84.10—11), der Sohn des Königs Laeo von Kastelrote
(= Castilien cf. Tit. 1713. 1987. 2110); mit ihrer Hand erhält er
Spanien und die Oberherrschaft über 5 spanische Könige.
Dass hier überall spanische Namen mit dem Gralgeschlechte
in Verbindung gebracht werden, liegt sicherlich nicht daran , dass
die Gralsage zuerst auf spanischem Boden entstanden ist. Bei Wolf-
ram erscheint nur Katelcmgcn in dieser Verbindung, obwohl nicht
so eng wie die oben erwähnten Länder mit dem Grale verknüpft.
Für Albrecht genügt es aber wohl, darauf hinzuweisen, dass er sich
ja Terre de Salveesche selbst in Galizien (in Spanien) denkt (cf.
*) Unmittelbar an die Schilderung des Oraltempels (nach str. 415 II.) sehliessen
sich 42 nur in der Recension TI überlieferte Strophen , die von Zamcke (Gral-
tempel 378) „Marienloh“ genannt werden. Sie enthalten den I’lan zu einem Tem-
pel für die Jungfrau Maria, der in der ungeheuerlichsten Uebertrcibung die Formen
des Graltempels wiedergeben soll. Kine mystische Ausdeutung dieses Marien-
tempels und eine kurze Verherrlichung der hl. Jungfrau bcscliliesst diese Stropben-
reihe , als deren Quelle Zarncke (a. a. 0. pag. 499) die ersten 60 Strophen der
von Pfeiffer in der Zs. 8, 276 ff. herausgegebenen Mariengrussc naebgowiesen hat
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— 13
str. 306) ; so lag es ihm am nächsten, die übrigen spanischen Reiche
mit dem Gr alge schlechte genealogisch zu verbinden.
Wir hören gleich darauf (448), dass Titurel auch noch den
König von Granat de Grassien (= Granada) bezwingt und zum
Christentume bekehrt. Dessen Tochter Clarisse giebt er seinem
ältesten Sohne, dem Frimutel, zur Gemahlin. Sie gebiert dem Fri-
mutel 2 Söhne und 3 Töchter. Als die jüngste Tochter noch mit
Puppen spielt, stirbt Clarisse und wird ebenso prächtig bestattet,
wie einst Richoude. Der alte Titurel aber verliert durch diesen
zweiten Verlust seine letzte Kraft, und kann jetzt nur noch durch
seine weisen Ratschlage helfen.
Damit haben wir den Anschluss an das 1. Fragment Wolframs
erreicht, das uns den Titurel eben als solchen weisen Ratgeber
einführt. Mit str. 476 beginnen die von Albrecht überarbeiteten
echten Strophen Wolframs.
Cap. V — VII. (sfr. 476—780 II.) Cap. V — VII des Titurel
werden von dem ersten , grösseren Teile von W olframs Titurel
ausgefüllt. Von der 14. Strophe Wolframs ab (= jg. Tit. str. 631 H.)
folgt Albrecht Strophe für Strophe dem Fragmente Wolframs und
begnügt sich einige paraphrasierende Strophen einzufügen. Bis
dahin aber hat Albrecht die Wolframschen Strophen, ohne Rück-
sicht auf ihre Folge im ältern Titurel, in freier Weise seinen
breitaugelegten Ausführungen eingewebt. Wir müssen also str.
476— 630 des Titurel auf die selbstständigen Zuthaten Albrechts
hin untersuchen.
ln Anknüpfung an die beiden ersten Strophen W olframs wird
Titurel eingeführt, wie er die Jugend des Grals über den Dienst
und die Bedeutung des Heiligtums belehrt. Eine ausgeführte
mystische Ausdeutung des Graltempels*), die allen Einzelheiten
des gewaltigen Baues gewissenhaft folgt, hat der Dichter in diese
Lehren Titurels eingelegt, sonst erfahren wir über das Wesen des
Grals kaum etwas Neues. Es heisst von ihm, dass er nur den
Getauften sichtbar ist (503, cf. Parz. 813, 17 — 22) und dass er
sein Ingesinde mit Speise und Trank versieht. Von den Tempieisen
hören wir str. 555 — 556, dass sie nur an 4 Tagen des Jahres
ruhen von ihren fortwährenden Kämpfen ira Dienste des Grals,
nämlich an dem Tage der Geburt Christi, seines Todes, seiner
Auferstehung und der Ausgiessung des hl. Geistes (cf. A. D.).
Den Beschluss von Cap. V (= str. 660 — 568) machen Klagen
Titurels über den Tod Richaudens und Clarissens.
*) Herausgegeben von Zarncke a. a. 0. 523—653.
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14
Mit str. B75 setzt ein neues Bild ein : Eine Schrift am Grale
verkündet, dass Frimutel Gralkönig werden und Schoisiane, Fri-
mutels älteste Tochter , den Gral tragen solle (cf. W. Tit. 24, 4) ;
eine fernere Verkündigung des Grals gicbt an, dass ein jeder, der
den Gral ansehc, eine Woche lang vor dem Tode bewahrt bleibe
(cf. P. 480. 787 — 88). Der Tag, an dem Frimutel die Gralkrone
empfangt, wird durch ein grosses Mal gefeiert, bei dem zum ersten
Male der Gral von Schoisiane getragen wird. An diesem Tage
belehrt nun Titurel noch einmal seinen Sohn und dessen Sohn
Anfortas über des gniles Orden und die Pflichten des Gralkönigs.
Titurel hat nämlich schon früher am Grale gelesen, dass Frimutel
und Amfortas einst durch wcrdcr trifte tu in ne an ihrem Leibe Scha-
den erleiden werden (str. 572). So giebt ihnen denn Titurel eine
vollständige Satzung des Grales, die Frimutel jede Woche einmal
den Gralrittern vorlesen soll (str. 606) , wie der Priester den
christlichen Glauben. Im Anschluss an Parz. 502, 7 — 22 wird
besonders der priesterliclie Charakter des Gralkönigtnms betont,
indem alle Verordnungen des Grales auf das Verhältnis des Prie-
sters zur Kirche ausgedeutet werden. Dem Könige des Grales
allein ist es erlaubt, ein Weib zu haben, alle übrigen Gralritter
müssen ledig bleiben (Parz. 495, 9 — 10). Wer den Gral ansieht
und dabei an minne denke , der wird , wenn es statiu, minne war,
an dem Tage im Streite verwundet werden, nach 8 Tagen aber
wieder gesund sein (613). War es aber unilxch unkiusch, an
die er gedacht hat, so wird er zum Tode verwundet werden
(613 a = A. D. VI, 50).
Diese spitzfindigen Bestimmungen finden sich bei Wolfram
nicht, sie sind von Albrecht aus dem Geschicke des Anfortas abs-
trahiert worden, zumal die erste Bestimmung sich überhaupt nur
auf den jedesmaligen Gralkönig anwenden lässt*).
Endlich hören wir noch (str. 614), dass ein Ritter erst dann
mit Sren Tempieis geworden ist, wenn der Gral sich vor ihm
neigt. Diese Verschärfung in der Berufung der Gralritter ist
auch erst von Albrecht hinzugefügt worden, wir hören an keiner
andern Stelle des Titurel davon : sie ist wohl, ebenso wie die oben
erwähnten Verschärfungen des Verbots der Minne für die Teraplei-
sen, aus dem Bestreben Albrechts hervorgegangen, die Satzungen
der Gralbrüderschaft auch in ihren Einzelheiten zu fixieren.
Hiermit sind wir an der Stelle angelangt, wo die einfache
getreue Einfügung der Wolframschen Strophen beginnt.
*) Vergl. auch P. 468, 28 -30. 492, 10.
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15 —
Abschnitt II: Gamurct.
Cap. VIII. {str. 781 — 1087 11.) Mit Cap. VII. sind wir in den
ersten Hauptteil des Titurel eingetreten, der Schionatulanders und
Sigunes Heranwachsen behandelt. Der ritterliche Held dieses Teiles
ist Gamuret, ihm ist nun vor allem das 8. Cap. gewidmet. Das-
selbe erzählt von Gamurets 2. Zuge zum Baruch nach Baldac, sei-
nem tapfern Streiten daselbst und seinem Tode. Angefügt wird die
Erzählung von Parzivals Geburt, die der Darstellung in Wolframs
Parzival (Buch II) durchaus parallel läuft. Gamurets Zug nach
Baldac und sein Tod wird bei Wolfram im Parz. 101,21 — 102,22
und 105,13 — 108,28 kurz und im Tit. str. 73 — 82 noch kürzer
berichtet. Albrecht hat auch hier wieder aus den Worten und
Andeutungen Wolframs seine ausführliche Erzählung zusammen-
geklaubt. Dazu tritt dann aber die gelehrte Combination unseres
Dichters, mit der er vor allem den Baruch und die ganzen orienta-
lischen Verhältnisse behandelt hat. Ueber diesen Punkt müssen
wir zunächst einige Bemerkungen*) vorausschicken, ehe wir den
Inhalt unseres Capitels durchmustern.
Wolfram giebt uns im Parzival und Titurel nur an einer
Stelle nähere Auskunft über die Macht und die Verhältnisse des
Baruchs von Baldac, nämlich Parz. 13, 16 — 14, 2. An dieser Stelle
spricht Wolfram besonders von der geistlichen Macht des Ba-
ruchs, die ausführlich (13, 25—14, 2) beschrieben und der Macht des
Papstes gleichgesetzt wird. Zwar heisst es vom Baruch auch, viele
gekrönte Könige seien ihm unterthan, und seine Macht erstrecke
sich über */» der Erde oder mehr; aber von einer besonderen welt-
lichen Würde des Baruchs, die der Stellung des römischen
Kaisers gleichgestellt würde, ist im Parz. und W. Tit. keine Rede.
Ganz anders tritt der Baruch bei Albrecht auf. Im Titurel
verkörpern sich im Baruch Ackerin die höchste geistliche u n d die
höchste weltliche Macht des Heidentums ; die eine findet ihren
Ausdruck im baruch - Amte , die andere im Titel des atmcr&tes.
Dieses Hervortreten der weltlichen Würde des Baruchs im Titurel
wird uns sofort erklärlich , wenn wir merken , dass der Baruch
Ackerin des Titurel eigentlich kein anderer ist als der König
Terramer aus Wolframs Willehalm. Wir kommen hier an die
Stelle, wo der Einfluss dieses 3. Wolframschen Epos aufAlbrechts
Titurel unverkennbar zu Tage tritt. Albrecht führt uns selbst
auf diesen Zusammenhang seines Gedichtes mit dem Willehalm, Tit.
*) Dieselben gelten natürlich sogleich auch für die Cap. XXII — XXIX des
Titurel, Schionatulanders grossen Zug in den Orient.
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16
str. 2836 — 2841 , wo das Geschlecht des Baruchs bis auf König
Terramer, den Vater der Kyburc, hinabverfolgt wird. Es heisst
str. 2841 , zwischen den Kämpfen des Baruchs Ackerin mit den
Babyloniern und dem Kampfe Terramers auf Alitschanz sei ein
Zwischenraum von dritthalb hundert Jahren ; die Schlacht bei Ali-
tschanz habe zur Zeit Karls des Grossen stattgefunden , während
die Kämpfe Schionatulanders beim Baruch Ackerin zu Lebzeiten des
Königs Artus sich abgespielt hätten*).
Terramer hat das höchste weltliche Amt der Heidenschaft
inne, das durchaus dem römischen Kaisertum gleichgestellt wird,
cf. Wh. 434, 1—18**).
Nur selten wird daneben im Wh. der bäruc als Inhaber der
höchsten geistlichen Würde der heidenschaft genannt, cf. Wh.
217,23. Albrecht vereinigt also in seinem bflrucli
Ackerin den bäruc des Parz. und Wh. mit demTerra-
märdesWh. — Aus Willehalm einfach herübergenommen sind
ferner die Namen der 9 Kernländer Ackerins, Tit. 3627 Happe,
Sintine, Gorgane, Lupine, Gordes , Bote, Tenabri, Montespire und Sc-
mclci = Wh. 34, 11 ff.
Mit grosser Naivität rechtfertigt Albrecht (str. 2838 — 40) sein
Verfahren bei der Aufzählung der Streitkräfte und Unterkönige
des Baruchs (cf. Cap. XXIV), wo er die meisten Ländernamen aus
dem Willehalm zusammcngestellt hat , während er die Personen-
namen alle frei erfindet. — Die Götter, zu denen der Baruch betet,
sind die Terramers, vor allem der Gott Kahun, den sowohl Terra-
mer wie Ackerin in ihrem Wappen führen (Tit. 3645 f'. 4132 =
Wh. 441, 6 — 7. 12—18). Die Fürsten und Officiere des Baruchs
(und dann auch der Babilonier) heissen ameeiere, csceliere und eme-
räle, wie im Willehalm die Terramers. — Wie Terramer (Wh. 353,
*) Wir werden durch diese Kerechnung Albrecbts wiederum auf die Zeit von
500 — 550 als Regierungszeit des Königs Artus hingeführt, cf. pag. 8.
**) Ute er den keiserlichen tut men hat, den die beiden neu »ent admirät,
derst ouch vogt :e lialdac. Tetramer der beider pftac,
er w äs vogt und admirät. seht trnz man rcemschem heiser lüt
te Körne an riemscher phahtc straz anderr kröne sint geicorht,
die üf getouften houbten sint, ir aller kraft gein dirre ein wint
ist: sine mugens et niht getuon. als het der Kanabäus suon
heehe übr alle dheidenschaft beidiu ton arde und ouch von kraft.
Io Erinnerung an diese Stelle des Wh., heisst es im Tit. str. Slüö , & — 7 von
Ackerin :
als der von rcemischem rieht
Mit zepter kröne enphähet: sust Uhrt sie atmerät ouch werdidiche
und der Titel vogt ze lialdac ist dem Tit.-l)ichtcr ganz geläufig.
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17
15 — 358, 7), wird auch Ackcrin von 8 eigens hierzu belehnten Kö-
nigen gewappnet, von denen jeder ihm ein Stück seiner Rüstung
darreicht (str. 871 cf. 3628). — Wie Terramers Ross (Wh. 436, 3.
Brahäne cf. Tit. 1220, 7), so wird auch das des Baruchs besonders
bonanut: Tit. 3443, 4 Balligrice.
Dann ist der Baruch Ackerin von Albrecht nach dem Muster
des Terramer mit einer ganzen Schar von Verwandten umgeben
worden, die meistenteils als Anführer der verschiedenen Heeres-
abteilungen des Baruchs verwandt werden, wie im W'illehalm cf.
Tit. 3169, 1 — 2. 3173. 3182 f. 3193 f. Des Baruchs Gemahlin ist
die Atmerinne Clarissilie (str. 2804, 1—2), ihre Tochter heisst Areste
(3173 , 5. 3175, 5). Der Sohn des Baruchs , Pardigrun (2835, 5.
3131, 1. 3940, 1), ist noch jung und wird deshalb der huote von
Ackerins Brudersohn Essemerell von Mecka anvertraut (str. 3129,
7 ff. 3862, 1-2; cf. Wh. 29, 13-30, 20).
Der Name des Baruchs selber findet sich bei Wolfram im Ti-
turel 40, 2 , wo es in G allein heisst : zuo dem bäruc Alikarlne,
während H und die überarbeitete Strophe im jg. Titurel ec (gein)
Alexandrine lesen. Aus dieser Stelle kann also Albrecht den Namen
des Baruchs nicht entnommen haben, vielmehr stammt er ebenfalls
aus dem Willehalm, wo er in einer Anspielung auf den Stoff des
Parzival und Titurel genannt wird Wh. 45, 16:
äne Feireße Anschevin
mit den bäruc Ahkerin,
ob der icäpen solde tragen,
von beiden hört ich nie gesogen,
der pris so witen rncre bei.
Im jg. Titurel heisst der Baruch durchweg Ackcrin oder Akerin,
niemals Ahkerin ; aber auch an der Wh. -Stelle ist die Form Ahkerin
nur eine Conjectur Lachmanns , die sich auf die eben erwähnte
Stelle in W. Tit. stützt. Dass auch Wh. 45, 16 nicht Ahkerin,
sondern Akarin oder Akerin zu lesen ist, ergiebt sich nicht nur
aus den Lesarten der Handschriften an dieser Stelle *), sondern vor
allem auch aus denjenigen Stellen des Willchalm, wo der gleichna-
mige Nachkomme des Baruchs Ackerin, der König Akarin von
Marroch , erwähnt wird; cf. Wh. 73, 19 ff. 96, 7. 236, 19. 357, 1.
Überall lesen hier die Handschriften entweder Akarin Akkarin
oder Ackerin , niemals die Formen mit h, die auch Lacbmann bei
diesem Könige von Marroch niemals in den Text setzt. Da der
Dichter aber die Geschlechtsgemeinschaft der beiden Akarine selbst
*) K hat Itarkerin, lopt Akerin, mn Akkarin.
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angiebt, ist es kaum erlaubt, den Namen des Barucks Wb. 45, 16
gegen jede Überlieferung als Ahker'm anzusetzen , wie Lacbmann
es thut.
Das Land des Akarin von Marroch aus dem Willebalm nimmt
übrigens Albrecbt, mit lcicbt erklärlicher Combination, ebenfalls
für den Stammvater in Anspruch, und so haben wir denn das wun-
derbare Schauspiel , dass Baldac die Hauptstadt der Marroeheise
wird , die unter ihrem Baruch und Atmerate Aekerin gegen die
Babilonier zu Felde ziehen, die wiederum ursprünglich nicht die
eigentlichen Babilonier, sondern die Mannen der Könige des ägyp-
tischen Babylon sind*).
Die Angabo Wolframs (Pz. 13, 18 — 19), dass dem Baruch
der erde untertan diu eicei teil seien, findet sich bei Albrecbt
nicht. Dieser hat vielmehr eine feststehnde (wohl aus theologischer
Gelehrsamkeit herstammende) Anschauung von den Besitzverhält-
nissen der grossen Reiche dieser Welt. Die ganze Oekuinene zer-
fällt ihm in 4 grosse Teile (cf. Tit. 3242 — 3243,2): das erste
Viertel gehört dem Könige von Egypten, das zweite den beiden
babylonischen Brüdern , das 3. dem Baruch von Baldac und das
4. dem römischen Reiche.
Neben dieser Einteilung steht eine offenbar theologische Ein-
teilung der Heidenschaft in 3 grosse Sekten, die Albrecbt str. 800
— 807 vorbringt: Die von Egyptenlande haben ein Meerwunder
(wahrscheinlich ist das Krokodill gemeint) als ihren Gott, die
Kriechen Iden an das vihe und an die Hute und an nmnigiu ticr, diu
tcilde loufent , und die von Babylon beten die Sonne an. Ganz
dieselbe Einteilung der Heidenschaft findet sich bei Rudolf von
Ems im Barlaam und Josaphat p. 232, 37 ff. Vergleichen wir hier-
mit die politische Einteilung, die Albrecbt 3242 — 43 giebt, so ist das
erste in der Reihe beide Male Egypten; str. 3242 erscheint es sehr
auffallend, da wir gleich darauf hören, dass Neptagint von Egypten
nur ein Lehnsträger der babylonischen Brüder ist. In Albreckts
Epos war für eine 3. orientalische Grossmacht kein Raum mehr,
*) Diese mannigfachen , sich vielfach kreuzeudeu Beziehungen der Namon er-
schweren die LectUre und das Verständuis des Titurel in hohem Masse, sie zeigen
uns andrerseits aber auch am deutlichsten die Arbeitsweise des gelehrten Dich-
ters. Die Unmenge der Kamen von Ländern und Personen lässt sich zu einigen
wenigen grossen Gruppen vereinigen, deren jede wir nach ihrem vollständigen Um-
fange zu bestimmen haben. Dann werden wir zwischen diesen verschiedenen
Gruppen kaum einen Widerspruch finden und überall die anordneude Hand AI-
breebts herausfühlen ; wir werden auf diesem Wege auch um ersten zu Albrechts
Quellen für diese Kamen gelangen.
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so musste Egypten, das Albrecht in seiner Quelle vorfand , einer
der beiden anderen untergeordnet werden. An zweiter Stelle er-
scheinen str. 802 die Kriechen, str. 3242 die babylonischen Brüder.
Albrecht hat auch diese Gleichsetzung, die uns auf den ersten
Blick befremdlich erscheint, durebgeführt ; die Leute des Ipoinidon
und Pompeius werden ganz beliebig bald Babylönc , bald Kriechen
genannt. Die 3. Sekte der Heidenschaft sind die von Babylönc, die
aber nach Albrechts Worten (Tit. 804) wiederum durchaus mit
den Babyloniern des Ipomidon idontificiert werden müssen. Danach
bleibt für die Baldakö ne, die Leute des Baruchs, gar kein Kaum
mehr, und doch sagt Albrecht Tit. 807, der Baruch besitze dae
gröste der drlcr stücke teile. Wir sehen also , Albrecht hat die po-
litische und die religiöse Einteilung der Heidenschaft nicht mit ein-
ander in Einklang bringen können, somit werden die str. 800 — 807, 2
eine einfache Nachahmung der erwähnten Stelle des Barlaam sein,
für die Verhältnisse des Titurel haben sie weiter keine Geltung,
da gilt allein die Einteilung str. 3242 f.
Haben wir so dargelegt, in welcher Weise Albrecht die über-
lieferten Motive für die Ausgestaltung der Verhältnisse des Ba-
ruchs verwandt hat, so bleibt uns jetzt noch dasjenige übrig, was
wir Albrechts freier Erfindung zuschreiben müssen. Ich meine die
Vorgeschichte des Geschlechtes des Baruchs Ackerin, Tit. str.
2829—2834.
Der Vater des Baruchs hiess Karfidun, dessen Vater Lar-
dentze, die Aufzählung der weiteren Vorfahren schenkt sich Al-
brecht (2834) mit einer humoristischen Wendung im Stile Wolframs.
Nur den Stammvater des Geschlechtes giebt er noch an 2829, 5:
Von Asstcero was stn frtiht entsprungen , der zuerst seinem Ge-
schlechte die eteei gerillte über alle heidcnschaft erwarb (2833, 1 — 4).
Das übrige Stück dieses Berichts ist nichts als eine wörtliche
Übersetzung einiger Verse des 1. Cap. des Buches Esther *). Also
ausser zwei Namen nichts als biblische Reminiscenzcn.
Von den babylonischen Brüdern erfahren wir aus Wol-
fram etwas mehr als über den Baruch. P. 101, 25 — 102, 14 giebt
*) Ich fahre sie hier nach dem Texte der Vulgata an:
Cap. I, 1. In diebus Assueri, qui regnavit ab India usque Aethiopiam super
centum viginti septem provincias.
v. S. Tertio igitur anno imperii sui fecit grande convivium cunctis principibus.
v. 4. ut ostenderet divitias gloriae regni sui, ac magnitudinem , atque iac-
tantiam potentiae suae, raulto tempore, centum ridclicet et octoginta diebus.
v. 7. Bibebant autem, qui inritati erant aureis poculis, et aliis atque aliis
yasis cibi inferebantur.
2 *
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Wolfram Auskunft über das Geschlecht des Ipomidon und Pompeius.
Ihr Mutterbruder war der bekannte König Nobcbodonosar ; der
Stammvater ihres Geschlechtes Ninus, der Ninive gegründet hatte,
lange bevor Baldac erbaut wurde. Der Pompeius, der einst vor
Caesar floh , hat mit diesem Geschleckte nichts zu thun. Charak-
terisiert wird Pompeius von Wolfram als ein stote werder man
Pz. 102, 1 ; und 102, 14 heisst es von den beiden Brüdern „in tet
schade und lastcr tce u . Es fehlt also jede tadelnde Beimischung, Pom-
peius und Ipomidon sind so gnt wie Gahmuret ritterliche Könige,
die nur deshalb , weil sic dem Haupthelden feindlich gegenüber-
stehn, nicht unsere volle Sympathie haben.
In Albreckts Titurel dagegen verkörpert sich in den beiden
babylonischen Brüdern die ganze Schlechtigkeit und Hassenswür-
digkeit des Heidentums, die in Wolframs Parzival und Titurel gar
keine Statt hat , denn der eigentlichen Gralsagc liegt der ausge-
sprochene Gegensatz des Heidentums ganz fern, der Gral ist Heiden
und Christen, soweit sie nicht auserkoren sind, gleich unerreich-
bar. Dagegen im Willehalm , der dem kerlingischen Sagenkreise
angehört, beruht die ganze Kabel auf dem unüberbrückbaren Gegen-
sätze und erbitterten Kampfe der Christen und der Saracenen.
Ganz dieselbe Stimmung beherrscht den jg. Titurel , nur sind die
Köllen so verteilt, dass die wilden Kriechen die Rolle der stets
zu bekämpfenden Saracenen übernommen haben, während die Bal-
dakone mit den Christen auf ein und derselben Seite stehn ; nur
durch gelegentliche fromme Stossseufzer des Dichters werden wir
einmal daran erinnert, dass eigentlich ja auch die Baldakone alle
Kinder der Hülle sind. Es ist bei dieser Lago der Dinge ganz
verkehrt, Albrechts Auffassung des Verhältnisses zwischen Christen-
tum und Heidentum einer strengeren kirchlichen Richtung des
Dichters in die Schuhe zu schieben, und ihn in einen starken Ge-
gensatz zu Wolfram zu stellen , wie Sau-Marte *) es thut. Wir
haben auch hierin nur die Abhängigkeit Albrechts von Wolfram
zu constatieren, aber diesmal nicht vom Parzival und Titurel, son-
dern vom Willehalm.
Der König Terramer des Willehalm ist, wie wir gesehen ha-
ben , das Urbild des Baruchs Ackerin in Albrechts Titurel ge-
worden; die gesamten äusseren Verhältnisse Terramers sind
einfach auf Ackerin übertragen worden, aber die Charakteristik
der Person Terramers selber konnte Albrecht für Ackerin durch-
aus nicht brauchen. Terramer ist das Oberhaupt der gesamten,
*} Germ. 8, 421—461.
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21
gegen das christliche Oransche herangezogenen Heidenschaft j für
den christlichen Legendenschreiber, der zuerst die Thaten des hl.
Willehalm aufzeichnete, verkörperte sich also in ihm die ganze
höllische Gewalt und Macht des Herrschers der Kinder des Satans.
So wird denn Terramer dargestellt als ein stolzer hoehfabrender
Herrscher, der in blindem Vertrauen auf die unermessliche Zahl
seiner Hülfstruppen und Reichtümer das ganze christliche Abend-
land mit leichter Mühe zu bezwingen gedenkt, aber durch die
Macht des Höchsten von seiner stolzen Höhe in den Staub ge-
schmettert wird. Diese Charakteristik passte für den christen-
freundlichen, uns sympathischen Baruch Ackerin , der den toten
Gahrnuret prächtig bestatten und ihm ein Kreuz nach Christensitte
aufs Grab setzen lässt, nun allerdings wenig. Albrecht hat sich
da so geholfen, dass er diese Seite Terramers für die Schilderung
der babylonischen Brüder verwandte. Man muss zugestehn, dass
der Baruch Ackerin auf diese Weise eine recht farblose Figur
geblieben ist, deren persönliche Charaktereigenschaften nur wenig
ausgeführt werden. In seinem Auftreten gleicht er dem mass-
vollen, ritterlichen und höfischen König Artus; was dessen Hof
für die abendländische Ritterschaft bedeutet, ist Ackerins Hof
für die gutgesinnten Elemente der Heidenschaft. In diesem Sinne
ist die Bemerkung von Rosenkranz*) „Baruch Ackerin parodiert
den Artus“ richtig.
Für seine Charakteristik der babylonischen Brüder musste
Albrecht der Zug sehr willkommen sein, den Wolfram (Parz. 102,
4 — 7) von ihrem Oheim , dem bekannten Könige Nobchodonosar,
anführt. Die Geschichte dieses aus dem Buche Daniel bekannten
Königs, „der an triigelichcn buoeben las, er solle selbe sin ein got “,
wird von Albrecht in Ausführung der Parzivalstelle erzählt
str. 791 — 794. Seine Hochfahrt hat sich auf alle Könige von
Kaldea vererbt , so begehren auch Ipomidon und Pompeius gött-
licher Ehren (Tit. 790 und später sehr oft). Von den beiden
Brüdern tritt Pompeius im Titurel bei weitem hinter dem bedeu-
tenderen Ipomidon, dem Besieger Gahmurets, zurück. Hätte Al-
brecht nicht beide Brüder in der Überlieferung vorgefunden, er
hätte sie sicher nicht erfunden , vergisst er sie doch auch so nur
zu oft. Ipomidon ist stets die treibende Kraft, ihm wird daher
auch der Zug in den Mund gelegt , der uns am deutlichsten die
Gleichsetzung der Persönlichkeit Terramers und der babylonischen
Könige beweist. In dem Kriegsrat, den Terramer kurz vor der
*) Titurel und Dantes Komoedio pg. 73.
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Ankunft des christlichen Entsatzheeres vor Oransche beruft, ent-
wirft er die weitgehendsten Pläne zur gänzlichen Bewältigung der
Christenheit. Es heisst da (Wh. 340, 2 ff.) : (wenn er erst Oransche
und Paris erobert habe,)
darnach si fiirbaz weiten
Uf die kristenheit durch räche.
Tcrramer den stuol dä zAche
wolt besitz n unt dan ze Home varn.
9 — 11. sus wold er rcemsche kröne
vor sinen goten schöne
und vor der heidenschefte tragen.
cf. Wb. 460, 21-26.
Ganz dieselben Absichten zeigt Ipomidon fast mit denselben
Worten an Tit. 3244.8 — 3245,7.
Wolfram begründet den Anspruch Terramers auf das römische
Reich ausführlich Wh. 338, 26—339, 1 :
üf raemisch kröne sprich ich sus:
der edele Pompeius
von des gesläht ich bin erborn,
( ich enh&n die vorderung nicht vlorn)
der wart von rcentscher kröne vertribn.
zunrehte ist manec künc belibn
dä sit üf tninem erbe.
Albrecht nimmt den Kern dieser Begründung mit hinüber,
(Tit. 3243, 3—6), aber die nähere Ausführung Wolframs lässt er
weg, weil Wolfram ja an der Parzivalstelle (102, 2—3) die Ver-
wandtschaft des alten Römers Pompeius mit dem Pompeius von
Babilon ausdrücklich verwirft. Dadurch wird aber die Begründung
von Ipomidons Anspruch im Titurel unklar und unverständlich.
Für die weitere Ausgestaltung der Verhältnisse der babylo-
nischen Brüder fällt das Vorbild Terramers fort, denn wie wir
gesehen haben, war ja für alle diese Dinge bereits der Baruch
Ackerin an die Stelle Terramers getreten. Wir erkennen aber
leicht auch hier Albrechts Arbeitsmethode. Er bedient sich hier
sehr reichlich des Hülfsmittels der Paralleldarstellung, und zwar
in der Weise, dass alle Verhältnisse des Baruchs in vergrössertem
Massstabe bei den babylonischen Brüdern wiederkehren. Während
z. B. dem Baruch von 8 Königen seine Rüstung gereicht wird,
von denen ein jeder ein Königreich dafür als Lehen trägt, be-
stellen sich die babylonischen Brüder ein jeder 10 Könige dazu,
deren jedem sie 2 Lande dafür als Lehen geben (str. 876). In dem
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spateren gewaltigen Kampfe der beiden orientalischen Grossmächte,
der der Verherrlichung Schionatulanders zur Grundlage dient, ist
das Heer der Babylonier dreimal so gross, wie das des Baruchs.
Der Dichter kann sich nicht genug thun in der Hervorhebung der
unermesslichen Zahl der Länder und Hülfstruppen , die dem Auf-
gebote Ipomidons gefolgt sind.
Ueber die unzähligen Reiche der Babylonier belehrt Albreckt
uns str. 3371 — 3374:
130 Kronen sind ihnen von reht tif gerbet (3374, 1 — 2).
72 Kronen*) haben sie sich dazu erstritten (3374,3—4).
Das sind im ganzen 202 Kronen (3373, 1—2). Davon hat ihnen
der Baruch 7 Kronen durch die Eroberung Syriens entrissen
(3372, B— 7; cf. str. 796 ff.).
Die 6 Kernlande des Ipomidon und Pompeius, die den 9 Landen
des Baruchs entsprechen, werden zweimal aufgezählt, Tit.819 u.3377:
1) Kaldea. 2) Scmmiar ( Sennaux 819 H.). 3) Mesepot. 4) Sicilje
(= Kriechen 3377). 5) Samarene ( Lamarcne 819 H.). 6) Sabri-
tene (= Snbristene 3377 H. ; Subritene 3377 A. D.).
Kaldea, Mcsepot sind klar; Sicilje entspricht Kriechen ; das 5.
ist Samarene = Samaria; das zweite Land ist ohne Zweifel die
terra Sennaar der Genesis, der alte Name für das Land Babel (cf.
Genesis X, 10; XI, 2 (8—9); Daniel 1,2). Djs 6. Land endlich,
Sabritene, hängt wohl zusammen mit Sahara (al. Sabathra, auch
Sabratha) , der Hauptstadt des glückseligen Arabiens (cf. Zedlers
Univ.-Lex. , Bd. 43, pag. 44 und 135). Wir ersehen aus dieser
Aufzählung mit vollster Deutlichkeit, dass sich Albreckt unter
dem Babylon des Ipomidon und Pompeius die Hauptstadt des
eigentlichen Babyloniens vorgestellt hat. Fünf der aufgezählten
Länder liegen in Babylonien und in der Nachbarschaft desselben;
das sechste, Kriechen ( Sicilje ) hat Albreckt hinzugefügt, in conse-
qnenter Befolgung der oben erwähnten Gleichsetzung der heidni-
schen Griechen mit den Unterthanen der babylonischen Brüder.
Ursprünglich ist natürlich das egyptische Babylon (= Kahira)
hier gemeint gewesen, das zeigt die Erwähnung von Alexandrien
(Pz. 18, 14; 106, 11), aber schon bei Wolfram ist dies Verhältnis
verdunkelt, indem Ninive das Streitobjekt der beiden Mächte
bildet. —
Ninive, das einst Ninus, der Ahnherr des Ipomidon und Pom-
*) Die 72 Kronen (3374) sind wohl die der Könige aus der wüsten Babiionie,
die Tit. 820 aufgefübrt werden ; sie sind aus der volksepischen Dichtung bekannt,
(s. B. Orendel 400-402. 2522—2524. 3811—13. 8377-79. 3638-39).
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peius gegründet hatte (Pz. 102, 11 — 13), war also die Veranlas-
sung der Kämpfe, die zwischen den beiden eben geschilderten
Grossmächten des Orients stattgefunden hatten. Darüber berichtet
uns Wolfram kurz an zwei Stellen: Parz. 14, 3 — 6:
Zwen bruoder von Babilbn,
Fompeius und Ipontidön
den nam der bäruc Ninive
(das was al ir vordem e).
und Parz. 102, 16— 18.
In diese Kämpfe kommt Gahmuret hinein , als er nach dem
Tode seines Vaters Gandin auf Ritterschaft auszieht (cf. Parz. 13 ff.).
Im Dienste des Baruchs verhilft er diesem zum Siege; besonders
zeichnet er sich im Kampfe vor Alexandrie aus, (Parz. 18, 14 — 16),
wo er den feindlichen König Ipomidon selber hinters Ros3 sticht
(Parz. 106, 7—11*)).
Lange Zeit hindurch bleibt der Baruch in ungestörtem Besitze
Ninives; Gahmuret erwirbt unterdessen Belakane und nachher Her-
zeloyde, mit der er den Parzival erzeugt. Ihres Besitzes aber
hat er sich noch nicht lange erfreut, da erhält er die Nachricht,
dass der Baruch von den babylonischen Brüdern mit einem starken
Heere angegriffen sei. Sofort schifft er sich ein und eilt dem
Baruch zu Hülfe.
Hier setzt nun das 8. Capitel des Titurel ein (str. 781 H.):
Str. 782 — 785 sind nichts als eine Paraphrase der Verse Wol-
frams Parz. 102,20 —22. Gamuret kommt nach Baldac und wird
mit grosser Freude empfangen ; er findet den Baruch gerüstet.
Dann lässt Albrecht dem Gamuret durch einen alten Ritter
eine ausführliche Schilderung der Streitigkeiten um Ninive geben,
die den Kampf des Baruchs mit den Babyloniern herbeigeführt
haben. Albrecht verarbeitet in diesen Bericht zunächst die beiden
oben angeführten Stellen des Parzival über die Kämpfe um Ninive,
fügt sodann die Geschichte von Nobchodonosar nach Wolfram ein
und schliesst mit einer ausführlichen, frei erfundenen Erzählung,
in der er den Verlust Ninives näher motiviert (str. 796 ff.)**).
Albrecht vergisst bei der Einfügung dieses Berichtes ganz , dass
*) Wo Albrecht, seinen häufigen Anspielungen nach zu schliessen (Tit. 788, 4.
8354—55. 2918), nicht die Lesart der von Lachmann bevorzugten Hs. D(g) vor
sieb gehabt hat, sondern die der übrigen Hss.
**) Das Feld Rakkaic (str. 824), den Sammelplatz der Babilonier, hat Albrecht
aus dem Buche Judith cap. I, 6 j es ist da das Schlachtfeld des Nabuchodonosar
und Arphaxad.
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Gamuret ja schon früher einmal bei dem Baruch in Baldac gewesen
ist und dort die Geschichte des Abfalls von Ninive erfahren haben
muss, denn nach P. 14, 5 liegt dieses Ereignis schon vor dem
ersten Aufenthalte Gamurets in Baldac.
Die nun folgende Beschreibung der Kämpfe vor Baldac (str.
842 ff.) ist ganz Albrcchts Eigentum; sie entbehrt der originellen
Züge und hat keinen andern Zweck , als wieder und wieder Ga-
murets Heldenthaten hervorzuheben. Gamurets Preis überstrahlt
jetzt noch den des Baruchs, der al3 der höchste in der ganzen
Heidenschaft galt (str. 858 nach Wh. 45, 15 — 22). Erst mit dem
6. Schlachttage bekommen wir wieder festen Boden unter die
Füsse. Der Dichter kommt jetzt (str. 911) zu Gamurets letztem
Kampfe, seinem Tode und seiner Bestattung. Albrecht folgt in
dieser Partie genau dem Botenberichte Parz. 105, 13 — 108, 29,
den er paraphrasiert; wir haben nur die kleinen Abweichungen
in Einzelheiten kurz aufzuführen: str. 914 ist aus dem Ritter
(P. 105, 18) ein alt wise beiden geworden ; als derselbe das Glas
mit dem Bocksblute auf dem Helm Gamurets zerschlagen hat, wird
er sofort von Gamuret getötet. Bei Wolfram findet sich nichts
von einer Tjost Gamurets und des Heiden, sondern der heidnische
Ritter muss heimlich den Adamas mit dem Blute begossen haben.
Es folgt dann die Tjost Gamurets mit Ipomidon , Gamuret reitet
totwnnd auf einen grünen Plan, um seine Beichte zu sprechen.
Von str. 924 an unterscheidet sich Albrechts Darstellung da-
durch von der gleichlaufenden im Parzival, dass er überall seinen
Helden, Schionatulander, in den Vordergrund rückt. Im Berichte
des Tampanis kommt Schionatulander überhaupt nicht vor; ob wir
ihn uns unter den vielen kleinen Edelknaben (Pz. 105, 3) mit zu
denken haben, ist eine müssige Frage. Im Titurel (str. 40 u. 75 ff.)
berichtet uns dagegen Wolfram ausdrücklich von Schionatulander,
dass er den Gahmuret auf seine beiden Züge nach Baldac be-
gleitet habe. Die Angabe Wolframs nimmt Albrecht auf und fügt
seinen Helden der ganzen folgenden Darstellung ein. Derselbe ist
gleichsam der Erbe Gamurets, wie er ihn in der Rolle des Helden
der Aventiure ablöst.
So vertraut der sterbende Gamuret (str. 924 ff.) dem Schiona-
tulander sein Weib und seinen noch ungeborenen Sohn an ; zum
Lohne dafür solle er sich später Sigunens Hand ausbitten, sie aber
zuvor durch ritterliche Thatcn verdienen (cf. W. Tit. 102. 106).
Er solle jetzt der Pfleger von 6 Landen werden (aufgezählt Tit.
1092, 5 — 7), in Not aber sich an Artus, Gailet und Ekunat
wenden. Schliesslich bittet ihn Gamuret, seine herrenlosen Mannen
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— 20 —
in die Heimat zurückzufübren (cf. dagegen Pz. 106, 27/28). Echt
Albreehtisch ist der Zusatz (932), dass Scbionatulandcr zum Heile
von Gamurets Seele Klöster und Religiösen mit reichen Spenden
bedenken soll. Dann beichtet Gamuret und stirbt. Es folgen end-
lose Klagen Schionatulanders und des Baracks; den wie tot neben
Gamurets Leiohe hingesunkeuen Knappen führt der Baruch zu
seiner Gemahlin, die ihn auf ihren Schoss nimmt und tröstet.
Über Gamurets Bestattung und sein Grab berichtet Wolfram
ausführlich, Parz. 106,29 — 108,28. Albrecht (str. 960 ff.) fügt in
den Einzelheiten einiges hinzu, wa.s er aus der Eneit (cf. En.
8273 — 8408 und 9385 — 9574) genommen hat, die an dieser Stelle
schon Wolframs Vorbild gewesen ist*)* In Gamurets Sarg werden
drei Kronen mit hineingelegt, weil er dreier Lande Herrscher war
(Tit. 972 ; cf. W. Tit. 74, 3). An Gamurets Grabe wird eine Messe
gelesen (969 — 971), durch die die Herzen der Heiden dem Christen-
tum sehr geneigt gemacht werden. Die Schrift des Epitafiums
giebt Albrecht nicht an.
Str. 976 —981 giebt Albrecht eine kurze Andeutung des wei-
teren Verlaufes des Krieges. Nach Gamurets Tode halten sich
die Erfolge der beiden streitenden Parteien die Wage ; die Baby-
lonier ziehen schliesslich, ohne verfolgt zu werden, von Baklac ab.
Der grösste Verlust lag auf der Seite der Christen, aber Gamuret
wurde später durch Sehionatulander gerächt.
Durch diese Strophen hat sich der Dichter den Weg offen
gelassen für die Einführung von Schionatulanders Rachezug nach
Baldac, der fast ein Viertel des ganzen Titurel, Cap. XX — XXIX,
ausmacht.
In dem nächsten Abschnitte (str. 982 — 1038) führt Schionatu-
lander den von Gamuret erhaltenen Auftrag aus und bringt Gamu-
rets Mannen in die Heimat zurück. Mit reichen Geschenken wird
er vom Baruch entlassen. Zusammen mit Gamurets Mannen be-
giebt er sich noch einmal zu Gamurets Leiche und nimmt klage-
reichen Abschied von derselben. Auf demselben Wege, wie Gah-
muret Parz. 58,20 — 30, kehrt die traurige Schar nach Kanvo-
leis zurück.
In einigen Strophen wird dann, in Anknüpfung an Tarz. 103,
15 — 17, die crwartungs%’olle Freude Herzeloudens und Sigunens
(die ja nach W. Tit. I bei ihrer Muhme lebte) geschildert. Herze-
*) Die ähnliche Beschreibung Wirnts (Wig. 8230 — 8324) stammt aus Vcldeke
und Wolfram.
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loudens Freude wird gestört durch einen schlimmen Traum, den
Wolfram ausführlich berichtet (Parz. 103,25 — 104,30), Albrecht
aber nur kurz andentet (1047) ; bei ihm folgt unmittelbar darauf
die Ankunft von Gamurets Mannen. Nicht Schionatulander, wie wir
erwarten sollten, verkündet die Botschaft, sondern wie im Parzival
Tampenis , Gamurets Meisterknappe. Herzeloude , die nur den
Namen Gamurets hört und den kläglichen Aufzug sieht, fällt ohn-
mächtig zu Boden. Niemand kümmert sich um sie, bis ein alter
weiser Ritter sie wieder ins Leben zurückruft (1056). Jetzt glaubt
die Königin , dass durch diese Erschütterung das Kind in ihrem
Leibe getötet sei ; und erst als sie sieht , dass ihre Brüste noch
Milch geben, weiss sie, dass das Kind noch lebt. Bei Wolfram
(Parz. 110, 11 — 111,13) findet sich von dieser Befürchtung Herze-
loudens nichts, Albrecht hat sie wohl aus Parz. 111, 1—2 heraus-
gelesen.
Herzeloude lässt sich nun persönlich noch einmal von Scbiona-
lander die genaueren Umstände von Gamurets Tode erzählen; eine
begreifliche Dittographie Albreebts. Dann werden die Fürsten von
Herzeloudens Landen nach Kanvoleis berufen , und leisten dem
Schionatulander das Gelöbnis der Treue (Tit. 1075—1077).
Nach 8 Tagen (Pz. 112, 5 nach 14 Tagen, aber im Tit. fallt
die Berufung der Fürsten dazwischen) wird Herzeloudens Kind
geboren; die Fürsten bleiben solange in Kanvoleis, bis das Kind
nach 6 Wochen getauft wurde. Es erhält den Namen Parzival
und wird von seiner Mutter selbst gesäugt (Tit. 1078—87 ; cf.
Parz. 112, 5-114, 4).
Herzeloudo thut jetzt ihren Entschluss kund , sich mit ihrem
Sohne in die Einsamkeit zurückzuziehen ; vergebens sind alle Ab-
mahnungen der Fürsten und Schionatulanders. Sie zieht nach einem
schmerzlichen Abschiede von Sigune in die wüste Solitane. Die
Blumen auf dem Plane und der Vöglein Singen erfreuen sie nicht
mehr, Parzival ist ihre einzige Freude. Ängstlich hirgt sie ihn vor
Ritterschaft, und als er sie später doch verliess, um Ritter zu
werden , starb sie vor Sehnsucht und Schmerz. (Tit. 1083 — 1087,
ein kurzer Auszug von Parz. 116,28—128,25).
Nach diesem kurzen Ausblicke auf Parzivals Geschichte kehrt
der Dichter mit dem 9. Capitel zu seinem Helden Schionatulander
zurück.
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Abschnitt III: Schtonatulander I.
Schionatulander ist der Held der Aventiure von dem Augen-
blicke an, wo Gamuret stirbt, bis zu seinem eigenen Tode, der im
35. Cap. des Titurel erzählt wird. In diesem ganzen, die Haupt-
masse des jg. Titurel umfassenden Stücke (von Cap. IX — XXXV
Mitte), können wir deutlich 3 Teile unterscheiden, die ebensoviele
Etappen in Schionatulanders Heldenlnufbahn bezeichnen.
Der erste Teil, von Cap. IX— XIX reichend, zeigt uns Schiona-
tulanders Entwicklung in einer au f steig enden Linie von seiner
Schwertleite bis zu dem grossen Feste auf Florischanze, aus dem
er unbestritten als der vortrefflichste Ritter des ganzen Abend-
landes hervorgeht. Das treibende Motiv dieses Teiles ist das Be-
streben Schionatulanders, die geliebte Sigune linder Schildes dache
zu erwerben. Einen breiten Raum nehmen die Kümpfe um das
Brackenseil ein , an dessen Erwerbung Sigune ihren Besitz ge-
knüpft hat.
Der 2. grosse Teil (Cap. XX — XXIX) wird ausgefüllt durch
Schionatulanders Rachezug nach Baldac und seine Kämpfe beim
Baruch. In diesem Teile des Titurel steht der Held auf der Höhe
seiner Laufbahn, er erfüllt Orient und Occident gleichraässig mit
seinem Ruhme. Alles ruht auf dem 2. grossen Motive, das ihn
bewegt, der Rache für Gamuret.
Der Rest endlich erzählt uns Schionatulanders Kämpfe mit
Orilus und Lehelin um die Länder des unmündigen Farzival. Man
kann nicht leugnen , dass nach den beiden vorhergehenden glän-
zenden Abschnitten Schionatulanders Heldentum hier deutlich die
absteigende Linie fühlen lässt, in der es sich bewegt, bis es
schliesslich mit Schionatulanders Tod sein Ende erreicht.
Drei grosse treibende Motive sind es also, die Schionatulanders
Leben bewegen , die Erwerbung des Brackenseils , die Rache für
Gamuret, und die Kämpfe für die ihm anvertrauten Lande Parzi-
vals. Eins dieser Motive nach dem andern tritt dazwischen, um
die von Wolfram im ersten Titurel-Bruchstück vorbereitete Ver-
einigung Schionatulanders und Sigunens zu verhindern; und als
schliesslich Schionatulander in den durch das 3. Motiv hervorge-
rufenen Kämpfen das Leben verliert, ist Sigune noch immer die
jungfräuliche Braut, die nun den Rest ihres Lebens in der Klage
um den Geliebten hinbringt.
Das erste dieser drei leitenden Motive fand Albrecht in Wolf-
rams zweitem Titurel - Bruchstück ausgesprochen ; so eröffnet er
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denn mit diesem im 10. Capitel seines Titurel die Schilderung der
Thaten Sohionatulanders.
Cap. IX. (str. 1088 — 1138 H.) Das diesem vorausgehende 9.
Capitel enthält nichts, als eine Fortführung der Geschichte Schiona-
tulanders und Sigunens bis zu dem Augenblicke, wo Wolframs
2. Bruchstück einsetzt.
Zuerst erzählt uns Albreckt von Sohionatulanders Schwertleite.
Zu diesem Feste erscheinen Artus, Gailet, Ekunat (Sohionatulanders
Oheim), Gurnemanz (sein Grossvater) und dessen Sohn Gentulurs,
der später von Clamide erschlagen wurde (cf. P. 177, 27 — 178, 3).
Nach der Erteilung des Ritterschlages wird Schionatulander von
Artus, Gailet und Gurnemanz in ritterlicher Tugend unterwiesen
(1114 tf.). Albrecht hat hierbei nicht etwa auf die eingehende
Belehrung Parzivals durch Gurnemanz Bezug genommen , sondern
es herrschen die sich aus der Sache ergebenden praktischen Ge-
sichtspunkte vor: Treue gegen Herzeloude, Parzival und Sigune,
und Schutz der anvertrauten Lande. Für die Schilderung des
Festes hat Albrecht die Andeutungen über Vivianzens Schwertleite
(Wh. 63, 5 — 64, 4) benutzt.
Den 2. Teil des 9. Capitels (str. 1123—38) macht ein Besuch
Schionatulanders und Sigunens bei Herzeloude in der Solitane aus.
Auf diese Weise erreicht der Dichter, dass Schionatulander und
Sigune beim Beginn von Cap. X. sich zusammen im Walde
befinden. Denn als bei diesem Besuche Herzeloudens Kummer in
erhöhtem Masse wieder hervorbricht, wollen Schionatulander und
Sigune die Nacht über nicht mehr dableiben, sondern verabschieden
sich schon am Abend. Eine Raste von der Solitane entfernt,
schlagen sie das prachtvolle Zelt auf, das einst Gamuret von Raz-
zalig erhalten hatte (Pz. 64, 15 — 17), als er Belakane erwarb. Die
Nacht verbringen sie ohne Sorge und ahnen nicht, dass der nächst^
Morgen ihnen das Ende aller Freuden bringen soll.
Cap. X. (str. 1131 — 1340 II.) Damit setzt das 2. Wolframsche
Fragment ein, das von str. 1140—1189 reicht. Dieses 2. Wolfram-
sche Fragment enthält die Exposition der Kämpfe um das Bracken-
seil. Bei der weiteren Ausführung derselben ergab sich als erster
Concurrcnt des Schionatulander mit Notwendigkeit der rechtmässige
Besitzer des Brackenseils, duc Ehkunaht de Salvasch florien, der
Geliebte der Clauditte von Kanadic, dem diese den Bracken mit
dem kostbaren Seile gesandt hatte. Diesen Ehkunaht von Salvasch
florien vermengt nun der Dichter des jg. Titurel mit dem Pfalz-
grafen Ehkunaht von Berbester, dem Oheim des Schionatulander,
der im Parzival mehrfach vorkommt (P. 178, 19. 413, 15, 603, 16 u.
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30
W. Tit. 42, 1. 2). Aus diesem Umstande, dass Ekunat im Titurel
einerseits der nächste Verwandte Sehionatulanders und andrer-
seits sein Concurrent um das Brackenseil ist, erklärt sich die
Unsicherheit und zugleich das Schwanken in der Zeichnung der
Figur Ekunats, solange es sich um das Brackenseil handelt. Der
Dichter befindet sich in diesem Punkte in steter Verlegenheit.
Albrecht hat zu Schionatulander und Ekunat noch einen 3. Mit-
bewerber hinzugefugt, den Orilus von Laiander. In W. Tit. wird Ori-
lus als solcher nicht genannt, und aus der einzigen Stelle des Parzi-
val, wo von dem Brackenseile die Rede ist (P. 141,3 — 18), lässt
sich kein sicherer Schluss auf die Mitbewerbung des Orilus um das
Brackenseil ziehen. Jedenfalls hat aber Albrecht aus dieser Parz.-
Stelle die thätige Teilnahme des Orilus am Kampfe um das Bracken-
seil abgeleitet , wenn er auch , meiner Ansicht nach , eine solche
Bedeutung erst in Wolframs Worte hineingelegt hat*).
Die Kämpfe der aufgezählten Bewerber ergaben nun genug
Combinationen für den ausarbeitenden Nachdichter. Wir erkennen
aber gerade an dieser Stelle das geringe schaffende Talent Al-
brechts, wo es sich darum handelte, ohne Verwendung anderwärts
hergeholter Parallelen selbständig zu gestalten. Denn nichts im
ganzen Titurel ist langweiliger und zugleich unübersichtlicher, als
die langen Kämpfe um den Besitz des Brackenseils.
Wie wir aus Wolframs Fragment erfahren (str. 160—161),
hatte Schionatulander nach vergeblichem Bemühen , die Spur des
Bracken wiederzufinden, schliesslich, von Dornen zerkratzt , seine
Jagd aufgegeben. Wäre er damals (fährt nun Albrecht str. 1269
fort), als er mit blossen Beinen dem flüchtigen Bracken nachgesetzt
war , nur einen Poynder weiter vorgedrungen , so hätte er den
Bracken wiedergefangen ; denn an der Stelle war der Bracke durch
sein langes Seil in dem Gebüsche verstrickt worden. Dort findet
ihn der König Teanglis von Teseac und Talimon; der macht ihn
los, lässt ihn aber weiter laufen**) und folgt seiner Spur, um so
auf eine äventiure zu treffen. Das Wild, das der Bracke verfolgt,
wird eine Meile weiter von Orilus de Laiander erlegt; der fängt
auch den Bracken ein und besiegt den König Teanglis.
Auf diese Weise ist der Bracke in die Gewalt des Orilus ge-
kommen; jetzt ist Orilus im Stande, als gleichberechtigter Mitbe-
werber Sehionatulanders und Ekunats in den Kämpfen um das
*) Bei Cbrestieu fehlt die erste Begegoung Farzirals mit Siguue ganz; cf.
Köpp, Zs. f. d. Ph. 17, 16.
**) Zu Tit. 1263, 5 tergl. W. Tit. 164, 1-3.
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Brackenseil aufzutreten, da er es durch ritterlichen Kampf ge-
wonnen hat. König Teanglis, ein typischer junger höfischer Fürst,
ist eine Figur Albrechts , die nur zu diesem bestimmten Zwecke
eingeführt wird*).
Später fügt Albrecht über diesen König Teanglis von Teseac
und Talimon noch hinzu (1288), er sei über 9 Länder Herr, und trage
von einem Könige Krone, der selbst wieder über 15 Lande Krone
trage (1298). Dieser Lehnsherr des Teanglis ist Artus (str. 1303 ff.),
dessen 15 Königreiche str. 1708 aufgezählt werden; da erscheint
auch Talimon wieder , Teseac nicht. Allein von einem Könige
Teanglis von Teseac und Talimon, der ein Lehnsmann des Artus
ist, habe ich sonst keine Spur gefunden**). König Teanglis kommt
im Verlaufe des Titurel noch an zwei Stellen vor, einmal wird er
im Turnier auf Florischanzc als einer der 30 mitturnierenden Kö-
nige genannt (str. 1938. 2018 ff. 2130 ff.), die ihm dort zugeteilten
6 Fürsten mit ihren Ländern stammen aber sämtlich aus I’arz. 772.
Dann aber bewirkt Teanglis (str. 1283 ff.) durch seine Begegnuug
mit Schionatulander , dass derselbe an Artus Hof gelangt. Also
auch hier wieder ist Teanglis nur eine Mittelsperson, die einen be-
stimmten Zweck zu erfüllen hat und daun auf Nimmerwiedersehen
vom Schauplatz der Handlung verschwindet. Um das Auftreten
des Teanglis an dieser zweiten Stelle aber noch besser würdigen
zu können , müssen wir zunächst erst einmal Schionatulanders
Schicksale bis zu seinem Zusammentreffen mit Teanglis verfolgen.
An Strophe 1188, mit der Wolframs Bruchstück abbricht,
knüpft Albrecht unmittelbar die Aussendung Schionatulanders auf
die Suche nach dem Brackenseil : Schionatulander und Sigune
kehren nach Kanvoleis zurück. Sigune verlangt schmerzlich nach
dem Besitze des Brackenseiles. Um sie zu versuchen, stellt sich
Schionatulander zunächst, als wolle er lieber das grosse Fest des
Artus auf Florischanzc mitmachen und dort für Sigune Kuhm erwer-
ben; aber als er sicht, dass es ihr ernst ist mit ihrem Wunsche, giebt
er nach und erklärt sich bereit. Sigune verspricht ihm als Sold
ihre Minne und ihr Land Katelange. Nun rüstet Sigune ihn prächtig
aus. Seine Eisenrüstung hatte einst Gamuret vom Baruch ge-
schenkt bekommen, sie war in Assigarciunde gearbeitet (1222 ff.)
•) Wenn die von Bartsch für echte Lieder Wolframs erklärten Strophen des
jg. Titurel wirklich Wolfram angehörten, so wäre damit auch Teanglis schon
Wolframs Erfindung zuzuschreiben und von Albrecht einfach übernommen.
**) Der Name Talimon kommt in Wolframs Willehalm vor, allerdings als Fer-
soneunamc, der König Talimon ton Boctiin (Wh. 34 1, 26 u. ö.).
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32
(cf. Wh. 356, 16). Sein Schwert heisst Falzone*), sein Speer
Duranze von Trois (cf. P. 288, 16 — 19), sein Ross Trakune von
Spange. Als Wappen trägt er Gamurets Anker, daneben als
Helmschmuck Sigunens Krone (aus Wb. 22, 26 — 27.). Nur Feirefiz
und Secureis waren schöner ausgerüstet als Scbionatulander (1226).
Auf seine Bitte lässt Sigune den Geliebten ihren weissen Leib
scbauen und stärkt durch diese Gunstbezeugung seinen Mut aufs
höchste**).
Endlich nehmen sie Abschied , Scbionatulander verfolgt die
Spur des Bracken bis an die Stelle, wo das Wild, das der Bracke
verfolgt hatte, gefallen war. Da verlor sich des Bracken Spur.
Lange reitet er nun irrend ira Walde umher, bis er endlich einen
Waidmann trifft, der ihm über den Bracken Auskunft giebt und
ihn dem Teanglis nachweist. Scbionatulander erreicht bald den ge-
suchten und besiegt ihn. Dann schickt er den Teanglis mit einer
Herausforderung an das Hoflager von dessen Lehnsherrn , allein
ohne den Namen dieses mächtigen Königs zu erfahren. Es ist
Artus , und so ist Schionatulander, ohne es zu ahnen , mit Artus
Hofe in Berührung gekommen.
In dem ganzen jetzt folgenden Abschnitte tritt der Kampf
um das Brackenseil vollständig in den Hintergrund. Wir sind zu
einer Situation gelangt, die in jeder der Dichtungen von der Art
des Titurel ein stehender Artikel ist. Gervinus (Deutsche Nat.-
Litt. I, 262) sagt darüber bei der Besprechnng von Ulrichs Lan-
zelet: „Dass nun (auf dem Turnier) der Held unbekannt erscheint
und das beste thut und alle trefflichsten Helden von Gawan bis
auf Keye niederwirft , das versteht sich nicht allein in diesem,
sondern in allen Sagenkreisen des Mittelalters von selbst“.
Nicht anders ist auch im Titurel der mit str. 1307 beginnende
Abschnitt zu beurteilen. Albrecht bezweckt durch die Einlegung
dieser Thaten Schionatulanders nur, seinen Helden erst einmal mit
dem nötigen Glorienschein des Ruhmes zu umgeben , der ihm bis
jetzt noch fehlt; es ist das Debüt Schionatulanders. Als specielles
Vorbild für unsere Stelle zeigt sich deutlich Parzivals Kämpfen
mit Artus Rittern im Anfänge des VI. Buches des Parzival.
Die Rolle des gareün , der die Ritter der Tafelrunde aufruft , die
*) Dessen ausführliche Geschichte (str. 3482—6) nichts als eine Nachahmung
der Geschichte eines Schwertes im Willebalm 77, 24 — 78, 2 ist.
**) Vergl. über diese Vergröberung eines ursprünglich ganz ideal gedachten
Motires San-Marte, Parz.-Studien 8, 119.
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33
ihnen angethane Schmach zu rächen (P. 284, 4 — 22), ist dem König
Teanglis übertragen und dementsprechend verändert worden. Der
gareün des Parz. erscheint noch deutlich wieder in dem garzün ,
der den Orilus ein paar mal besonders zum Kampfe anstachclt
(.Tit. 1338. 1357-58).
Dem eigentlichen Hauptkampfe, der mit Cap. XI beginnt und
genau dem Streiten des Parzival an der erwähnten Stelle entspricht,
ist ein kleinerer Kampf vorausgeschickt (str. 1307 ff.), in dem Scliio-
natulander den Brudersohn des Teanglis , Iblet (dessen Freundin
Laudelie war), besiegt und den jungen König Arbidol von Resariol,
Orilus und Lehelins Schwestersohn, tötet.
Auf diese unglückliche Tjoste Schionatulanders wird später
wiederholt angespielt; sie ist ein Grund mehr, den Hass zu er-
klären, den Orilus und Lehelin gegen Schionatulander tragen. Dem
Dichter liegt viel daran , den Groll des Orilus gegen Schionatu-
lander eingehender zu begründen, da er schliesslich den Tod des Hel-
den herbeiführen sollte. Wurde gleich bei dem ersten Zusammen-
treffen der beiden Ritter solch ein erregendes Moment eingeschoben,
so verstand es sich von selbst, dass, wenn die beiden nun auch
noch im Kampfe um das Brackenseil Gegner wurden, ihr Gegensatz
unversöhnlich sein würde. Dadurch ist dann eine gewisse Abwechse-
lung in das Verhältnis der drei Bewerber um das Brackenseil ge-
bracht, denn zwischen Schionatulander und Ekunat herrscht, wie
oben ausgeführt ist, im ganzen mehr ein freundschaftlicher Verkehr,
während zwischen Orilus und Schionatulander und bald auch zwi-
schen Orilus und Ekunat ein sehr gespanntes Verhältnis sich her-
ausbildet, das schliesslich in den Tod zweier der Bewerber ausläuft.
Es ist nun die Frage, ob wir diese feinere psychologische Mo-
tivierung der Erfindung Albrechts zuschreiben dürfen. Ich glaube
ja , und zwar aus folgenden Gründen : Es ist ganz unwahrschein-
lich, dass Albrecht in einer Vorlage den Orilus und Lehelin an
Artus Hofe gefunden hätte: denn Orilus sagt selbst (P. 135, 7 ff.),
dass Artus und die von der Tafelrunde ihn besonders hassten,
weil er ihrer acht beim Kampfe um den Sperber zu Kanedic be-
siegt habe. Dieser Kampf um den Sperber liegt aber, wie Albrecht
str. 1367 angiebt, bereits vor dem hier erzählten Ereignisse, also
dürfen wir daraus schliessen , dass Orilus sich damals nicht an
Artus Hof befand, sondern, so gut wie Ekunat, erst von Albrecht
dahin versetzt worden ist, um die drei Bewerber des Brackenseils
bei einander zu haben, und um den Kampf Schionatulanders mit
Orilus Neffen anbringen zu können. Dieses letztere Motiv, (das
nachher bei der Fahrt Schionatulanders nach Baldac noch einmal
3
t'BKA y 1
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34
wiederkehrt, so dass dann zwei Neffen des (Jrilus und Lehclin
dureh seine Schuld das Leben verloren haben) wird übrigens später
(str. 4437) benutzt, um ein Aequivalent zu bieten für den Tod von
Schionatulanders Oheim Galoes , der durch Orilus Tjoste gefällt
war. So glaube ich hierin Albreckts Erfindung sehen zu dürfen.
Als Schiouatulander den Arbidol getötet hat und auf weitere Käm-
pfer wartet, sieht er plötzlich einen Bracken vorüberlaufcn, den er
für Gardivias hält, und stürmt diesem nach. Seine scheinbare Flucht
veranlasst den spöttischen Seneschall Keye *) zu einer boshaften Be-
merkung. ln der Nacht erst kehrt Schionatulander erschöpft zu-
rück zu Artus Massenie , aber bereits frühmorgens stellt er sich
wieder zum Kampfe.
Cap. XI. (str. 1341 — 1502 H.) Nun folgt mit dem XI. Cap. der
eigentliche Kampf Schionatulanders gegen Artus Ritter. Artus
hält den Schionatulander, der von Kopf bis zu Fuss in eine gras-
grüne Rüstung gehüllt ist, für den Ither, der sich nur verkleidet
habe; er fordert deshalb seine Ritter auf, Ithers herausfordern-
des Benehmen zu strafen. Wir sehen deutlich die Variation zu
der ganz roten Rüstung Ithers und Parzivals ; wie Albrecht gerade
auf das Grün kommt , geht klar au3 folgenden Stellen hervor : Tit.
1395, 1-2:
Von Grastcalt gehet een, nach Grasicalt geverwet.
cf. 1295, 1 — 2 u. 5110, 5. Artus stellt dem Sieger die Ehre in
Aussicht (1347),
Ich suoch ävmtiur verre oder nahen.
Von meiden und von frotven sol er ie den ersten Itus ettphähen.
Alle drängen sich zu dieser Ehre, vor allem Segremors **). Keye tritt
zuerst dem Schionatulander entgegen, wird aber zu Boden gestreckt,
ebenso Segremors, Herzog Ospinel***) und Wigamur. Mit Mühe
nur wird Gawan, der noch zu jung zum Kämpfen ist, von Artus
zurückgehalten (Variation von P. 66, 15 — 22). Orilus selbst wird von
*) Keye ist auch im Titnrel der bissige, großsprecherische Seneschall , wie
ihn alle Artusromane als typische Figur verwenden. Überall drängt er sich vor,
wo es eine Aventiure zu bestehn giebt, rpgelmässig aber muss er mit Schimpf und
Schande abziehen und den Spott der übrigen Hofgesellschaft über sich ergehen
lassen, wofür er sich durch sarkastische Bemerkungen rächt. Speciell ans Wolfram
hat Alhrecbt die Rechtfertigung Keyes, Tit. 4499 ff., übernommen (cf. Parz. 296, 13 ff.),
vergl. Tit. 4930—31. 1350. 2263-64. Überhaupt verwendet Albrecht Keyes
Figur sehr gern, cf. noch Tit. 1331 f. 1447—49. 1833. 2105-07. 2254 ff. 2342—
44. 4509. 4541. 4808.
**) Diese auch aus Wolfram bekaunte typische Figur erscheint noch Tit. 1977.
2106. 2344 f. 4513. 4515 f. 4557.
***) Ueber ihn vergl. unten pag. 46.
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Schionatulander zu Boden gestreckt, im Fallen verletzt er sich den
rechten Arm, sodass der Schwertkampf unterbleiben muss. Eben-
sowenig hält Morholt von Irlant, der 5 Männer Stärke besass (An-
spielung auf P. 73, 18—28), der Tjoste des grünen Ritters Stand.
40 Ritter, darunter 12 Könige, besiegt Schionatulander; also ein
glänzendes Debüt.
Zuletzt tritt Ekunat von Berbester in die Schranken, ihm aber
entdeckt sich Schionatulander. Jetzt erst erfährt er, dass er gegen
Artus und seine Massenie gekämpft habe, und wird sehr bestürzt,
denn er glaubt durch sein herausforderndes Auftreten den König
gekränkt und beleidigt zu haben (cf. P. 284, 13 — 22). Er bittet
den Oheim, ihm Artus Verzeihung zu verschaffen. Eknnat geht
zu Artus, und dieser berät sich über den Fall zunächst mit den
80 Damen seines Hofes, die ihre Zustimmung zur Verzeihung er-
teilen. Dann gehn sie zu Orilus, aber der lehnt hartnäckig Artus
Bitte ab und erweist ebenso der Königin und den 80 Damen die
Unehre , ihre Bitten zurückzuweisen. Zornig ziehen Orilus und
Jeschute, ohne Abschied zu nehmen, mit dem Bracken ab.
Allein auf Ekunats Betrieb, der sich mit Orilus über den Be-
sitz des Bracken seiles auseinandersetzen will, wird Orilus mit
grossen Ehren wieder eingeholt und es kommt zu einer Bespre-
chung wegen des Seiles unter Artus Vorsitz. Das Resultat der-
selben ist, dass der Bracke dem Orilus zugesprochen wird, weil
er ihn durch Kampf erstritten habe; nur durch einen ritterlichen
Kampf könne ein andrer ihn dem Orilus abgewinnen.
Da Ekunat auf seinem Rechte auf das Seil besteht , wird so-
fort ein Kampf zwischen Orilus und Ekunat verabredet; dreimal
6 Wochen, nachdem Orilus Arm geheilt ist, soll derselbe vor Nantes
stattfinden. Bis dahin sollen beide Parteien das Streitobjekt dem
Artus anvertranen; dem widersetzt sich aber Jeschute, sie setzt
es durch, dass sie den Bracken und das Seil solange in ihrer Hut
haben darf. Als Eknnat jetzt von Sigunens heissem Begehren
nach der Schrift des Brackenseiles erzählt, wundern sich alle dar-
über, und Jeschute muss die Schrift vorlesen , die aller Gemüter
hocherfreut, nur Artns schmerzlich berührt wegen der Erwähnung
seines frühgestorbenen Sohnes Ilinot (cf. W. Tit. 147). Orilus wird
von allen Seiten gebeten, er möge doch zu dem grossen Feste auf
Florischanze wiederkommen, damit dort noch einmal die ganze
Schrift des Seiles vorgelescn werden könne. Orilus und Jeschute
sagen die3 gern zu ; auch wegen des Todes von Orilus Neffen
kommt jetzt eine Sühne zustande, das hatte alles die herrliche
Schrift des Brackenseiles bewirkt.
3 *
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— 36 —
Während dieser ganzen Verhandlungen hat Schionatulandcr
immer noch draussen gewartet (wahrhaftig eine Ewigkeit !). Jetzt
wird er endlich feierlich von Artus und seinen Rittern eingeholt;
die Nacht kann er aber vor Liebespein nicht schlafen (cf. P.36, 18 ff.) —
Die Kämpfe um das Brackenseil sind damit zu einem vorläu-
figen Schlüsse gebracht. Fragen wir uns, was nun eigentlich Fak-
tisches bis jetzt dabei herausgekommen ist, so ist das herzlich
wenig. Einen eigentlichen Kampf um das Seil hat es noch gar
nicht gegeben, denn der unentschiedene Kampf Schionatulanders
und Orilus drehte sich gar nicht um das Brackenseil , keiner von
beiden wusste , dass er einen Concurrenten um das Seil sich ge-
genüber hatte. Ein Kampf zwischen Orilus und Ekunat ist ver-
abredet worden; über Schionatulanders Ansprüche auf das Seil
aber werden wir völlig im Unklaren gelassen. Es kommt dem
Dichter viel mehr auf die Bedeutung der mystischen Schrift des
Brackenseiles, als auf alle Kämpfe der Bewerber um dasselbe an.
Aus dem allen geht hervor , dass Albrecht mit den bei Wolfram
sich findenden Andeutungen über die Kämpfe um das Brackenseil
nicht viel anzufangen wusste und deshalb möglichst bald von die-
sen öden Geschichten zu dem Glanzpunkte der ersten Hälfte seines
Gedichtes, zu dem grossen Feste des Artus auf Florischanze , zu
gelangen bestrebt war*). —
Den Zwischenraum zwischen dem ersten Hoflager des Artus,
bei dem sich Schionatulandcr seine Sporen verdient , und dem
grossen Feste auf Florischanze füllt der Dichter, ausser mit den
Berichten über die ankommenden Gäste , noch durch die ausführ-
liche Schilderung der Reise Gailets und der Boten des Baruchs
*) Unsere Ansicht wird bestätigt durch einen offenbaren Widerspruch, der
sich zwischen den im folgenden (12.) Capitel berichteten Ereignissen aufweisen
lässt und Albrechts saloppe Arbeit in diesem Teil seines Gedichtes beweist:
Als Schionatulandcr am nächsten Morgen die Messe gehört hat und im Be-
griff ist, der Königin seine Aufwartung zu machen, wird er durch die Ankunft
von Boten des Baruchs aufgch<en. Der Dichter ergeht sich nun in einer langen
Schilderung der Absenduug und der Heise dieser Boten , berichtet zugleich über
die Erlebnisse Gailets auf seiner Reise zum Turnier nach Florischanze und hat
am Ende vollkommen vergessen, dass er im Begriffe war, die Ankunft der Boten
des Baruchs bei Artus und ihre Begrüssung durch Schionatulandcr zu erzählen.
Denn als mehrere Tage nach den im Anfänge des Cap. XII erzählten Vor-
gängen die erste Begegnung Ginovers und Schiouatulandcrs wiiklich stattfindet,
(inzwischen ist Siguue an Artus Hofe angelangt , die damals erst benachrichtigt
wordeu war), sind die Boten des Baruchs noch immer nicht da, sondern kommen
erst an , als Artus im Begriffe steht , am dritten Morgen des eigentlicheu Festes
18 Knappen zu Rittern zu schlagen (str. 1630—33).
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aus. Wir müssen diese Einschiebsel, deren lose Verknüpfung mit
dem Vorhergehenden wir eben (in der Anm.) gezeigt haben , noch
in ihren Einzelheiten betrachten, bevor wir zum eigentlichen Fest
auf Florischanzc übergehn.
Cap. XII. [sfr. 1503—1629 II.) Die Sendung der Boten des
Baruchs an Schionatulander bereitet schon hier sehr wirkungs-
voll auf den zweiten grossen Hauptteil von Schionatulanders Ge-
schichte , seinen Rachezug nach Baldac, vor. Von jetzt an ver-
pflichtet Schionatulander jeden , den er im Kampfe besiegt, zur
Teilnahme an dem Zuge nach Baldac*). Da sich aber nun wohl
von allen Teilen unseres Gedichtes dieser dritte Zug Schionatu-
landers zum Baruch am sichersten der eigenen Erfindung unseres
Dichters zuweisen lässt**), so ist der damit eng zusammenhängende,
nur vorbereitende Bericht von der Sendung der Boten des Baruchs
gleichfalls offenbar ein Werk Albrechts. Die Unglücksfälle, die
den Boten auf ihrer Reise zustossen, sind wohl nur eingeführt,
um auf diese Weise den Gailet zur Teilnahme an dem Zuge nach
Baldac zu verpflichten. Au dem Zuge Gamurets hatte Gailet nicht
teilgenommen , der Baruch sendet aber auch ihm Geschenke , wio
er sagt (1517) durch ergetsen shics werden mäges. Auf Schionatu-
landers Zuge spielt Gailet dann nachher eine Hauptrolle; eine
Zeitlang ist er sogar an Schionatulanders Stelle der Führer der
christlichen Schar (cf. str. 3662). Diese Stellung Gailets wird
hier schon vorbereitet.
Zugleich hat die Schilderung der Reise der Boten noch den
Zweck, eine Reminiscenz aus Wolframs 1. Buche (P. 25, 3—7) an-
zubringen. Die hier an den Haaren herbeigezogeue Geschichte
von Fridebrant von Schotten ist bezeichnend für Albrechts Manier,
überall ausführliche littcrarische Anspielungen anzubringen und
diese Anspielungen, wenn nötig, auch durch eigene Erweiterungen
zur Einführung in den Zusammenhang seines Gedichtes geeignet
zu machen. Denn ich halte an dieser Stelle alles, was Albrccht
mehr giebt als Wolfram, für eigene Zuthat des Titureldichters.
Albrecht führt die Angaben Wolframs weiter aus , indem er den
Zweikampf Fridebrands mit dem Ponscburne hinzufügt. Dieser
Ponschurne stammt aber, wie ich bestimmt annehme, aus dem Edo-
lanz (cf. A. Schönbach, Zs. 25, 282), und den König Marko mit
Zubehör hat Albrecht aus der Tristansage herübergenommen. Ge-
*) Das erinnert an Parzivals Verhalten, der eine Zeit lang jeden Besiegten
verpflichtet, an Artus Hof zu gehen und Kunnewaren zu huldigen.
**) Siche die Besprechung des Zuges bei Cap. XIX ff.
38
rado diese Combinierung der Personen der verschiedensten Sagen-
kreise macht Albrechts Erweiterung als solche kenntlich *).
Während die Boten des Baruchs solche Kämpfe durchzumachen
haben, ist auch Gailets Reise nach Florischanze, die Albrecbt mit
der der Boten in Verbindung bringt, nicht ohne Unfälle verlaufen.
Der natürliche Bruder des Urjans von Ponturteis hatte nämlich
eine der 80 Damen der Ginover geraubt und begegnet mit ihr dem
Gailet. Die Jungfrau fleht Gailet um Hülfe an, und dieser setzt
dem Räuber nach. Beinahe hat er ihn eingeholt, da gelingt es
demselben, sich in seine feste Burg zu flüchten. Gailet, der allen
seinen Leuten weit voraus ist, kann sein Ross nicht so schnell
zurückhalten, sondern reitet mit in das Burgthor hinein und
wird so von dem Räuber gefangen. Schon droht dem Gailet der
Tod, da kommt dem von Ponturteis die Nachricht, dass zwei sei-
ner Brüder von Artus gefangen seien ; gegen diese werden Gailet
und die Jungfrau ausgetauscht**). — Diese Episode ist weiter
nichts als eine Parallele zu der Geschichte, die Wolfram P. 624, 19
—628, 30 von Urjans von Punturteis selber erzählt. Die Art und
Weise, wie Gailet gefangen genommen wird, ist Imitation von
Iweins Gefangennahme durch Ascalon, cf. Iw. 1075 ff.
Cap. XIII — XIV. ( slr . 1630—1930 //.). Wir kommen jetzt zu
der Beschreibung des eigentlichen Festes auf Florischanze, das mit
Einschluss der beiden angehängten Episoden , der Brückenprobe
und der Entführung der Frauen durch Klinschor, den ersten Teil
des grossen Mittelstückes des Titurel beschliesst.
Bei Wolfram geschieht dieses grossen Festes auf Florischanze
*) Anzunehmen, dass Albrecbt die Erweiterung der Angaben Wolframs ans
einem eigenen Gedichte Ober Fridebraut geschöpft habe, zwingt uns auch die
zweite Stelle des Titurel nicht, an der Albrecbt auf diese Dinge auspielt (str.
2677 — 81): I)a wappnet sich Schionatnlander zum Kampfe gegen dieGaliotten mit
Fridebrants Panzer (2673); mit dem Schwerte, das er nimmt, hat kürzlich Fri-
debrant zu Kornwale eineu König besiegt, der die Kraft von Sechsen besass (cf.
1531); das Schwert stammt von Hernant, der viel mehr dieses Schwertes, als der
Herliut wegen sein Leben durch Fridebrant verloren batte. Die Entstehung dieser
Anspielung wird klar, wenn wir P. 58, 12 ff. (70, 14—19. 53, 4 — 10) vergleichen.
Dort wird die wundervolle Rüstung Fridebrants erwähnt, die er der Relakane als
Sühne schickt, uud die später in Gahmurets Besitz gelangt. Ihr ist der Harnisch
Fridebrants bei Albrecbt nacbgcbildet, im übrigen sind alle Angaben dieser zweiten
Tit.-Stelle schon in der ersten enthalten, nur den Zusatz, dass das gerühmte Schwert
noch vielmehr als Herlint die Ursache von ilernauts Tode durch Fridebrant ge-
wesen sei, dürfen wir getrost der ausmaleuden Phantasie Albrechts zuschreiben.
**) cf. Tit. 4477, wo der eine dieser beiden Brüder OspiDel genannt wird(?).
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39
nirgends auch nur die geringste Erwähnung, und doch hätte ein
so glänzendes Fest, das alle anderen Feste, die Artus jemals ge-
geben hatte, weit überstrahlte, wie wenigstens der Dichter des
Titurel versichert (1615), wohl irgend eine Nachwirkung in Wolf-
r ams Epos zurücklassen müssen. Wir haben uns deshalb zu fra-
gen, ob es erlaubt ist, auch dieses Fest auf Floriscbanze der ei-
genen Erfindung Albrechts zuzuweisen.
Dass ein Dichter, der einen Stoff des Artuskreises behandelt,
ein grosses Maifest des Artus seinem Gedichte einfügt, ist an und
für sich fast selbstverständlich zu nennen. Man kann da kaum
noch von einer freien Erfindung des Dichters reden , denn diese
Maifeste des Artus gehören so sehr zu der typischen Staffage die-
ser Epen, dass wir uns eher wundern würden, wenn wir in einem
Gedichte von dem Umfange des Titurel eine solche Beschreibung
nicht finden würden. Auch der Zweck dieses Festes ist überall
derselbe: auf den Turnieren, dio auf diesen grossen Festen abge-
halten werden , zeichnet sich der jedesmalige Held des Stückes
dermassen aus, dass er als der ruhmreichste Held unter allen Teil-
nehmern an diesem Turnier schliesslich mit dem Siegespreiso be-
dacht wird. Ganz genau dasselbe geschieht hier mit Albrechts
Helden, dem jungen Schionatulander, der mit Artus zusammen die
unglaublichsten Heldenthaten vollbringt, alles was ihm vor die
Klinge kommt, absticht und nach Beendigung des Turniers von
den 80 Damen des Artus mit dem ausgesetzten Preise, einem Kuss
und einem Schapel, belohnt wird. Schionatulander hat damit den
höchsten ritterlichen Ruhm , den er in der Christenheit erlangen
konnte, sich erworben. Darum führt ihn der Dichter nun in das
Morgenland, an den Hof des Barucks, des mächtigsten Herrschers
der Heidenscbaft , dessen Hof ein Abglanz des ritterlichen Hofes
König Artus ist. Dort erringt Schionatulander zu seinen übrigen
Ruhmestiteln noch die Bewunderung und Ehrung des ganzen
Orients.
Vor diesem allein massgebenden Plane des Dichters treten
alle vorher in Fluss gebrachten Motive freiwillig oder unfreiwillig
zurück. Von der Erwerbung des verhängnisvollen Brackenseiles
hören wir nichts mehr, als dass die köstliche Schrift desselben zur
Erhöhung der Festesstimmung ausführlich vorgetragen wird*).
*) Der Dichter hat, seiner eigensten Neigung entsprechend, die wenigen Ein-
gangsworte Wolframs zu dieser Schrift zu einem grossen mystischen Gedichte
Ober die verschiedenen Tugenden ausgearbeitet , dessen Quellenuntersuchung für
sich allein zu führen ist, da es mit Wolfram nicht das geringste zu thun hat.
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40
Sigune selbst liest , schon vor der grossen öffentlichen Vorlesung
der Schrift im 14. Capitel, für sich die köstlichen Worte wohl
dreimal hintereinander durch (str. 1832 — 1833); das ist aber nur
durch das Entgegenkommen der Jeschute möglich gemacht, wir
hören nirgends, dass Schionatulander das Seil erworben habe oder
auch nur zu erwerben beabsichtige. Eine einzige, sehr unklare
Stelle spricht kurz über diese Dinge, str. 1902 — 1908. Da sagt
allerdings Sigune , Schionatulander habe durch die Besiegung des
Orilus und Lehelin das Seil (1909) ritterlich erstritten; aber Si-
gune meint mit diesen Worten nur, Schionatulander habe durch
seine tapferen Kämpfe mit Orilus und Lehelin das Seil wohl ver-
dient und damit die ihm von ihr gestellte Aufgabe zu ihrer Zu-
friedenheit gelöst, denn sie fügt sofort hinzu : „ ist sie mir immer
tiure (= werde ich das Seil auch in Wirklichkeit niemals bekommen),
du muost mir doch se Herren sin enpfangen“. Durch Kampf von
Orilus erworben hat nämlich Schionatulander das Seil auch auf Flo-
rischanze nicht, da Orilus wegen seines verletzten Armes noch gar
nicht wieder mitgekämpft hat. Aber um seinen Bruder Lehelin,
der von Schionatulander auf Florischanze besiegt ist, von der
Teilnahme an Schionatulanders Zug nach Baldac zu befreien, er-
bietet sich Orilus freiwillig (str. 1902), das Seil der Sigune zu
überlassen, so lange es ihr gefalle, und zugleich den verabredeten
Kampf mit Ekunat solange hinauszuschieben. Albrecht hat auf
diese Weise moralisch der Sigune und ihrem Kämpfer den Sieg
im Streite um das Seil verschafft; leider ist es jetzt Clauditte,
die von diesem Anerbieten nichts wissen will und den Ekunat ver-
anlasst, auf dem festgesetzten Termine für den Kampf mit Orilus
zu bestehn. Damit fällt der ganze Vermittlungsvorschlag des Orilus
ins Wasser, Lehelin wird gezwungen , sich an Schionatulanders
Zug zu beteiligen , und Jeschute bleibt zunächst im Besitze des
Brackenseiles.
Alle diese künstlichen Verschlingungen der Fäden, die doch
die Sache um nichts weiter bringen, zeigen deutlich, dass Albrecht
mit den Streitigkeiten um das Brackenseil nichts Rechtes anzu-
fangen wusste. Hatte doch Schionatulander schon nach Wolframs
Angaben wenig Glück in den Kämpfen um das Seil gehabt. —
Betrachten wir jetzt im einzelnen, in welcher Weise Albrecht
das Fest des Königs Artus ausgestattet hat.
DerersteTeil des Festes ist die Ritterweihe von 48 Knappen
aus fürstlichem Geschlechte (1630—1632 und 1676 — 1698). An
dieselbe schliesst sich, wie es ständige Sitte war, ein grosses Tur-
nier, an dem sich sämtliche anwesenden Fürsten und Ritter beteiligen.
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41
Dann (1743) folgt der zweite Teil des Festes, die grosse Hoch*
zeitsfeier. Es werden 30 Jungfrauen mit eben so vielen Fürsten
vermählt. Dies ist nichts als eine erweiternde Nachahmung des
Festes auf Joflanze (Parz. XIV), wo Artus die aus dem Schastel
marveile erlösten Frauen vermählt. Die scherzenden Worte Wol-
frams (P. 730, 11 — 12):
Arftis was frouwen milte:
sölher gäbe in niht beeilte
hat sich Albrecht zu Nutze gemacht und hier deshalb gleich 30
glückliche Paare durch Artus vermählen lassen. Albrecht nennt
davon nur 4 Paare : Orgiluse und Citegast, Clauditte und Ekunat,
Laudile und Ascalon von Precilie , Margatine von Patrigalde und
Hiuteger. Die ersten beiden Paare sind aus Wolfram genommen,
das dritte ans Hartmanns Iwein , und dem Hiuteger hat Albrecht
wohl selber die Gemahlin ausgesucht.
Dass ein so reicher Damenflor das Fest des Artus schmückt,
kommt daher, dass Artus alle nur irgend bekannten Schönheiten
seiner Zeit zu diesem Feste cingeladen hatte, damit dort endlich
der Streit um die höchste Schönheit entschieden würde. Der Dich-
ter benutzt dieses Motiv zu einer langen Aufzählung der gefeiert-
sten Damen der höfischen Epen, die alle auf Florischanze versam-
melt sind (Tit. 1605—07. 10 — 12). Dabei nimmt er aus Wolfram :
Kondiciränmrs (die Schönste der Schönen cf. P. 187, 12—21), Liäze,
die Tochter des Gurnemanz, Sigüne, Jeschüte, die Gemahlin des Ori-
lus, UtTepause de tschoyen, die Trägerin des Grals, Antihinte, die
Schwester des Königs Vergulaht von Askalun (P. VHI), Jtonie und
Kundrie, die Schwestern Gawans, Kunncuäre, die Schwester des Orilus
und Lehelin von Lalaiuler, und Bene*) (P. 550, 25 u. ö.) Aus der
Tristansage (Eilhart?) stammt Isolde von Legrois (cf. auch P. 187,
17), aus Hartmanns Erec Enite, aus dem Iwein Landine von Aseho-
lon, aus dem Lanzelet Ulrichs von Zazikhofen Iblis, die Geliebte
Lanzelets , aus Wirnts Wigalois Flörine von Syrie, die Mutter des
Wigalois , und Larle von Korntin, seine Geliebte. Übrig ist jetzt
nur noch KarfUe , die in keinem uns überlieferten höfischen Epo3
vorkommt. Da hilft uns aber Albrecht selber auf die Spur: str.
1610, 3 — 4 (= XII, 117) heisst es (nur in A. D., nicht bei Hahn):
KarfUe, die Edulants erlös euo einer (rufen.
Wir sind also wohl berechtigt, in Karfitc die Heldin des nur in ge-
ringen Bruchstücken erhaltenen Epos vonEdolanz zu sehen**), vergl.
*) wenn die Überlieferung richtig iat.
**) oder ist KarfUe aus Karsnafide verstümmelt (cf. P. 143, 29—30)?
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Goedebe , Grundriss 5 I, 119 und besonders A. Schüubach, Zs. 25,
284 ff. Für unsere Kenntnis dieses fast ganz verloren gegangenen
Epos ist diese Angabe Albrechts sehr wichtig. In den bis jetzt
gefundenen Bruchstücken des Edolanz kommt Karfite noch nicht
vor *).
Zu dieser Aufzählung der von Artus eingeladenen Damen tritt
ergänzend die Auswahl der 20 würdigsten Damen , die aus den
kostbaren Stoffen des Baruchs ein Gewand erhalten (1763 ff.) :
Da kehren von den schon genannten Damen dreizehn wieder.
Von den übrigen sieben sind Tschinover, KlaudiUe , Orgilüse , Savic
(= Sangive, Gawans Mutter, cf. P. 636, 25 mit Lachmanns adno-
tatio!**), aus Wolfram entnommen, und Amelie ist die Heldin in
Rudolfs von Ems Wilhelm von Orlens. Afargatine von Patrigalt
weiss ich nicht nachzuweisen, Pairigalt kommt vor P. 66, 23. 805,
22. Für Florine von Syrie tritt Flöriöne von Talimön ein.
Diesem reichen Damenflor tritt eine ebenso unermessliche Schaar
von ritterlichen Königen und Fürsten gegenüber. Albrccht hat
neben seiner Hauptquelle Wolfram alle ihm erreichbaren epischen
Werke der höfischen Dichtung gründlich ausgeplündert, so dass
wir nicht wissen , ob wir mehr seine grossartige Belesenheit in
dieser Litteratur, oder die Unbefangenheit seiner Arbeitsweise be-
wundern sollen. So ist bei ihm das Fest auf Florischanze zu
einem Sammelplätze aller irgendwie bekannten Haupt- und Neben-
figuren der höfischen Epen seiner Zeit geworden, und das scheint
deutlich für den gelehrten Dichter die Hauptsache gewesen zu sein-
Wenn sich dann auf dieser kolossalen Folie der Held des Gedichtes
abhebt, so geht seine Figur gleichfalls ins Unermessliche über;
das will der Dichter aber gerade, und darin zeigt sich seine eigen-
tümliche Manier.
Wir lernen die Menge der an Artus Hofe versammelten Für-
sten und Ritter am besten ans dem dritten Teile des Festes
*) Ich füge hier noch die andere Stelle des Titurel an, an der Albrccht von
diesem Gedichte spricht Tit. 4539:
Htr Jfarttnan von Owe, uu ret am iu gefalle:
Kulte iwer werde frowe, der diener »it toi hie fliehen sam sie alle
und Edotantz den ein l'rof eneiäle
pruofte für die werden, an den betwanc der Gräliardois die
fluht ze male.
Ist hier mit dem Profenciälen der Dichter des Edolanz oder Kyot gemeint? Vergl.
auch noch oben pag. 3? den Ponschurne.
**) die zeigt, dass Albreclit den Parzival in einer Handschrift der Gruppe G
vor sich batte; cf. Tit. 2016, 1. Kt/rot von Roisabinse = P. 658, 9 — 11. Irot D
Cyrot G.
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kennen , in dem das durch die Hochzeiten und die daran ange*
schloss ene Verlesung der Schrift des Brackenseils unterbrochene
Turnier wieder aufgenommen wird. Diese Capitel des Titurel (XV
■ — XVI) enthalten weiter nichts, als unendliche Namenverzeichnisse,
die den Leser mit schauderndem Entsetzen vor dieser Poesie erfüllen.
Cap. XV — XVI. (str. 1921 — 2228 11.) Der Dichter hat die Auf-
zählung der am Turniere beteiligten Helden so eingerichtet, dass
er zuerst (str. 1932 — 1917) die Anführer der 30 Rotten, in welche
die unermessliche Schaar geteilt ist, paarweise aufzählt ; dann fol-
gen von 16G5 — 2083 die einem jeden Anführerpaare zugeteilten
Kämpfer; endlich wird von 2084— 2175 ganz kurz über den Aus-
gang der einzelnen Kämpfe berichtet. Rechnen wir dazu die kurze
Aufzählung der Kämpfer des ersten Turniers (1707 —20), so sehen
wir, dass fast alle Helden zweimal, viele dreimal und einige sogar
viermal aufgezählt werden.
Pa ar 1. (1932. 1965-84. 2086—2107. cf. 1707—12) : Den ersten
Platz nimmt mit Fug und Recht Arlüs mit seiner Schar ein. In der-
selben kämpft bei dem 2. Turnier auch Anforlas, dem der Dichter
an eiuer andern Stelle die Str. 1724 — 42 widmet. Damals wird
er zuerst durch den Anblick der schönen Orgiluse in heftiger
Liebe zu ihr entzündet, wodurch er später Gesundheit und König-
tum des Grals verlieren sollte. Obgleich er von Artus erfährt,
dass Orgiluse bereits die Verlobte des Citegast von Logrois sei,
kämpft er doch in ihrem Dienste im 2. Turnier mit. (Diese Notiz
ist abgeleitet aus P. 616, 11—617, 3). — ■ Ausser Anfortas kämpfen
unter Artus noch Iwein, Segremors , Jöfreit fiz Idcel und Poytwin
von Preciliorsc (1976, 1) , der nach der Anspielung Tit. str. 2091
derselbe sein muss, wie P. 72, 10 Poytwin de Pricnlascors. Orphilet
von Engellant stammt aus Ulrichs Lanzelet v. 687—91*).
Dem Artus gegenüber steht Tscltaflorc von Arragün (P. 79, 2),
unter ihm der von Portigäle (P. 66, 26), der von Ascalün (P. 67, 13),
*) Die 15 Reiche des Artus werden zum Teil aufgczahlt str. 1707 — 08: Bri-
tanje, Engellant , Zit (P. VII) sind aus Wolfram bekannt. Precilje ist wohl das
Land des Königs Askalon im Iwein, der Tit. 1939. 2024 Ascalon von Precilje ge-
nannt wird; es ist natürlich der Wald Urezljan gemeint (cf. Bcneckc z. Iwein 263).
Kambrie, Isselant (nur II.), Steeden, Tennemarke (cf. unter Paar 13), Spolit (cf.
str. 1993. Karel v. Spolitte) sind der geographischen Gelehrsamkeit Albrechts
entsprungen. Für Nortceege (das Land Lots bei Wolfram), das nur in AD. ge-
nannt wird, hat II Friert und Tamilon-, das letztere kommt schon vorher als Land
des Teanglis vor (cf. pag 31); Frien scheint nach str. 2353, wo der künec itz
Frtfne kein anderer als Ilartmanns In ein ftl li roi frien ist, interpoliert zu sein.
Über Niffelant vgl. Martin z.Gudr.211, 1. ardie(?) endlich weiss ich nicht nnter-
zubringen.
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alle drei ans dem Turnier vor Kanvoleis (P. II) genommen , auf
das Albreebt bei der Turnierbescbreibung überhaupt sehr viel an-
spielt. Der Graf von Lanvcruns (1983b = XV, 68 AD) stammt
aus P. 343, 22 , der von Beolars (1982, 4 AD) vergleicht sich mit
Bejolarz von Leodarz Wigal. 8717, der von Johencise ist (Lot) von
Johenis, Lanz. 2629.
Paar 2. (str. 1933. 1985—92. 2108—11. cf. 1713—14): Gailet
mit seinen Leuten : Gatschier von Normandie (P. I u. II). — Kilrikaie
von Schawpanie (P. 86, 12); er wird P. 46, 17 der minnediche bed
kunt genannt, woraus Albreebt (ebenso wie der Schreiber von D)
einen neuen Namen Beadiunt gemacht hat. — Serabel von Kate-
karze (= P. 772, 3). — Der buregräve von Tolcle (P. 488). — Itodc-
kastel (str. 1713), erinnert deutlich au Tit. 440 f. Kastdrotc, das
Stammland Gailets. — Gailet führt ausserdem die von Granat
(cf. Tit. 448, 1) , Darlenze (= Dourlens, jetzt Doullens in der Pi-
cardie, das ja auch dem Orlens des Rudolf v. Ems zu Grunde liegt)
und Galitze (cf. Tit. 306). — Dem Gailet gegenüber steht CIdmidö
von Brandigdn und lserterre mit seinen aus P. IV bekannten
Fürsten.
Paar 3. (str. 1034. 1992-97. 2112-15. cf. 1718): Die 6.
Schar wird von den Vertretern der Tristansage eingenommen :
Marke von Kotuual mit denen von Tintanjöl, Laridande( ?) und Ga-
friöle (aus Erec 5645. Cadoc von Gafriöle, cf. Haupts Anm.). Neben
Marke wird geuaunt der junge Tristram von Par man ic, der hier die
Rolle des jungen Gawan im Turnier vor Kanvoleis vertritt (cf.
P. 66, 15 — 22), und Tristrams Vater Biicalin (auch P. II). — Mar-
kes Gegner ist Mörholt von Irland, wie er es auch in der Tristan-
sage ist. Unter ihm kämpft der König von Ascalün (welcher ?, cf.
oben Schar 2), Jöret von dem schönen tcalde (aus Ulrichs Lanzelet
331 — 32 u. ö.) und der Herzog Karlmäne (aus der „Guten Frau“
ed. Sommer v. 3020; cf. unten llaspelgowc).
Pa ar 4. (str. 1932. 1998-2008. 2116-22. cf. 1719. 1716—17) :
Die 7. Schar besteht ganz aus den Kämpfern von P. VII. Sie
haben den schwersten Stand, denn ihnen gegenüber steht Schiona-
tulandcr mit den Mannen der Lande Gamurets, Sigunes und seines
eigenen Stammlandes. Genannt wird Turkcnt&ls (P. 128, 8) und
ein buregräve von Kamfaileis.
Paar 5. (str. 1936. 2009 — 17. 2123—29): Löt von Norucege ;
von seinen vier Fürsten ist nur l'renolas von Pydagöne bekannt
(= P. 772, 15). Ist Parfttlas von Grede = P. 772, 16? — Lot
kämpft mit den Fürsten des Königs Kingrimursel von Ascalün
(P. VIII), Kingrimurscl von Schampfanzüne und dem feigen Liddamus.
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Paar 6. (str. 1938. 2018 — 23. 2130 — 35): Jther von Kukumer-
laut (P. III) und ihm gegenüber Teanglis von Talimön (cf. Tit. cap. X).
Die diesen beiden zugeteilten Helden sind sämtlich aus P. 772
genommen.
Paar 7. (str. 1939. 2024 — 28. 2136—40): Hartinannsche'Hel-
den : Ercc und Ascalon von Prceilje (über Precilje vergl. oben p. 43
Aum.), der erste Gemahl der Laudine im Iwein. Von ihren Für-
sten sind nur der von dem swarzen dorne aus Iw. 5629 und Wiga-
mvr als epische Helden bekannt.
Paar 8. (str. 1940. 2029-30. 2141-45. cf. 1714—15): Li-
scandus kiinec der Fransen, der uns mit seinen Helden in den Kreis
von Wolframs Willehalm führt; aber wie bei der Übertragung
der Bundesgenossen Terramers auf die des Baruchs (cf. oben p. 16),
hat Albrecht auch hier nur die Kamen der Länder herübergenom-
men, die Personennamen selbst gebildet *). — Diesem Kreise gegen-
über steht der von Patrigalde (P. 66, 23) mit Iliutegir (P. I cf.
oben pg. 41) und Zironale von Seimdalke (P. 772, 10).
Paa r 9. (str. 1941. 2031—40. 2146 — 49) : Fridebrant von Schotten
mit Schiltunc (P. I), dem von Gascäne (cf. unten pag. 46) und dem
von Provcnze (P. 772, 22??). Ihnen gegenüber Ekunat von Berbester
mit dem Burggrafen von Pävermunde (W. Tit. 150, 3) und Amsor
von Prunn (Er. 2241. 2351. P. 134, 12).
Paar 10. (str. 1942. 2041 — 45. 2150— 52. cf. 1710): Der von
Navarre (nicht b. Wolfr.), unter ihm Blisiböle von Jerepars (P. 772, 4 4),
Jennidanze von Jcrgidöle (= P. 772, 11). — Sein Gegner ist Lehelin
(P. III) mit Pliplorie von Jörapant (= P. 134, 28).
Paar 11. (str. 1944**). 2046-56. 2153 - 61): Kyröt von B6-
sabinse (== P. 658, 9—11). Unter ihm Vrebalise von Bona Vinal-
terre ( über sB vil verrc :) = Winland ! ***) — Ihm gegenüber steht
Kardis von Pelrapiere, der Bruder der Kondwiramurs (P. IV). Gur-
nemanz von Gräharz (P. III) ist sein Berater im Streit. Dazu noch
Gente/lürs (A. D.), der Sohn des Gurnemanz (P. 177, 29).
Paar 12. (str. 1943. 2057 — 63. 2162 — 65): Die Brüder Tschir-
nivel von Lyrivöne und Mirabel von Aveudröne (P. VIII u. 772, 1 — 2)
einerseits und Jöram von Sgrie (au3 dem Wigal. 5818) andrerseits.
*) Arle kommt im Willekalm nur 221, 18 vor, aber vergl. Tit. 192 und
P. 772, 22. Lamarle ist wohl nur Heimflickwort auf Arle.
**) str. 1944 u. 1943 sind umzustcllen.
***) Der Sohn des Kyrot, Gramoflanz , konnte an dem Feste nicht teilnehmen,
weil er in einer Tjost von Zitegast von Logrois verwundet war; dafür tötete er
später den Zitegast (2155—57). Es ist eine Anspielung auf P. 615, 27 — 616, 2,
die versucht, das dort erzählte zu motivieren.
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Paar 13. (str. 1945. 2064—67. 2160 — 67): Der Ivöuig von
Burguneis und der König von Tennintarle, die wahrscheinlich nach
dem Vorbilde von Nibelungen II einander gegenubergestellt sind.
Unter dem König von Burguneis (cf. Wh. 152, 24 u. ö.) steht Aliart
von Flandern , unter dem König von Tennemarke der von TVes/t'dl
und der von Aspigowe ; beide mit einander verbunden finden sich
Krone 2962 u. 2970 : Westfdle und Hespehjotc ; Haspelgow in der
Guten Frau (ed. Sommer) v.3044. Es ist eine Grafschaft ira Stifte
Lüttich (cf. Gregorius 1404).
Paar 14. (str. 1946. 2074—78. 2168 — 73): Ospinel, Edolanz
(cf. oben pag. 41 f.) und Tandrcas * ). Ihnen gegenüber steht Zitegast
von Lögrois (P. II. X— XII) mit Gwcllis Litschoie aus Koversin (P. X)
und dem turkoiten Flor an t (P. XII — XIII).
Paar 15. (str. 1947. 2079 — 83. 2174—75): Das letzte Paar
endlich bilden Fürst Lamptclin von Brabant (P. II) mit llardicz
und dem König von Aseöne**) und auf der anderen Seite die Für-
sten von Saxönje, Düringen, Hessen, Liutschitz und Brunswige.
Wir sehen also , in welcher enormen Weise Wolfram ausge-
plündert worden ist, und wie viele sonstige Epen ausserdem noch
von Aibrecbt herangezogen sind. Diese Beziehungen hat die obige
Aufzählung, wie ich glaube, erschöpft. Alle übrigen Nameu sind
eigene ZutbatenAlbrechts: Diejenigen geographischen Namen,
die aus der gelehrten Kenntnis Albrechts stammen, sind schon
mit aufgeiiibrt. Eine besondere Gruppe bilden ferner eine Reihe
*) in dem Prof. Roelhe den Tnndareis de» Pleier» vermute! ; es wäre dies
die einzige Anspielung auf die Werke~iJeTTleicrs, die ich bei Albrecht finde. —
Den Ospinel nennt Haupt zu Erec* 8505 eine Erfindung Albrechts, doch kommt
ein Köuig Ospinel schon im Karlroeinet vor, cf. Kellers Ausgabe, pag. 847 — 48;
Bartsch zu Karlm., p. 100. Olinel ist der lleld einer französischen cliansou de
geste. cf. Opinäui Erec 8505. — Albrecht hat von diesem Helden aber nur den
Namen übernommen, ihn sonst ganz frei gestaltet ; er ist ein Herzog (Tit. 1354, 1)
und kommt schon Tit. 1354—65 unter der massenie des Artus vor. Er führt
den halben lewen üf ze rehle gestrecket im Schilde (Tit. 1355). Albrecht bringt
von ihm nichts als die ganz gewöhnlichen Phrasen vor, die er bei jedem tapferen
Ritter anbringt. Ospinel erscheint noch einmal (Tit. 4474) als vorübergehender
Gegner des Artus und Schionatulander, zusammen mit Erec, Edolanz und Joret
von dem schönen Walde. (Ein anderer Ospiinel der fürste wird Tit. 4471, 0 unter
den Verwandten des llrandulidelin von Ponturteis genannt.)
**) Albrecht hat, nach den Lesarten von H. und A.D. zu urteilen, aus Wol-
frams Hardiz ton Gascöne (P. 67, 25 — 27) 3 Personen gemacht:
1. Hardiez (immer ohne Bezeichnung des Landes): Tit. 2079, 8. 2174, 5.
2597, 5 u. 8. w. Er stirbt im Orient Tit. 3467.
2. den König von Aseöne : Tit. 2079, 4. 2174, 5. 4480, 1.
3. den König von Gascöne; Tit. 2032, 1. 2149, 5.
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von echt deutschen Personennamen , die durch ihre Häufung auf
den ersten Blick den Gedanken an Beziehungen auf verlorene
deutsche Epen wach rufen. Nun Buden sich aber die meisten dieser
Namen als Namen der Bauern in Nitharts Liedern wieder, und
da wir öfter die Benutzung Nitharts durch Albrecht zu consta-
tieren haben, zweifle ich keinen Augenblick daran , dass Albrecht
hier aus den Bauern Nitharts tapfere Barone, Grafen, Herzoge
und Marquis gemacht hat. Man vergl. Tit. 2012. gräveEj>pc: Nith.
(H.) 39, 2 u. ö., Tit. 2017 Ebcrolf von Morte: Eberolt, Nith. 64, 31.
— Tit. 2026. Herzog Willibrot : Nith. 70, 1. Tit. 20, 27: markis
Wulberun: Nith. 60, 24. 81, 18. — Nicht bei Nithart nachweisen
kann ich: Tit. 2011. Herzog Ingram. 2017. gräve Ilodegalt. 2028. gräve
Liebhart. — Nach dem Muster der phantastischen Namen in P. 772,
die, wie wir gesehen haben, von Albrecht reichlich ausgezogen
sind, hat Albrecht noch gebildet die Namen in str. 2025, 5 — 7.
2030a. 2032 , 5. 2039, 1-2. 2042 , 6—7. 2405a. 2047. 2050. 2055,
1-4. 2062.
Die jetzt noch übrig bleibenden Namen*) dürfen wir wohl alle
Albrechts Erfindung zuschreiben.
Die geordnete Verteilung der Kämpfer in zweimal 15 Gruppen
hält nicht bis zum Ende des Turniers an , die Abteilungen ver-
wirren sich, Scbionatulander kann infolgedessen nicht nur die ihm
direkt gegenüberstehenden Kämpfer, sondern der Reihe nach alle
bedeutenderen Kräfte der Gegenpartei abthun , sodass er am Ende
des Turniers als unbestrittener Sieger dasteht und die ausge-
setzten Belohnungen empfangt. (Cap. XVII. Anfang.) — So wäre
denn das grosse Fest zu Ende, wenn nicht Albrecht noch zwei
grosse Episoden au dasselbe angehängt hätte, von denen die ganz
locker angefügte erste noch zur Verherrlichung und Verschönerung
von Artus Feste dienen soll.
Cap. XVII — XVIII. (str. 2229—2399 H.) Es ist das eine Keusch-
heitsprobe, str. 2249 ff. t .t
lieber die Keuschheitsproben in der mhd. Dichtung hat 0.
Warnatsch in seiner Ausgabe des Mantels von Heinrich v. d. Türlin
pag. 55 ff. ausführlich gehandelt. Pag. 82 — 83 spricht er eingehend
über das Verhältnis der im Titurel erzählten Keuschheitsprobe
zu den übrigen. Bei Albrecht ist zwar das Mittel der Probe ein
*) Tit. 1983b. gräve Panfurel, 2104. fürste Pianze, 1988. maregraf Palmtin,
1990. der von Prellitors, 1991. gräve ton Selarastas, 1994: Flöragüne tonKarifol;
der ton Largwidüne ; der gräve Karnüor, 1997. gräve ton Adriäne. (2034 ein zweiter
dieses Namens). 2006 ticont der Arbidöne, 2060. herzog Marbislne ton Grälande,
2065. fürste ü z Johereine {= Lohereine, Lothringen?).
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anderes, als bei den früheren Darstellungen, soweit sie uns be-
kannt sind, aber in der Behandlung lehnt sich Albrecht in den
meisten Punkten an die bekannten Bearbeitungen , besonders der
Mantelprobe, an. Die wichtigsten Proben dieser Art, die für Al-
brecht als Vorbild in Betracht kommen können , sind die Mantel-
probe in Ulrichs Lanzelet 5679—6228, nach Warnatsch pg. 69 die
älteste deutsche Darstellung der Art, die Mantelprobe in dem
Mantel Heinrichs v. d. Türlin, und die Becher- und Handsehuh-
probe in Türlins Krone.
An Ulrichs Darstellung erinnert im Titurel (str. 2342) die
Bemerkung, dass man vor der Brücke einem jeden, der sie über-
schreitet, aus einem Briefe seine Sünden vorliest. Auf Artus
Bitte unterbleibt das bei den Damen (Tit. 2365 — 66) , was sicher-
lich erst durch Albrecht hinzugefiigt worden ist. Bei Ulrich giebt
die Ueberbringerin des Mantels nach jeder Probe Aufschluss über
das Vergehn des Erprobten, bei Heinrich fällt diese Aufgabe über-
all dem Keye zu, der Lieblingsfignr Heinrichs.
Den Beweis, dass Albrecht entweder den Mantel Heinrichs
benutzt hat, oder dass Albrechts Quelle für die Probe mit Hein-
richs Mantel oder dessen Vorlage verwandt gewesen ist, liefert
der Umstand, dass bei Albrecht ebenso wie im Mantel, dessen Vor-
lage (dem Fabliau du mantel mautailld) und der Fortsetzung von
Chrestiens Perceval mit der Keuscbheitsprobe die Anekdote von
Artus verknüpft ist, der nicht eher am Tage zu essen pflegt, als
bis er Aventiure gefunden hat. Albrecht spottet über diese Anek-
dote (2265—67), die schon überall, wo sie im Zusammenhänge mit
der Keuscbheitsprobe erscheint, missverstanden worden ist; die
richtige Auffassung findet sich bei Wolfram P. 309, 3—11: Artus
pflegte nicht mit seinen Rittern gemeinschaftlich zu speisen,
bevor nicht an dem Tage eine Aventiure gemeldet war.
Der Mantelprobe haben sieh stets die Frauen, der Becher- und
Trinkhornprobe die Männer zu unterziehen. Dieser Grundsatz ist
erst in der Krone durchbrochen , wo sowohl bei der Becherprobe
wie bei der Handschuhprobe Männer und Frauen geprüft werden.
Darin ist also Albrecht der Krone gefolgt.
Ein anderes Motiv, das Albrecht mit der Becherprobe gemein
hat, ist, dass die Frauen bei der Probe anfänglich gar nicht ahnen,
um was es sich handelt (Warnatsch pg. 112).
In der Auswahl der Personen erkennen wir Albrechts ge-
wöhnliche Arbeitsweise wieder: Die meiste Ausbeute liefert Wolfram,
dem sämtliche gerühmte Helden angehören; und von denen, die die
Probe nicht bestehn, sind Keye, Segremors, Jofreit fiz Idcel und
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Lehelin ebenfalls aus Wolfram genommen. Man kann also nicht
sagen , dass Albrecht nur die Hartmannseben Helden , die noch
übrig bleiben (Erec, Iwein, Kalogriand und Dodines), gegenüber
denen Wolframs habe beruntersetzen wollen, wie Warnatsch meint.
Der Dichter fand in allen ähnlichen Darstellungen die genannten
Helden unter den Schuldigen; dass er aber seine eigenen Helden
soweit als möglich alle von diesem Vorwurfe befreit wissen wollte,
. ist natürlich.
Von den Motiven, die die einzelnen zu Falle bringen, sind die
bei Lehelin, Keye, Segremors angegebenen aus Wolfram zu er-
klären, die übrigen sind Anspielungen auf Hnrtmanns Epen (str.
2593 ist mir nicht ganz klar). Einer novellistischen Vorlage Al-
brechts haben wir vielleicht die Wahl der Brücke zuzuschreiben,
denn dieses selbe Mittel der Prüfung kommt, unabhängig von Al-
brecht, später bei Hans Sachs in der Historia von König Artus
mit der ehbrecherbrugk vor (Warnatsch pag. 83).
Nach alledem glaube ich, dass Albrecht die hier cingefügte
Keuschbeitsprobe nach dem Vorbilde der erwähnten ähnlichen
Proben selbst ausgearbeitet hat. Die sehr äusscrlichc Verknüpfung
der Probe mit der Handlung des Titurel, also die Einführung der
Marrocheise, halte ich auch für Albrechts Werk. Diese ganze
Episode ist eine Satire auf die Prachtliebe und übertriebene Frei-
gebigkeit des Artus, wie Albrecht auch in den unmittelbar folgen-
den Abschnitten die allzugrosse milte des Artus bekämpft. Dem
Hofe des Artus wird ein viel prächtigerer, höfischerer, etiketten-
strengerer Hof gegenübergestellt, und der Vergleich fällt in jedem
einzelnen Punkte zu Ungunsten des Artus und seines Hofes aus
(cf. besonders str. 2397). Diese Erfindung , die auf den ersten
Blick Albrechts Talent zu übersteigen scheint, lässt sich doch sehr
wohl aus dem satirischen Charakter der Keuschheitsproben ab-
leiten. Denn bei den meisten derselben kommt ja Artus und sein
Hof schlecht genug weg, während die Besitzer der zauberkräftigen
Mittel stets ohne Makel bleiben.
An einzelnen Zügen hat Albrecht einiges aus Wolfram ent-
lehnt: Tit. 2231 = P. 285, 13 ff. : Artus schläft noch, als ihm die
Ankunft der Marrocheise gemeldet wird. — Manche Züge in der
Begegnung des Artus mit dem Könige von Marroch erinnern an
das Erscheinen des Feirefiz am Hoflager des Artus (P. XV):
1) Feirefiz ist der reichste Fürst, der jemals an der tavelrunder
gesessen hat (P. 777, 2 — 8), viel reicher als Artus selbst (cf. P. 735,
15 ff.).
4
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BO
2) Jofrcit fiz Idoel ist beide Male der Bote des Artus (Tit.
2281 ff.: P. 761, 8—762).
3) Die reiche Beschenkung der Massen ie des Artus durch den
König von Marroch (Tit. 2392 ff.) ist eine Übertreibung von P. 78ö,
wo dasselbe von Feirefiz berichtet wird. — Die Doppelung des
Namens der Marrocheise hat Albrecht nur deshalb eingeführt, um
seine geographischen Kenntnisse leuchten zu lassen und zugleich
eine , wenn auch nur scheinbare, Verknüpfung mit der Geschichte
Schionatulanders horbeizuftihren. (cf. str. 2326—28).
Cap. XIX. (str. 2400 — 2523 H.) An die so behandelte Brücken-
probe schliesst sich nun mit Cap. XIX ebenso unvermittelt eine
andere Episode an, die Erzählung vom Raube der Frauen des Artus
durch Clinschor. Albrecht hat sich ausgerechnet, dass dieses von
Wolfram oft angedeutete Ereignis ungefähr in diese Zeit fallen
müsse, darum setzt er seinen Bericht darüber hierher. We-
sentlich ist für den Dichter auch wohl gewesen , dass er so einen
starken Contrast zwischen diesem traurigen Ereignisse und dem
unmittelbar vorhergehenden frohen Feste auf Floriscbanze heraus-
bringt. Hier könnte uns nun Albrecht schätzbare Aufschlüsse über
die Vorgeschichte dieser Entführung geben, wenn er wirklich die
Quelle Wolframs selbst weiter ausgeschöpft hätte. Allein wir
werden auch hier wieder alles aus den Berichten und Andeutungen
Wolframs erklären und ableiten können.
Wie dem Artus mehrere Jahre früher schon seine Mutter ge-
raubt worden war (Tit. 2407, 5 nach P. 65, 30 ff.), so sind jetzt
eines Morgens plötzlich Sangivc , Gawans Mutter, und ihre beiden
Töchter Itonie und Kundrie nebst 300 der schönsten Frauen
und Jungfrauen verschwunden (Sigune und Kondwiramurs waren
durch die Kraft des Grals bewahrt geblieben). Vergeblich erkun-
digt sich Artus zunächst bei dem eben abgezogenen Könige der
Marrocheise nach dem Verbleibe der Frauen. Derselbe weiss nur,
dass der böse Clinschor die Frauen entführt habe, wie er auch
12000 edle Frauen der Marrocheise geraubt habe*). Die Schilde-
rung , die der König dann von Clinschor giebt (str. 2427 — 30),
kennen wir viel besser aus P. 655, 28—659, 16.
Nicht viel mehr als der König von Marroch ihm mitgeteilt
hat , erfährt Artus auch , als er sich bei Accedille (str. 2433, 1.
2468, 1)**), Utpandraguns Schwester, erkundigt, die, weiser als
*) Das bat Albrecht, in Hinblick auf die vorhergehende Episode, aus P. 659,
15—16 entnommen:
matte heiden unde heidenin muose ouch bi uns hie ü f ein.
**) ein accedille (2438, 1 H.) = Sfaiedille, nach Mazadän (2438, 2) gebildet ??
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Bl
Tetis und Sibille, mit Cliuschor in Verbindung steht. Sie verkün-
det dem Artus, dass Clinschor nur durch ihre Einsprache verhin-
dert sei, den Artus ganz zu verderben; so sehr sei sein Neid durch
den übermässigen Aufwand, den Artus treibe, erweckt worden.
Accedille ermahnt den Neffen, von jetzt an stets der m&ze in der
müte zu pflegen.
Hier hat Albrecht die bekannte Fee Morgane, die sonst eine
Schwester des Artus ist*), unter einem andern Namen bemüht,
ohne doch über die Entführung der Frauen dadurch mehr Licht
zu verbreiten.
Durch den Tadel von Artus übergrosser milte veranlasst,
schaltet Albrecht hier eine Episode aus Artus früherem Leben
ein, in der ihm ebenfalls für seine übergrosse milte eine derbe
Lektion erteilt worden war (str. 2448— 67):
König Melianz, Tschinovers Bruder, der in fernen Landen er-
zogen und so Artus und seiner Schwester ganz unbekannt gewor-
den war , hört die übergrosse Freigebigkeit des Artus preisen und
beschliesst, ihm dafür eine Lehre zu geben. Da Artus die Ge-
wohnheit hatte , jedem Bittenden jede Bitte zu gewähren , geht
Melianz an den Hof des Artus und bittet ihn um 10 seiner 15
Königreiche und um seine Gemahlin. Artus gerät bei dieser Bitte
in die grösste Verlegenheit und sucht auf jede Weise den Fremden
von seiner Bitte abzubringen. Dieser aber besteht darauf und
trägt dem Artus zum Ersatz seine Schwester an, die über 10 Kö-
nigreiche Herrin sei. Artus will diese Schwester lieber dem mäch-
tigen Kardis von Pelrapiere geben und verspricht auch dem Me-
lianz selber eine reiche Gemahlin, wenn er nur auf die Königin
verzichten wolle. Melianz setzt den Artus jetzt zum zweiten
Male in die äusserste Verlegenheit, indem er ihm sagt, dass eben
diese seine Schwester, die Artus so gerne dem Kardis von Pelra-
piere abtreten wolle, die Tschinover sei. Da erkennt endlich Artus
den Schwager und nimmt sich von nun an dessen bittere, aber
wohlgemeinte Lehre zu Herzen.
Der Kern dieser niedlichen kleinen Erzählung ist die Stelle
des Iwein v. 4526—4610. Da wird erzählt, es sei ein Ritter zu
Artus gekommen und habe von Artus verlangt, ihm eine Bitte
zu gewähren. Artus habe nach langem Schwanken auf das Drän-
gen des Ritters hin bedingungslos eingewilligt. Da habe der
*) Morgane war die jüngste der 3 Stiefschwestern des Artus aus dem Feen-
geschlecbt und in allen geheimen Wissenschaften erfahren j vgl. Benecke x. Iwein
8424 . Erec 5165 Fämurgän, Lanz. 7185. Tit. 4376,7 finden wir einen Nachklang
ihres wirklichen Namens bei Albrecht.
4*
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Ritter verlangt, die Königin milnchmcn zu dürfen, und trotz seines
Zornes habe Artus einwilligen müssen. Vergebens seien die Ritter
des Artus dem Entführer nacbgeeilt , er habe sie alle geworfen ;
endlich sei auch noch Gawan, der anfänglich nicht anwesend ge-
wesen sei, dem fremden Ritter nachgezogen. Wir hören hier nichts
über den Namen des Entführers der Königin, darüber giebt uns
der französische Roman de la Charette des Chrestien de Troyes
Aufklärung, der im übrigen die Geschichte etwas anders darstcllt
(cf. Histoire littöraire de France XV, 255 ff.) :
Als Artus einstmals Hof hielt, kam ein gewaffneter Ritter zu
ihm, der erklärt, mehrere Personen von Artus Hofe in seiner Ge-
fangenschaft zu haben. Er wolle um dieselben mit einem Ritter
des Artus kämpfen, wenn Artus seinerseits die Königin als Pfand
einsetzen wolle. Keux nimmt sofort den Kampf für sich in An-
spruch, und Artus geht darauf ein. Bald gereut aber dieser Han-
del den Artus , und er eilt mit Gauvain dem Keux nach. Allein
es ist schon zu spät, Keux ist besiegt und der fremde Ritter mit
der Königin fort. Gauvain eilt ihm nach und trifft bald den Lan-
zelot , der seinerseits von Artus Hofe aufgebrochen ist , um die
Ginevra wiederzugewinnen. Sie erfahren am nächsten Tage, dass
Ginevra in der Gewalt des Königs Mcleaganz von Gorre ist.
Da haben wir also den Namen des Entführers; er wird uns
bestätigt von Wolfram, der auf die Geschichte, wie sie Chrestien
erzählt, an zwei Stellen des Parzival anspielt*).
Albrecht hat hier nun den Namen Melianz, der P. VH (344,
15 u. ö.) als König Melianz von Lis eine grosse Rolle spielt. Neben
ihm wird zugleich Meljacane (343, 26 u. ö.) als Sohn des Königs
Poydicunjunz von Gors und Vetter des Melianz genannt (P. 344, 1
u. 348, 25 — 27). Ich glaube deshalb , dass Albrecht sich , absicht-
lich oder nicht, eine Verwechselung dieser beiden Namen hat
zu Schulden kommen lassen. Den aus Hartmanns Iwein ge-
schöpften, durch Reminiscenzen aus Wolfram vermehrten Kern hat
Albrecht nun seinerseits mit einem alten Motive der gnomischen
*) P. 887, 1-8:
Dt» kom Melj acanz •'» not,
nie so vaste zuo getrat,
kom und dä nach mit im streit,
die frou Ginover dolle,
u. P. 683, 8—11 i
üf der swertbrücke erleit
das was gein dirre not ein niht.
daz «m der werde I.anzilM
do er von der swertbrilcke }>fat
im tcas gevanenusse leit,
dier dä mit strtie holte.
swas der werde Lanzilöt
unt sit mit Melj aeanze streit,
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ii ii i üu i
63
Dichtung verbunden. Die Figur des räuberischen Meljacanz, den
Wolfram P. 343, 23— 344, 10 mit dem schärfsten Tadel überschüttet,
wird zu der liebenswürdigen Gestalt des klugen Beraters eines
verschwenderischen Königs, und das ganze gleicht mehr einem an-
mutigen Rätselspiele mit stark moralischen Tendenzen , als einem
Abschnitte eines ritterlichen Gedichtes. Was Albrecht sonst noch
an einzelnen Beziehungen hinzugethan hat, lässt sich alles ans
Wolfram, wie Kardis von Pelrapiere, oder aus dem Titurel selber
erklären, wie die Erwähnung der 15 Reiche des Artus.
Damit hätten wir denn das Fest auf Florischanzo mit all
seinen Anhängseln, und zugleich den ersten Hauptteil des grossen
Mittelstückes des Titurel , das die Laufbahn Schionatulanders be-
handelt, zum Abschlüsse gebracht. Schionatulander ist auf der
Höhe seines Ruhmes angekommen, und behauptet sich mit grossem
Glücke auf derselben auch während des 2. Abschnittes seiner Ge-
schichte, seiner grossen Fahrt nach Baldac, auf die wir ihn jetzt
zu begleiten haben.
Abschnitt IV: Schionatulander II.
Aus Wolframs Titurel erfahren wir , dass der junge Schiona-
tulander seinen Oheim Gahmnret auf dessen beiden Fahrten nach
Baldac begleitet hat (W. Tit. 40 n. 75 ff. ; cf. jg. Tit. Cap. VIII);
aber von einer Heerfahrt christlicher Helden zum Baruch von Bal-
dac , unter der Leitung des herangewachsenen Schionatulander,
hören wir bei Wolfram auch nicht die geringste Andeutung. Aber
auch in Wolframs Quellen kann dieser Kampf nicht erzählt wor-
den sein, denn sonst würden wir mit Sicherheit wenigstens P. 141
eine Anspielung auf denselben finden. Dass Albrecht diesen Zng
Schionatulanders nach Baldac, im Anschluss an Wolfram, für sein
Gedicht erfunden hat, das bestätigen uns innere Gründe, die wir
aus Albrechts Darstellung entnehmen.
Die ganze Heerfahrt Schionatulanders zum Baruch nach Bal-
dac ist nichts als eine Parallele zu den P. I u. II (Tit. Cap. VIII)
erzählten Zügen Gahmurets. Ganz äusserlich deutet das der Dichter
selbst schon dadurch an, dass er den Schionatulander von seinem
ersten Auftreten im Oriente an bis zu dem Augenblicke, wo durch
den Fall Ipomidons von Babylon Gamurets Tod gerächt worden
ist, stets Gamuret den jungen oder Gamuret den andern oder kurz-
weg Gamuret nennt*). Auf der anderen Seite entspricht Sigune
*) Vergl. str. 2849, 6—7:
Und wart roa allen einen namen gescheide»,
trän Gamuret der junge, niht anders was sin nam vor allen heiden;
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der zurückbleibenden Herzeloyde. Als ein paralleles Paar hat ihnen
Albrecht Ekunat und Clanditte an die Seite gestellt und auf der Seite
von Scbionatulanders Gegnern erkennen wir unschwer iu Secureis und
Arabadille abermals das Abbild Gahmurets und Herzeloydens, oder
Schionatulanders und Sigunens. Wir sehen, der Dichter gefallt sich
ausserordentlich in solchen Parallelen, die Rosenkranz (Titurel und
Dantes Komoedie , pag. 73) zu dem ärgerlichen , in seiner mysti-
schen Bildlichkeit eines Albrecht würdigen Ausrufe veranlassen:
„ Leider bleibt es bei diesem ermüdenden Ubereinanderhinstreichen
des sich Gleichen , nur in der Länge oder Kürze Verschiedenen
und kommt nicht einmal zur ersten Form, zum Dreieck; nur zum
spitzen Winkel bringen es beide Helden im Kampfe*.
Das Motiv, das bei Albrecht das ganze Unternehmen Schio-
natulanders veranlasst und beherrscht, die Rache für den getöteten
Gamuret, findet sich bei Wolfram gar nicht; denn der Dichter des
Parzival behandelt Gahmurets Geschichte ganz kurz als Einleitung
zu seiner eigentlichen Aventiure und lässt sie fallen, sobald er zu
dem Helden seiner Aventiure gekommen ist. Der Naehdichter da-
gegen, der ängstlich jedes Motiv und jede Figur bis auf ihren er-
sten Ursprung und bis in ihre letzten Ausläufer verfolgt, und sei-
nen Lesern Aufschluss geben will über alles, was das grosse Vor-
bild noch unausgeführt und unklar gelassen hat, lässt durch seinen
Helden den Tod des edeln , vielbeklagten Gamuret an Ipomidon
rächen. Auf diese Weise erfahren die Leser zugleich etwas über
die weiteren Schicksale der babylonischen Brüder, des Baruchs
und der ganzen Verhältnisse des Orients, für die durch Wolframs
kurze Darstellung daslnteresse geweckt, aber nicht befriedigt war*).
Wenn dann Albrecht die endlosen Scharen der Könige und Fürsten
aufzählt, die sich auf dem Felde Plenanze zum Streite rüsten, so
ist das nur das Gegenstück zu der grossen Versammlung der christ-
lichen Fürsten und Ritter an Artus Hofe auf Florischanze **). Man
dem entsprechend str. 4169:
Als im die brühte Tsehionalulander:
da Gamuret gerochen i cart, alrcet dä einen namen fand er.
Der Uauptbeweggrund zu dieser Schrulle des Dichters ist natürlich die metrische
Unbequemlichkeit des Namens Scbionatulander gewesen.
*) Wie Albrecht aber gerade in der Ausmalung dieser Dinge völlig von Wolfram
(vor allem dem Willebalm) abk&ngig ist, haben wir oben bei Cap. Vlll gesehen.
**) cf. str. 4856, 3—7:
Sä was von künigen beiden te beider eit dü (= üf PISnanie z. 2;
heidenschaft diu ganze:
da z selb was üf Flöritschanz kurieise
crieten alle die werden bi dm künige wert ron Prituneise.
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sieht die Disposition Albrechts klar vor Angen: die beiden von
ihm erfnndenen und weitläufig ausgesponnenen Einschiebsel , das
Fest auf Florischanze und die Schlacht auf Plenanze. stehn in einem
engen Zusammenhänge, indem sie sich gegenseitig ergänzen und so
erst das Bild Schionatulanders vollständig machen. —
Bei diesen schönen Entwürfen hat Albrecht aber mehrere
Punkte ganz übersehen : Schon Simrock (Parz. u. Tit. I, pag. 604)
hat hervorgehoben, wie wunderbar sich bei all diesen Fahrten des
Schionatulander die Figur derSigune ausnimmt. „Man wird nicht
erwarten (sagt er), dass Sigune bei der Heftigkeit und Ungeduld,
mit der sie in Wolframs Titurel auf den Besitz des Brackenseils
dringt, nachher dem Geliebten Zeit gegönnt habe, alle die unnützen
Abenteuer zu bestehn , die einen grossen Teil des Titurel füllen,
und gar ohne Not zum andern Male gen Baidach zum Baruch zu
fahren“. Albrecht sieht sich genötigt, um seine langen Einschiebsel
nach dieser Seite hin zu motivieren , das Verhältnis Sigunens zu
Schionatulander, wie es uns in Wolframs Titurel entgegentritt,
geradezu umzndrehen (cf. str. 1909 — 1920). Die herbe, abweisende
Sigune Wolframs bietet sich jetzt dem Geliebten selbst an, obwohl
er das Brackenseil noch nicht erworben hat, und bittet ihn, sich
doch vor seiner Abfahrt in den Orient mit ihr zu vermählen , da-
mit sie einen Erben ihrer Lande erzeugen könnten; und der nach
Liebe verlangende Schionatulander Wolframs weist die durch seine
Ruhmesthaten längst verdiente Geliebte ab, um erst noch grössere
Thaten zu vollbringen. Nirgends fühlt man so deutlich wie hier,
wie tief Albrecht die herrlichen Fragmente Wolframs durch seine
Bearbeitung herabgewürdigt hat*).
So gut wie ganz fibergeht Albrecht in seinen beiden grossen
Einlagen die Kämpfe um das Brackenseil ; es macht sich fast albern,
wenn (str. 4829 — 33) der Baruch nach seinem durch Schionatulan-
ders Hülfe erfochtenen grossen Siege sich bei Lehelin für Schio-
natnlander und das Brackenseil verwendet. Als Schionatulander von
Baldac zurückkehrt (cf. 4431 ff.), sind die Kämpfe um das Bracken-
seil um keinen Deut weiter vorgerückt, als sie beim Beginn des
Festes auf Florischanze standen.
Der dritte Punkt, an dem Albrecht durch die Hinzufügung
von Schionatulanders Zug nach Baldac eine Un Wahrscheinlichkeit
*) übrigens kehrt der Zug, dass Sigune sich ein Pfand ihrer Liebe und einen
Erben ihrer Lande wünscht, von jetzt an sündig in allen Klagen der Sigune um
den entfernten oder später um den erschlagenen Geliebten wieder cf. 2880. 2497.
5066 — 06. Dem Dichter ist diese Erfindung aus dem Bilde Flerzeloydens und
ihres Sohnes zugeflossen.
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hcrbeifuhrt, ist die dem Schionatulander von Gamuret aufgetragene
Sorge um die Lande des jungen Parzival. Schionatulander hätte
sich doch einer schweren Pflichtverletzung schuldig gemacht, wenn
er die ihm von einem Sterbenden anvertrauten Lande so leicht-
herzig im Stiche gelassen hätte , um auf einem ganz unsicheren,
gefahrvollen Zuge noch grössere Ruhmeslorbern zu sammeln, han-
delte es sich dabei auch um die Rächung des erschlagenen Ver-
wandten. Der Ausweg, den Albrecht hier einschlägt, dass näm-
lich Schionatulander dem Artus die Lande anvertraut, ist ebenso
bequem, wie für einen pflichtgetreuen Fürsten unwahrscheinlich.
So dürfen wir denn wohl sagen , dass der Rachezug Schiona-
tulanders nach Baldac, ebenso wie das Fest auf Floriscbanze, von
Albrecht erfunden worden ist. Betrachten wir jetzt die Ausfüh-
rung desselben im einzelnen.
Unleugbar geschickt hat der Dichter den Zug Scbionatulan-
ders zum Baruch mit dem Vorhergehenden verbunden: durch die
Sendung der Boten des Baruchs, die köstliche Geschenke bringen,
wird unser Interesse für die im 8. Capitel behandelten orientali-
schen Dinge wieder erweckt, und durch die Manier Schionatulan-
ders, einen jeden, dem er im Turnier auf Floriscbanze seine Sicherheit
abnimmt, zur Teilnahme an dem Zuge nach Baldac zu verpflichten,
werden wir immer mehr mit Erwartung der kommenden Dinge
erfüllt. So hebt denn auch der Dichter str. 2468, 6—74, wo er
in die Erzählung von Schionatulanders Abfahrt nach Baldac ein-
tritt, mit besonderem Nachdruck hervor, dass er einen Hauptab-
schnitt seines Werkes beginnen wolle.
Der Rest des 19. Capitels, von str. 2475 an, schildert den
überaus schmerzlichen Abschied Schionatulanders von Sigune. Wie
bei dem ersten Auszuge Schionatulanders (str. 1247 fl'.) erhebt Si-
gune den Mut ihres Geliebten dadurch zu einer ungemessenen Höhe,
dass sie ihn ihren weissen Leib unbedeckt schauen lässt. Dann
vertraut Schionatulander die Sigune dem Fürsten Turkentals (P.
128, 8) an, und reisst sich endlich los. Ein Echo dieses Abschieds
ist die Trennung Ekunats und Claudittens (str. 2483 — 2492).
Selbzwölfte ist Schionatulander in der auserlesenen Schar der
Fürsten, die ihn auf seinem Zuge begleiten; str. 2589 — 98 werden
sie uns genannt: Gailet und Ekunat stehn dem Schionatulander
am nächsten, sie sind beide seine Verwandten*). Gailet und Ekunat
sind Lieblingsfiguren des Titureldichters geworden , neben seinen
eigentlichen Helden hebt er auch sie überall hervor, wo es nur
*) Vgl. darüber besonders: W. Tit. 42 , 1 . 126, 4. P. 39, 11 — 13.
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angeht. Zu diesen beiden kommen nun die wohlbekannten Wol-
framschen Gestalten , die wir alle bereits beim Feste auf Flori-
schanze begrüsst hatten : Fridebrant , Hiuteger , Morolt, Hardiez,
Lehelin *) , Ither von Kahefiez , Kingrimursel von Tschampfenzun,
der König von Frankreich und endlich der König von Navarre, den
wir direkt nicht aus Wolfram nachweisen konnten. In der grossen
Schlacht auf Plenanze werden Hardiez und der König von Na-
varre getötet (3467 ff. u. 3549); an ihre Stelle treten (Tit. 4074 — 76)
Karforas von Portigale und Ympries von Ytolac, die beide schon auf
dem Turnier von Florischanze vorkamen und beide aus Wolfram
stammen (cf. P. 66, 26 u. 772, 9 : Tit. 1982 u. 2023).
Cap. XX. ( str . 2524—2638 II.) Mit diesen auserwählten Hel-
den**) und vielen andern Rittern schifft sich Schionatulander zu
Marsilje ein ; nicht nach der gewöhnlichen Reiseroute (z. B. P. 58, 22)
zu Sibilje, weil er dem Gailet, dem Sibilje gehört, keine weiteren
Unkosten machen will (2524). Seine Seefahrt gestaltet Albrecht
nach dem Muster der volkstümlichen Epen, wie Herzog Ernst u. a.,
aus; ein heftiger Sturm wirft ihn zuerst an die Küste von Zaza-
mank, das Schionatulander, der andere Gahmuret, ja nicht ver-
fehlen durfte. Die Mohren, die ihn für Gahmuret halten und an
ihm Belakanens Tod rächen wollen, werden besiegt, aber den Fei-
refiz findet er nicht, denn der befindet sich in der huote des Razza-
lik, der gerade auf einem Kriegszuge gegen den Killikrates von
Centrinn abwesend ist (ef. P. 770, 12. 687, 6) ***). So fahrt Schio-
natulander weiter.
Cap. XXI. (s/r. 2639 — 2771 II.) Zum zweiten Male überfallt seine
Schiffe jetzt ein Sturm , der von dem wunderbaren Salamander in
Schionatulanders Schilde hervorgerufen wird (vergl. die grosse ge-
lehrte Abhandlung Albrechts str. 2747 — 71). Schionatulander wird
mit seinem Schiffe von den übrigen getrennt (cf. Hzg. Ernst v. 2123 ff.),
er bewältigt einen Aufruhr, der auf seinem Schiffe ausbricht, durch
ein starkes Schwert aus Fridebrants Schatze und gelangt endlich
zur Küste der wilden Galiotten. Das ist ein böses, seeräuberisches
*) Mit Unrecht meint Simrock (Pari. u. Tit. 1,504): „nur äusserste Namen-
not konnte dazu bestimmen, auch Lähelin, der als Orilus Bruder Tschionatulan-
ders Feind war, unter seinen Mitstreitern aufzuzählen“; vielmehr will Albrecht
dadurch nur noch den Ruhm seines Helden steigern, dass er ihn sogar seinen er-
bitterten Gegner zur Teilnahme an dem Zuge zwingen lässt (cf. str. 1901).
**) die str. 4855 der zxeelf Zungen herren der c rieten genannt werden, cf. Wh.
73, 11—14.
***) Die Charakteristik des Itazzulik (str. 2549 fl'.) stammt aus P. 43, 4—8.
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Volk ; sie fahren auf dem Grunde des Meeres dahin , bohren alle
Schiffe, die sich ihrer Küste nähern, an und bringen sie so zum
Sinken; wenn aber ein Mensch ihre Küste erreicht, so erschlagen
sie ihn
yahärgs ist bei den Griechen ein Name für den Schwertfisch,
der auch |iqpi'ag heisst, vergl. z. B. Strabo, Geograph. I, Cap. 24.
Es ist erklärlich, dass sich über diesen wunderbar geformten Fisch
leicht die Sage bilden konnte, er bohre die Schiffe an. So finden
wir dieselbe bereits bei Plinius, Nat. Hist. XXXII, 15: xiphian,
id est gladium, rostro mucronuto esse, ab hoc navis pcrfossas mergi in
oceano ad lortnn Mauretanien , qui Cotte voeelur, non jtrocul Lix> flu-
inine. Nun heisst aber galiöt im Mhd. derCorsar, Seeräuber (vergl.
ital. galcotto ) , cf. Wigal. 10491. Barl. 256, 28. Albrecht hat also
durch gelehrte Combination dieses Wortes mit der schon aus dem
Altertum stammenden Sage über den Schwertfisch sein Volk der
Galiotten geschaffen; vielleicht als Gegenstück zu den Schnäbel-
leuten des Herzog Ernst, zu denen der Held ebenfalls durch einen
Seesturm verschlagen wird. — Die so geschilderten Galiotten be-
zwingt Sehionatulander, der sich in Fridebrants Rüstung (cf. oben
pg. 38) ganz allein hat ans Land setzen lassen , nach einem hef-
tigen Kampfe. Sie müssen sich unterwerfen , und 200 von ihnen
sendet Sehionatulander als Boten an den Baruch. Seine zahlrei-
chen Wunden werden durch den Schaum eines Meertieres schnell
geheilt (2736 f.). In der Habe zu Persidine trifft er dann die Sei-
nigen wieder.
Cap. XXII. ( str . 2772 — 2910 TI.) Unterdessen haben die Boten
Schionatulanders den Hof des Baruchs erreicht, und der Baruch
rüstet sich, den Helden mit allen möglichen Ehren einzuholen.
Die Gemahlin des Baruchs, Clarissilie, und hundert Königinnen, die
sie begleiten, begriissen jede den Sehionatulander mit drei Küssen*),
jeden der übrigen Fürsten mit einem Kusse. Über der Atmerinne
wird ein köstlicher blauer Baldachin getragen ; auf demselben
ist das Bild Gamurets gewirkt, den die Heiden jetzt als ihren
höchsten Gott verehren (= P. 107, 19 ff.). — Die Kunde, dass
Gamuret wieder aufgelebt und nach Baldac zurückgekommen sei,
dringt auch nach Babylon und erweckt dort grosse Bestürzung.
Der Baruch lässt den babylonischen Brüdern Fehde ankündigen,
und beide Parteien rüsten sich zum Kriege.
Cap. XXIII. (str. 2911 — 3065 H.) Als die beiden Heere ein-
ander nahe gekommen sind, beginnt nicht etwa gleich der Kampf,
*) Tit. 2812 = P. 310, 16-16.
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— 59 —
sondern der Dichter führt ans erst ein fünf Tage dauerndes, ganz
freundschaftliches Turnier der beiderseitigen Haupthelden vor, wie
wenn er uns die vesperte eines Turniers gewöhnlicher Art schil-
derte. Dieses ganze Turnier ist nur eingelegt, damit Schionatu-
Iander und sein Gegenbild Secureis sich gegenseitig einen persön-
lichen fride ausraachen können, der für die Entwicklung der Hand-
lung von Bedeutung wird.
Cap. XXIV ( slr . 3066 — 3396 II.) enthält dann in bogenlangen
Namenlisten die Aufzählung der auf Plenanze versammelten Streiter.
Zuerst ordnet Ackerin seine Scharen in zehn grosse Abteilungen.
Seine Heeresordnung ist, wie wir schon oben (pag. IG) gesagt
haben, getreulich der Terramers in Wolframs Willehalm nachge-
bildet (Wh. 340, 22 — 353, 30); fast alle dort (und an früheren
Stellen des Willehalm z. B. 26 — 36. 74. 255 n. a.) aufgezählten
Namen von Ländern finden sich hier wieder, und innerhalb der
10. Schar, die Ackerin wie Terramer selber befehligt, ist auch die
Anordnung des Einzelnen an beiden Orten dieselbe. So sind selbst
diese höchst langweiligen Partien des Titurel , deren Ode nur
für eine philologische Lectüre etwas an Abschreckendem verliert,
nichts anderes , als eine zwar gut gemeinte, aber herzlich schlecht
ausgeführte *) Nachahmung Wolframscher Manier. Es ist hier der
Ort, die Übereinstimmung in den Einzelheiten nachzuweisen:
1) Die erste Schar des Baruchs befehligt Gloromatis von Persia
— Wh. 30, 17 u. ö. ; der dort vorkommende Name Arofel findet
sich wieder Tit. 3639, 5 — 7. — Unter dem von Persia stehn die
Könige folgender Lande (str. 3091— 95) : Leunnigruns = Wh. 76, 11
(in p) u. 255, 6. Taffar = Wh. 74, 4. Damian = Dannjata Wh.
74, 17. Algoes = Wh. 74, 24 (nur in op). Alimet = Wh. 74, 24.
Tarlarie — Barberte Wh. 74, 13. Chordubine = Wh. 74, 9. Nubia
— Wh. 74, 11. Tampasten = Jciinec Tampas/ £ Wh. 27, 8. Alakose —
Wh. 74, 25. Korascn = Wh. 74, 19.
2) Alexander von Assi'm = Wh. 255, 4 (in ltz). Von den
Ländern seiner zehn Fürsten finden wir nur drei im Willehalm
wieder ; Falfunde (3108, wiederholt 3140) == Wh. 45, 29 u. ö. Tur-
Jcanie (doppelt: 3110 u. 3111) = Wh. 29, 3. Vdlpinos (3110, wie-
derholt 3171) = Wh. 349, 27.
3) Arbessulet von Kolone — Wh. 36, 14. Unter ihm (str. 3122
— 24) die Könige von : Arobeise = Wh. 36, 15. Seeeleise = die Sc-
ciljeise Wh. 36, 16. Palerne = Wh. 84, 11. Sairois ( Socris A. D.)
•) Vergl. b». Tit. 3153.
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60
«= Sötiers Wh. 36, 19. Latriset — Wh. 36, 19. Grikulanie = Wh.
36, 17. Der von der Montanie ist aus Wh. 36, 18 u. 84, 14 gebildet.
4) Fossoborat von Orastegente = Wh. 22, 20 u. ö. Ans seiner
Schar nur der von Sires (3126) = Söres Wh. 26, 25.
5) Essemerell von Mecka = Wh. 226, 17. Der Name Esse-
mcrell ist von Albrecht gebildet aus Essere der emeräl Wb. 77, 27.
417, 29. 430, 19. — Seiner knote sind zwei junge Prinzen, der Sohn
des Baruehs und sein Verwandter Kardibulun von Kordeis (3331
= Wh. 34, 17) an vertraut, vergl. Wh. 29, 18 — 30, 20. Über den
König von der wilden Monte vergl. unten pag. 63. Der Name
des Königs Haltzibor von Eulteibant ist aus dein des Königs Uuhebier
Wh. 923 u. ö. abgeleitet.
6) Gamelarot von Rabse — Wh. 350, 12 u. 36, 9 (in p). Unter
ihm Samirat von Fulfunde (3140, cf. oben unter 2), Samiral aus Wh.
356, 19; ferner (3141 — 42) die Könige von: Foekadanie = Boctän
Wh. 341, 26. Atzagouch, in diesem Zusammenhänge aus Wh. 350,25.
Alamansura = Wh. 255, 8.
7) Gloraxidus von Amatiste , von dem Werder lüniyc viere kröne
trugen — Wh. 33, 2. Unter ihm die Könige von : Jaufiise (3152)
— Wh. 349, 19 (vergl. P. VI. Echibä von Junfüse). Oriente (3165)
= Wh. 49, 11. Todierne (3168) = Wh. 28, 23. Runkulat (3171)
— W. 49, 15. Vcdj/inose (3171 cf. 3110). — Auch drei Namen von
Fürsten stimmen zum Willehalm: Jlubiol (3171) — Rübüal Wb.
33, 15. Siiiagiinc (3172) — Wh. 27, 13. Malribulcis von Tenabrei
(3164), der Mutterbruder des Baruehs, == Wh. 98, 14. Mdtribleiz,
Tenabri ist ein Land Terramers Wh. 34, 20.
8) Arisuleis von Lantz-Sardine, der Schwiegersohn des Baruehs,
= Wh. 358, 15, wo seiu Land das des ältesten Sohnes Terramers
ist (cf. P. 770, 22). — Unter ihm (3177—78) die Könige von: In -
gulic (A. D.) = Wh. 53, 22. Scandinavia = Wb. 257, 5. Narkilin
= Wh. 371, 2. Arabie = Wh. 28, 23.
9) Ardibileis von Kubiaudc und Ardolis von Tananarke, die
Schwestersöhne des Baruehs, = Wh. 358,24. 30. Unter ihnen (3200)
der von Kahafiezze = Wh. 348, 25 und Utereis von Gruonlandcn —
Wh. 348, 25. Utrciz Wh. 32, 15.
10) Die 10. Schar ist die des Baruehs selbst (3619 ff.). Hier
ist die 10. Abteilung Terramers, bei der Terramer selbst steht
(Wh. 352, 1 ff.), auch in der Anordnung der Einzelheiten Vorbild
gewesen; nur ist die Reihenfolge der einzelnen Gruppen gerade
umgekehrt : Die Karratschen der Götter gehn, wie Wh. 352, 1 — 17,
so auch Tit. 3635 ff , von Mecrrindem gezogen , der 10. Abteilung
voraus, nur dass Albrecht eine schon der 1. Abteilung zuteilt
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(3096 ff.)- — Zur Linken <les Barocks werden zwölf Könige auf-
gestellt (Tit. 3620—26, 2 = Wli. 358, 23 — 359, 30). Die Namen
ihrer Länder aber entsprechen sich nicht, sondern Albrecht hat andre
Namen ans dem Willehalm hier eingesetzt: Grikulanie (cf. 3124)
= Wh. 36, 17. rulcsligweis = Wh. 423, 2 (in Itp). Adramatute
= Wh. 447, 27. (Balic corrupt? — Wh. 344, 1 (in np) ??). Sigl imesse .
= Wh. 74, 15. Saigalme = Wh. 74, 17. — Zur Rechten des Ba-
ruchs stehn die Fürsten seiner neun Kernlande und die acht Kö-
nige, die ihm die Rüstung darbieten (cf. Tit. 871). Diese Partie
(3626, 3 — 28) entspricht Wh. 358, 1—22. Wolfram meint aber
Wh. 358, 21—22 mit den neun Königen nicht die Könige seiner
Kernlande, wie Albrecht angiebt, sondern die acht Könige, die dem
Terramer eben die Rüstung gebracht haben (Wh. 353, 15 — 57, 30),
und den ältesten Sohn Terramers, Kanlinn von Lanzesardin (Wh.
358, 14—15). Albrecht hat das missverstanden oder absichtlich
die Fürsten der neun Länder Terramers, die Wh. 352, 20—24
kurz aufgeführt werden als in der 10. Schar befindlich , hierher
versetzt. — Da der Platz zur Rechten des Baruchs der Ehren-
platz ist, fügt Albrecht an dieser Stelle seine eigenen Helden und
Figuren ein, vor allen Schionatulander mit seinen christlichen Strei-
tern, dann die Fürsten von Syrien (Ninive), die nach Tit. VIII
der ßarnch den Babyloniern abspenstig gemacht hatte (cf. auch
str. 3371 — 74), und die Galiotten. Dieses ganze Stück (Tit. 3629
— 31) fehlt natürlich im Willehalm. — Es folgen dann, wieder
nach Wolframs Vorbilde, noch einzelne Könige, die mit speciellen
Ämtern beauftragt sind : Pansor von Salonie trägt die Sturmfahne
(3632) = Wh. 353, 1 — 14; Albrecht giebt ihm noch einen zweiten
König zur Seite. Bordin von Ormularieee ruft mit seinem Horn
den Baruch zum Streite (3867) = Wh. 353, 24—29; und Diute
von Ammiravcl hat die Rotobumben unter sich (3881) = Wh. 300.
Dem Beispiele des Baruchs folgend, teilt nun auch Ipomidon
das doppelt so grosse Heer der Babilone in zehn grosse Abtei-
lungen (str. 3207 ff.). Deutlich tritt hierbei überall die Parallele
zu der Heeresordnung des Baruchs hervor, und damit zu der Terra-
mers ; nur herrschen bei den Babyionen überall grössere Massstäbe.
Bei der 10. Abteilung befindet sich Ipomidon, wie der Baruch und
Terramer (3353 ff.). Hier bringt Albrecht dadurch eine Abwechse-
lung in die Sache , dass er der Ordnung des Willehalra getreu
bleibt und sie nicht umdreht, wie bei der 10. Abteilung des Baruchs*).
*) Dem Köuige von Nubiant (Wh. 368, 24—26) mit seinen 14 Söhnen ent-
spricht genau der König Seruk von Firmidise (3370) mit seinen 20 Söhnen ; bei
dem Baruch fehlt dieser Zug.
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Was die Namen der Könige und der Länder anbelangt, so hat
Albrecht bei den zahllosen Streitern jede Entlehnung aus dom
Willehalm streng vermieden *) , bis aut' die 9. Abteilung , die mit
allem, was daran hängt, aus der 9. Abteilung des Terratner her-
vorgegangen ist. In den übrigen Abteilungen finden wir nur eine
Berührung mit Wolframschen Namen. Nämlich ungefähr die er-
sten 20 Namen hat Albrecht der Reihe nach aus P. 770 entnom-
men; es ist das Verzeichnis der von Feirefiz besiegten Fürsten.
Wie Albrecht gerade hierauf gekommen ist, giebt er uns selbst
an; wir erkennen auch an diesem Punkte die gelehrte, construie-
rende Methode Albrechts wieder. Tit. 5248 — 5281 werden uns
die 25 Freier der Secundille aufgezählt, von denen Feirefiz dio
Königin erwarb, indem er alle andern besiegto (cf. P. 519, 2—4).
Da hat nun Albrecht einfach das Namenregister der von Feirefiz
besiegten Helden (P. 770) genau abgeschrieben , wie eine Neben-
einanderstellung der beiden Verzeichnisse zeigt. Der Dichter geht
dann so weiter: Feirefiz, der Sohn des Anschevins Gahmuret,
steht natürlich auf der Seite Gahmurcts, also auch auf der Seite
des Baruchs und Schionatulanders. Dann ist er aber ein Feind
der Babylone, und seine Feinde sind die Freunde der Babylone.
Aus diesem Grunde versetzt Albrecht die von Feirefiz besiegten
Helden einfach als Bundesgenossen auf die Seite der Babylone.
Die Probe auf dies Exempel giebt uns der Umstand, dass der
Dichter die paar Namen, die von den P. 770 genannten im Wille-
halm als Bundesgenossen Terraraers erscheinen und infolgedessen
auch auf der Seite des Baruchs sich finden, nicht mit in das Ver-
zeichnis der Bundesgenossen der Babylone hinübergenommen hat.
Aus Rücksicht auf die chronologische Differenz zwischen Feirefiz
Erwerbung der Secundille und den Kämpfen auf Plenauze lässt
Albrecht die Kämpfer von Plenanze die Eltern der von Feirefiz
besiegten Freier sein (Tit. 5284, 5 — 6). Überblicken wir nun die
aus P. 770 von Albrecht hier (str. 3210 ff.) übernommenen Namen,
so sehen wir, dass sehr viele von ihnen arg entstellt sind; da ist
das Verzeichnis der Freier der Secundille (Tit. 6248 — 81) an man-
chen Stellen ein Hülfsmittel , die Beziehung zu erkennen. Es ist
von P. 770 v. 1 = Tit. 3215, 6—7. v. 2 = 3217, 6 corr. v. 4
— 3220, 1. v. 5 = 3220, 2 corr. v. 6 = 3220, 4. v. 7 — 3220, 5.
v. 8 = 3220, 6 -7. v. 9 = 3221, 1 corr. v. 10 = 3221, 2 corr.
*) Auffällig ist nur Karluserkulcia Tit. 8279 = Wh. 141, 18. 359, 11, wo
ei aber nur eine geogrspbiicbe Bezeichnung, nicht das Land eines Verbündeten
Terrameri ist.
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(cf. 5267). v. 11 = 3221, 3 corr. otlcr 3221, 4 A.D. corr. (cf. 5271).
v. 12 = 3229. v. 13 = 3230, 1 corr. (cf. 5274). v. 20 = 3230, 5
corr. (fehlt im Verzeichnisse der Freier), v. 22 = 3231 , 3 corr.
(cf. 5281).
Sehen wir vorerst von der 9. Abteilung der Babilonier ab, so
weiss ich jetzt von den zahllosen orientalischen Kamen, die im
24. Capitel des Titurel aufgezählt werden, keinen einzigen weiter
aus Wolfram oder irgend einer andern poetischen Vorlage zu be-
legen. Alle diese phantastischen Namen tragen den Stempel von
Albrechts Erfindung an der Stirn. Sie bestehn zum Teile aus An-
spielungen auf Namen des alten Testamentes, wogegen wirkliche
orientalische Namen und Wortstämme sich, wie mir mein Freund
Prof. Ra Ulfs versichert, nicht nachweisen lassen; zum Teile ent-
stammen sie Albrechts gelehrten Kenntnissen. Alle übrigen aber
sind einfach von Albrecht nach dem Muster der Namen in P. 770
u. 772 frei gebildet worden. Vergl. noch Tit. 3255, wo Albrecht
naiv seine Methode rechtfertigt.
Uns interessiert hier nur noch die 9. Abteilung, die wie ge-
sagt eine Übertragung der 9. Abteilung von Terramers Heer aus
dem Willehalm ist. Es sind die phantastischen Gestalten der Hür-
nenen aus dem Lande Kanjas. Wir finden sie ausführlich beschrie-
ben Wh. 35, 3 — 36, 4 und dann bei der Heeresordnung Wb. 351,
15 — 20. Eine Nachahmung dieser Stellen ist Tit. 3311c (= A. D.
XXIV, 261) — 3320. Die von Albrecht hinzugefügte Geschichte
ihrer Entstehung ist nichts als eine Variation von P. 518, wo
Wolfram, anknüpfend an die Schilderung Malcreatiures , der auch
aus Ganjas stammt, die Entstehung der menschlichen Missgeburten
überhaupt erzählt. Dieser eigentümlicher Weise auf die Seite der
Babylonier gerückten Abteilung Terramers hat Albrecht seiner-
seits die Nebelleute von der wilden Monte (Tit. 3134 ff.) gegenüber-
gestellt, die aus Wh. 36, 18 und 84, 14 stammen und bei dem
allgemeinen Siege des Baruchs gerade die ihnen entsprechenden Hür-
nenen vernichten (Tit. 4115—19).
An die Spitze der 9. Abteilung hat aber Albrecht nun den
Mann gestellt, dem wir in den Kämpfen des Baruchs und der Baby -
lone als einer Hauptfigur begegnen, den König S ecu reis von Tasme
und Thabronit, den Gemahl der Arabadille und Vater der aus dem
Parzival bekannten Secundille. Diese von Albrecht geschaffene Per-
sönlichkeit, die dem Dichter offenbar bald eine Lieblingsfigur ge-
worden ist, müssen wir jetzt etwas näher charakterisieren (vergl.
bs. Tit. 2933 ff.). Secureis ist zunächst das getreue Abbild des
Feirefiz im 15. u. 16. Buche des Parzival. Albrecht hat alles,
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waa er da über Feirefiz gesagt fand, auf den Secureis übertragen,
dem zugleich die ganzen Herrlichkeiten und Reicbtiimer der Sc-
cundille von selbst zufielen. So ist er König von Thabronit, Thasme,
Tribalibot, und besitzt die unermesslichen Schätze dieser Länder,
mit denen nachher seine Tochter Secnndille ihren Geliebten aus-
stattet. So ist die weitläufige Beschreibung der kostbaren Rüstung
des Secureis (Tit. 2955 — 69) in der Hauptsache der Beschreibung
Wolframs P. 735 — 36. 741 nachgebildet, und Jupiter ist der Gott
des Secureis (Tit. 3335 u. ö.) , wie P. 748, 19 der des Feirefiz.
Damit hat dann Albrecht die Figur des Königs Poydjus von
Griffane, Friendo, Tasme , Triande und Kaukasas aus Wolframs
Willehalm verbunden (Wh. 375, 14. 17 — 19). Die Schilderung von
dessen Lande Frieude Wh. 377, 12 hat Albrecht herübergenom-
men bei der Schilderung der Länder des Secureis (Tit. 2949—
50). So ist Secureis der reichste König, den nur die Heiligkeit
des Grals übertrifft (2941)*). — Dieser so geschilderte König ist
nun den babylonischen Brüdern zu Hülfe gekommen , aus keinem
andern Grunde, als weil er, um der Minne der Arabadille willen,
auf Abenteuer ausgezogen ist; gerade wie es Wolfram von Feirefiz
P. 736, 1 — 2. 6 — 8 sagt. So kommt es, dass er, obwohl auf der
Seite der verhassten Babylone stehend , doch unsere volle Sym-
pathie geniesst; er vertritt gewissermassen bei den Babyionen
die Gestalt des Schionatulander. Um diese beiden Gestalten grup-
pieren sich die einzigen Lichtblicke in der grenzenlosen Wüste
der Kämpfe auf Plenanze und Floristelle. Der Dichter hat die
Schicksale der beiden Helden eng miteinander verflochten und
erhebt sich bei dem schliesslichen Untergange des Secureis sicht-
lich zu einer etwas frischeren Darstellung und Farbengebung. Wir
können über die unendlich weit ausgeführten, aber leblosen Schlacht-
beschreibungen, deren strategische Anordnung ebenso wie die Aus-
malung der Einzelheiten vollkommen dem Schema des Willehalm
nachgearbeitet ist, mit wenigen Worten hinweggehn, indem wir
dabei hauptsächlich die Geschichte Schionatulanders und Secureis
im Auge behalten :
Cap. XXV— XXVI. ( str . 3397-3817 II.) Am ersten Schlacht-
tage rettet Schionatulander das wankende Heer des Baruchs , in-
dem er sich mit seinen Getreuen, dem Gotte Kahune gleich, ganz
in Braun kleidet und so wie ein von diesem Gotte gesandter
Helfer in den Kampf eingreift. Die nächsten Scblachttage werden
*) Die dem Secureis von Albrecht gegebenen Vorfahren Ekutier und Secusier
(*tr. 4827—29) sind einfach ans dem Namen Securcit abgeleitet (cf. A.D.).
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ganz kurz abgemacht; jeden Abend verkündet ein hohes Zeichen,
das Secureis aufsteekt, das £nde des Kampfes. Am fünften Tage
warten alle vergebens auf dieses Zeichen, Secureis hatte in einer
Tjost mit Fridebrant sein mit Sehionatulandcr verabredetes Er-
kennungszeichen (cf. oben pg. 59) verloren und war infolgedessen
mit Scbionatulander in einen Kampf geraten. Bis spät in die
Nacht hinein zieht sich derselbe hin , bis er schliesslich mit dem
Tode des Secureis endigt. Aber auch Scbionatulander ist so er-
schöpft, dass er einige Tage vom Kampfe ruhen muss. Seine Kla-
gen, als er hört, wen er getötet hat, und seine Selbstvorwürfe er-
innern an die ähnliche Situation bei Schionatulanders erstem Auf-
treten an Artus Hofe (str. 1403 ff.). Es wird ein Waffenstillstand
für die nächsten Tage abgeschlossen ; die Babyloue beklagen ihre
grossen Verluste , die hauptsächlich von drei Rittern herrühren,
von denen jeden Tag einer erschienen war , der erste in grüner,
der zweite in himmelblauer, der dritte in schwarzer Waffen-
rüstung. Die Babylonier vermuten richtig , dass das immer ein
und derselbe Kitter gewesen sei, nämlich Scbionatulander. — Dies
Motiv bat Albrecht aus Ulrichs Lanzelet entlehnt, wo Lanzelet
auf einem grossen Turnier, das Lot von Johenis gegen Gurncmanz
nach Djofie ausgeschrieben hatte, am ersten Tage in ganz grüner,
am zweiten in weisser, am dritten in roter Rüstung erscheint und
unerkannt alles besiegt.
Cap. XXVII— XXVIII. {str. 3818-4229 II.) Das Schlachtfeld
zu Pleuanze war jetzt so mit Toten bedeckt, dass die Heere am
sechsten Tage weiterzieken nach dem Plane von Floristelle , wo
die zweite grosse Schlacht entbrennt. Ein Kampf zweier Späher
ist vorausgeschickt, in Nachahmung von Wh. 333, 12 ff. Dieser
Kampf auf Floristelle bewegt sich in ganz ungeheuren Massstäben.
Entgegen der Verabredung, dass immer nur Schar gegen Schar
geschickt werden sollte, versucht Ipomidon, indem er unvermutet
alle seine zehn Scharen in den Kampf schickt, die Gegner und vor
allem den Scbionatulander mit seinen Christen zu überrumpeln.
Doch gelingt ihm dieser Anschlag nicht, wie früher die hinter-
listige Besiegung Gahinurets (P. ll=Tit. VIII); durch die Wach-
samkeit der Späher des Baruchs wird das Heer desselben noch
gerade rechtzeitig genug alarmiert. Die Babylone haben aber
so viele Streiter in den Kampf geschickt, dass in der Mitte des
Ganzen alles durch den furchtbaren Andrang zerdrückt wird*).
Schionatulander und die Seinen retten sich auf die Fahnen wagen
*) Der Gedanke ist hervorgerufen durch Wh. 891, 13 ff.
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des ßaruchs. Nachdem dadurch eine kurze Pause eingetreten
ist, beginnt mit Cap. XXVIII der letzte Kampf. Er endigt mit
dem Tode Ipomidons durch Schionatulander und dem des Pompeius
durch Ekunat
Cap. XXIX. (str. 4230—4354 H.) Damit ist das lange Ringen
entschieden, ira 29. Capitel nimmt der Barucli Quartier in Baby-
lon 11 ). Er möchte seine christlichen Freunde zum Danke für ihre
Unterstützung mit weiten Ländern ausstatten, aber sie wollen wie-
der in die Heimat zurückkehren. Schionatulander erhält schliess-
lich das unendlich kostbare Zeltlager des Secureis, Tasme genannt,
zum Geschenke, das uns vorher (str. 3333 ff.) ausführlich in all
seiner Pracht beschrieben worden ist. So bringt Gahmuret das
prächtige Zelt Isenharts (P. 1) au3 Zazamanc mit.
Der Dichter fügt an dieser Stelle (str. 4265) einen kurzen
Hinweis auf fernere Kämpfe desBaruchs mit den Babyloniern ein;
der Baruch findet später doch noch Widerstand bei den Babylo-
niern , da ja auch ihm in den Kämpfen auf Plenanze und Flori-
stelle die Blüte seiner Ritterschaft getötet ist. Der grosse Zug
Schionatulanders hat also in der Hinsicht wenig genützt, die Rache
für Gamuret war eben sein einziger Zweck. — str. 4256 — 67 weist
der Dichter auf die später erzählten Schicksale der Arabadille,
Secundille und des Feirefiz hin, der damals ein Knabe war. Das
ist nur eine synchronistische Notiz für den Leser.
Dann kehrt das Heer des Baruchs nach Baldac zurück. Schio-
natulander und die Seinen besuchen noch einmal Gamurets Grab (wie
im 8. Capitel nach Gamurets Tode). Ackerin lässt die vier gefallenen
christlichen Fürsten neben Gamuret beisetzen. Von diesen vierFürsten
waren, wie schon gesagt, zwei auf Plenanze gefallen, Hardiez und der
König von Navarre ; die andern beiden auf Floristelle, Albert von Ge-
runden (4173), der schon str. 2029 auf dem Turnier zu Florischanze
vorkam, und Erolas von Orfilune (4171), ein Schwestersohn Lehe-
lins. Seinen Tod beklagt Lehelin sehr schmerzlich , nun waren
ihm durch Schionatulanders Schuld bereits zwei Neffen getötet
worden (str. 4172 cf. str. 1319 und oben pag. 33 f.). So bricht der
alte Groll Lehelins gegen Schionatulander von neuem gewaltig
hervor, und es ist ein vergebliches Bemühen , wenn sich jetzt der
Baruch bei ihm für Schionatulander um das Brackenseil verwen-
det (str. 4329 — 33 cf. oben pag. 55). Als der Frühling ins Land
zieht, nimmt Schionatulander Abschied vom Baruch und fahrt hin-
*) Die Situation ist auch in den Einzelheiten dem Schlüsse des Willehalm
nachgebildet
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über nach Sibilje. Seinen kostbaren Salamanderschild , der auf
der Hinreise die fürchterlichen Stürme bervorgerufen hatte, lässt
er auf einem besonderen Schifte hinüberführen ; ohne sein Wissen
wird auch seine kostbare Rüstung aus dem Glück bringenden
Tigergold, das Geschenk des Baruchs (cf. Tit. 16dl), mit in dieses
einzelne Schiff gepackt. Der Salamander zeigt auch diesmal seine
Kraft, ein heftiger Sturm begräbt das Schiff mit dem Schilde und
dem Panzer. So hat Scliionatulander das galt der Sceldc verloren,
und das bringt ihm nachher den Tod (vergl. unten Seite 81 f.).
Abschnitt Y: Scliionatulander 111.
Mit einem Hinweise auf den herannahenden Fall seines Hel-
den leitet also der Dichter über zu dem 3. grossen Hauptteil von
Schionatulanders Laufbahn, seinen Kämpfen nach seiner Rückkehr
von Baldac bis an seinen Tod (Cap. XXX — XXXV erste Hälfte).
Das leitende Motiv dieses Teiles des Titurel sind die Kämpfe
Schionatulanders mit Orilus und Lehelin um die ihm anvertrauten
Lande des Parzival. Von diesen Kämpfen spricht Wolfram ganz
kurz an zwei Stellen von P. III : Herzeloyde berichtet dem jungen
Parzival bei seinem Abschiede von ihr (P. 128, 3 — 10) :
du sott och wizzen, nun min, der stolze kiiene Lälwlin
dtnen fürsten ah ervaht zwei laut, diu sotten dienen diner haut f
Wiileis und Norgäls. ein din fürste Turkcntiils
den tot von siner honte enphienc: din volc er sltioc unde vienc.
und Sigune erzählt dem Parzival kurz darauf (P. 141, 2 ff.) :
dirre fürste (= Scliionatulander) wart durch dich erslagen,
tcand er din tont ic werte: sine triwe er nie Versehrte,
junc vlectic süezer man, die gehruoder hiint dir vil getan,
zwei laut nam dir Lühelin : disen ritter unt den vetern din
ze tjostiern sluoc Orilus. der lies och mich in jämer sus.
An beiden Stellen wird ausdrücklich gesagt , dass Lähelin es ist,
der die beiden Länder des jungen Parzival sich angeeignet hat,
während Orilus in andrer Weise dem Geschlcchte des Parzival
Schaden zugefügt hat, indem er Galoes und Scliionatulander tötete
(vergl. noch P. 266, 22 — 24 u. 331, 15 f.). Bei Wolfram entspricht
diese Scheidung zwischen den beiden Brüdern der ganzen Art und
Weise, wie Wolfram sie überhaupt charakterisiert. Lähelin ist
bei ihm der gewaltthätigere , rücksichtslosere von beiden , der so-
gar das geweihte Gralgebiet nicht mit seinen Angriffen verschont,
während bei Orilus stolze Ritterlichkeit der vorherrschende Zug
ist, sodass wir seiner Person im Grunde ganz sympathisch ge-
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genüberstehn. Albrecht hat diesen feineren Unterschied verwischt,
indem er sie beide nach demselben Schema behandelt. Als der
gefährliche Gegner und Todfeind Schionatulanders zeigt Orilus im
Titurel ganz denselben rücksichtslosen and gewalttkätigen Sinn,
wie Lähelin im Parzival. So dient denn auch die Einiührung der
beiden Brüder bei den Kämpfen um Parzivals Lande nur dazu,
Variationen und Paralleldarstellungen herbeizufübren. Sie teilen
sich schliesslich in die beiden eroberten Lande, wovon bei Wolfram
nicht die geringste Andeutung vorkommt, und Schionatulander kann
auf diese Weise noch einmal mit jedem von beiden einzeln kämpfen.
Mit Ausnahme dieser Verschiedenheit in der Verteilung der Hollen
der beiden Brüder, die in dem ganzen Aufbau des Titurel begründet
liegt, lässt sich alles , was Albrecht über diese Kämpfe erzählt,
aus den Andeutungen Wolframs hinlänglich erklären.
Cap. XXX. (str. 4355 — 4451 H.) Eingcleitet wird dieser Ab-
schnitt durch ein abermaliges Maifest des Königs Artus, das er
auf die Kunde von der Ankunft der Helden sofort beruft. Zuvor
aber versäumt der umsichtige Dichter nicht , sobald als möglich
durch einen Besuch Siguuens die Gemahlin des Gerächten von den
Tkaten seines Häckers in Kenntnis zu setzen. Zugleich wirft der
Dichter, wie eben vorher auf den jungen Kerafis, so hier, im An-
schluss an 1*. 111, einen Blick auf den heranwachsenden Parzival.
— Das gauze nun folgende Pest des Artus dient nur dazu, dass
sich die so lange getrennten Personen des Gedichtes einmal wieder
gehörig mit einander aussprechen können. Gailet berichtet im
Kamen seiner Mitstreiter über ihre Erlebnisse im fernen Oriente,
und Artus teilt ihnen dagegen mit, was er über die von Klinsekor
geraubten Krauen in Kenntnis gebracht hat. Wir haben das alles
bereits im 19. Capitel erfahren , Albrecht bringt nichts Neues
hinzu, ln der allgemeinen Klage über die geraubten Krauen und
die im Oriente gefallenen Pürsten und Kitter weist der Dichter
besonders auf die Gebrüder Orilus und Lehelin hin , die ihre bei-
den durch Schionatulander ums Leben gekommenen Keifen be-
klagen und sie au Schionatulander zu rächen begehren. Der Dich-
ter führt die Brüder nur deshalb noch einmal besonders unter den
Klagenden auf, weil er an dieser Stelle (str. 4416) die im 11. Ca-
pitel (str. 1484) abgebrochene Geschichte des Brack enseiies wieder
aufnehmen will. Orilus fordert nämlich jetzt die sofortige Erle-
digung des Kampfes, der schon damals vor Xantes zwischen ihm
und Ekunat festgesetzt war, der aber durch Schionatulanders Zug
nach Baldac solange verhindert worden ist (cf. Tit. 4417, 3 — 5).
Vergeblich sucht Artus den Streit zu schlichten; da tritt etwas
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anderes dazwischen und vereitelt wiederum den Anstrag dieses
Kampfes.
Orilus war nämlich, während Schionatulander beim Baruch
weilte, in feindlicher Absicht in die Lande Schionatulanders einge-
fallen , hatte , als er ihn selbst nicht vorfand, Burgen und Länder
bezwungen und zu Kingrivals zwei Fürsten getötet (4423 ff.
aus P. 128, 4 — 10). Als die Kunde hiervon an Artus Hof kommt,
weigert sich Ekunat , jetzt noch mit Orilus zu kämpfen, da die-
ser den festgesetzten Frieden gebrochen habe. Orilus unterwirft
sich dem Richterspruche des Artus , aber als dieser entscheidet,
dass der Kampf nicht stattfinden solle, erklärt Orilus erbittert,
sich mit Gewalt sein Recht suchen zu wollen, und die beiden Brü-
der verlassen ohne Abschied Artus Hof. Vergebens hatten Artus
und Schionatulander gegen den Eintausch der kostbaren Tasme
Jeschute und Clamlitte zum Verzicht auf das Brackenseil zu be-
wegen versucht; die Gewalt sollte entseheiden. — Der Richter-
spruch des Artus und das trotzige Auftreten des Orilus kehrt hier
wieder aus der Beschreibung der früheren Kämpfe um das Seil
(Cap. XI). Die Armut der Motive in den Partien, die das Bracken-
seil betreffen, tritt auch hier wieder hervor.
Cap. XXXI. (s/r. 4452— 4588 II.) Die beiden Brüder von La-
lander fuhren ihre angekündigten Drohungen diesmal nur zu bald
aus. Das nächste (31.) Capitel berichtet uns von dem ersten Ein-
fall der beiden Brüder in die Lande Walern und Norgals, der durch
Schionatulander und Artus znriiekgewiesen wird. Dieser Zug ist
nur eine Parallelhildnng zu dem zweiten Einfalle der beiden Brü-
der (Cap. XXXII 2. Hälfte), der mit der definitiven Besetzung
der beiden Lande durch Orilus und Lehelin endigt. Der Dichter
fand es bei Wolfram so vor, dass Schionatulander im Kampfe um
die Lande des Parzival in einer Tjost mit Orilus getötet wurde;
aber er konnte es doch nicht übers Herz bringen, seinen gefeierten
Helden, der eben noch Orient und Occident mit seinem Ruhme er-
füllt hatte, nun so schmucklos im Kampfe mit einem Schwächeren
den Tod finden zu lassen. So umkränzt er denn seinen Helden
auch auf der letzten, absteigenden Stufe seiner Laufbahn noch ein-
mal freigebig mit Ruhmesthaten, indem er ausser diesem früheren
Einfalle der Brüder von Laiander, der für Schionatulander günstig
endigt, auch noch zwei grosse Episoden, den Krieg des Artus mit
Kaiser Lucius von Rom, und den Kampf Schionatulanders mit den
beiden Riesen von Thabronit, nur deshalb einfügt, damit sein Held
sich dabei noch einmal mit Ruhm bedecken soll.
Albrecht erzählt nun den ersten Kampf Schionatulanders mit
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Orilus und Lehelin folgcndermassen : Als Schionatulander mit allen
seinen Rittern noch an Artus Hofe weilt, werden sie aufgeschreckt
durch die Nachricht, dass Orilus und Lehelin mit einem starken
Heere vor Kanfoleis liegen, und bereits Fürst Turkentals, dem
Schionatulander die Lande anvertraut hatte , gefallen sei (P. 128,
4 — 9). Auf diese Kunde bin rüsten sich Artus und alle Ritter,
die sein Fest mitgefeiert hatten, zum Rachezuge gegen die frechen
Eindringlinge; nur Morolt bittet den Artus, ihn von der Teilnahme
zu entbinden , da er ein Verwandter der Fürsten aus Laiander
sei (woher stammt das?). Sie finden vor Kanfoleis das Heer
des Orilus und Lehelin durch viele Fürsten verstärkt , die teils
der Neid auf Schionatulanders hohen Ruhm, teils der Trieb, ihre
durch Schionatulander nmgekommcncn Verwandten zu rächen , in
Orilus und Lehelins Arme geführt hatte. Die in dieser Aufzäh-
lung vorkommenden Anspielungen beziehen sich sämtlich auf frü-
here Teile des Titnrel selbst. Nur den König von Ttoiharbarhe
(4481) kann ich nicht näher bestimmen, ebensowenig den Herzog
ans T.edrikone (4480), doch liegt, nach den übrigen zu schliessen,
auch hier wohl eine Beziehung auf das Turnier zu Florischanze
vor. Besonders bemerkenswert sind nur noch (str. 4474 fF.) vier
bekannte epische Helden: Free, Edolane , Ospinel, Joret. Es wäre
nicht undenkbar, dass Albrecht Erec als den Bruder der Jeschute,
Orilus Gemahlin (P. 134, 2 — 22), seinem Schwager zu Hülfe kommen
lässt; ob Albrecht bei den übrigen dreien auch einen besonderen
Grund gehabt hat, sie dem Artus gegenüberzustellen, kann ich
nicht angeben. Übrigens kommen die Namen alle vier auch auf
dem Turnier von Florischanze vor.
Dem eigentlichen Kampf ist wieder ein Kampf zweier Späher
voransgeschickt, wie bei dem Kampf auf Floristelle (str. 3861 ff.).
Von Artus Seite ist es diesmal Keye, der dann dem Artus über
die Feinde berichtet. Die Schlacht findet unter den Mauern von
Kanfoleis statt : infolgedessen ist die Schlacht von Bearosche
(P. VII) in Einzelheiten Vorbild gewesen. Dem Schionatulander
und seinen Mannen kommt dieser Kampf vor wie ein Puppenspiel
im Vergleiche mit den Kämpfen auf Plenanze und Floristelle
(4533). Orilus und Lelielin verlieren den dritten Teil ihres Heeres
und müssen infolge ihrer schweren Niederlage das Land räumen.
str. 4551 ff. (= XXXI, 100 ff.) Während man noch mit der
Bestattung der Toten beschäftigt ist , kommt bereits neue Kriegs-
botschaft : Kaiser Lucius von Rom will den Artus mit Krieg über-
ziehen. Die Beschreibung dieses Kampfes nimmt dann den Rest
des 31, und den grössten Teil des 32. Capitel des Titurel ein.
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71
Diese ganze hier vollkommen unmotiviert hineinschneiende Ge-
schichte hat nur den Zweck, zu erklären, wie es gekommen sei,
dass Schionatulander trotz seines grossen Sieges über Orilus und
Lehelin doch bald darauf die Lande Waleis und Norgals definitiv
den Brüdern von Laiander überlassen muss. Denn als gleich
nach der Besiegung des Orilus und Lehelin der Krieg des Artus
mit Lucius von Rom ausbricht, hält es Schionatulander für eine
Ehrenpflicht, dem Artus, der ihm soeben durch seine Unterstützung
den Sieg verschafft hat , nun auch seinerseits mit allen seinen
Mannen zu Hülfe zu kommen. Dadurch muss er aber die Lande
Waleis und Norgals von Truppen entblössen , und so benutzen
Orilus und Lehelin die günstige Gelegenheit, die beiden Länder
endgültig in ihren Besitz zu bringen. Als Schionatulander mit
Artus aus dem Feldzuge gegen Lucius zurückkehrt, ist er nicht mehr
im Stande, mit seinem geschwächten Heere dem Orilus und Lehelin
entgegenzutreten, und bescbliesst deshalb, zugleich von Reue über
die Preisgabe der anvertrauten Lande ergriffen , im Einzelkampfe
den Orilus und Lehel in zu bestehn. Dabei findet er dann am
Ende seinen Tod. Deutlich merken wir den fremdartigen Cha-
rakter der hier in das Epos von Schionatulander eingeschobenen
Partie daran , dass in dem Kampfe mit Lucius gar nicht Schiona-
tulander, sondern Artus selbst der Held der Aventiure ist. Das
gesteht der Dichter selbst ein, wenn er str. 4ö35 f. sagt :
Diu äventiur teil gälten van einem au diu ander,
teer mäht cz allez ervähen ? ir lierre daz was Schionatulander ,
wie der an prise üf nam und imtoste sigen.
durch die äventiure so mitoz ich von den gesten vil verewigen.
Doch süllen wir den gesten Artusen nicht genöeen,
dci ■ was ic hi den besten an aller wcrdileit vil unrerstözen.
frowe Äventiur lät in bi uns beliben
alhie in iwern hulden , sagt uns ob in der heiser mug verfriben.
Es lässt sich nun gerade an dieser Stelle auch ganz genau die Quelle
bestimmen, ans der die gesamte von Albrecht hier eingeschachtelte
Episode genommen ist. Es ist das dieHistoria regum Britanniac des
Gottfried von Monmouth. Dieses Buch ist für die Erzählung
von Artus Kampfe mit Lucius von Rom und für die Geschichte
von der unehelichen Erzeugung des Artus , die ebenfalls hier mit
hineinspielt, die einzige primäre Quelle, aus der sämtliche Erwäh-
nungen dieser beiden Fakta bei den französischen, englischen und
deutschen epischen Dichtern geflossen sind. Der gelehrte Albrecht
hat diese Primärquelle selbst benutzt, und es ist nicht nötig, mit
R. Spiller (Zs. 27, 169) eine Mittelquelle für Albrecht anzusetzen.
Das ergiebt sich aus folgenden Gründen :
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1) Tit. 4021 ff., wo der Kaiser Lucius zum ersten Male erwähnt
wird , führt Albrecht für den Kampf des Artus mit Lucius von
Rom und für die Thaten des Artus im allgemeinen eine lateinische
Chronik von Britannien und Kornwal an, die in ungezwungener
Auffassung der Stelle direkt auf Gottfrieds Werk gedeutet werden
kann*). Nun sehen wir aber an anderen Stellen, mit welcher Vor-
sicht solche Berufungen Albrechts auf Chroniken aufzunebmen
sind**); es ist daher durchaus berechtigt, dieser Stelle allein keine
Beweiskraft zuznerkennen. Allein sie wird gestützt durch
2) sichere Anspielungen auf Stellen der Chronik Gottfrieds,
die mit der hier geschilderten Hauptgeschichte in gar keinem Zu-
sammenhänge stehn , sondern bei Gottfried ganz wo anders für
sich gelesen werden: str. 4555 erinnert Artus, als er die Kriegser-
klärung des Lucius von Rom empfangen hat, an frühere Kämpfe
zwischen Britannien und Rom:
Ei ist ein altiu schulde, sä jach der von Brit&ne,
sit dai (d)cr Rcemer hulde wart der edel Constantinus ätie
von Maxcnciö dem sadden schieben;
des such inan (vH) der werden gen Britanjehcr von Böme liehen (cf. A. D.).
Diese Strophe ist weiter nichts als eine Inhaltsangabe von Gott-
fried V, 7***). Ebenso enthält str. 4556 eine kurze Angabe des
bei Gottfried V, 8 Erzählten:
Er want, im sulle gelingen als Octaviä ne,
der Britäne ertwingen künde aldä er tcart der fürsten eine,
die Constantinus hei von Rom verfiieret f).
3) Auch diese Übereinstimmungen würden noch nicht ent-
scheiden , dass Albrecht das Buch Gottfrieds selber eingesehen
habe; denn er konnte diese Wissenschaft auch aus französischen
Übertragungen der Chronik Gottfrieds haben , wie z. B. aus dem
*) 4023. Der diu buoch der hiigede lesen t eil latine,
der hdtz für kein getrügede, diu sagent uär ril manic wirde sine,
krönika zuo Britanje und zuo Kornwäle:
von dannen tcas er bärtig ron rater und rem muoler runder tirdle.
**) cf. Teil II.
**•) cf.: Ea temjtestate erat qiddam tyrannus Ttomae, Maxentius nomine, qui
nol'iles quosque probissimos cives exhaeredare conabatur , pessimaque tyranuide
Mempublicam opprimebat. Incumbente igitur ipsius saevitia , diffugiebant ex 1er-
minuti ad Constantinum in Britanniam, et ab ipso honorifice excipiebantur e.q.s.
t) Vergl. damit Gottfried V, 8 : Inlerea Octavius dux Wisseorum insurrexit
in proconsules Jtomanae dignitatis , quibus insulae regim'en jiemiissum fuerat , et
regni solio, ipsis interfectis, potitus est.
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Brut Waces, oder aus dem von Spüler (Zs. 27, 169) angeführten
Werke des Meester Martyn van Höre. Dieser letzte Einwand wird
aber dadurch hinfällig, dass Albrecht im Gegensätze zu den fran-
zösischen Bearbeitungen conseqnent die genauen lateinischen For-
men der lateinischen Namen beibehält : cf. Tit. 4556, 4 der edel Con -
stanllnus, ebenso 4556, 6; 4555, 5 von Maxencio ; 4556, 2. Octaviane.
Vergl. dagegen Roman de Brut (ed. Le Roux de Lincy) I, v. 5802
Conslanlins ; 5811 Maxens ; 5854 Ortaves.
So dürfen wir wohl als sicher annehmen , dass Albrecht die
Chronik Gottfrieds selbst vor Augen gehabt hat. Dazu stimmt
nun die genauere Analyse dieser ganzen Partie des Titnrel bis
ins Kleinste. Albrecht hat zwei von Gottfried an verschiedenen
Stellen berichtete Ereignisse in ein einziges zusammengeschmolzen.
Das eine der beiden ist die Geschichte von dem Verhältnisse Uter-
pandraguns, Artus Vater, zur Igemc und von der ausserehelichen
Erzeugung des Artus. Gottfried erzählt uns dieselbe VIII, 19 — 20 ;
Albrecht giebt diesen Bericht (str. 4595 — 4613) an vielen Stel-
len in einfacher Übersetzung der Worte Gottfrieds wieder, an
anderen Stellen begnügt er sich mit einer ganz kurzen Angabe
des von Gottfried weitläufiger Erzählten , so besonders bei der
Erzählung von Uthers Fahrt nach Tintajol , wobei Uther, nach
Gottfrieds Berichte, durch die Zauberkünste des Merlin in die Ge-
stalt des Gorlois verwandelt wurde und so mit der Igerne den
Artus erzeugte. Ich führe hier nur die Abweichungen Albrechts
auf : Bei Gottfried erscheint auf dem Siegesfesto des Uther zu
London auch der Herzog Gorlois von Cornubia mit seiner Gemah-
lin Igerne, der schönsten Frau Britanniens. Als Uther sie sieht,
wird er sofort von heftiger Liebe zu ihr ergriffen. Bei Albrecht
dagegen heisst es, Arnive (die Wolframsche Form setzt Albrecht
selbstverständlich ein) sei schon in ihrer Jugend die Auserwählte
Utpandraguns gewesen. Aber der Fürst Urlois habe sie und ihr
Land Kornwal wider den Willen Utpandraguns erworben. Ge-
raume Zeit nachher habe Utpandragun ein grosses Fest ansagen
lassen, zu dem auch Urlois mit Arnive erschienen sei u. s. w. Diese
Veränderung Albrechts findet sich sonst nirgends und ist wohl
Albrecht selbst zuznschreiben. Sie sucht die Schuld Uthers ab-
zuschwächen , indem sie seine Ansprüche auf Arnive für älter er-
klärt als die des Urlois. Spiller (Zs. 27, 170) sagt fälschlich,
wahrscheinlich im Anschlüsse an San -Martes unrichtige Angabe
(Leben und Dichten Wolframs II, 241),: „Urlois ist im Titurel nur
ein Mitbewerber um Arnives Minne“. Im Gegenteil, auch bei Al-
brecht ist Arnive von str. 4597 an die Gemahlin des Urlois. —
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Albrecht fügt ausserdem ans andern Stellen Gottfrieds noch den
Aurelius, den Bruder Utpandraguns , ein, der hier bei Gottfried
längst tot ist ; ferner den Bruder des Urlois, Marke von Kornwal
den er aus der Tristansage herüber nahm. str. 4604 enthalt eine
Auseinandersetzung, weshalb Marke im Tristan den Königstitel,
Urlois bei Gottfried aber nur den Herzogstitel führt (cf. Gorlois
dux Cornubiae, Gottfr. ed. San-Marte, pag. 116, 17). Wir sehen
also auch hier, dass Albrecht die herangezogenen Anspielungen
mit ziemlicher Freiheit behandelt und vor allem darauf bedacht
ist, sie sorgsam seinem Gedichte einzugliedern.
Zu der so behandelten Geschichte tritt nun bei Albrecht der
Kriegszug des Artus gegen Lucius von Rom hinzu, der bei Gott-
fried IX, 15 ff. erzählt wird.
Der Kaiser Lucius Tiberius von Rom lässt (nach Gottfried)
den Artus durch eine Gesandtschaft auffordern , den alten Tribut,
den Julius Caesar den Britanniern auferlegt habe, wieder an den
römischen Senat zu bezahlen. Artus weigert sich, uud indem er
sich auf die drei britannischen Könige bernft, die Rom unterjocht
haben , verlangt er seinerseits von Lucius von Rom Tribut. —
Für diese Einforderung des alten Tributes hat Albrecht die Ge*,
schichte der unehelichen Geburt des Artus eingesetzt, auf die
sich Lucius beruft , wenn er dem Artus das Recht auf die britan-
nische Krone bestreitet. Albrecht lässt den Lucius ausserdem noch
den alten Vorwurf hinzufügen (4611 — 13), den schon Wolfram (P.
65, 30 — 66, 8) andeutet , dass nämlich Arnive von dem Pfaffen
Klinschor sich habe entführen lassen. Die Schilderung , wie die
Botschaft des Lucins von Artus und seinen Rittern aufgenommen
wird (Tit. 4551 — 4558) , ist ein schwacher Abglanz der grossen
Reden des Arturus und seiner Mannen bei Gottfried IX, 15—19.
Auch bei Albrecht beruft sich Artus auf die früheren Kämpfe zwi-
schen Römern und Britanniern , Albrecht fügt hier bei der Nen-
nung des Constantinus die beiden oben erwähnten Anspielungen
anf zwei weitere Stellen Gottfrieds ein. Überhaupt hält sich Al-
brecht bei der Schilderung der einzelnen Etappen des Kampfes
mit Lucins deutlich an sein Vorbild Gottfried. Nur bei der Auf-
zählung der Hiilfstruppen des Lucius schöpft er aus einer andern
Quelle. Lucius führt (4559) die von Lombardte, von Terlabüne,
von Tuscanie, von Calabrüne , von Seciljc , und von Kutschiere.
Terlabüne ist das Land Klinschors P. 656, 14 Terrc de Läbür =
Terra di Lavoro, einem Namen für Calabrien. Die von Nutschiere
sind Heiden, cf. Tit. 4624, 1—4. 4631, 5. Dem Wortlaute nach
könnte mit Kutschiere nur Nocera gemeint sein. Nun wurden aber
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von Kaiser Friedrich II. gegen 1224 — 25 15000 Saracenen von Si-
cilien nach Luceria in Apnlien verpflanzt*); ich glaube daher, dass
hier Albrccht oder sein Gewährsmann Luceria mit Nocera verwech-
selt hat. 4625 ff. werden ausserdem noch die von Messt ne genannt,
ihr Anführer ist Forumar (Furtimar 4647) von Beröle (— Baro-
lum. dem mlat. Namen für Barletta = Barduli der Römer.) Die
italienisch -staufische Quelle, die sich aus diesen Namen verrät,
tritt noch deutlicher zu Tage in str. 4648, 6 — 4649, wo Artus den
Leichnam des gefallenen Kaisers dem Furtimar von Berole übergiebt:
Dax er den heiser brrehfe, dar im ec rehte war sin reste fundeil :
Sie heizent ee Balerne. was Tcunige und heiser sterbent
jensit der mont Lamberne ....**):
Bei Gottfried findet sich von diesen Namen begreiflicher Weise
nichts, sondern da bekommen wir X, 1 eine Aufzählung der fern-
sten orientalischen Namen und dahinter her ein paar römische Se-
natorennamen. — Auf der Seite des Artus findet sich bei Albrecht
natürlich Schionatulander mit seinen bekannten Helden. Ither von
Gabefiez, der ja auch ein unehelicher Sohn ist, tritt deshalb jetzt
nicht gegen Artus auf, sondern verhält sich in diesem Kampfe
passiv (str. 4637 — 41).
Die Beschreibung der Schlacht bietet keine neuen Züge. Artus
ist der Held derselben, unter seinen Streichen fällt Lucius selbst,
wie anch bei Gottfried erzählt wird. So hatte Artus sein Recht
auf seine Lande glänzend behauptet. Er spricht dem Schionatu-
lander seinen Dank für die geleistete Unterstützung aus ; doch
dieser muss die Erfüllung seiner Ehrenpflicht gegen Artus bald
genug teuer bezahlen.
str. 4652 ff. (= XXXII, 64 ff.) Wie Schionatulander selbst vor-
ausgesehen hatte (str. 4576) , waren inzwischen die Fürsten von
Laiander wiederum in Waleis und Norgals eingefallen und hatten
die Abwesenheit des Schionatulander und Artus benutzt, sich zu
unumschränkten Gebietern der beiden Lande zu machen ; dieses
Mal hatten sie auch Kanfoleis und Kingrivals, die Hauptstädte
der beiden Länder, in ihre Gewalt gebracht. Als die Nachricht
davon zu dem rückkehrenden Heere des Artus gelangt, murren
die Ritter, die nach so langen Kriegszeiten jetzt endlich sich in
der Heimat ausznruhen verlangen. Zugleich merkt Schionatulan-
der, dass ihm von den Fürsten der verlorenen Lande Vorwürfe
gemacht werden, weil er die ihm anvertrauten Lande nun seit
*) cf. Winkelmann, Friedrich II. (Leipzig 1889) I, 537- 88 and 208 *4.
**) Vcrgl. noch, was Albrccht str. 4620 über Messine berichtet.
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mehr als drei Jahren fast ununterbrochen den Angriffen der Für-
sten von Laiander preisgegeben habe, während er selbst auf fernen
Abenteuern Ruhm suchte.
Diese Vorwürfe erfüllen den Helden mit solcher Trauer und
Reue über seine Vernachlässigung der ihm anvertrauten Lande,
dass er zum Entgelt dafür bescbliesst, jetzt ganz allein den Kampf
gegen Orilus und Lehelin auf sich zu nehmen ; er hofft, beide ein-
zeln in der Tjost zu fällen und dadurch die Länder wiederzuerlangen.
Alle Anerbietungen des Artus und seiner Freunde weist er ab,
und nach einem schmerzlichen Abschiede von Sigune, die untröst-
lich ist, dass Schionatulander noch nicht genug hat an den Nöten,
die er um ihrer Minne willen erlitten hat, begiebt er sich ganz
allein auf die Reise. Den Anker, das alte Wappenzeichen Gnmu-
rets , legt er jetzt ab , weil er die zwei Lande Oamurets verloren
bat. So hat denn Albrecht am Schlüsse des 39. Capitels die Sachen
so weit gebracht, wie sie uns im 3. Buche des Parzival entgegen-
treten. Wir bemerken, dass auch im Titurel in allen diesen Käm-
pfen Schionatulanders mit Orilus und Lehelin um die Lande Par-
zivals immer nur von zwei Landen die Rede ist, Waleis und
Norgals. Das zeigt uns deutlich, dass Albrecht die P. UI ge-
schilderten Verhältnisse zum Ausgangspunkte genommen hat. Schio-
natulanders Laufbahn neigt sich deutlich ihrem Ende zu, aber der
Dichter stattet auch jetzt, noch seinen Helden, so gut er irgend
kann, mit weiteren Ruhmesthaten aus, die den Inhalt der Capp.
XXXIII und XXXIV bilden.
Cap. XXXIII (sfr, 4677—4854 H.) ist dem Andenken des Se-
cureis gewidmet und orientiert uns zugleich über die weiteren
Schicksale der Secundille: Arabadille, die trauernde Wittwe des
Secureis, hat zwei riesenmässige Fürsten aus ihren Landen aus-
gesandt, um den Secureis an Schionatulander zu rächen. Sie tref-
fen den Gesuchten , als er allein ziellos durch einen Wald reitet,
und obwohl sie den Helden nicht erkennen, da er den Anker nicht
mehr trägt , beginnen sie doch sofort den Kampf mit ihm. Bald
hat Schionatulander den einen der beiden entwaffnet; mit dem an-
dern aber beginnt ein heftiger Schwertkampf, der in seinen Einzel-
heiten reich an Nachahmungen von Parzivals Kampf mit Feirefiz
(P. XV) ist. Albrecht lässt dann den endlich Besiegten auf Schio-
natulanders Frage Auskunft über seine Heimat und den Zweck
seiner Reise geben. Albrecht giebt dabei selbst die Quellen an,
aus denen er den langen Bericht des besiegten Fürsten geschöpft
hat; wir haben dadurch ein sicheres, wertvolles Zeugnis für Al-
brechts Arbeitsweise, das mit allem, was wir bis jetzt über sie
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erschlossen haben , wunderschön übereinstimmt. Die beiden be-
siegten Fürsten nennen sich Alexander und Philippe aus dem
Geschlechte des grossen Alexander. Sie sind zwei mächtige Kö-
nige aus dem Lande Paradise, das in unendlicher Ferne im Osten
liegt, soweit, dass sie sich abgerichteter Greifeu bedienen, um
hierherzukommen, wie einst Alexander, der Sohn Philipps (4744).
— Wir werden also durch diese Beziehungen mitten in die Alexan-
dersage hineingeführt, und Albrecht häuft, um mit seiner Gelehr-
samkeit zu pruukeu, die Anspielungeu auf diese Sage. Das Land
Faradise ist das Paradies, welches Alexander am Ende seiner ruhm-
vollen Heldentbaten vergebens zu erwerben trachtete. Die Expe-
dition Alexanders erzählt vor allem das lateinische lter Alexandri
Magni ad Paradisum , herausgegeben von J. Zacher (Königsberg
1859). Daraus hat der Pfaffe Lamprecht im Alexanderlied von
v. 6596 bis zum Schlüsse seines Gedichtes geschöpft (cf. Kinzel,
Einltg. zu Lamprechts Alexander, pag. XLV 111 — LI. Zacher, Pseudo-
kallisthenes, pag. 141 — 142). Dagegen hat der Pfaffe Lamprecht
die Erzählung von der Abrichtung der Greifen nicht, sie findet
sich erst in dem letzten Teile der lateinischen Historia de preliis
Alexandri Magni , wo Lamprecht diese Vorlage bereits mit dem
lter ad Paradisum vertauscht hat. Wir sehen aus diesem Um-
stande , dass Lamprecht nicht die einzige Quelle Albrechts für
diese ganze Partie gewesen ist. Albrecht beschreibt str. 4757 — 59
ausführlich, wie man sich der Greifen zu diesen Fahrten bedient*).
Vergl. auch Tit. str. 4805— ö.
Ausser diesen Zügen, die Albrecht in seine Handlung hinein-
arbeitet , fügt er aber noch . eine Reihe von Anspielungen auf die
Alexaudergeschichte an , die nichts weiter sind als Anspielungen
und als solche die Belesenheit des Verfassers darthun sollen :
str. 4747 — 50 berichtet Albrecht von dem Zuge Alexanders an das
Ende der Welt, er wollte der erden an dein orte ein ende sc/towen.
Vergl. damit Lampr. Al. v. 5489—95. Zacher, Pseudokaliisthenes
pg. 141 — 42. — str. 4751 — 53 erzählt, wie Alexander die Tiefen des
Meeres erforscht. Diese Geschichte findet sich, ebenso wie die
Fahrt mit den Greifen, nicht bei Lamprecht, folgt aber unmittel-
*) Einen Teil dieser Angaben finden wir z. B. im Basler Alexander (ed. R. M.
Werner), v. 4288 ff. :
er Ate« ein sessel zicisent die griffen
binden und zvco Stangen
iicic as man an die Stangen band.
cf. Einzel, Einleitg. zu Lamprechts Alexander, pg. XVI,
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bar auf dieselbe in der Historia de preliis cf. Kinzel, Einltg. zu
Lampr. Al., p. XXVI*). — str. 4754, 4 — 7 enthält eine kurze Cha-
rakteristik Alexanders:
er künde sich der lazheil nild gesellen,
er fuor bi allen den sinen gar mit slihte,
alle siner hab gemeine, des vand er sin iif alle ort die rihte. —
str. 4755 —56 wird auf Alexanders Versuche angespielt, die Luft
mit allen ihren Geschöpfen zu erforschen. Gewöhnlich wird dieser
Zug mit der Zähmung der Greifen in Verbindung gebracht (cf.
hier str. 4767 — 59), so z. B. Basler Alexander v. 4281 ff.:
Er sprach „ich wisti nun gern die mer,
teer in dem hirnel wer,
dae wil ich versuchen wer/ich.“
er hics stigen sä eim nest,
da lagen jung griffen in,
die wurden gezogen,
bis sy mochtten fliegen (folgen die oben citierten Verse),
str. 4760 — 65 endlich enthalten eine Beschreibung der Wunder In-
diens, die sich mit der von Secureis Land gegebenen Beschreibung
(str. 2948 ff.) an vielen Punkten deckt**).
Welche specielle Fassung der Alexandergeschichte diesem aus-
geführten Berichte Albrechts zu Grunde liegt, habe ich noch nicht
erkennen können. —
*) Im Basler Alexander findet sich auch dies Motiv v. 4259 — 80; doch fehlt
dort der von Alhrccht berichtete Kampf der Fische , der den Alexander aber die
Nützlichkeit der Burgen belehrt.
**) An dieser Stelle ist noch einer Anspielung Albrechts auf die Alexander-
gescbichte zu gedenken , die sich an einer andern Stelle (str. 8933) findet : Der
König Ledibodanz vou Gredimonte führt als Wappen den Basiliscus, dessen Blick
tötet. Diesen Basiliscus lässt er den Feinden entgegen t ragen , damit sie durch
seinen Blick sterben sollen ; allein die Feinde schützen sich dagegen , indem sie
durch Spiegel den Blick des Basiliscus auf die eigenen Leute des Königs zurück-
werfen. Dazu bemerkt Albrecht 3933, 5 f. (nur in H, nicht in A. D.):
Hie mit half Aristolel [und] Alexander
da vor in mamyen eilen.
Diese Angabe findet sich weder bei Lamprecht, noch im Basler Alexander, noch
in der Historia de preliis und dem Pseudokallisthenes. Dagegen ist mit dieser
Erzählung Albrechts eine Stelle aus des Strickers Daniel vom blühenden Thal
zusammenzustellen, die den Zusammenhang mit der antiken Medusensage deutlich
macht (v. 1879 ff. cf. 1991): Daniel bekämpft dort einen Zwerg, der als Waffe ein
durch den Anblick tötendes Haupt führt, ebenfalls mit Hülfe eines Spiegels. Hat
nun der gelehrte Albrecht etwa den Medusentöter Perseus mit dem Macedonier-
könig gleichen Namens verwechselt und danu die Sage umgebildet auf den grossen
Maredonierhelden übertragen? Über den basiliscus vergl. noch Tit. 6953, 5 — 6;
hl. Georg 4172-75. 4944-45.
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In alle Anspielungen auf die Alexandergeschichte schneit nun
auf einmal auch noch eine ausgesprochene Beziehung auf den hei-
ligen Georg des Reinbot von Dorn hinein (str. 4745 — 46). Albrecht
giebt in wenigen Worten eine Inhaltsangabe des Gedichtes; die
Fassung der Anspielung Albrechts zeigt deutlich , dass sie nur
ans dem Gedichte Reinbots genommen sein kann. —
Erst nachdem er diese Fülle von sorgsam zusammengesuchter
Gelehrsamkeit über uns ausgegossen hat, fährt Albrecht in der
Erzählung seiner eigentlichen Aventiure fort. Der von Sekiona-
tulander besiegte Alexander, der seinen Besieger ja noch nicht
erkannt hat, beklagt es, dass er nicht von Schionatulander oder
von einem Gralritter besiegt sei. Da nennt ihm Schionatulander
seinen Namen, aber Alexander glaubt es ihm nicht, bis endlich
wie ein deus ex machina plötzlich der Fürst von Kaukasas (dem
Kaukasus des Wh. 375, 18, das als Reich des Poydjus von Friende
im Titurel dem Secureis gehört cf. oben pag. 64) , der ebenfalls
auf einem Greifen hergekommen ist und unsichtbar dem ganzen
Kampfe zugeschaut hat, dazwischentritt. Er ist dabei gewesen,
als Schionatulander den Secureis besiegt hat, und bezeugt jetzt,
dass Schionatulander von aller Schuld an Secureis Tode frei sei.
Daraufhin versöhnen sich denn die beiden Fürsten des Secureis
mit Sehionatulauder. Durch Ekunat, der durch den Kampfeslärm
angezogen jetzt auch aultritt , wird Artus , der in der Nähe mit
seinem Hofe lagert, herbeigeholt, nm die Greifen zu besehen, die
Keyes lebhaften Spott herausfordern. Bald darauf fahren die drei
fremden Fürsten auf ihren Greifen wieder davon. Schionatulander
aber stiehlt sich heimlich von Artus Hofe fort.
Hier (str. 4809) flickt der Dichter einen Bericht über die fer-
neren Schicksale der Arabadille und der Secundille ein. ALs die
zur Rache für Secureis ausgesandten Fürsten unverrichteter Sache
wieder nach Tribalibot zuriiekkehren, stirbt Arabadille vor Herze-
leid, sie wird köstlich bestattet neben Secureis und dessen Vor-
fahren*). Secundille aber wird von ihren Fürsten veranlasst, sich
einen Gemahl zu suchen. Ihre Astronomen nennen ihr als die
Würdigsten vier Männer; davon seien zwei bereits auserwählte
Ritter (Anfortas und Schionatulander), während die andern beiden
(Parzival und Feirefiz) damals noch nicht 15 Jahre zählten.
Secundille zieht ihre Neigung zu Anfortas. Davon hat uns Al-
brecht bereits str. 3152 — 64 bei Gelegenheit der Erwähnung des
*) Die Beachreibung ihres Grabgewölbes beruht auf zwei Stellen der Eneit,
cf. oben pag. 26.
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Frigoreis von Janfuse und seiner Schwester Eckuba berichtet.
Wie Eckuba von Liebe zu Artus erfüllt wurde , von dem sie so
vieles Schöne und Rühmenswerte gehört hatte (aus P. VI abge-
leitet), so trug Secundille die Liebe zu Ani'ortas im Herzen. Ihn
möchte sie auch jetzt am liebsten zu ihrem Gemahle erwählen, aber
ihre Astronomen raten ihr vielmehr zu Schionatulander. La be-
richtet der Fürst von Kaukasas, dass Schionatulander bereits an
Sigune durch hohe Minne gefesselt sei. So schickt denn Secun-
dille dem Anfortas ihren reichen Kram (der bereits str. 2941 ff.
unter den Reicbtümern des Secureis aufgezählt worden war) und
zugleich zwei Menschen, der arl was fremdes sämen (= Cundrie und
Malcreatiure bei Wolfr.). Allein Anfortas war in Liebe gefangen
zur schönen Orgiluse , Zitegasts Weibe, deren Liebe ihm später
das Verderben brachte. So musste Secundille verzichten, bis sie
später von Feirefiz erstritten wurde , als dieser hcrangewaehsen
war. — Dieser Bericht Albreehts ist nichts als eine Zusammen-
fassung der Andeutungen Wolframs über Secundillens Verhältnis
zu Anfortas und die Sendung des Krams. Die Hauptstellen bei
Wolfram sind P. 619, 10-12. 18-30 u. Wb. 279, 13—23. Dass
Albrecht auch in diese Geschichte seinen Helden Schionatulander
hineinbringt, ist uns nicht mehr verwunderlich, wir sind das schon
gewohnt.
Cap. XXXIV. (str. 4855—4993 II.) Schionatulander war, wie
wir uns erinnern, nur deshalb ganz allein ausgezogen, um die
Brüder von Laiander im Einzelkampfe zu bestehn. Sein Kampf
mit Orilus wird uns nun im 34. Capitel erzählt; er ist nur eine
Parallele, ein Vorspiel zu der letzten, mit Schionatulanders Tode
endigenden Tjoste der beiden Helden.
Als Orilus eines Morgens mit Jeschute se veldc liegt, wird
ihm ein Ritter gemeldet , der ihn zu bestehn wünsche. Sofort
sagt er: „Das ist Schionatulander, nun werde ich allen Preis ver-
lieren !“ Aber da der Ritter das Wappenzeichen Schionatulanders
nicht trägt, fasst Orilus wieder Mut. Allein bei der Tjoste fallt
er vom Rosse, und auch im Schwertkampf wird er zu Boden gestreckt.
Zwar erhebt er sich bald wieder, aber da fällt Jeschute, die vom
Zelte aus dem Kampfe hat Zusehen müssen, dem Schionatulander in
den Arm. Sie hat ihn längst erkannt und bietet ihm jetzt freiwillig
das Brackenseil an ; doch Schionatulander lehnt es ab , er will es
nur im Kampfe erwerben. So nimmt er für jetzt Urlaub, um bei
gelegenerer Zeit den Kampf mit Orilus zu erneuern. — Der Dich-
ter hat durch die Einflechtung dieses Kampfes erreicht, dass das
Brackenseil nun doch noch freiwillig von Jeschute in Sigunens
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Hände gegeben wird.* Denn Jeschute, die ernstlich um das Leben
ihres Mannes besorgt ist, sendet nach dieser Tjost das Bracken-
seil heimlich an Sigune (4891 ff.). Als Orilus das erfährt, gerät
er in den heftigsten Zorn und schwört , jetzt müsse entweder
Schionatulander oder er selbst das Leben lassen. So sehen wir
Schionatulanders Katastrophe immer näher heranrücken ; wir fürch-
ten jetzt für sein Leben, zumal da wir wissen, dass er endlich
doch einmal unterliegen muss. Aber den Untergang des Helden
muss schliesslich doch eine höhere Macht herbeilühren , der keine
Heldcnkraft zu widerstehn vermag. Wie wäre es sonst mög-
lich , dass der gefeiertste Held des Morgen- und Abendlandes der
Tjoste des schon zweimal von ihm halb besiegten Orilus unter-
liegen konnte ! Aus diesem Gedankengange heraus ist Albrecht zu
der Einführung des goldes der Saide*) gekommen, das, für Schio-
natulander bestimmt, durch einen unglücklichen Zufall in die Hände
des Orilus gelangt und so diesem zum Siege über den sonst un-
besiegbaren Gegner verbilft.
Von den wunderbaren geheimnisvollen Kräften der edeln
Steine und Metalle wusste das Mittelalter Wunders viel zu sagen **).
Die 1 itterarischen Zeugnisse sind vor allem die verschiedenen
mittelalterlichen Steinbücher, die in wohlgeordneter Aufzählung
die guten und bösen Kräfte eines jeden Steines auffiihren und
meistens eine mystische Ausdeutung dieser Eigenschaften hinzu-
fügen. Aber auch jedes andere poetische Denkmal des Mittelalters
giebt uns Beweise genug für die grosse Rolle , die dieser Glaube
in den Anschauungen der damaligen Zeiten spielte. Gerade bei
unserm Dichter finden wir eine reiche Ausbeute , man vergleiche
nur den Bau und die Auslegung des Graltempels, die Steine des
Brackenseils u. a. m. Das unmittelbare Vorbild Albrechts war in
diesem Falle wohl P. 743, B— 8, wo Wolfram berichtet, dass Fei-
retiz mit Hülfe Sieg verleihender Steine kämpft. Dasselbe erzählt
Wirnt von Joram von Syrie im Eingang des Wigalois, worauf sich
Albrecht Tit. 2193 — 64 mit scharfem Tadel bezieht. Im Titurel
selbst kommt dies Motiv noch ein paar Mal vor: str. 5599 von
Agors ; str. 5739 will Ekunat mit Hülfe der Steine des Bracken-
seils kämpfen ; da (v. 2) wird auch von Orilus gesagt , dass er
nur mit Hülfe der steine den Schionatulander besiegt habe. —
Aus dem reinen Tigrisgolde, dessen wunderkräftiger Wirkung
*) cf. z. B. 5028, 5 ; sonst heisst es auch Tigrisgold , über dessen Herkunft
uns str. 1641—49 genaue Auskunft giebt.
**) Vergl. J. Zingerle, Glauben an Edelsteine und ihre Kräfte, Zs. für Cultur-
geschichte 11 (1857) 335 ff.
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Schionatulander erliegt, war auch die Rüstung verfertigt, die er
früher vom Baruch zum Geschenk erhalten hatte (Tit. 1640 fl'.)
sunder kouf , durch tu in ne und ouch der bete suuder , denn nur dann
zeigt das Gold seine eigentümliche Kraft , cf. Tit. 4348 *). Aber
noch etwas anderes gehört dazu , damit die Gabe des Goldes ihre
Kraft nicht verliere: derjenige, der es durch minne erhalten hat,
muss es sorgsam hüten, denn sonst kann er es (str. 4350)
nimmer gar driu jär .... behalten,
als es geliicb: ums gebende , also kan es ouch ungelückes walten.
Das hatte Schionatulander versäumt, und so war ihm durch seine
Schuld der kostbare Harnasch damals auf der Rückfahrt von Bal-
dac (4356) verloren gegangen. Als der Baruch von diesem Ver-
luste hört, schreibt er sofort dem Schionatulander (str. 4661 — 70),
er habe noch ein wenig von dein kostbaren Golde dabehalten, das
wolle er ihm durch einen Boten schicken; er solle es nehmen, in
welcher Gestalt es ihm auch von dem Boten gebracht werde. Der
Bote aber, der dieses Gold, das zu einem Ringe und einer Spange
verarbeitet worden war, dem Schionatulander bringen soll, erreicht
ihn nicht (cf. str. 4909 — 19). Er wird auf seinem Wege, als er be-
reits iu Waleis ist, von einem Hirsche überrannt und giebt ster-
bend die Kleinodien einem des Weges daherkommenden Waidmanne,
mit der Bitte, sie dem „Herrn des Landes“ zu Überbringern Der
Waidmann kennt als solchen jetzt nur noch den Orilus, so eilt er
zu diesem und übergiebt ihm die Kleinodien, als Orilus gerade nach
der Tjost mit Schionatulander traurig dasitzt. Sobald aber Orilus
und Jeschute das wunderkräftige Gold empfangen haben, ist alle
ihre Traurigkeit verschwunden. Orilus beschenkt deu Waidmann
reichlich und lässt den fremden Waller würdig bestatten. Als man
ihn gerade begraben will, kommt Schionatulander dazu und erkennt
in ihm einen Fürsten des Baruchs. Er kann sich wohl denken,
dass derselbe ihm das Gold des Baruchs hatte bringen sollen, aber
er fragt nichts nach diesem Talismane, sondern vertraut sich Gott
allein an (4915). Damit hebt ihn der Dichter zu einer idealen
Höhe empor; der Held muss zwar einer übermächtigen Gewalt un-
terliegen, aber sein Ruhm strahlt dennoch uneingeschränkt über
seinen Tod hinaus. Der wunderkräftige Ring und die Spange, die
der Baruch für Schionatulander bestimmt hatte, die aber jetzt Je-
schute erhält, sind dieselben Kleinode, die bald darauf der junge
Parzival der schlafenden Jeschute raubt (P. HI. Tit. 5452). Albrecht
*) Wenn Tit. 4667 gesagt wird, dass erst die Verbindung mit dem jachant
dem Tigrisgolde seine Kraft verleihe, so steht das im Widerspruch mit allen
übrigen Angaben des Titurel. (I ber deu jächant vergl. Megenberg, pag. 449, ‘47 ff.)
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83
entnimmt also hier ein Motiv aus Wolfram und gestaltet es höchst
eigenartig aus; denn während bei Wolfram diese Kleinodien nur
eine geringe Rolle spielen, basiert Albrecht auf sie die Katastrophe
seines Haupthelden. —
Nach dem Kampfe mit Orilus reitet Schionatulander weiter
nach Norgals, um auch Lehelin zu bestehen (str. 4920 fl'.). Vor
Kingrivals findet er ein Heer Gailets und Ekunats , die trotz der
Ablehnung Schionatulanders es für ihre Pflicht gehalten haben,
seine Sache zu vertreten. Auch Artus hatte ihnen Hülfe mitge-
schickt, aber trotzdem haben sie durch die Ausfälle der Belagerten
bereits schwere Verluste erlitten. Erst als Schionatulander un-
erkannt in den Kampf eingreift und den Lehelin selbst schwer
verwundet , muss sich dieser mit seinen Mannen in die Veste zu-
rückziehen. Schionatulander lässt sich jetzt von Gailet und Ekunat
überreden , mit ihnen an Artus Hof zu der ihn schmerzlich erwar-
tenden Signne zurückzukebren. Vergeblich sucht ihn aber Sigune
durch die Vorlesung der Schrift des Brackenseils heiter zu stim-
men, ihre Freude ist stets mit Leid gemischt. Sigune will, wie
einst Enite, mit ihrem Geliebten als sein schiltkncht ziehen, und
als Schionatulander das abschlägt, bittet sie ihn, sie zur Burg des
Grals zu führen, wo sie leichter von ihren Sünden befreit werden
könne, wenn die etwa Schuld wären an ihrer steten Freudlosig-
keit. Sie rüsten sich zu dieser Reise , und Sigune giebt solange
das Brackenseil , das jetzt für sie gar keinen Reiz mehr hat
an Ekunat und Clauditte. — Diese letzte Angabe ist bezeichnend
für die saloppe Weise, mit der Albrecht die Streitigkeiten um das
Brackenseil hier abthut; man muss sieh nur wundern, wenn Eku-
nat und Clauditte das auf diese Weise erstrittene Brackenseil an-
nehmen. — Auf die Erfindung der Reise Sigunens zum Gral ist
Albrecht wahrscheinlich dadurch gekommen , dass Parzival bei
Wolfram Sigune mit dem toten Schionatulander zuerst (P. III) im
Walde Brizljan bei Nantes, bei seiner zweiten Begegnung (P. V)
dagegen im Gralwalde findet. Daraus schloss Albrecht, dass beide
zum Gral gewollt hätten. —
Cap. XXXV. (str. 4994 — 5176 H.) Nachdem Schionatulander
und Sigune thränenreichen Abschied genommen haben, gelangen
sie zunächst zum Walde Frecilic p'Utmont de klüse (5009). Es ist
der bekannte Wald Frisljdn (cf. Benecke zu Iw. 263); in ihm fin-
det Parzival (P. 138, cf. 129, 6 — 6) Sigune mit dem kurz vorher
getöteten Schionatulander. (Über die franz, Zusätze vergl. unten
Teil II.) Die Nacht über lagern sie im Walde und sprechen dar-
über, wie sie alle ihre Unterthanen glücklich machen wollten,
6 *
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84
wenn Gott sie noch einmal in den Besitz der verlorenen Lande
setzen sollte. Als sie am andern Morgen weiterziehen , stossen
sie plötzlich auf Orilus. Sogleich beginnt der Kampf ; Sigune
fallt vor Schreck besinnungslos zu Boden. Bei dem gewaltigen
Anstosse der Helden zersplittern beider Lanzen : Schionatulander
fällt mit einer tiefen Wunde wie tot zur Erde , aber auch Orilus
begehrt im Herzen des Pfaffen zur Beichte. Hätte er nicht Acke-
rins Geschenk gehabt, er wäre sicherlich gefallt worden. Und
wenn die Tjost nur eine kurze Zeit später Statt gefunden hätte, so
wäre Orilus der Kraft des Goldes beraubt gewesen ; denn da wur-
den Ring und Fürspann der Jeschute von Parzival genommen
(cf. P. 131, 16—17; wir befinden uns hier schon deutlich in der
Atmosphaere von P. III). Orilus tritt zu der ohnmächtigen Sigune
heran und bringt sie zum Leben zurück ; sie glaubt erwachend ih-
ren Geliebten vor sich zu sehen, erkennt aber schaudernd den
Orilus. Sie fleht ihn an, nun auch ihr den Tod zu geben. Trau-
rig erwidert Orilus, er wolle dem Schionatulander, wenn er wieder
zum Leben erwache, freiwillig seine beiden Lande zurückgeben,
da es ihm gelungen sei, diesen Helden in der Tjost zu fallen.
Allein Schionatulander hört ihn nicht mehr, so reitet Orilus be-
wegt von dannen. Jetzt beginnt Sigune ihre Klagen, deren unend-
lichen Jammer der Dichter nicht voll beschreiben kann. Davon
erwacht Schionatulander noch einmal wieder und bittet sie , von
ihrer grenzenlosen Klage abzulassen, die ihn eher als seine Wunden
töten würde. Dann spricht er seine Beichte und stirbt.
Damit sind wir an das Ende des grossen Mittelstückes , des
Kerns unseres Gedichtes gekommen , die Heldenlaufbahn Schiona-
tulanders ist mit seinem Tode abgeschlossen , aber seine Person
bleibt doch auch in dem 3. Hauptteile unseres Gedichtes noch der
ideelle Mittelpunkt der Handlung. Sigune und ihre beständigen
Klagen um den toten Geliebten bilden den unendlich breit ausge-
sponnenen Vorwurf der folgenden Capitel XXXVb — XXXVIII; und
mit dem Tode des Orilus durch die rächende Hand des Ekunat
(Cap. XL) ist die eigentliche Fabel des Gedichtes zu Ende gebracht.
Abschnitt VI: Parzival.
Im 3. Hauptteil unseres Gedichtes ist also, wie gesagt, Schio-
natulander noch der ideelle Mittelpunkt der Handlung, aber der
hell der äventiure kann er nach den Begriffen dieser epischen Ge-
dichte nicht mehr sein; denn das muss eine lebende, Thaten voll-
bringende Gestalt sein (cf. Tit. 6072). Da tritt denn für ihn Par-
zival an die Stelle, der sofort in der nächsten Scene nach Schio-
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85
natulanders Tode eingeführt wird. Allein Parzivals Geschichte
wird von Albrecht sehr flüchtig und kurz behandelt, aus dem ein-
fachen Grunde, weil von jetzt an die ausführliche Darstellung
Wolframs im Parzival immer nebenher läuft. Infolgedessen nimmt
Albrecht jeden Augenblick Veranlassung, auf den Parzival Wol-
frams zu verweisen. Eine besondere Stellung nimmt nur das 39.
Capitel des Titurel ein, in dem Parzivals Erlebnisse auf seinen
Irrfahrten, die Wolfram (P. 433) nur ganz kurz andeutet, weit-
läufig beschrieben werden. In den übrigen Capiteln erzählt Al-
brecht von Parzival eigentlich nur seine verschiedenen Besuche
bei Sigune, sodass auch hierdurch die bloss secundäre Rolle, die
Parzival bei Albrecht als Held der Aventiure spielt , angezeigt
wird. Auf diesen Abschnitt des Titurel passt noch viel besser,
als für den Parzival, die Charakteristik der Sigune, die Lach-
mann in seinem Aufsatze „Über den Inhalt des Parzival“ (Zs. A.
5 , 295) giebt: „Parzival kommt zu Sigunen, der unglücklichen
reinen, der Stellvertreterin seiner verstorbenen Mutter, gleichsam
der lenkenden leitenden Gottheit. Bei jedem Abschnitte seines
Lebens verirrt sich Parzival zu ihr und empfängt Rat und Trost“.
Dieses schöne Motiv ist erst von Wolfram in die Geschichte Par-
zivals hineingebracht, denn Chrestien wciss nur von einem einzigen
der drei von Wolfram berichteten Besuche Parzivals bei Sigune*).
Albrecht folgt auch hier Wolfram und fügt noch einen vierten Be-
such hinzu.
Mit dem ersten Zusammentreffen Parzivals und Sigunens, un-
mittelbar nach Schionatulanders Tode (cf. P. 135, 21—24), beginnt
Albrecht den 3. grossen Teil seines Gedichtes (Tit. 5068 ff.). Er
giebt nichts als eine kurze Inhaltsangabe der parallelen Stelle
P. 138 , 9 — 142 , 2. Parzival geht von Sigune an den Hof des
Artus (P. II) und giebt ihm Nachricht über das Schicksal Schio-
natulanders und Sigunens. — Dies und das Folgende erzählt Wolf-
ram nicht ausdrücklich, da aber bei der zweiten Begegnung Par-
zival Sigune mit der Leiche Schionatulanders im Gralwalde wieder-
findet, so lässt Albrecht hier durch Artus Schionatulanders Leiche
dorthin bringen.
Als Parzival den Tod Schionatulanders bei Artus berichtet,
erhebt sich grosses Trauern, das noch vergrössert wird, als Par-
zival gleich darauf in seiner Unerfahrenheit den Ither von Gahefiez
tötet (P. III). Sobald Ither beigesetzt ist, macht sich Artus mit
*) ef. KQpp, Die unmittelbaren Quellen von Wolframs Partival, Zs. f. d.
Pb. 17, 84.
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8G
Gefolge auf, um Sigune zu suchen. Am fünften Morgen hören sie
endlich den Klageruf Sigunens ; als sie herzukommen , finden sie
die klagende so verändert , dass kaum jemand in ihr die schöne
Sigune wiedererkannt hätte (cf. P. 252, 27 — 253, 6) ; nur ihr un-
berührtes Magdtum und ihr grosses Leid haben sie diese fünf Tage
am Lehen erhalten. Artus lässt den Toten herrlich einbalsamieren
(cf. P. 249, 16) und auf den dringenden Wunsch der Sigune nach
der wilden Laborie*) im Gebiete des Grals bringen. An der
Grenze des Gralgebietes wird Sigune von den Tempieisen in Em-
pfang genommen , die Ritter des Artus aber müssen umkehren.
Nicht ganz eine Raste von der Gralburg entfernt (aus P. 250, 13
— 16), lässt Sigune Halt machen und mit Kundries, der Gralbotin**),
Hülfe bereitet sie sich einen Sitz auf den Asten einer Linde (P.
249, 14). Dort bleibt sie nun und verbringt die Zeit mit endlosen
Klagen um Schionatulander , in deren Ausmalung der Dichter un-
erschöpflich ist. — Durch diesen Bericht , der Wolframs Darstel-
lung (P. III) ausmalend ergänzt, ist alles vorbereitet für die zweite
Begegnung Parzivals und Sigunes (nach Parzivals erstem Besuche
auf der Gralburg) , bei der Parzival Sigune mit der Leiche Sckio-
natulanders im Gralwalde findet. —
Cap. XXXVI ( str . 5177 — 5317 //.) erzählt diese zweite Begeg-
nung ; cf. P. 249, 19 — 255, 30. Als 3. Fassung tritt hier Chre-
stiens Bericht (v. 4600 ff.) hinzu***); mit Chrestiens Abweichungen
von Wolfram stimmt Albreeht in keinem Falle, wohl aber erzählen
Chrestieu und Wolfram die Geschichte des Gralschwertes an dieser
Stelle. Albreeht kürzt den Bericht Wolframs an eiuigen Punkten,
die Erwähnung des Gralschwertes lässt er ganz weg, da er sie bei
der selbständig erfundenen nächsten Begegnung der beiden ver-
wendet; die Erkennungsscene stellt er voran und lässt dann erst
Sigune die verhängnisvolle Frage nach Parzivals Nachtlager auf
der Gralburg thun. Im übrigen ist der Bericht Albreehts wieder
nichts als eine kurze Nacherzählung von Wolframs Worten. Al-
brecht lässt nur den Parzival noch kinzufügen , ein Pförtner der
Gralburg habe ihn bei seinem Fortgange sehr gescholten, dass er
dio Frage unterlassen habe (cf. P. 247, 21 — 248, 6).
Albreeht berichtet sodann , nach Wolframs Angaben , über Si-
*) Dieser Name ist eine Bildung Albreeht«, cf. Teil II.
**) Kundrie bat im Titnrel ganz die Wolfrarascben Züge ; Albreeht scherzt
über ihre Hässlichkeit Tit. 5370 (cf. P. 313—14 ; 780), rühmt aber öfter ihre
Treue gegen Anfortas und Sigune, z. B. Tit. 5371 — 72 (cf. P. 812,3), und hebt
ihre gelebrlen Kenntnisse herror Tit. 6208. 6216. 6217. (cf. P. 312, 19 — 26).
***) cf. Küpp, a. a. 0. pag. 24.
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R7
gunens Leben in der Wildnis (6194 ff.): Als Abkömmling des Gral-
geschlechte9 wird sie durch die Heiligkeit des Grals mit Speise
versorgt, die ihr Knndrie la surziere täglich bringt (6206: P. 438,
29 ff.). Erst später, als fiir Sigune eine köstliche Klause gebaut
worden ist, die viel weiter von der Gralburg entfernt liegt, kann
Kundrie nur noch alle Samstage zu ihr kommen (5465 : P. 439,
1 — 5). Die Kraft des Grales hält ausserdem den Gralwald frei
von allem, was Sigune Gefahr bringen könnte (6198). Obwohl
sie keine Messe hörte, war sie doch als Kind des Grales von
vornherein zum Paradiese bestimmt (P. 436, 23—24) *). Zusammen
mit Kundrie klagt Sigune gern über Parzivals Unterlassung der
Präge und das unglückliche Geschick des Anfortas , der, wie der
Dichter (5203) sagt, nur deshalb noch nicht von Parzival erlöst
worden war, weil das Mass seiner Sünde noch nicht ganz durch
seine Reue erreicht war.
Cap. XXXVII (sfr. 5318 — 5414 II) können wir ohne weiteres
der Erfindung Albrechts zusehreiben. Er lässt die sich in ewigen
Klagen verzehrende Sigune von allen möglichen Verwandten und
Bekannten in ihrer Einsamkeit besucht werden ; alle suchen sie
ihren Schmerz zu trösten , aber allen Bemühungen , sie zu einem
andern Leben zurückzurnfen, setzt Sigune den hartnäckigsten Wi-
derstand entgegen. So kommt ihr Vater Kiot mit seinem Bruder
Manfilot, mit Gurnemanz und dessen Tochter Liaze; Kondwira-
murs ist nur deshalb zu Hause geblieben, weil sie schon an ihrem
Schmerze um Parzival genug zu tragen hat. Ausführlich schil-
dert der Dichter ihre wechselseitigen Klagen , doch nur soviel er-
reicht Kiot von seiner Tochter, dass sie darin einwilligt, doch
wenigstens eine Behausung über Schionatulanders Leiche erbauen
zu lassen (5357 : P. 435, 7). Auch Anfortas und Urrepanse de
tschoien besuchen Sigune öfter. Auf Bitten des Anfortas lässt sie
den toten Sebionatulander in einen Sarg legen (P. 435, 21—22).
Anfortas spricht jedesmal bei ihr vor, wenn er zum See Rrnmbane
geht ; hofft er doch vielleicht bei ihr einmal den Parzival und
damit die Erlösung von seinen Qualen zu finden.
Cap. XXXVIII. (s/r. 5415—5511 II.) Im 38. Capitel erzählt der
Dichter eine weitere Begegnung Parzivals und Sigunens , von der
sich bei Wolfram nichts findet. Denn Wolframs dritte Begegnung
(P. 435, 13—442, 26) macht Albrecht durch einen kurzen Hinweis
str. 5773—74 ab. Dass Albrecht die im 38. Capitel erzählte Bc-
*) Über die »on Albrecht so oft betonte Praedestination der Anserwählten des
Grals sum Paradiese vergl. P. 47t, 10—14 u. bes. W. TU. 44.
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ii
88
gegnung selbständig hinzugefugt hat, erkennen wir daraus, dass
sämtliche Motive derselben entweder aus den übrigen Begegnungen
der beiden oder sonst aus Wolfram genommen sind: Parzival, von
Sehnsucht nach höher minne und nach dem Gral getrieben (cf. P.
441, 11—14), kommt noch einmal zu Sigune. Sie erkennen sich
beide nicht, Sigune vor ihrem Jammer, Parzival, weil Albrecht
hier eine recht alberne Wiederholung des wundervollen Liebes-
zaubers mit den Blutstropfen im Schnee aus P. VI cinführt (str.
5429). In diesem Zauber befangen , ist Parzival ganz mechanisch,
nur durch die Klage Sigunens angezogen, zu ihr herangeritten und
hat sie begrüsst. Als er den Namen Schionatulander aussprechen
hört, erinnert er sich zwar seiner ersten Begegnung mit Sigune (cf.
P. 440, 18 ff.), erkennt Sigune jedoch noch immer nicht. Aus seiner
Antwort erkennt ihn aber Sigune. Vergebens erzählt sie ihm aus-
führlich seine und seiner Eltern Geschichte, sowie Schionatulanders
trauriges Geschick noch einmal (von Albrecht aus dem ersten Ge-
spräche Sigunens mit Parzival, P. 140, 15—141, 24, kierhergenom-
men), er versteht den Sinn ihrer Worte nicht*). Als Parzival end-
lich wieder zum Bewusstsein zurückkommt (man weiss nicht, wo-
durch !), erkennt er Sigune sofort und bittet sie, doch endlich von
ihrer Klage abzulassen (cf. P. 252, 27 ff.). Er fragt sie , ob sie
nicht lieber doch noch einem andern werten Ritter ihre Hand geben
wolle, was Sigune natürlich mit Entrüstung zurückweist. Diesen
unzarten Zusatz hat sich Albrecht wohl aus dem von Wolfram an
der oben erwähnten Stelle (P. 253, 10—17) getadelten Rate der
Lunete abstrahiert. Jetzt klagt Parzival seinerseits der Sigune
sein Leid (cf. P. 441, 3 ff.) , ohne dass ihn jedoch Sigune erst nach
dem Grale gefragt hätte, wie bei Wolfram. Er erinnert Sigune an
ihre harten Worte bei ihrer letzten Begegnung (P. 441, 15—17).
Bei Wolfram nimmt darauf Sigune ihren Fluch zurück und sendet
ihn auf die Spur von Kundries Maultier. Albrecht dagegen lässt
Sigune auf die Bitte Parzivals um Rat, wie er zum Grale kommen
könne, (im Anschluss an P. 250, 20—30 n. 468, 10 — 16) antworten,
dass all sein Suchen nach dem Grale auch nicht das Geringste
nützen werde; er solle nur keusch und mannhaft bleiben, dann
*) Sie fügt hinzu, sie sitze jetzt bereits fünf Jahre hier in Klagen und Trauer.
Diese Angabe bat sich Albrecht aus F. 460, 22 zurechtgelegt, wo Trevrezent sagt,
es seien zwischen der Tjoste Parzivals mit Orilus (P. V. 265 ff.) und Parzivals
Ankunft bei ihm, dem Einsiedler, fünfthalb Jahr und drei Tage verflossen. Zwi-
schen Parzivals erster Begegnung mit Sigune und seinem Kampfe mit Orilus ist
aber nach P. 139, 20—21 mehr als ein ganzes Jahr verflossen, so kann Sigune
mit Hecht sagen : Fünf jär vil ganze bin ich alhie gesetzen (5430).
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— 89 —
werde ihn Kundrie, wenn er doch noch einmal znm Grale berufen
werden sollte , auch auf dem Grunde des Lebermeeres finden. —
Albrecht fügt sodann noch (in Fortführung eines schon oben png. 82
angedeuteten Motive») einen Auftrag der Signne für Parzival hinzu :
Sigune hat bei Schiouatnlanders Leiche den Brief gefunden, in dem
ihm der Baruch die Absendung der beiden kostbaren Stücke aus
dem Horte der Saelde mitgeteilt hatte (cf. str. 4661 ff.). Sie bittet
jetzt Parzival, nach diesem Boten zu forschen. Parzival erkennt,
dass dies die beiden Schmuckstücke sind, die er einst der Jeschute
geraubt hatte, und wovon er die Spange noch an demselben Tage
einem Fischer als Zahlung für das Nachtlager gegeben hatte (cf.
P. 143, 1 — 2). Er verspricht deshalb Sigune, diesen Fischer wieder
aufznsuchen und das Kleinod zurückzufordern. Beim Abschiede
giebt ihm Sigune noch den Segensspruch mit, durch den das Gral-
schwert im Brunnen zu Karnant wieder zusammengefügt werden
kann. Das ist eine kurze Anspielung auf das von Chrestien und
Wolfram bei der Begegnung Parzivals mit Sigune nach seinem
Besuche auf der Gralburg Erzählte (P. 253, 24—254, 30). Bei
Chrestien findet sich von einem Schwertsegen nichts, Wolfram aber
scheint, nach P. 254, 15 — 30, unter demselben nur die Frage Par-
zivals beim Gralkönig zu verstehn, P. 434, 25—30 dagegen, wo
Wolfram berichtet, dass das Gralschwert zerbrochen und wieder
zusammengefügt sei, lesen wir nichts von einem Segen , der dazu
nötig wäre. Albrecht führt auch dabei ausdrücklich den Segens-
spruch an (5732), den er aus Wolframs Worten an unserer Stelle
herausgelesen hat.
Durch Kundriens Vermittlung wird jetzt (5463) der Sigune über
dem Sarge Schionatulanders die Klause Fontsalvacie erbaut; sie
liegt weiter von der Gralburg entfernt, damit Sigune ganz unge-
stört sei. Hier findet Parzival die Sigune P. 435, 6—9. Der Name
Fontsalvacie (5464) findet sich P. 452, 13 als Klause Trevrizents.
Sigunens Klause wird vom Bischof Bonifazie geweiht und nach
Sigunens Anordnungen mit köstlichen Bildern aus der Geburts-
und Leidensgeschichte Christi ansgeschmiiekt. Schionatulander wird
in einen noch viel kostbareren Sarg gelegt , als vorher. Sigune
aber trägt als Schmuck nur einen King mit einem Granat, zum
Zeichen treuer Erinnerung an den toten Geliebten (cf. P. 438, 2 — 8.
439, 11-440, 19). —
Ehe wir jetzt zum 39. Capitel tibergehen, müssen wir noch
den Bericht Albrechts über die Erwerbung der Secundille durch
Ferafis (str. 6234 — 5317) abmachen. Der Dichter legt denselben
der Eckuba von Janfuse in den Mund, die damals am Plimizcel
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dem Artus und der Ginover dies alles erzählte (Weiterführang von
P. 328). Schon oben (str. 4840 — 54) hat der Dichter erzählt, dass
Secundille nach dem Tode ihrer Mutter von ihren Fürsten gedrängt
worden war, sich einen Gemahl zu suchen. Aber Anfortas, den
sie erwählt,' lehnt ihre Liebe ab, so muss sie sich denn nach an-
deren Freiern Umsehen. Fünfundzwanzig mächtige Könige und
Fürsten schicken nacheinander zierliche Bewerbungsbriefe an Se-
cnndille, sodass sie schliesslich in Verlegenheit gerät, wen sie wäh-
len soll. Da rät ihr der weise Fürst von Kaukasas (den wir
schon str. 4783 ff. und 4848 als Berater der Secundille kennen ge-
lernt haben), ein grosses Turnier nach Tasme anszuschreiben , als
dessen Preis ihre Hand ausgesetzt wird. Das geschieht , und ein
Jahr lang rüsten sich alle zu dem Feste. Dieses Turnier von Tasme
ist eine deutliche Nachahmung des Turniers von Kanvoleis (P. II),
bei dem Herzeloydens Hand und Länder als Preis ansgesetzt wa-
ren. Die Namenliste der 25 Freier der Secundille folgt, wie wir
oben (pag. 62) schon gesehen haben, Namen für Namen der grossen
Aufzählung der von Feirefiz besiegten Fürsten P. 770. Ferafis
selbst hatte bis dahin noch nichts von Secundille gehört ; er genoss
die Liebe dreier Königinnen, der Albarosa, Barbidele und Clauditte.
Hier haben wir eine merkwürdige Abweichung Albrechts: Wolfram
nennt nämlich ausser Secundille nur zwei frühere Geliebte des
Feirefiz mit Namen: P. 771, 17—18:
Olimjnc und Clauditte. Secundille ist nu diu dritte.
und P. 811, 11—13:
Clauditte unt Olimpiä, Secundille, unt teilen anderswd
dä wib im diens lönden.
Clauditte findet sich bei Albrecht wieder (5299) , aber für Olimpiä
hat er zwei andere Namen, Albarosa und Barbidele, und für diese
beiden Namen beruft er sich auf das Zeugnis Kiots. Man müsste
danach also annehmen, dass Wolfram die Angabe Kiots absichtlich
geändert, Albrecht aber die wahre Lesart der Quelle wieder her-
vorgeholt habe. Dann würde sich Albrecht aber sicherlich anders
ausgedrückt und nicht einfach die formelhaften Worte Wolframs
(z. B. P. 776, 10 ob Kyöt die uärheit sprach cf. 805, 10) variiert
haben. Bei dem Namen Barbidele beruft sich Albrecht für ein paar
spitzfindige Erklärungen dieses Namens noch einmal auf Kyots
Autorität. Der Name Albarosa ist einfach lateinisch, und barbidele
ist der Name eines Gewürzes, Tit. 514a. (= Zarncke, Auslegung
des Graltempels, str. 14) 4: Alöe pardisee barbudele, wo die Recen-
sion I barbidele bat. Albrecht hat hier drei Geliebte des Ferafis
nennen wollen, wie Wolfram an den erwähnten Stellen ; da er aber
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Secundille nicht unter denselben auffiiliren durfte , hat er ein paar
neue Namen eingeführt. Die Berufung auf Kyot ist einfach formel-
haft und Wolfram nachgeahmt (cf. Teil II, Berufungen auf die
Quelle).
Ungeachtet der Liebe dieser drei Königinnen zieht Ferafis
doch bald auf weitere Abenteuer aus und hört dabei von Secun-
dille und dem angesngten Turniere. Er lässt sich die Namen aller
Bewerber nennen und sucht dann jeden einzelnen in seinem Lande
auf, ehe sie noch zu dem Turnier aufgebrochen waren. Der Reihe
nach besiegt er alle und verpflichtet sie, zu dem Turnier nach
Tasme zu kommen und der Secundille ihre Dienstbarkeit zu er-
klären (Nachahmung von Parzivals Manier, alle nach Pelrapeire
zu schicken). Als nun das Turnier beginnt, und alle der Secun-
dille ihre Länder zur Verfügung stellen und sich von Ferafis be-
siegt bekennen müssen , kann Secundille selbstverständlich nicht
umhin, den Ferafis zu ihrem Gemahl zu machen. So schmückt Al-
brecht aus, was Wolfram kurz andeutet P. B19, 2 — 4:
diu küneginne Secundille,
die FeircfU mit riters hant
erwarp, ir lip unt ir laut.
Cap. XXXIX. (sfr. 5512— 5768 H.) Das 39. Capitel des Titurel
beschreibt uns Parzivals Irrfahrten in den fünf Jahren , die zwi-
schen seinem Abschiede von Artus Hofe am Ende von P. VI und
seinem Zusammentreffen mit Trevrizent (P. IX) liegen. Bei Wol-
fram (und Chrestien!) tritt der Held in dieser Zeit seiner Ver-
zweiflung an Gott und seiner unermüdlichen Suche nach dem Gral
vollständig in den Hintergrund; der höfische Gawan wird solange
der eigentliche heit da ■ äventiure , und Parzival taucht nur ganz
gelegentlich aus seiner Verborgenheit hervor. Wolfram giebt
P. 434, 11—30 eine kurze summarische Übersicht über Parzivals
Leben in dieser Zeit: viele Länder habe er zu Ross und zu Schiffe
durchstrichen und jeden , der ihm in der Tjoste gegenübergetreten
sei, besiegt. Von Einzelheiten erwähnt Wolfram nur das Zer-
brechen des Gralschwertea und die Wiederherstellung desselben
im Wasser des Brunnen Lac zu Karnant. Hier bot sich also dem
Nachdichter ein grosses Feld der Tbütigkeit. Entweder konnte
er aus Wolframs Quelle die von diesem übergangenen Abenteuer
naehholen, oder aus Wolframs Andeutungen eine Reihe von Aben-
teuern selbststäudig erfinden. Nun sagt Chrestien von Parzivals
Thaten während seiner Irrfahrten nichts mehr als Wolfram*);
*) cf. Küpp, a. a. 0. pag. 42b.
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Albrecht könnte diese Abenteuer Parzivals also höchstens aus dem
Werke Kiots geschöpft haben, und das hat man sehr häufig direkt
angenommen. Wie wir aber Albrecht und seine Arbeitsweise bis
jetzt kennen gelernt haben , müssen wir von vornherein in diese
Annahme Zweifel setzen. Wir haben die hier von Albrecht er-
zählten Abenteuer zu analysieren und jedes Motiv, das sich auch
bei Wolfram ausgeführt oder angedeutet findet, sorgsam zu regi-
strieren. Erst aus dem, was noch übrig bleibt, dürfen wir weitere
Schlüsse ziehen.
Das ganze 39. Capitel zerfallt in zwei grosse Teile, die durch
ein kurzes Zwischenstück, das sich auf eine bestimmte Episode des
Titurel zurückbezieht, getrennt sind. Der erste, der die Haupt-
masse des Capitels umfasst (str. B512— 6699g [= A. D. 39, 211]),
erzählt die verschiedensten Abenteuer Parzivals in allen den Län-
dern , wohin er zu Ross oder zu Schiff gelangt ; der zweite Teil
(str. 5702 — 5768) behandelt die Geschichte des Gralschwertes. Wir
erkennen sofort, dass diese Einteilung des 39. Capitels genau der
Anordnung von Wolframs Übersicht (P. 434, 11—30) entspricht.
Dass das Zerspringen des Gralschwertes zeitlich hinter alle übrigen
Abenteuer Parzivals fiele, hat aber Wolfram gewiss nicht sagen
wollen; das hat erst Albrecht aus Wolframs Worten geschlossen
(vgl. p. 96a.).
Betrachten wir nun den ersten Teil des 39. Capitels im ein-
zelnen , so wird unser Verdacht sofort weiter bestärkt , denn alle
Namen von Helden , die Parzival hier besiegt , finden sich in dem
grossen Verzeichnisse der von Parzival besiegten Fürsten P. 772
wieder , Albrecht könnte sie also alle hieraus entnommen haben.
Nach dem, was wir von Alfcrechts Benutzung des Verzeichnisses der
von Feirefiz besiegten Fürsten, P. 770, constatiert haben, muss uns
das sehr möglich erscheinen. Den Sieg Parzivals über König Schir-
niel von Lirivoyn und dessen Bruder Mirabel von Avendroyn (=
P. 772, 1—2) hat uns Wolfram selbst ja schon P. VII (cf. 384, 8 — 9)
erzählt. Der erste in der Reibe der Übrigbleibenden ist dann der
König Serabil von Rozokarz P. 772, 3 ; und mit diesem fäDgt Al-
brecht an: Serabel hatte sich schon auf Florischanze ausgezeichnet
cf. Tit. 1986. Als er jetzt den Parzival erblickt, hält er ihn sei-
ner roten Rüstung wegen für Ither von Gahefiez, der ihm einen
Bruder getötet hatte. Er gedenkt seinen Bruder zu rächen, wird
aber von Parzival bald überwältigt.
Das Motiv, dass man Parzival für den roten Ritter Ither von
Gahefiez hält und von Ither erlittenen Schaden an ihm rächen
will, kehrt im ersten; Teile unseres Capitels nicht weniger als drei-
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mal wieder; ausser an dieser Stelle noch v. 5646 und v. 6639a— g
(= A. D. 39, 206 — 211), wo auf diesem Motive noch einmal ein
ganzes Abenteuer aufgebaut wird*).
Auch das 2. Abenteuer Parzivals ist offenbar ein Werk Al-
brechts : König Senuligorz von Sigernnnze wird P. 772, 6 aufgeführt ;
seine Verbindung mit Teanglis stammt von dem Fest auf Flori-
schanze , wo er str. 2019 in der Schar des Teanglis aufgezählt
wird. In den Einzelheiten finden sich Anspielungen auf Wolfram:
Tit. 5523, 5—7: P. 170, 25; 6527: P. VI; 5529: P. 389, 4—15;
5531 : P. 388, 29—389, 2.
Einen besonderen Platz nimmt das dritte Abenteuer Parzivals,
der Kampf mit König Agors von Vilgarunze und die Befreiung der
Pardiscale, ein, da dieses allein von allen im ersten Teile des 39.
Capitels berichteten Abenteuern mit epischer Breite erzählt wird:
Der Name des Königs Agors von Vilgarunee findet sich P. 772, 6,
wo er von Villegarune Strangedors heisst. Sehr verdächtig ist bei
dieser Geschichte die Einführung Klinschors, die doch zu deutlich
einer Nachahmung von Klinschors Thätigkeit, wie sie uns aus
P. XI — XIII u. Tit. XIX entgegentritt, ähnlich sieht. Ferner ist
auch der König Agors, der es unter seiner Würde hält, mit einem
einzelnen Manue zu kämpfen, und nur gegen mindestens vier oder
gar sechs in den Kampf geht, eine übertreibende Copie von König
Gramoflanz, der nur gegen mindestens zwei Kämpfer antritt (P.
607, 17—22). Man vergleiche mit der unwabrscbeinlichen und ab-
geschmackten Umgehung von Agors Grundsatz (Tit. 5589 ff.) die
kräftige und passende Begründung, die Graniofianz bei Wolfram
für die Ausnahme, die er gegenüber Gawan macht, anführt (P.
608, 18 - 30). Dem was Wolfram von Gramoflanz P. 605, 27 — 30
sagt, entspricht genau die Angabe Albrechts (5597), dass Klinsekor
den Agors mit reicher Waffenrüstung versehen habe, damit er
nicht die Wunder von Schastel marveile bestehe. — Agors Kursit
und Waffenrock sind ein Geschenk Secundiliens (5607) (der Name
ist nur gewählt, um den Reichtum zu zeigen, cf. Wh. 65. 125. 248).
Als Parzival den Agors besiegt hat, und gegen ihn der Vorwurf
der Zauberei erhoben wird, erscheinen (str. 5632 ff.) plötzlich zwei
bekannte Figuren aus P. VII, König Poydiconjunz und Herzog Astor,
auf der Bildliäcke und tragen Parzival aus alter Dankbarkeit ihre
Hülfe an. Allein Parzival erinnert sich ihrer und der von ihnen
genannten Namen Beärosch , Aleljans , Lyppaut (aus P. VII) gar
*) Die ADgabe, die Albrecht str. 5516 über das Verwandtschaftsverh<ois
Itbers and Parzivals macht, lässt sich sonst nirgends belegen und widerspricht
Tit. 449.
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nicht, da er bisher auf seinen Irrfahrten niemals nach dem Namen
von Land und Leuten gefragt habe. Schliesslich überzeugen sie
ihn aber doch, worauf Parzival beschliesst, von jetzt an stets nach
Land und Leuten zu fragen (Tit. 5645 u. 5702 cf. 5648a = A.D.
39, 148)*). Der besiegte Agors verlangt von Parzival, dass er,
um sich von dem Verdachte der Zauberei zu reinigen , seinerseits
gegen sechs von Agors gestellte Kitter kämpfen solle. Die sechs
Gegner Parzivals sind nun wiederum aus P. 772 entnommen,
wo sie v. 8. 15. 11. 12. 13 u. 20 (?) erscheinen. Die übrigen Neben-
personen dieser Episode sind Albrechts Erfindung : Glöris von
Parliterre mit seiner Gemahlin Pardiscäle ; der Kaufmann Gerbolt
ist dem Kaufmann Wimar im Willehalm nacbgebildet (vgl. den
Kaufmann Todila im Tandareis). Endlich ist eine Meerfahrt Par-
zivals eingelegt, um Wolframs Worte P. 434, 13 zu bestätigen.
So spricht alles dafür, dass Albrecht auch diese grosse Episode
seines Gedichtes selbst zusammengestoppelt habe.
Unter Führung des treuen Gerbolt streift Parzival darauf
(5675 tf.) von einem Ende der Welt zum andern. Der Dichter nennt
noch ganz kurz ein Turnier zu Lamboie im Lande Aldurctte, das
der König von Agresore ausgeschrieben bat. Ibernische Männer
weisen Parzival dorthin, und er verrichtet glänzende Tbaten. Von
dort führt ihn Gerbolt die ganze cristenhcit al umbe nach der sittnicn
(5695) zur wüesten Iiomunie , durch Grcda die wilde, nach Capadöcie,
Surdes, Tosia (Troja?), Asia (Aglei A.D.) und zurück nach Parliterre,
dem Lande des Gloris und der Pardiscale, wo er von Gerbolt Ab-
schied nimmt. Hierin brauchen wir wohl nur einen gelehrten geo-
graphischen Excurs Albrechts zu sehen, bei dem ihm Wolframs
Vorbild (P. 496) vorseh webte.
Den Schluss des ersten Teils des 39. Capitels macht der nur
in A.D. (Cap. 39, 205 — 211) hinter str. 5699 H. überlieferte Kampf
Parzivals mit Jordibeis von Provenze , dem Jovedcis von Arl ein
Provenzäl von P. 772, 22. Seine Stadt Tertnis (A.D. 39, 206) ist
aus dem Willehalm bekannt. Das Motiv dieses Kampfes ist wie-
derum, wie oben erwähnt, eine Verwechselung Parzivals mit Ither.
Parzival siegt natürlich glänzend.
Das kurze Zwischenstück zwischen Teil I und II des 39. Ca-
pitels (str. 5699h [= A.D. 39, 212]— 5701) berichtet kurz, wie
*) Wolfram sagt das nirgends ausdrücklich , und Albrecht gerät durch diese
Angabe in einen doppelten Widerspruch mit Wolfram und sich selbst: einmal
nennt Parsiral (P. 772, 5) auch die vor seinem Kampfe mit Agors von ihm be-
siegten Fürsten , die wir oben kennen gelernt haben ; daun unterlässt Parzival
seine Frage ganz unmotiviert noch einmal viel später, als er an Schaslel mar-
veile vorüberfährt. Wir haben also hierin Albrechts Erfindung zu erkennen.
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Parzival die Spange der Jeschutc, die er früher (P. III) einem ar-
men Fischer gegeben hatte, wiedererwirbt (cf. Tit. 5452 und oben
p. ö9). Zugleich werden wir unterrichtet, weshalb Gailet und
Ekunat den Tod Schionatulanders noch nicht gerächt haben.
Wir kommen jetzt zu dem 2. Teile des 39. Capitels, der Par-
zivals Erlebnisse mit dem Gralschwerte behandelt. Wolfram be-
richtet darüber kurz P. 434, 25 — 30:
sin sivert, das im Anfortas gap dö er Urne grale tcas ,
brast sit dö er bestanden wart : doch machtet ganz des brunnen art
bi Karnant, der dd heizet Lac. das swert geltalf im priss bejac.
Albrecbt dagegen bringt dieses Ereignis in Zusammenhang mit
einem ganz abliegendeu Teile der Geschichte der Gralkönigc: er
lässt das Gralschwert zerspringen im Kampfe Parzivals mit dem
Könige, durch dessen Tjoste Frimutel, der Grossvater Parzivals,
gefallen war. Es ist dies der König Flordiprinze von Flordibale,
seine Gemahlin heisst Albaflore; ihre Tochter Floramie übertrifft
nach dem Aussprüche ihres Vaters alle Frauen an Schönheit. Flor-
diprinze lässt aber niemanden um die Minne seiner Tochter wer-
ben , der nicht vorher ihn selbst im Zweikampfe bestanden hat
(gerade wie im Lauzelet Ulrichs Iweret von dem schönen Walde
nur demjenigen seine einzige Tochter Iblis geben will, der ihn
selbst vorher bestanden hat , v. 3900 ff.), ln diesem Kampfe war
einst Frimutel gefallen. Davon weiss aber Parzival nichts, er
sucht nur deshalb den Flordiprinze auf, um durch eine Tjost zu
erweisen, dass Kondwiramurs Schönheit den höchsten Preis be-
sitze. — Wolfram spricht von Frimutels Tod nur an zwei Stellen:
P. 251, 9-10:
der lac von einer tjoste tot, als im diu minne dar gebot.
und 474, 12—17 :
dar unde vlös der degen snel
von einer tjoste ouch einen lip. der minnel sin selbes wip,
das nie von manne mere wip ge minnel wart so sere;
ich mein mit rehten triuwen.
Albrechts Angaben lassen sich mit diesen beiden Stellen des Par-
zival nur so vereinigen, dass man annimmt, Frimutel habe nach
dein Tode seiner ersten Gemahlin (die Tit. 449 Cldrisse von Granat
genannt wird und wirklich, nach Tit. 469, früh gestorben ist) eine
neue Liebe zur Floramie gefasst und dabei seinen Tod gefunden,
ehe er sie erworben. Dem widerspricht aber offenbar das hohe Lob,
das Wolfram an der zweiten Stelle, unmittelbar nach der Erwäh-
nung von Frimutels Tod, seiner grossen Liebe zu seiner wirklichen
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Gemahlin spendet. Wolfram scheint also von Albrcchts Angaben
noch nichts zu wissen. — Dazu kommt ein anderer Anstoss: Flor-
amie spielt hier die Rolle der ewig jungen Penelope der Odyssee,
den Grossvater Parzivals hat sie bereits durch ihre Schönheit be-
zaubert, und der Enkel zieht noch nach Flordibale, um die höhere
Schönheit seiner Gemahlin zu erhärten. Der mindestens gleich-
altrige Besieger des Grossvaters wird vom herangewachsenen En-
kel des Gefallenen erst nach hartem Kampfe besiegt. — Endlich
ist auch der Gleichklang der Namen : FVordibale , FYordiprinze,
Floranne, Alba/fore geeignet, auf selbstständige Erfindung Albrechts
hinzuweisen. P. 772 kommt Flordiprinze nicht vor. — Ich möchte
aus alle dem schliessen , dass Albrecht hier wiederum frei combi-
niert hat, mit viel Gewaltsamkeit und ohne grosses Glück*).
Nachdem Parzival die Stücke des zerbrochenen Schwertes auf
die vorgeschriebene Weise wieder zusammengefügt hat, giebt er es
dem Ekunat zum Rachekampf für Schionatulander. Parzival be-
klagt, dass er den Orilus nicht gleich getötet habe, jetzt darf er
die Rache für Schionatulander nicht mehr übernehmen , da ihm
Orilus bereits seine Sicherheit gegeben hat. Dadurch, dass Parzival
das Gralschwert an Ekunat abgiebt, wird später auch verhütet,
dass Feirefiz durch die Hand Parzivals fällt; denn da (P. 744, 10)
führt Parzival sein Schwert von Gahefiez.
Dass gerade das wunderkräftige Gralschwcrt zum Rachekampf
für Schionatulander gebraucht wird, ist für Albrechts oft gekenn-
zeichnete Auflassung seines Helden sehr charakteristisch. Von
diesem letzten Kampfe des Orilus und Ekunat, durch den Schio-
natulander gerächt wird, weiss Wolfram im Parzival nichts, da
ja bei ihm Schionatulander nur eine unbedeutende Nebenfigur ist;
wie er es im Titurel gemacht haben würde, können wir nicht
wissen. Für Wolfram genügte es, dass Parzival die Sicherheit des
Orilus empfing, für den Dichter des Titurel, der in Schionatulander
seinen hoch gefeierten, über alle andern Helden erhobenen und nur
durch eine übermenschliche Kraft untergegangenen Helden verloren
hat, musste diese Bestrafung des Orilus zu milde erscheinen. Der
Tod Schionatulanders musste durch den Tod des Orilus gerächt
werden, Ekunat war, nach dem Verhältnis der Helden im Titurel
zu einander, der nächste zur Ausführung der Rache.
*) leb will noch erwähnen, dass bei Ckrestiens Fortsetzern das Oralschwert gleich
bei der ersten Tjost, die Parzival nach dem Verlassen der Oralburg besteht, zer-
springt; es ist der Kampf mit Orilus de Laiander, den Wolfram P. V erzählt.
Ein Einfluss der Fortsetzer Cbrestiens auf Albrecht liegt hier also auch nicht vor.
cf. Birch-Hirchfeld, Sage vom Oral pag. 267.
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Cap. XL. ( str . 5769 — 6141 H.) Den Kampf des Orilua mit
Ekunat selbst erzählt nun der Dichter im 40. Capitel. Vorher-
gehn ein paar kurze , orientierende Hinweise auf die inzwischen
geschehenen Ereignisse des Parzival : Parzivals letzten (4.) Besuch
bei Sigune, seinen Aufenthalt bei Trevrezent und die Erlösung
des Anfortas. In ein paar Strophen wird dann Sigunens Tod und
Bestattung erzählt (cf. P. 804, 22 ff.)*). Alles dieses erzählt der
Dichter in nur 25 Strophen; ereilt zu der Hauptsache, dem Kampfe
des Orilus und Ekunat (5792). Vor der Stadt Prurin (P. 134, 12.
Erec 2241. 2351) stossen beide Helden aufeinander und beginnen
sofort den Kampf. Jetzt können sie endlich den schon vor so
langer Zeit nach Nantes angesagten Kampf ausfechtcn. ln der
Tjoste hält sich Ekunat nur mit Mühe im Sattel, er geht daher,
im Vertrauen auf das Gralschwert, sofort zum Schwertkampf über,
aber erst nach langem erbittertem Kampfe, der auch Ekunat mit
schweren Wunden bedeckt, fällt Orilus unter den Streichen des
Gralschwertes**). Das unselige Brackenseil, der Erisapfel aller die-
ser Kämpfe , das Sigune , wie str. 4991 (cf. oben pag. 83) erzählt,
der Clauditte gegeben hatte und das jetzt Ekunat in dem Kampfe
mit Orilus als Helmzimier trägt , ist unter den heftigen Schwert-
schlägen des Orilus vollständig zertrümmert worden. So wird das
vielumstrittene Streitobject in eben dem Augenblicke , wo es defi-
nitiv von Ekunat erstritten wird, vernichtet. Diese Erfindung Al-
brechts ist sehr ansprechend und zeugt von einer überlegten Dis-
ponierung des Gedichtes. — Die Fortführung der Geschichte Jo-
schutens (Tit. 5830—35) ist eine stricte Parallele zu Sigunens
Schicksalen. Orilus wird zu Prurin beigesetzt. Die Vernachlässi-
gung des schwerverwundeten Ekunat gleicht der des Wigalois, als
er den König Roaz erschlagen hat (Wig. 7919 ff.). Während Ekunat
dann zu Nantes auf die Heilung seiner Wunden wartet, bringt
ihm Artus von Joflanze die Nachricht mit, dass Parzival den Gral
erworben habe.
So sind wir denn hier gleichzeitig an den Schluss von Wolf-
*) Über das uralte Motiv der Rebe und Rose, die, sich ineinander verschlin-
gend, aus dem Grabe zweier Liebenden hervorwaebsen, wie es hier (str. 5790) in
leiser Variation aus der Tristaosage entnommen ist (siehe Rechstein in der Ein-
leitung zu Qottfrieds Tristan’ I, pag. 8 u. II, 310), giebt die letzte umfassende
Zusammenstellung A. Hauffen in den Quellen und Forschungen z. Geschichte
Österreichs III, 178—183.
**) Für Einzelheiten ist Parzivals Kampf mit Orilus (P. V) massgebend ge-
wesen ; die Beschreibung der Rüstung des Orilus (str. 5797 ff.) stammt ebendaher
(P. 261 — 62).
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rams Parzival und an das Ende unserer Aventiure gekommen.
Schionatulander, der Held unseres Gediehtes, ist gerächt, und erst
damit ist seine Geschichte zum Abschluss gebracht. Albrecht fügt
nun gleich daran den beliebten geistlichen Schluss der meisten
epischen Gedichte seiner Zeit, nicht ohne sich geschmackloser Über-
treibungen schuldig zu machen. Alle Personen des Gedichtes, die
zu dem Helden in einem näheren Verhältnisse gestanden haben,
ziehen sich von dem Leben dieser Welt zurück, stiften Klöster
und Spitäler und leben ganz dem Andenken des geliebten Toten.
Artus verwaltet indes ihre Lande treulich, bis sie später Parzivals
Sohn Kardeiz erbt, der auch die reiche Tasme und das Gralschwert
erhält.
Abschnitt VII: Nachträge.
Mit dem Schlüsse des 6. Abschnittes sind wir bereits an das
Ende der eigentlichen Aventiure Albrechts gekommen , aber wie
Wolfram dem Schlüsse seines Parzival noch einen Bericht über
die Schicksale des Feirefiz und des Loherangrin anhängt, so fügt
auch Albrecht seinem Gedichte noch eine Reihe von Nachträgen
hinzu. Als solche charakterisieren sich dieselben durch die grosse
Auseinandersetzung Albrechts str. 5881— 6914. Albrecht sagt,
seine Aventiure sei zwar an ihrem Ende angelangt, doch wolle er
sie nicht so mit ritiwc abschliessen, sondern mit der triuvcc (5887),
die zur himmlischen Freude weise*). Man habe an dem Wille-
balm den ungenügenden Anfang, am Parzival den Schluss getadelt;
Gott der höchste möge geben , dass ihm an seinem Gedichte das
Ende woblgelinge. Dann kündigt der Dichter an , er werde noch
über zwei Dinge reden, über die weiteren Schicksale von Parzivals
Geschlecht und über die wahre Natur und Beschaffenheit des
Grals. Albrecht nennt str. 5883 zum ersten Male seinen wahren
Namen und spricht von da ab von Wolfram stets in der 3. Person
(cf. Teil II, Cap. 6 Ende). Aber weder aus diesem Umstande, noch
aus den Worten Albrechts lässt sich ein genügender Grund für
die Annahme schöpfen , dass mit str. 5883 ein Fortsetzer des ei-
gentlichen Titureldichters einsetze. Gerade auf den wichtigsten
der jetzt zu erzählenden Nachträge, auf die Versetzung des Grals
nach Indien und seine Verbindung mit dem Priester Johann finden
sich zwei Anspielungen in viel früheren Teilen des Gedichtes Tit.
307 — 308, 1 und 4776, 2—6. Dass der Dichter des jg. Titurel von
Anfang an beabsichtigt hat, sich mit dem Abschlüsse, den Wolfram
*) Gemeint ist damit die Versetzung des Grals nach dem paradiesischen Indien.
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der Geschichte des Gralgeschlechtes gegeben hatte, nicht zufrieden
zu stellen, geht deutlich aus seinem Verhalten bei der Schilderung
der Vorgeschichte des Gralgeschlechtes hervor. Wie er dort den
Angaben Wolframs einen selbsterfundenen Bericht vorausschickt,
so führt er auf der andern Seite die Geschichte des Gralgeschlechts
selbstständig weit über die von Wolfram gesteckten Grenzen hin-
aus. Aus Kiot kann Albrecht diese Angaben deshalb nicht ge-
schöpft haben , weil Wolfram am Schlüsse seines Parzival aus-
drücklich sagt, dass Kiot nicht mehr davon gehabt habe, als er,
Wolfram, jetzt davon erzähle, cf. P. 827, 12 — 14. Wir haben
also nur zu untersuchen, was wir der eigenen Erfindung Albrechts
zuschreiben dürfen, und wo wir eine fremde Quelle anzunehmen
haben.
str. 5915 H. ff. (XL, 148 ff) Zuerst berichtet der Dichter über
die Gralträgerinnen , die nach Urrepanse de tschoien zu diesem
Dienste ausgewählt wurden. Die erste nach Urrepanse war Ga-
tschiloye , des Königs Tochter von Indien. Die hat Albrecht aus
P. 255, 9 und 800, 14 entnommen, wo sie neben Repanse de schoye
im unmittelbaren Dienste des Grals erscheint; P. 806, 14 heisst
sie allerdings von Gruonlant. Sie trägt den Gral , bis Condwira-
murs Tochter Aribadale herangewachsen ist und das Amt der
Gralträgerin übernimmt. Aribadale ist wohl eine Erfindung Al-
brechts , um den durch Urrepanse eingenommenen Platz wieder
dem Gralgeschleehte zukommen zu lassen.
str. 5918 H. ff. (XL, 151ff.) Sodann verfolgt Albrecht das wei-
tere Schicksal Lohengrins bis an seinen Tod. Er berichtet von
einer zweiten Aussendung Lohengrins, die aber nicht, wie die von
Wolfram erzählte erste, verholne, sondern offenlkhe (str. 5918, 4)
geschieht. Denn als die Herzogin von Brabant bald nach Lohen-
grins raschem Scheiden vor Reue und Sehnsucht nach dem Ge-
liebten gestorben war, batte der Gral das kurz nach Anfortas Erlö-
sung (P. 818, 24ff‘.) erlassene Verbot der Frage wieder aufgehoben
(Tit. 5954 ff.). So weiss Pelaye, die zweite Gemahlin des Lohen-
grin, dass er von Gamuret und Parzival abstammt (Tit. 5922 — 23),
und sie verliert ihn nicht durch die Stellung der verbotenen Frage,
sondern auf eine ganz andere Weise. Pelaye ist von der grenzen-
losesten Liebe zu Lohengrin erfüllt, und da er dieselbe nicht ebenso
übertrieben erwidert , hält sie ihn für unstete , wie es Gamuret,
sein Ahne, gewesen sei. Ein böses kamerteip giebt ihr nun als
bestes Mittel, den Gemahl in unauflöslicher Liebe an sich zu fesseln,
an, sie solle ein Stück Fleisch von seinem Leibe verzehren. Pe-
laye weist diesen schändlichen Rat schaudernd ab, aber ihre Ver-
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wandten suchen ihn heimlich auszuführen. Dabei findet Lohen-
grin seinen Tod, und Pelaye folgt ihm schnell nach. Das geschah
500 Jahre nach Christi Geburt. Das Land der Pelaye wurde nach
dem edeln Toten Lutringen genannt. — Man sieht leicht, dass Al-
hrecht hier mit dem Namen Lohengrins eine ganz fremde Sage
verknüpft hat. Der Rat der Kammerfrau, die der liebeskranken
Königin das abscheuliche Mittel angiebt, weist auf einen novelli-
stischen Stoff hin, der Albrecht hier als Vorlage gedient hat. Die
Verbindung dieses Elementes mit der alten Lohengrinfabel ist herz-
lich schwach. Durch eine gesuchte und alberne Ausdeutung von
Lohengrins Scheiden aus Brabant wird der Liebeskummer der
Pelaye motiviert. Ferner musste die Herzogin von Brabant ge-
storben sein, damit Lohengrin die zweite Ehe schliessen konnte,
und das Verbot der Frage aufgehoben werden, damit das neue
Motiv an seine Stelle treten konnte. Im Schlüsse dieser Episode
scheint Albrecht Angaben einer lothringischen Gründungssage be-
nutzt zu haben , wenn man nicht hierin eigene Gelehrsamkeit des
Dichters erkennen will.
str. 5964 H. ff. (XL, 201 ff.) Wir kommen jetzt zu einem höchst
wichtigen Abschnitte des Titurel, zu der Wanderung des
Grals nach Indien. Über diesen Abschnitt vergleiche beson-
ders San-Marte , Leben und Dichten Wolframs II, 437 — 440. Al-
brechts Bericht über die Wanderung des Grals nach Indien gehört
eng zusammen mit seiner Schilderung der Macht und Herrlichkeit
von Priester Johanns Reich in Indien; beide Abschnitte müssen in
der Besprechung zusammengefasst werden.
Das Schicksal des Grals nach seiner Erwerbung durch Par-
zival bleibt bei Wolfram ganz im Unklaren. Wolframs Parzival
will nur die Erwerbung des Grals durch den Helden der Aventiure
erzählen, weiter nichts, das sagt der Dichter deutlich am Schlüsse
seines Werkes, wo er sich zugleich auf Kiots Beispiel beruft, der es
ebenso gemacht habe (P. 827, 5 — 14). Über den Verbleib des Grals
selbst sagt Wolfram nur an einer Stelle, P. 786, 8 — 12, ganz kurz ;
das meere kom übr el/iu laut,
kein strit mäht in (= den Gral) erwerben:
vil liut lies dö verderben
nach dem gräle gewerbes Hst,
dä von er noch verborgen ist.
Bei den Nordfranzosen wird der Gral nach dem Tode der
Gralsucher schliesslich in den Himmel entrückt, oder er verschwin-
det sonst spurlos, cf. San - Marte , a. a. 0. pag. 423 — 25. Birch-
Hirschfeld, Sage vom Gral pag. 60. 102 u. 134,
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Eine Wanderung des Grals in den Orient findet sich in der
s. g. Queste du St. Graal (cf. B.-H. pag. 50) und in der kurzen
Anspielung auf diese Stelle im Grand St. Graal (B.-H. pag. 22)
Aber es ist hier die Rückkehr des Grals nach Sarras, von wo
Joseph von Arimathia einstmals mit dem Grale nach Britannien
aufgebrochen war. Auf eine ähnliche Version der Sage spielt
auch der franz. Prosaroman von Merlin , der eine Auflösung des
nur im Anfänge erhaltenen Gedichtes von Robert de Boron ist,
an*), cf. San -Marte, Leben und Dichten II, 406. Es heisst da:
„Jenes Gefäss aber und seine Hüter sind gegen Orient hingezogen;
die Hüter wissen aber jetzt selber nicht mehr, wo es eigentlich
hingeraten ist , sondern sie sind ihm nur in jene Gegend nachge-
zogen“. — Es ist verlockend , auf diesen Zug der l'ranz. Gralro-
mane Albrechts Erfindung zurückzuführen. Allein ich glaube, dass
im Titurel der Zug des Grals nach Indien , der nichts von dem
Charakter einer Rückkehr an sich trägt , allein durch die enge
Verknüpfung der Gralgeschichte mit dem Priester Johann und sei-
nem Reiche, wie sie Albrecht vollzogen hat, erklärt werden darf.
Des Priester Johann geschieht bei den Nordfranzosen
überhaupt gar keine Erwähnung, er ist erst von Wolfram ( — Kyot?)
mit der Gralsage verknüpft worden. Er ist da der Sohn des Eei-
refiz und der Repanse de schoye (P. 822, 23 — 27), hat aber mit
dem Grale und den Gralhütern weiter nichts zu thun. Über den
Priester Johannes, dessen angeblich christliches Reich im innersten
Asien gerade zu der Zeit, als Wolfram und Albrecht dichteten,
das Interesse aller abendländischen Christen in hohem Masse in
Anspruch nahm, besitzen wir die umfassenden Abhandlungen von
Er. Zarncke, in den Leipziger Sitzungsberichten philolog.-hist. CI.
Bd. VII u. VIII. Über den Bericht des Titurel handelt er darin
speciell Bd. VII, pag. 968 — 993. Er weist nach , dass Albrechts
ausführliche Schilderung der Macht und Herrlichkeit des Priesters Jo-
hann nichts als eine Übersetzung des lateinischen Briefes des Priesters
Johannes an den byzantinischen Kaiser Emanuel ist, den Zarncke
a. a. 0. pag. 909 — 934 kritisch herausgegeben hat**). Albrecht
hat also Wolframs kurze Andeutung des Priesters Johann mit
Hülfe dieser ihm bekannt gewordenen Quelle zu einem grossen,
*) Die Stelle findet sich nicht bei Birch - Hirschfeld pag. 168, da sie auch
nicht bei P. Paris, Romans de la Table-Ronde II, 65 aasgehoben ist. Wohl aber
giebt sie Fr. Schlegel, Qeschichte des Zauberers Merlin (Romant. Dicht. 1. Teil)
pag. 155 und danach Sao-Marte.
**) Vor Zarncke hat bereits Bartsch auf diese Quelle Albrechts aufmerksam
gemacht, Qerm. 7, 271 B.
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lebendigen Gemälde ausgearbeitet ; wir erhalten aus diesem Ab-
schnitte die beste Illustration zu Albrechts schon öfter charakteri-
sierter gelehrt compilierender Arbeitsweise. Indem sich nun Al-
brecbt die Gestalt des Priesters Johannes zu eigen machte , wie
sie ihm der s. g. Presbyterbrief darbot, gab er die Angabe Wolf-
rams, dass der Priester Johann der Sohn des Feirefiz und der Re-
panse de schoye sei, auf. Der Priester Johann Albrechts tritt ganz
selbstständig, als gleichwertiger Factor, neben das Gralgeschlecht.
Wenn aber Albrecht an der Hand des Presbyterbriefes die Reich-
tiimer und Herrlichkeiten von Priester Johanns Reich in Indien in
allen Einzelheiten schilderte und dabei wieder und wieder, wie
seine Quelle, sagen musste, dass die Macht des Priesters Johannes
von keiner andern Macht auf dieser Erde übertroffen würde, lag
es da für den Dichter des Titurel nicht nahe , die andere hehre
Kraft , die er im bisherigen Verlaufe seines Gedichtes so oft als
erden tcunsches tibertcal gepriesen hatte, die heilige Kraft des Grals,
mit der neu eingeführten Macht des Priesters Johannes zu ver-
gleichen, beide wunderbaren Mächte sich vereinigen und sich kreu-
zen zu lassen, um damit schliesslich die höchste Potenz aller Herr-
lichkeit zu gewinnen ? Ich glaube , auf diese Weise , indem man
vom Priester Johann bei Albrecht ausgeht, erklärt sich leicht und
ungezwungen die enge Verbindung des Priesters Johann mit dem
Grale, und damit die Wanderung des Grals nach Indien, als Er-
findung Albrechts.
Die Ausmalung der Reise des Grals nach Indien benutzt Al-
brecht, nach seiner uns jetzt schon ganz geläufigen Weise, wieder,
um Reminiscenzen an die verschiedensten Sagen und Epen anzu-
bringen. Als den Grund, weshalb der Gral Salvaterra verlässt,
giebt Albrecht die immer grösser werdende Sündhaftigkeit der
Christenheit an, die um den Gral herum wohnt. Sie ist nicht
mehr würdig, den Gral in ihrer Mitte zu haben, er will zu den
auserwählten Christen nach Indien gehn. DieQueste*) sagt nur,
Galaad habe das Gebot erhalten, nach Sarras zu gehn mit dem hei-
ligen Gefiissc, „because it was not served, or honoured, in tbe way
that it ought to have been" (vgl. B.-H. p. 50). — Dann be-
schreibt Albrecht die Reise des Grals: Solange die Gralritter
mit ihrem kostbaren Schatze zu Lande reisen , speist der Gral
alle, die frommen Sinnes sich an ihn wenden; die Unbeiligen hält
der Gral stets zwei Rasten weit von sich entfernt. In Marsilje
(cf. Tit. 2524) schiffen sich die Gralritter ein; auf Geheiss des
*) die ich hier nur in der engl. Rück Übersetzung einer wälseben Übersetzung
(Y Seint Greal, ed. Rob. Williams, London 1876. p. 642) benutzen konnte.
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103
Grals müssen von den Schiffsleuten diejenigen Zurückbleiben , die
nicht vorher ihre Beichte abgelegt haben. Dieses Motiv ent-
spricht dem, was der Grand St.-Graal hei der ersten Reise Jo-
sephs von Arimathia von Sarras nach Britannien erzählt: Joseph
verkündet, dass nur die Keuschen und Reinen übers Meer kommen
sollen. Es sind 460 aus der Sehaar unrein , nur 150 rein (B.-H.
pag. 22). Hier aber eine Entlehnung Albrechts anznnehmen , ist
durchaus unnötig, denn dies Motiv entspricht ganz der Auffassung,
die Albrecht überall von der Heiligkeit des Grales vorträgt. —
Ein günstiger Wind treibt das Gralschiff, das Meer ist still und
ruhig. Sie kommen zu der Stadt Pitimonte , die 500 Meilen ent-
fernt von der übrigen Welt mitten im Meere liegt. Die Bürger
glauben , dass dem Schiffe nach der langen Fahrt die Nahrung
ausgegangen sei , und wollen ihnen Waren anbieten. Allein der
Gral speist nicht nur die Sehiffslente , sondern auch die Bürger;
dieselben hauen zu Ehren des Grals einen prächtigen Tempel aus
grauem Steine, nach dem Muster des Tempels von Salvaterre, und
nennen ihre Stadt von jetzt an Gräles. — Bei diesen wunderbaren
Speisungen des Grals braucht man nicht mit San - Marte (a. a. O.
pag. 438) eine Entlehnung aus den französischen Romanen anzu-
nehmen, sie ergeben sich für den Nachahmer Wolframs von selbst
aus der Natur des Grales ; Albrecht beschreibt auch an dieser Stelle
sehr viel nur mit Wolframs Worten. So würden wir aus den
bisher angeführten Momenten noch keine Benutzung altfranzösischer
Romane von Joseph von Arimathia und dem Grale zu erschliessen
brauchen.
Weiter hat Albrecht die Fahrt des Grals mit den märchen-
haften Zügen der Herzog-Ernst-Sage ausgcstaltet. Von Pitimonte
kommt das Gralschiff weiterhin auch nahe an den Magnetberg
heran, wo sie wohl 1000 Schiffe verfault und leer liegen sehen,
aber vor der Kraft des Grals erlahmt die Kraft des Magneten.
Von dort gelangen sie ins Lebermeer , darin steckt ein Wald von
Kielen , vor dem Schiffe des Grals aber zerfliesst es , wie Eis im
Feuer*). Noch viele andere Wunder an Ländern und Tieren zählt
der Dichter kurz auf, ohne weiter auf sie einzugehen**). Dem
Ferafis ist unterdessen (str. 6010a ff.) die Kunde vom Nahen des
Grals gekommen. Er hatte seit seiner Rückkehr nach Indien
alle seine Lande zum Christentum bekehrt (P. 822, 28 — 823, 3) ;
*) Vergleiche über die Einordnung dieser Motive aus der Ernst -Sage in die
Geschichte derselben Bartsch in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Herzog
Ernst, pag. CXLVII— CXLVIII and CL.
**) Zu str. 6009 vergl. P. 830, 10—11. 790, 7 - 8.
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104
auch Philippe und Alexander, die beiden von Schionatulander über-
wundenen Prinzen (cf. Tit. XXXIU), hatten sich dem Ferafis un-
tergeordnet und das Christentum angenommen, sodass ihm 72 Reiche
dienen. Mit einer grossen Prozession holen Ferafis und Urrepanse
den Gral ein. Alle freuen sich des Grales, beklagen aber das
Fehlen des Graltempels. Da tröstet sie Ferafis, indem er ihnen
in langer Rede die Macht und Herrlichkeit des Priesters Johann
schildert, dem auch er selbst sich freiwillig untergeordnet habe.
Es folgt nun von str. 6030a (= A. D. XL, 301) — 6158 (XLI, 20)
die grosse von Zarncke a. a. 0. analysierte Partie. In den meisten
Stücken ist sie eine einfache Übersetzung des Presbyterbriefes
nach der Recension B ; aber Albrecht fügt ausser einzelnen unbe-
deutenden Zusätzen, durch die er das grosse Einschiebsel seinem
Gedichte anzugleichen sucht (cf. Zarncke pag. 968/9), auch eine
grosse Beschreibung eines Tartarenkampfes des Priesters Johann
aus einer Reisebeschreibung des Mönches Johannes de Plano Carpini
ein (cf. Zarncke 969). Bei der Beschreibung des zweiten Palastes
verknüpft Albrecht auch die Thomaslegende mit seiner Schilderung,
wenn er den Quasideus des Presbyterbriefes zu dem ersten Könige
von Indien macht, der sich je Priester genannt habe, und der vom
hl. Thomas getauft worden sei.
Nach dieser Rede des Ferafis erklärt Parzival, auch er wolle
sich dem Priester Johann unterordnen. Priester Johann kommt auf
die Nachricht von der Ankunft des Grals demselben entgegen.
Jetzt fehlt zu dem allgemeinen Glücke nur noch der Graltempel,
aber auf das innige Flehen der Gralritter versetzt Gott in der
Nacht den ganzen Bau nach Indien.
An diesem Punkte (6166 ff.) fügt nun der Dichter seine schon
längst in Aussicht gestellte nähere Erklärung über die Beschaffen-
heit des Grals ein, die er dem alten Titurel in den Mund legt.
Über diese merkwürdige Stelle hat überzeugend und richtig ge-
handelt Birch-Hirschfeld, Sage vom Gral pag. 290 — 91. Hier haben
wir zum ersten Male einen Punkt, wo eine unzweifelhafte Abhän-
gigkeit Albrechts von den nordfranzösischen Graldichtungen fest-
zustellen ist. Von Joseph von Arimathia und der Bedeutung des
Grals als der Abenmahlsschüssel Christi weiss Wolfram gar nichts.
Auch Albrecht vertritt in seinem ganzen langen Gedichte bis an
diesen Punkt durchaus Wolframs Angaben über die Geschichte des
Grals. Diese neue Wissenschaft muss ihm also erst am Ende sei-
nes Werkes gekommen sein; wir dürfen vermuten, dass er schon
str. 5914 im Besitze derselben gewesen ist, denn er stellt hier den
endlichen Aufschluss über die stets dunkel gebliebene Geschichte
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105
und Bedeutung des Grals in Aussicht (cf. str. 5982, 6 — 7). Da
Albreeht andererseits aber auch die wertvollen Angaben Wolframs
über die Herkunft des Grals nicht preisgeben will , so sieht er
sich genötigt, beide Berichte, so gut es geht, zu verschmelzen.
Eine gelehrte Nebenbemerkung über einen unechten Gral fügt er
am Ende noch hinzu. — Wolfram berichtet über die Geschichte des
Grals (P. 454, 24—30. 469, 3—13. 471, 15—28. cf. 798, 11—21),
dass eine himmlische Schar ihn auf der Erde gehütet habe , bis
dieselbe wieder in den Himmel zurückgekehrt, und der Gral mensch-
licher Obhut anvertraut sei. So lässt denn auch Albreeht im An-
fänge seines Gedichtes den Gral von Engeln behütet werden, bis
Titurel zum Grale berufen und durch den Engel zum Grale ge-
leitet wird. An unserer Stelle dagegen schiebt er in diese Er-
zählung die Benutzung des Grals durch Jesus Christus bei seiner
Mandate *) , und die Aufbewahrung des Grals durch Joseph von
Arimathia bis zu dem Augenblicke, wo der Engel ihn dem Titurel
bringt, vollkommen neu ein. So wird der Gral also zuerst von
Engeln auf die Erde gebracht und von ihnen dort gehütet, dann
von Jesus benutzt und von Joseph aufbewahrt, bis wiederum ein
Engel kommt und den Gral dem Titurel bringt. — In gleicher
Weise vereinigt Albreeht die Angaben Wolframs und der franzö-
sischen Romaue über die Gestalt des Grals. Bei Wolfram ist er
ein Stein mit Namen lapsit exillis (P. 460, 7), bei den Franzosen
die Abendmahlsschüssel Christi. Albreeht lässt aus dem Steine
Jaspis exillix die Abendmahlsschüssel Christi herstellen, von der
sich bei Wolfram auch nicht die leiseste Andeutung findet.
Welche specielle französische Quelle Albreeht für die von ihm
mit der Auffassung Wolframs verknüpften Angaben benutzt hat,
lässt sieh aus ihnen allein nicht feststellen, da sie zu allgemein
gehalten sind. Es lässt sieh nicht einmal feststellen, ob Albreeht
überhaupt einen französischen Gralroman eingesehen hat**). Die
wenigen vorher erwähnten Übereinstimmungen einzelner Züge von
Albrechts Darstellung mit Motiven der französischen Graldichtun-
gen Hessen sich alle aus Wolframs Angaben oder aus näberlie-
genden Combinationen Albrechts erklären. Die Untersuchung der
*) Über die Mandate vergl, Ducange V, 212c. Es ist die Fusswascbung am
Abendmahlstage; hier ist das Wort aber in weiterer Beziehung gebraucht, da die
Fusswaschung dem Abendmahle unmittelbar vorhergeht (cf. Ev. Job. Cap. IS).
**) Die Bemerkung WecbBlers (Festgabe für Sievers S. 250), Albreeht habe,
abweichend von Wolfram, für Condtcirtimürs den Namen der Heldin fast aller
französischer Parzivalromane Blanche/lour eingesetzt , muss auf einer mir unver-
ständlichen Verwechselung beruhen.
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106
französischen Fremdwörter Albrechts (ira 2. Teile dieser Untersu-
chung), wird erweisen, dass wir für Albrecht gar keine oder nur
die allergeringsten französischen Spracbkenntnisse vorauszusetzen
haben. Dann müssten wir also Albrechts Angaben Tit. 6172 — 76
entweder mündlicher Tradition zuschreiben, wie Birch- Hirschfeld
pag. 290 es thut (cf. dagegen Hamburger, Zs. f. d. Ph. 21, 413.
a. 1), oder annehmen, dass Albrecht sonst auf iudirectem Wege
zur Kenntnis dieser Dinge gelangt sei. Ich möchte glauben, dass
eine kurze Notiz gelehrten Charakters , die zugleich die Angabe
über den unechten Gral der Konstantinopeler *) enthielt, und die in
der Albrecht geläufigen lateinischen Sprache abgefasst war , dem
überall herumsuchenden Dichter in die Hände gefallen sein mag ;
denn warum sollte nicht ein so eng mit der christlichen Legende
verknüpfter Stoff in einer lateinischen Notiz nach Deutschland ge-
kommen sein können? —
Was nun noch folgt , ist eine kurze Übersicht über die fer-
neren Geschicke des Gralgeschlechtes. Der alte Titurel , der 500
Jahre dem Grale gedient hat, stirbt, nachdem man ihm auf seine
Bitte neun Tage lang den Anblick des Grals entzogen hat. Weiter
zieht Albrecht die Consequenzen aus seiner Gegenüberstellung des
Grals und des Priesters Johann, indem er beide Gebiete mit ein-
ander vereinigt und nun den Anteil eines jeden von beiden ab-
misst. Von jetzt an speist der Gral niemanden mehr, weil er in
das Land des Überflusses gekommen ist. Man sieht aber an ihm
geschrieben, wenn einer sündigt. Dann werden dessen Hände mit
einer Wunde durchschlagen, die erst bei reuiger Busse des Sünders
heilt. — Parzival und Priester Johann erheben einen edlen Wett-
streit um die Herrschaft des Landes. Der Gral bestimmt endlich,
dass Parzival König werden soll, aber nur auf zehn Jahre , weil
er Schuld an dem Tode seiner Mutter gewesen sei (nach P. 499,
21 — 22). Er muss seinen Namen mit dem des Priesters Johann
vertauschen. Nach Parzival wird der Sohn des Feirefiz und der
Urrepanse Priester Johann (P. 822, 23—27). Parzivals Würde
wächst auch noch , nachdem er die Gralkönigswürde niedergelegt
hat, über die aller andern Könige. Man findet noch heute am Gral
jedesmal den Namen des neuen Priesters Johann mit Gold geschrie-
ben; aber sie müssen alle sterben, doch vom ewigen Verderben
bleiben sie befreit. —
Wir sind am Schlüsse unserer Untersuchung angelangt , und
*) Vgl. über diesen Bircli-Hirscbfeld, p. 223 a. 1.
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107
wollen versuchen, das Resultat im Folgenden kurz zusamraenzu-
fassen :
Die einzige Vorlage, di e A lbr ech t fü r s ein ganzes
Gedicht gleiehmässigheranzieht, ist Wolfram sPar-
zival und Titurel. Obwohl Albrechts Gedicht eigentlich nur
die Weiterführung des von Wolfram begonnenen Epos von Scbio-
natulander und Sigune sein soll , hat sich der Dichter doch in
Wirklichkeit das höhere Ziel gesteckt, zugleich auch alles, was
Wolframs Parzival noch unklar gelassen hatte, aufzuhellen und
auszuführen und so beide Epen Wolframs in seinem Gedichte zu
einer höheren Einheit zu verschmelzen. Darum bilden die An-
gaben von Wolframs Gedichten überall den Stützpunkt der Aus-
führungen Albrechts , auch die kleinsten Andeutungen Wolframs
sind gewissenhaft herangezogen und mit starker ausmalender Kraft
ausgesponnen worden. So ist alles , was der Titurel Cap. II — IV
erzählt, nur eine unendlich weit ausgeführte, rückwärts aufbauende
Darstellung dessen, was Wolfram über Titurels Gralpflegertum
berichtet; Capp. V — VII, die Schionatulanders Jugend schildern,
geben Wolframs erstes Titurel -Lied wieder; Cap. VIII ist eine
ausgeführte Paralleldarstellung von Gamurets zweitem Zuge nach
Baldac und seinem Tode, vgl. P. II. Cap. X bringt Wolframs
zweites Titurel-Lied und damit durch die Einführung des Bracken-
seils die Exposition zum folgenden, von Albrecht selbstständig wei-
ter ausgesponnenen Teile. Die Episode vom Rauhe der Frauen
des Artus , Cap. XIX , beruht ganz auf Wolframs Angaben. Die
Capp. XXX— XXXV erzählten Kämpfe Schionatulanders um die
Lande Parzivals sind freie Ausführung eines bei Wolfram nur ganz
oberflächlich angedeuteten Motivs ; und endlich, was Albrecht Capp.
XXXV— XXXIX über Sigunens Klagen, Parzivals Thaten und über
Feirefiz berichtet, ist teils eine kurze Zusammenfassung des von
Wolfram im Parzival Erzählten, teils eine weitläufige Ausführung
von Andeutungen des Parzival.
In den Partien des Titurel, die nicht direct aus Wolframs
Gedichten geflossen sind, erkennen wir ausserdem eine Reihe von
Imitationen Wolfrarascher Scenen und Motive, die
Albrecht auf andere Personen seines Gedichtes übertragen hat.
Schionatulanders erste Ausfahrt und sein Erscheinen an Artus
Hofe (Capp. X — XI) ist in vielen Stücken eine Imitation von Par-
zivals Erlebnissen P. VI ; der grosse Zug Schionatulanders nach Bal-
dac ist eine weit ausgesponnene Parallele zu Gahmurets Zügen nach
Baldac (P. II — Tit. VIII). Für die Schilderung dieses Zuges und
für die orientalischen Verhältnisse überhaupt ist Wolframs Wille-
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108
halra die einzige, stark ausgenutzte Quelle gewesen. Ich erwähne
noch die verschiedenen Kämpfe Schionatulanders mit Orilus und
Lehelin (Cap. XXX — XXXV), die nur Paralleldarstellungen zu dem
einen von Wolfram erzählten Kampfe sind u. a. m.
Dass endlich in allen Einzelheiten des grossen Gedichtes
Wolframsche Züge, Wolframsche Personen und Wolframsche Auf-
fassung auf Schritt und Tritt begegnen, haben wir bei unserer
Untersuchung immer wieder feststellen müssen.
Neben diesem überwältigenden Einflüsse Wolframs tritt alles
andere zurück. Vor allem haben wir zu constatieren, dass Albrecht
eine zweite grosse Vorlage für sein Gesamtgedicbt neben Wolfram
nicht benutzt hat; Albrechts Titurel ist also keine Be-
arbeitung des dem Provenzalen Kiot zugeschriebe-
nen französischen Gedichtes. Wohl aber hat sich Albrecht
bei der weiteren Ausarbeitung seines auf dem Grunde der beiden
Wolframschen Gedichte aufgebauten Epos in den Einzelheiten nicht
mit Wolframs Angaben allein begnügt, sondern teils seine eigene
Erfindungskraft spielen lassen, mehr aber noch, da er der eigenen
Kraft misstraut zu haben scheint, in gelehrt compilierender Manier
aus den verschiedenartigsten Quellen eine Unsumme von kleineren
Zügen, Notizen und Anspielungen zusammengescliarrt und in sein
Gedicht verarbeitet, nicht ohne manchmal recht frei mit dem her-
beigebrachten Materiale zu schalten. Hierher müssten wir eigentlich
auch die schon oben besprochene reichliche Benutzung von Wolf-
rams Willebalm stellen. In diesem Sinne können wir aber
auch für einzelne kleinere, in sichabgeschlosseneAb-
schnitte von Albrechts Gedicht bestimmte zusammen-
hängende Quellen neben Wolfram nachwcisen. Das gilt
vor allem von den beiden grossen Episoden, dem Kampfe des Artus
mit Lucius von Rom , und der Beschreibung des Landes und der
Herrlichkeit des Priesters Johann, mit der eingelegten Beschrei-
bung eines Tartarenkampfes des Priesters Johann. — Ferner haben
wir an ein paar Stellen die hl. Schrift als Vorlage Albrechts er-
kannt. — Eine nähere Kenntnis der nordfranzösischen
Gralromane haben wir dagegen für Albrecht ablehnen
müssen , doch geht die kurze Notiz über die wahre Natur des
Grals (Tit. 6172 — 76) in ihrem letzten Ursprünge auf diese fran-
zösischen Dichtungen zurück. — Die staunenswerte Belesenheit
Albrechts in der epischen Litteratur seines Jahrhunderts macht
sich stellenweise geradezu unangenehm breit. Ich erinnere an die
langen Aufzählungen der Fürsten und Ritter auf dem Turnier zu
Florischanze , an die ganz unmotivierten Anspielungen auf die
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Alexanderfabel und die darin wiederum eingeschaltete Beziehung
auf Reinbots hl. Georg. — Das grosse Fest des Artus auf Flori-
schanze haben wir zwar Albrechts Erfindung zuzuschreiben , aber
in der Ausführung der Einzelheiten hat Albrecht sich ganz nach
der Schablone aller übrigen höfischen Epen gerichtet. Dasselbe
gilt von der Brückenprobe (Cap. XVIII) , während in der gleich
darauf folgenden kleinen , hübschen Geschichte von Artus und
Melianz, sowie in der Erzählung von Lohengrins Ende (Cap. XL)
ausserdem noch Motive aus novellistischen Quellen mit der Per-
son der epischen Helden verknüpft sind. — Die Vorlage für das
grosse mystische Gedicht vom Brackenseile ist noch zu entdecken.
Wollen wir nun endlich die Partien des Titurel aufzählen, die
Albrechts eigener Erfindung zuzuschreiben sind, so ist zu
bemerken , dass damit nur die Erfindung dieser Partien in ihren
Umrissen gemeint ist, denn in allen Einzelheiten zieht Albrecht
auch hier die verschiedensten Quellen reichlich an. Unter dieser
Einschränkung sind hier zu nennen: Cap. IX: Schionatulanders
Schwertleite. Capp. X — XII : die Fortführung der in W. Tit. II
exponierten Kämpfe um das Brackenseil. Capp. XIII — XVIII: das
Fest aufFlorischanze. Capp. XX — XXIX: Schionatulanders Zug nach
Baldac (damit zusammenhängend Cap. XXXIII). Cap. XL: der
Tod des Orilus und der geistliche Schluss der eigentlichen Aven-
tiure. Endlich die Umrahmung des ganzen grossen Gedichtes, die
ausführlich erzählte Vorgeschichte des Gralgeschlechtes und am
Schlüsse die Wanderung des Grals nach Indien und der kurze
Ausblick auf die ferneren Schicksale des Gralgeschlechts.
Betrachten wir schliesslich das aus so mannigfachen Elementen
zusammengesetzte Gedicht Albrechts einmal als ein Ganzes, so er-
kennen wir hei scharfer Beobachtung der Hauptetappen des Ge-
dichtes wohl , dass der Dichter den Plan des Ganzen gar nicht
übel angelegt hat, ja wir nehmen deutlich den symmetrischen Auf-
bau des Gedichtes wahr. Allein durch seine gelehrten Neigungen
hat sich der Dichter verleiten lassen, den gesunden Kern seiner
Aventiure durch die massenhafte Heranziehung auch ganz fremden
Stoffes unter einem Wust von Abenteuern zu vergraben. Dadurch
ist uns heute der jg. Titurel ebenso sehr, wie durch seine unleid-
liche Sprache, ungeniessbar geworden, und Wolfram selbst würde
sich über diese Fortsetzung seines Titurel wenig gefreut haben.
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110
II. Teil.
Albrechts Abhängigkeit von Wolfram in Sprache und Stil.
Ganz dasselbe Resultat, wie die Untersuchung der stofflichen
Abhängigkeit Albrechts von Wolfram, giebt uns die Vergleichung
des jg. Titurel mit Wolframs Gedichten nach Sprache und Stil.
Ebenso wie Albrecht den Stoff seines Gedichtes in der Hauptsache
auf den Gedichten Wolframs und dessen gelegentlichen Andeutun-
gen aufbaut, aber für Episoden und allerband Einzelheiten mit un-
ermüdlichem Fleisse und grosser Gelehrsamkeit von allen Orten
herbeischleppt, was er nur Brauchbares finden kann , so ruht auch
Albrechts poetische Diction im wesentlichen auf dem Fundamente
von Wolframs Sprache, ohne doch darum gelegentliche Anleihen
bei allen möglichen andern, höfischen und volksmässigen , Epikern
zu verschmähen. Wolframs starke dichterische Persönlichkeit hat
sich auch eine eigenartige individuelle dichterische Sprache ge-
schaffen , die gleichmässig alle seine poetischen Schöpfungen aus-
zeichnet und uns fast noch deutlicher, als seine Behandlung des
überkommenen Stoffes, die kraftvolle, selbstständige Natur dieses
grössten Dichters unseres deutschen Mittelalters erkennen lehrt.
Eine grosse einheitliche Darstellung von Wolframs Sprache und
Stil giebt es bis jetzt noch nicht, die kurze Skizze Boettichers
(Germ. 21, 257 ff.) lässt nur ahnen , wie umfangreich , aber auch
von welcher Bedeutung für die ganze mhd. Litteratur diese Arbeit
sein würde. Von Einzelarbeiten, die mehr oder minder glücklich
einzelne Punkte von Wolframs Sprachgebrauch und Stil behandeln,
habe ich die unten aufgezählten *) benutzt. Es würde eine lohnende
*) 0. Jaenicke, De dicendi usu Wolfrarui de Eschenbach. Halle 1860. —
K. Einzel, Zur Charakteristik des Wolframscheu Stils. Zs. f. d. Ph. V, 1—86. —
P. T. Förster, Zur Sprache u. Poesie Wolframs r. E. Leipzig 1874. — K. Kant,
Scherz u. Humor in Wolframs v. E. Dichtungen. Ileilbronn 1878. — Chr. Stark,
Die Darstellungsmittel des Wolframschen Humors. Schwerin 1879. — L. Bock,
Wolframs Bilder u. Wörter f. Freude u. Leid. Q. F. XXXIII. — W. Hoffmann,
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111
Arbeit sein, das Fortlebea der Dichterspracke Wolframs bei seinen
Nachahmern im Ganzen zu behandeln; wir haben es hier nur mit
dem jüngeren Titurel zu thun, aber Albrecht ist von allen Nach-
ahmern Wolframs der intensivste. Wie er sich überhaupt mit
dem grössten Eifer in das Studium des grossen Meisters versenkt
hat, so nimmt er auch Wolframs Stil, soweit er ihn erkannt hat,
bewusst auf, ja er bildet ihn an manchen Punkten weiter aus.
Trotzdem ist ihm Wolframs Persönlichkeit in ihrer ganzen Grösse
doch noch nicht aufgegangen, schliesslich hängt auch er nur an
den formalen, leicht erkennbaren Eigentümlichkeiten von Wolframs
Diction ; nirgends weht Wolframscher Geist in dem ganzen unge-
heuren Werke.
Der folgenden Untersuchung sind, wie oben p. 3 gesagt, H
und AD gleichmässig zu Grunde gelegt. H und AD sind die
Vertreter der beiden von Zarncke im „Graltempel“ aufgestellten
Recensionen I und II, zwar nicht die besten, aber es lässt sich
doch, bei dem bedauerlichen Mangel einer kritischen Ausgabe des
Titurel, durch sie eine leidliche Übersicht über den Text gewinnen.
Lachmanns Herstellung der Einleitung des Titurel (kl. Sehr. I,
497 ff.) und Zarnckes kritische Behandlung einzelner Partien des
Gedichtes*) sind sorgfältig herangezogen worden. Für eine ganze
Reihe von Eigentümlichkeiten der Sprache des Titurel, die sich
durch das ganze Gedicht gleichmässig hinziehen, werden wir uns
mit Stichproben begnügen dürfen; dazu sind die Strophen 1 — 1000,
2500 — 3000 , 5500— 6000 gewählt worden; für alles irgendwie
Wichtige ist Vollständigkeit angestrebt worden. Einen Versuch,
im Titurel enthaltene Interpolationen auszuscheiden, habe ich bei der
mangelhaften kritischen Grundlage, die mir zur Verfügung stand,
nicht gewagt.
Cap. I. Metrisches.
In einem ersten Capitel wollen wir vorausnehmen, was über
die Behandlung der Versausgänge und der Reime zu sagen ist**).
Der Einfluss des Reims auf die Spruche Wolframs v. E. Strassburg 1894.
E. Jauder, Über Metrik und Stil in Wolframs Titurel. Rostock 18»3. — Sau-
Marte, Rcimregister zu Wolframs Weiken. — Vgl. noch Sau-Marte, Parz.-Studien
Bd. S Abt. C. — K. Lucae, De Donnullis locis Wolframianis. — Über die Sprache
des jg. Titurel finde ich nichts als ein paar Bemerkungen P. Hamburgers in
seinen Untersuchungen über Ulr. Fürterers Dichtungen vom Gral u. v. d. Tafel-
runde I. Strassburg 1882.
*) Abh. der Siebs. Gesellsch. d. W., phil.-hiet. CI. Bd. VII, 434—71. 505
-15. 524—42. 973—93, u. Germ. 22, 11—16.
**) über die metrische Technik Albrechts im Innern der Verse ein Urteil
zu fällen, ist nicht erlaubt, ehe nicht eine kritische Ausgabe den ältesten Text
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— 112 -
Wolframs Titurelstrophe ist vierzeilig; sie besteht aus drei ver-
schieden langen Langzeilen mit Caesur in der Mitte und einer
Kurzzeile von 5 Hebungen. Die Strophe verlangt an den Reim-
stellen stets klingenden Ausgang, an den Caesurstellen dagegen
wechselt klingende und stumpfe Endung. Es stehen also im gün-
stigsten Falle 3 stumpfe Ausgänge 4 klingenden gegenüber.
Albrecbt hat durch die Einführung der klingenden Caesurreime
nicht nur die vierzeilige Strophe Wolframs in eine siebenzeilige
Strophe von Kurzversen, mit einer Waise an 6. Stelle, verwandelt,
sondern auch die Alleinherrschaft des klingenden Ausgangs in sei-
ner Strophe zur vollsten Geltung gebracht. Selbst die Waise in
der 6. Zeile muss sich dem Gesetze der klingenden Endung fügen,
aber gerade an 6. Stelle finden sich noch die meisten Anklänge an
Wolframs Technik. Ich zähle im ganzen Titurel ca. 370 stumpfe
Ausgänge an 6. Stelle, das sind nicht ganz 6°/o. Die Mehrzahl
dieser Fälle findet sich in den ersten 2000 Strophen des Gedichtes,
ohne dass gerade innerhalb der Wolframschen Fragmente selbst
eine auffallende Häufung der Fälle sich zeigte. Je näher es dem
Schlüsse zugeht, desto seltener werden die stumpfen Ausgänge an
6. Stelle*).
Viel seltener sind die Fälle, wo an erster und dritter Stelle
der Titurelstrophe stumpfer Ausgang erhalten ist. Auf der Be-
obachtung, dass Albrecht sich bei der Überarbeitung der Wolf-
ramschen Fragmente, der Bequemlichkeit halber, die sonst gemie-
denen stumpfen Ausgänge an 1. und 3. Stelle reichlich gestattet**),
beruht der Versuch von Bartseh (Germ. 13, 1 lf.), zwei weitere
Stücke des Titurel als echt wolframsclie Bestandteile in Anspruch
des Titurel wiederhergestellt hat. Gerade in diesem Punkte zerstören die spä-
teren Umarbeitungen der mittelalterlichen Epen am ehesten die Technik des
Dichters, im allgemeinen darf man nur das schon jetzt behaupten, dass Albrecbt,
der Strömung seiner Zeit folgend, Hebung und Senkung gieichmäasiger verteilt
hat, als Wolfram.
*) str. 1 — 1000 mit 83 Fällen, davon entfallen 32 auf W. Tit. I (in ca.
200 Strophen); in dem von Bartsch ausgehobenen zweiten W. Tit.-Bruchstücke
(= 33 Strophen) nur 3 Fälle. — str. 1000 — 2000 = 146 Fälle, davon 14 auf
W. Tit. II (in 50 Strophen); in dem von Bartsch ausgehobenen vierten W. Tit.-
Bruchstücke (= 32 Strophen) nur 3 Fälle. — str. 2000—3000 = 62, str. 8000
bis 4000 = 39, str. 4000—5000 = 26, str. 5000=6200 (Ende) = 24 Fälle.
**) W. Tit. I hat bei Albrecht in ca. 200 Strophen 45 stumpfe Reimpaare
an 1. und 3. Stelle; davon sind aber 5 Zusatzstrophen Albrecbts (612 [6,48] AD.
647 H. 698. 700. 702), bei dreien ist es nicht sicher, wem von beiden sie ge-
hören (721. 763. 768). W. Tit. II enthält bei Albrecht in 49 Strophen (str. 1140
-88) 10 Fälle.
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113
zu nehmen : str. 923 — 56 (mit 5 Fällen von stumpfem Ausgänge
an 1. und 3. Stelle) und 1234 — 64 (mit 10 Fällen). Doch scheint
mir eine andere Erklärung dieser Erscheinung näher zu liegen.
Eine Übersicht über sämtliche Fälle im Titurel ergiebt, dass
Albrecht eben in den ersten 1500 Strophen die stumpfen Caesurreime
überhaupt noch nicht durchaus vermieden hat*).
Das völlige Überwiegen der klingenden Ausgänge nötigt nun
Albrecht noch mehr als Wolfram, klingend endigende Reimwörter
zu suchen oder gewaltsam zu bilden. Unter diesen Gesichtspunkt
fallen zunächst mehrere syntactische Eigentümlichkeiten, die sich
bei Wolfram, besonders im Titurel, vorgebildet, bei Albrecht aber
gehäuft und zum Teil masslos übertrieben wiederfinden. Im
Innern der Verse gebraucht Albrecht sie fast alle so gut wie
gar nicht.
Nur kurz hinzuweisen brauchen wir auf die einfache Nach-
stellung des attributiven Adjectivums, die bei allen mhd. Dichtern
mehr oder minder beliebt ist. Bei Albrecht sind die Beispiele
zahllos; doch da (nach Grimm Gramm. IV, 490) diese Nachstellung
gewöhnlich dazu dient, stumpfe Versscblüsse zu schaffen, indem
das Adjectivum in diesen Fällen meistens unflectirt auftritt, so
gebraucht Albrecht entweder solche Adjectiva, die auch in ihrer
unfiectierten Form zweisilbig sind, oder er flectiert das nachge-
stellte Adjectivum. Die mannigfachen Freiheiten, die sich Albrecht
dabei erlaubt, gehen weit über Wolframs Gebrauch hinaus**).
Die appositionelle Nachstellung des Adjectivums mit Artikel
hat Wolfram mit den volkstümlichen Epen gemein; für Wolfram
vgl. Jaenicke p. 28, und für W. Tit. besonders Hamburger p. 11, a. 1.
*) Stumpfer Caesarreim vor der Überarbeitung von W. Tit. I nur: str. 42.
60a(66). 257. 258. 318 (= Z. Qralt. 8; aus Zarnckes Conjectur). Zwischen W.
Tit. I und II liegen : str. 799. 910, dann die fünf Strophen in Bartsch* 2. Bruchstück,
dann str.976. 1050. 1063. 1074. 1089. 1130(9, 46)AD. 1187. Nach W.Tit. 11 folgen:
str. 1216. 1230, dann Bartschs 4. Bruchstück mit 10 Fällen, darauf str. 1322. 1346.
1348. 1349. 1378. Iüö7. 1404. 1418. 1429. In weiteren Zwischenräumen endlich
noch str. 1643. 2237a(17,10). 2459 und die letzte, auffällige Gruppe: 5161. 6187.
5211. 5212. 5214. 5215. 5223.
**) Besondere Beachtung verdient z. B. das dem nachgestellten Adjectivum
(oder Pronomen poss.) unorganisch angebängte -e in solchen Fällen, wo entweder
gar keine oder eine andere Endung als -e antreten sollte (cf. Martin z. Kabschl.
931,1). So sagt Albrecht nicht uur: der bruoder sine 976,7, sondern auch »n
tcerdem schine cläre 609, 5. der hvhen brefte sine 920, 4. dem werden aheim sine
3519, 1. cf. 801, 4. 1789,7. 1796,1. 1908,3. 2007,7. 2126,3. 2660,4. 2687,4.
2784,7. 2890,4. 3409,2. 3610,5. 3542,2. 3801,3. 8901,6. 8995,1. 1415,8. 4769,4-
4949,1. 6075,4. 6548,1. 6648,2. 6658,7. 6721,2.
8
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114
Albrecht hat diese Structur überaus häufig, einmal bei Eigen-
namen, dann auch in anderen Fällen : cf. Tit. 74, 5: Elyas der wise.
80, 4: Titurel der werde = 85, 7. Senabor der r'tchc 89, 2. u. s. w.*).
Ein Adjectiv in praedikativer Stellung wird mit dem Artikel
versehen. Für Wolfram vgl. Förster p. 8 — 9, für W. Tit. speciell
Jander p. 17 — 18. Bei Albrecht ist auch dieser Gebrauch sehr
gehäuft. Tit. 9, 4 : däJn was eine gar diu dz ersuohte. 84, 1 : Rom
ist nü diu nuere. 92,2: ich weer im Jobs der jehende u. s. w.**).
Ein Adjectiv in prädikativer Stellung wird flectiert. Dieser
Fall ist hei Albrecht seltener als die vorigen. 205,4: daz lebart
nie so schenker (: lecker) wart. 303, 5 : wan hct er sie da Ideen belibene
(: unvertribene). 891, 3: ervalte manegen löten, cf. 613, 3 — 4. 994,6—7
(dagegen 997,2 innerhalb des Verses). — 2609,5. 2616,2. 2658,1.
2692, 5. 2694, 4. 2736, 7. 2836, 7. 2890, 3. — 6883, 2. 5895, 4. Auf-
fällig sind besonders diejenigen Stellen, an denen ein solches Ad-
jectiv, nur aus Reimbedürfnis, schwach flectiert ist. cf. 22, 3 : das
tnuoz der sei vil sure (: ndchgcbüre) werden (= P. 1,2). 833, 4: der
selbe ruof wart da wol erkante (: Modiante). cf. 360,2. 970,3 — 4. —
2757,4. 2870,7. 2922, 2. — 5521,3. 5641,7. 5636,2. 5711,6. 5981a
(40,225)1.
Hierher gehört endlich noch die Umschreibung des Praesens
*) atr. 105,6. 124,8. 132,2. 192,6. 210,6. 213,7. 257,1. 283,5. 811,2.
318, 7. 841,3. 487,6- 6. 444,2. 450,6. 524.1.- 2507,1. 28,3. 2610, 1. 26,6.
28, 1. 57,6. 81,2.5. 2803,1. 85,5. 49,2.6. 58,2. 2933,2. 54,1. 59,5. 70,1. 71,2.
80.1. 84,6. 87,6. 94,1. — 5549,1. 81,3. 5637,4. 50,7. 57,1. 59a, 2. 67,3. 68,5.
85.5. 96,5. 96,2.5. 5712,5. 16,1. 45,7. 98,6. 5810,3. 48,4. 51,2. 79,1. 80,1.
85.3.5. 6917,2. 95,7. — Nicht bei Eigennamen : Tit. 86,2: üz tcazzer dem Hl
weichen. 49,3: ein ouge daz gerehte u. s. w. : 30,1. 66,2. 64,1. 73,2. 103,6.
106,4. 123,6. 124,6. 125,2. 127, 1. 129,2. 156,6. 356,2.383,1. 389,1—8.396,2.
Mlb. (= Marienlob, ed. Zarncke) 6,1. 5,6. 14,3. 82,6. Tit. 452,6. 468,4. 481,6.
483.1. 486,1. 525,5. 538,2. — 2518,2. 22,7. 26,6. 44,3. 90,2. 92,2. 99,1.3.
2665.1. 66,6. 2701,2. 05,6. 06,5. 29,6. 40,7. 70,1. 77,3. 90,3. 96,2.5. 97,1.
2842.6. 78, 1. 94,3. 2934,7. 40,6. 52,1. 65, 1. 65,2. 92,5. 95,2. 97,1.-6508,1.
22.6. 24,6. 34,6. 35,5. 6601,7. 08,1. 13,2. 13a, 3. 25,1. 28,5. 35,6.42,1. 69,2.
61,6.66,5. 88,7. 94a, 7. 99,6. 5724,6. 28,6. 41,3. 67,8. 69,4. 63,6. 81b, 1.
96.3. 5828,5. 29,1. 50,6. 72,1. 5905,5. 12,4. 21,3. 29,5. 50,2. 92,2.
•*) cf. 78,5. 99,8. 110,7. 120,5. 152,3. 170,7. 174,4. 175,6. 194,7. 195,4.
202.7. 210,5.7. 297,7. 302,5. 303,7. 431,5. 448,3. 483,3. 491,4. 501,4. 564,7.
— 2542,6. 71,7. 86,4. 2606,2. 36,6. 40,1.2. 60, 1. 71,3. 72,6. 75,2.93,7. 98,4.
2710.7. 20,4. 26,7. 33,5.7. 42,4. 46,5. 2823,7. 26.7. 28,5. 36,6. 41,5. 47,5.
56.4. 66,1. 86,4. 87,5. 2911,4. 13,4. 46,3. 56,6. 58,3. 80,7. — 5528, 3. 41,5.
53.7. 73,5. 88,7. 91,4. 5610,5.7. 30,6. 34,5. 47,6. 48a, 5. 48b, 2 50,4. 51,5
84.4. 99a, 7. 5711,4. 38,3. 50,4. 53,3. 65,3. 75,4. 88, 7. 94,3.7. 5830,7. 41,7
44,3. 72,7. 73,7. 75,4. 88,1. 5938,4. 48,7. 31,2. 53,2. 90b, 7. 92,4. 98,7.
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115
oder Praeteritumg durch das Part. Prs. mit der Copula sin oder
werden. Diese Umschreibung, die sich bei Wolfram schon ziem-
lich oft findet, aber meistens noch die ihr eigentümliche Bedeu-
tung der Dauer in einer Zeit deutlich zeigt, ist bei Albrecht
völlig zur formelhaften Manier herabgesunken. Sie findet sich
streckenweise fast in jeder Strophe und trägt nicht am wenigsten
dazu bei, die Sprache des Gedichtes für uns geschraubt und uner-
träglich zu machen. Aus metrischen Gründen verwendet Albrecht
noch dazu nur Participia von Verben mit kurzer Stammsilbe*),
sodass eine erschreckende Monotonie durch diese Manier hervor-
gernfen wird. Hamburger (a. a. 0. p. 12) behauptet, dass das um-
schreibende Part. Prs. im Titurel in den späteren Partien bei
weitem nicht so häufig sei, wie am Anfänge. Ich zähle str. 1 — 500
im Ganzen 145 Stellen , in denen meistens beide Verse (ein paar
Waisen sind mit darunter) auf ein umschreibendes Part. Prs.
ausgehn; str. 2500 — 3000 enthalten nur 92 Fälle, str. 5500 —
6000 aber wieder 140 Fälle. Albrecht hat also am Ende seines
Gedichtes die Umschreibung noch ebenso gern wie am Anfänge.
— Bei der ungemein häufigen Verwendung des Part. Prs. im Reime
kann es nicht wundern, wenn Albrecht aus Reimnot die seltensten
und gewagtesten Participialconstructionen heranzieht. So regiert
hären das Part, statt des Inf. z. B. 4783,2; sehen 523, 3 — 4.
4452,4; machen 4622, 1 ; laten 418, 1. 4324,2. 5939,2, und besonders
tuon 602,5. 3071,6. 3135,3. 3420,4. 3509,3, 3644,7. 5377,4.
6114, 7. Da Albrecht ferner die flectierten Formen des Infinitivs
selbst, das Gerundium, auf -ende bildet, so vermischen sich oft die
Formen des Part. prs. und des Gerund., das bei Albrecht gar
nicht selten auch den wirklichen Infinitiv vertritt. Bei Wolfram
finde ich nur ein Beispiel dieser Art: P. 610,5: daz ich tu einem
hän verjehen gein iu ze kämpfe kumcnde ; bei Albrecht aber schafft
der Reimzwang und die sprachliche Unbeholfenheit des Dichters
vereint nicht selten solche Ungetüme von Constructionen wie Tit.
226 : Bewegenheit des lehennes und doch zuo leben hugetide pfligt in
sturme gebennes genendikeit und ganzer crefte mugende. Vgl. die ähn-
*) Ausnahmen von dieser Regel sind nnr : (beende :) mcrnde 566, 1. (wemde:)
lemde 1901b (15, 33) 5 cf. 3158,2, nach der bei Albrecht beliebten Bindung yon
i : i vor r ■+■ Cons. ; ferner mit Ausstossung der Bilduugssilbe -en- : tcarnde (: vamde,
spamde) von warnen : 787,5. 808,5. 1890,3. 2970,5. 1448,5. 8073,5. 3702,4.
4211,1. lemde (: wemde) 5228,5. weinden (: rereinden) 5244,5; härtere Fälle sind:
valde (= vallende) (: Graeiealde) 942, 1, ef. 2733, 7 : die begerden (= begemden)
(: werden) ; endlich werbende: umtobende: 120(1,44) 2 (lies wermde : stermde, wie
netnende : gebende = nemde: gemde: 4882 , 5 , cf. 6126,5).
• 7 • 8 *
v ■* - - v •-
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116
lieh barten Constructioncn 638,7. 2607,3. 2866,3. 4498,7. 6139,1.
3442,7. 4448,6. 6004,2. 6466,7.
Auf die übrigen Mittel, die Albrecbt zur Gewinnung klingen-
der Ausgänge verwendet*), können wir hier nicht näher eingehen,
da sie bei Wolfram noch nicht Vorkommen; doch sind auch man-
che von den in den nächsten Capiteln behandelten Stileigentümlich-
keiten, die Albrecht aus Wolfram übernommen hat, hauptsächlich
dem Reimbedürfnisse entsprungen ; vgl. darüber bei den einzelnen
Erscheinungen.
Von den dialektisch-ungenauen Reimen Albrechts findet sich
eine ganze Reihe schon bei Wolfram vor; bei einer zusammen-
hängenden Darstellung der Reimtechnik Albrechts würden diese
Reime also unter eine besondere Rubrik fallen, da sie, als et-
waige Nachahmungen Wolframscher Technik, für Albrechts Dialekt
nicht die gleiche Bedeutung haben, wie die übrigen ungenauen
Reime. Dahin gehören: i:ie: Albrecht hat nur eierde:wirdc 91,6.
140,2. 165,2. 773,1. 1326,5. 6030,6 und patelierreivirre 2668, 5.
(= P. 183,7); aber auch kriegen : enwiegen 277,5, was bei Wolf-
ram nicht vorkommt. — u : no hat Albrecht nur selten : künde :
tuonde4777, 1. 6636, 2. uv künde : tuonde 1894, 5. erfunde : tuovde 3433, 5.
Dementsprechend U : üe: kiinde(n) : stiiendc(n) 4740, 1. 6526,5. 5594, 1 ;
künege-.unsüenege 5873 (40,107)7 AD. — a : fk vor r : 756,1. 1260,1.
1151,1. 6187,1; sonst nur 1071,1: frägte:sagte und 320,2 (nach
Zarnckes Anm. z. Gralt. str. 10): lahler : geddhter. — ö : e vor h:
3995,1: eehene : lehetie, cf. Wh. 372,7. Tit. 3115, 5; sehr häufig vor
rr , rt und rnd , wo Albrecht ganz der Technik Wolframs folgt.
Die Wörter hirrc , irre , nierre reimen nur unter sieb oder mit
vi'-rre , wirre, tirre. Ausnahmen sind nur keren : juncherren 424,1
(= P. 36,13). höre : her re 1287,2. hirre : tnere 701,6. 4815,5. Vor
rt: kerte-.gerte 1362,1. 2278,1. 4752,1. irte:gerte 2034,2. sicerte:
geerte 2652, 1. cf. 4233, 2. 4267, 2. 5861, 2. 2390, 1. 2843, 2. 5468, 2.
börnde : mernde 566,1. cf. 1951b (1533) 5. 3168,2. Vor einfachem
r : hir : ger Tit. 935,1 in einem der seltenen stumpfen Ausgänge an
1. Stelle ; keren : gören 3301, 2 ist wohl corrupt. — In allen diesen
Verbindungen erscheint bei Albrecht niemals ein Umlauts-e, wie es
*) Dahin gehören: die Erhaltung eines archaischen -e der Endsilben oder
eines alten j in Klexiou und Wortbildung (nidere : teidere; rogelen : gogtlen ;
ferjen : ertcerjen) ; die Bevorzugung abstracter Feminina auf -« und schwacher
Masculina auf •«; das Antreten eines unorganischen -e an Eigennamen und andre
Wörter; die Dehnung einer offenen Tonsilbe, wie in vale, dule etc.; das Hervor-
suchen von seltenen Doppelformen mit ff, U, nn, pp, ck in Wörtern, wie gtppe
(= gebt), lecken (= legen) u. a. m.
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bei Wolfram vor - rn , -rte allein vorkommt. — o:ö vor rt und rs.
hdrte(n):worte(n): 1474,2. 1907,1. 5098,1. 5168,5. 5663,1. 5672,2.
6030a, 2. : orte(n) : 3789(26, 141) 5. 4055,1. 4751,2. 5310,5. 5838,2.
:porte(n): 367, 5. 369, 2. 371, 1. 1533,5. 2298, 5. 3328, 1. 4460, 1. : horte-.
1148, 1. 1157, 1. orsen -.flörsen 4045, 2 = Wh. 373, 15. — i : i in Roi~
sabin.se -.zinse -. 1944, 1. 2204, 2 = P. 604, 1. 693, 13 ; -.flinse 2046, 1 —
P. 678, 19. vinden : binden Tit. 4086, 2. — u : ü nur 1588, 1 : sümden :
stunden ; ü : iu, waa bei W olfram nicht vorkommt, Tit. 16, 5 : gefriunden :
Sünden. — e : © *) bindet Albrecht ungefähr in derselben Ausdehnung
wie Wolfram: gesiebte :rehte : Tit. 495,1. 1650,1. 5354,2. 5879,2.
cf. 3464, 2. 4623, 1. — brechen : krechen : 4085, 1. 6060, 2. 5068, 2. cf.
3237. 2. — quecke(n) : recke(n ) (: wecken) : 1338, 2. 1946, 2. 1968, 2.
3065.2. 3120,2. 3423,5. 3478,2. 3906,2. 4041,7. 4082,5. 4177,1.
4210,6. — bresten : esten : 855,7. cf.5108, 5. 1104,3. 1112,5. 2391,5.
256. 1. 4763, 1. 5970, 3. 3697, 1. 4030, 2. 5896, 2. swester : vester : 1401, 2.
3193.2. 3194,2. cf. 1414a (11, 74) 1. 2477, 2. 1774,1. weste -.beste:
331,3. 4074,2. cf. 766,3. 1435,1. 322,3. 1502,3. 2552,4. 4753,5.
Areste : beste : 3173, 6. Perbester : vester : 2038, 2. 5876, 2. sehste(n) :
beste : 3846, 1. cf. 3362,5. 3942,1. — esse : presse: 848, 1. — zeswen :
heswen : 3982, 1. — verderben : erben : 2496, 5. — gi'rte : verte : 3743, 1.
cf. 3990, 1. 4236b (29, 9) 1. — materjen : scherjen : 5468, 1. — Die
Fremdwörter und Eigennamen auf - ente schwanken durchaus. —
nemende : erlernende : 3420 , 2. — legende : wi'gcnde: 3348, 2. 4124, 5.
4429. 2. 5356, 1. — gemegenet : regend : 266, 1. cf. 188, 1. 1981, 2. 3406, 2.
— edele-.sedele: 426,1. Mlb. 3, 1. 1955,5. 2461,1. 6073,2. 6135,1.
vedere: redere: 3383,2. cf. 2094, 5. — vrebe. Je: nebele: 1874,5. 1907,5.
1923.2. hebende -.gebende: 787,1. 1836,1. 2416,1. 3088,5. 3442,5.
3808, 2. 4275, 1. 4306,6. 4376,2. 4603,2. 6160, 1. 6189,1. 6206r(41,
86)1. cf. 1921,1. 3145,1. 3272,5. 3285,1. 3367,6. 4068,1.4395,1.
6111.1. 6064,6. 6107,1. 6122,5. 6126,5. 6172, 5. — hebte -. gebte :
1676.1. cf. 4052, 1. 4618,1. 5077,1. 4616,6. — kebse \ gebse: 1870,2.
Bemerkenswerte Flexions- und Wortformen, die bei Wolfram,
wie bei Albrecht , durch den Reim gesichert werden , sind : wösse
(Prt. von wetz): Wh. 391, 19 (: presse) = Tit. 948,3. 6962b (40,
195) 5. cf. 6134, 3 (= Wigal. 3742). 5142, 3. 4509, 2. 2083, 1. Da-
neben öfter weste (cf. oben Z. 16). — Wolframs Form megen hat Al-
brecht niemals im Reime, weil sie keinen klingenden Reim giebt; da-
gegen hat er die bei Wolfram nicht vorkommenden Formen mähte
(= mohte) : 2308, 1 (: slahte). cf. 5012, 2. 3253,7. 3976,2. 4711,7.
*) leb berücksichtige in der folgenden Aufzählung lediglich die etymologische
Verschiedenheit der beiden e, ohne den schwankenden phonetischen Wert hier zu
erörtern.
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5641. 1. melde (: elde) : 2267, 4. 3321, 2. 6123a (40, 403) 3. cf. 6131, 4.
5399, 4. — bcde [= beide] (: grede) : 6119,3 = P. 794, 7. 806,11.
Wh. 139, 22. — höchsten : bcesten : Wh. 185, 13 = Tit. 4743, 6. cf. 56, 2.
275, 2. 305. 2. 933, 1. 936, 1. 1577, 2. 2084, 2. 2412, 1. 2506, 2. 2920, 1.
3971, 5. 5053, 5. 5246, 1. 6360, 6. 807, 3. 3640, 1. 6205, 5. 1594, 1.
2710.5. 3892,1. 3903,5. 5403, 1; ebenso sehsle : beste: 3846, 1, cf. oben
p. 117. — i rebele -.nebele: P. 302,13. Wh. 253,29 = Tit. 1874,6.
1907. 5. 1923, 2 ; cf. swebele : nebele : Tit. 6095, 5.
Über verschiedene andere, durch den Reim gesicherte Wort-
formen findet sich, ebenso wie über beliebte Reimwörter und Reim-
verbindungen Wolframs, die Albrecht übernimmt, das Meiste in
den folgenden Capiteln dieser Untersuchung verstreut, hauptsäch-
lich unter Wortwahl (unhöfische Wörter, Fremdwörter) und um-
schreibend gebrauchten Wörtern (erkant, hunnen, eil u. s.w.). Hier
habe ich nur noch weniges aufzuführen: gehiure (cf. Steinmeyer,
über einige Epitheta der mhd. Poesie p. 12) ist bei Albrecht ebenso
häufig wie bei Wolfram, z. B. Tit. 9,3. 149,2. 197,3. 238a (1,162)
3. 307, 3. 314, 2. 317, 2. 318, 7. 463, 4. 600, 1. 513, 4. 627, 3. 695, 5.
720, 4. 906,7. 918,2. — 2618,7. 2619, 1. 2723,2. 2804, 2. — 5665, 3.
5781. 1. 5785, 7. 5805, 4. 80, 4. 87, 3. 88, 2. 5961a, 7. 90b, 7. lield-
gemäle(n) (cf. Hoffmann, a. a. 0. p. 36) von Sachen: 2997,1 ( sper ).
6608.1. 1232,7 (schilt), von Personen: 1128,3. 5426,5 (Parzival).
267, 1 (Titurel). 1724,1 (Anfortas). 3455,2. 5912,4, von Frauen:
976,4. 4424,7. 5727,3. 5921,4. riutce : triuwe (cf. Bock, a. a. 0. 52
—64): 17,1. 51,2. 240,2. 753,1. 904,2. 933,2. 941,1. 958,2.
997, 1. — 2607,2. 57,1. 79, 5. 2605, 5. 2612, 2. 2734, 2. 2885, 2. —
5861.1.5887.2. 5899, 2 AD. 5965,2. 69,2. 92a, 5. 93c, 2. koche :
fiirgeewhe : Wh. 184,3:4; danach hocke : eoehe : Tit. 250a (1, 180) 4.
746,3. 1803,4. 3491,4. 5642,3. cf. 4462,4. 4538,3. 4806,3. 6153,3.
— 3338,3. 3603,3. 4621,3. 4672,6. 5472,2. künec ifrümec: Wh. 46, 6
= Tit. 700, 1. volgen : erbolgen : P. 127, 23. 157, 5 u. Ö. •= Tit. 2936, 5.
3170. 2. 3691, 5. 4277, 1. cristen : tristen : Wh. 373, 27 = Tit. 806, 5.
2809.2. 3665,2. 4048,2. 4064,2. 4191,2. 4263,1. 4270,5. 4315,5.
eogte : brogte Wh. 163,7 = Tit. 1712,1. 1573,2. cf. 2139, 2. 2289,1.
6077, 1. gogelen : vogelen : Wh. 403, 23. cf. 377, 3 = Tit. 4483,2. rottumbes :
krumbes: Wh. 400, 17 = Tit. 2786, 2. 3879, 2. 3991, 2. 4017, 2. 4049, 1.
gesnürre : unirre : P. 718, 9. cf. Wh. 390, 29. 400, 19 = Tit. 1962a
(15,46) 1. 2011,2. cf. 4017, 1 (gesneere : wäre), höheren : oberen : Wh.
212,21. 294,5. 33,29 = Tit. 849,5. 2603,1. 4188,2. 5005,6. Ko-
rasen : mäsen : Wh. 74, 19 = Tit. 3096, 5. stvehcr(e) : heher(e) : Wh. 407, 9
— Tit. 2031,5.
Die Enclisis des Pronomen pers. an das Verb, meist an 2.
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Reimstelle, hat Albrecht, wie Wolfram, häufig; z.B. Schionalulander :
vandcr : 6843, 3. 5854, 6. : behänder : 2630, 3. 2711, 6. 2730, 3 ; ähnlich :
2592,4. 2637,4. 2836,4. 5606,7. 5618,4. 5799,3. 5766,4. 5796,2:
vanden (—vandin): an den. Andere Fälle sind: Tit. 320,4. 202,3.
— 2508,3. 2830,3. 4494,7.-5705,4. 5822,1. 5862,3. Bemerkens-
wert ist noch die Imitation von Wh. 390, 9 : Raabs : drabs, Tit.
3139, 3. 3945, 1. cf. 1870, 2. 3383, 1.
Das Enjambement der Strophen endlich findet sich in W. Tit.
nur str. 135 f. u. 161 f. (cf. Jander p. 8). Albrecht hat es überaus
häufig, seine Technik ist hierin viel roher : cf. Tit. 24 f. 35 — 35a. 44a
— b. 51 f. 53 f. 55 f. 72 f. 78 f. 81 f. 91 f. 100 f. 103 f. 115 f. 122 f.
123 f. 125 f. 150 f. 152 f. 153 f. 159 f. 174 f. 181 f. 199 f. — 2501 f.
16 f. 28 f. 41 f. 44 f. 50 f. 60 f. 70 f. 73 f. 85 f. 2620 f. 22 f. 53 f. 78 f.
97 f. — 5505 f. 14 f. 28 f. 31 f. 41 f. 68 f. 69 f. 86 f. 5602 f. 19 f. 24 f.
39 f. 64 f. 55 f. 61 f. 63 f. 71 f. 92 f. 99b— c. 99 i— k. (vgl. Hambur-
ger, a. a. 0. p. 7.)
Cap. II. Wort und Satz.
In diesem Capitel vereinigen wir die Untersuchung der Wort-
wahl, Wortbildung und syntactischen Stracturen.
I.
In der Wortwahl haben wir uns hauptsächlich mit zwei grossen
Gruppen von Wörtern zu beschäftigen, einmal mit den s. g. „un hö-
fischen“ Wörtern, den zu Wolframs Zeit bereits veraltenden Aus-
drücken der volksmässigen Epen, und andrerseits mit den franzö-
sischen Fremdwörtern, die mit dem Eindringen des ausgebildeten
Ritterwesens zugleich die deutsche höfische Sprache überschwemm-
ten. — Für die erstere Klasse von Wörtern giebt Jaenickes Arbeit
in ihrem 1. Teile für Wolfram das ganze Material beieinander;
wir folgen daher seiner Anordnung. Albrecht macht von diesen
Wörtern denselben reichlichen Gebrauch wie Wolfram, ja er bietet
bei der Länge seines Gedichtes für manche noch viel mehr Belege
als Wolfram:
Von den verschiedenen Ausdrücken für den „tapferen Helden“
erscheint tcigant bei Albrecht nur im Reime (2173, 3. 2677, 6.
2785, 4. 2774, 3). Die übrigen drei Wörter sind viel häufiger, recke
ist besonders im Reime beliebt, vgl. ausserdem 3478, 1. 4210,5;
in der Bedeutung ‘Avanturier’ nur 720, 4 (= W. Tit. ?) cf. P. 99, 15.
— degen wird als etwas Höheres dem einfachen ritter gegenüberge-
stellt 5563, 2 ; es ist — männl. Kind : 1078, 7. 3314, 7 (cf. Georg
960), degenkint : 6025,6. 614,3(6,51. AD.), stcertdegen: 1696,2. ge-
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120
degenet: 1513,7. — heit ist das häufigste dieser Wörter und wird,
wie bei Wolfram, mit zahlreichen Epithetis versehen.
Von den nun folgenden Adjectiven finden wir mare, wie bei
Wolfram, fast nur in dem von Jaenicke angegebenen epischen
Sinne gebraucht; es erscheint ausserdem nur im Reime. Von Sachen
gebraucht : 6161, 6 und in modifieierter Bedeutung : 1383, 2. — halt
zeigt alle von J. besprochenen Bedeutungen ; ist es ‘fortis, strenuus’,
so steht es ausser 1874, 5 immer im Reime. Einen abhängigen
Genetiv regiert balt 1286, 7. 4868, 4, cf. 1874, 5. — gemeii erscheint
dreimal, immer praedikativ und von Personen gebraucht, stets im
Versschlusse: 1102,6. 2956,6. 2297,7. — snel stellt in der Bedeu-
tung ‘acer, strenuus’ mit einem Eigennamen verbunden 1338, 3. 1488, 5.
3701,6. 4179,2. 4454,4. 4616,1 (stets im Reime), cf. 1268 (10,137)1.
465,1. Mit abhängigem praep. Ausdruck : 195,3. 449, 3 u. ö. — ellent-
haft, ellens riche werden von Albrecht (wie das Simples eilen ) gern
gebraucht. — teige nur in der Bedeutung „dem Tode verfallen“,
aber recht häufig. Das von Jaen. p. 13 angeführte Sprüchwort
(cf. Haupt z. Ü. W. v. 502) finden wir wieder: Tit. 1899, 6 u.
3022, 7. In gleichem Sinne sehr oft das Trans, teigen, unerveiget :
5943, 7. Ausserhalb des Reimes steht nur unveige : 4944, 7. —
küene ist ein beliebtes Reimwort Albrechts. Das Verbum küenen:
380, 4. 2896, 4 (= P. 96, 16). — frech ist im Reime und ausserhalb
desselben häufig. — trete! findet sich nur dreimal (-.nebele): 1874,5.
1907,5. 1923,2 (=» Wh. 253,29. P. 302, 13). Sonst gebraucht Al-
brecht nur das Adv. frevelliche, und diu tretet : 4113, 2, cf. P. 171, 25.
734,25. — vermessen hat Albrecht in der epischen Bedeutung häu-
figer als Wolfram, es ist stets Reim wort. — mitte als ehrendes
Epitheton eines Fürsten ist sehr gewöhnlich und steht dann stets
im Reime. Eine humoristische Färbung erhält mitte : 5806,3 (—
Iw. 7130 f.). 4031,4. 4036,2. cf. Er acl. 4830. Ernst 4858. Krone 2446,
2. Troj. Kr. 31140.
Die nächste Gruppe bilden Substantivs, Adjectiva und Verba,
die termini technici des Kriegswesens bezeichnen : hervart erscheint
im eigentlichen Sinne öfter, in übertragener Bedeutung vom jüngsten
Gericht: 3486,6. 6503,6. — wie hat Albrecht nur in den Compositis
tvichüs und volcwic (das bei keinem andern höf. Epiker vorkommt) :
4236(29,8)3 AD. — urtiuge ist häufig; das Verbum urliugen in
der Bedeutung : „Krieg fuhren, kämpfen“: 1529, 1. 3480, 3. 4468, 4.
4605, 3 ; als Transit, (cf. Trist. 469, 21) : Mlb. 24, 4 (=» AD. 3, 136).
— t tat erscheint öfter, ger, als Waffe nur einmal: 4119, 2, wo er
deutlich als unritterliche Waffe empfunden wird, ger = keilför-
miges Stück Zeug : 3480, 4. — ecke in swertes ecke : 1341, 6. 2215, 6.
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121
ecke allein für Schwert, meistens mit dem formelhaften Epitheton
scharpf, ist sehr häufig, ecken steht gern im Reime. — sar- in Com-
positis hatAlbrecht nur in saricät : 902,4. 3700,4. 3993, 1. 4712,7;
sargewcete: 3418,2. Sehr häufig hat er aber das Femininum sarwe
= Rüstung; das Verbum sartcen ( serwen ) in geserwet (: geverwet) :
1395,3. 2569,6. 2723,7. Über die Form gezer(j>)fe , die Mlb. 41,6
und (: scher(p)fe) 2135, 4. 2190, 3. 3269,7. 3668, 3 erscheint, cf. Zarncke
zu Mlb. 41,6 (Gralt. p. 521 (149) u. Lexer, Mhd. Hdwtb. I, 1001.
— eilen , cf. oben dl enthaft. — dürkel im eigentlichen Sinne sehr
häufig ; die von Wolfram eingeführte bildliche Anwendung von
dürkel zeigen 1903,3. 4324,5. 5425,4. 5664,5, und dürkeln : 5342, 6.
— Bei den vier Synonymis schroten, verschroten, versntden, verhoiven
weicht Albrechts Gebrauch etwas ab. Er gebraucht schroten , das
bei Wolfram selten ist, zwar nur einmal (4219,3) in übertragener,
aber häufig in eigentl. Bedeutung, vgl. bes. 4525,1; bei verschroten
halten sich eigentliche und übertragene Bedeutung die Wage; und
bei versntden und verhotven endlich hat die bildliche Bedeutung voll-
ständig die Überhand, versntden im eig. Sinne finde ich nur 612
(6,48)5 AD. und verhoiven 613,6 — 1144,5. 901,1. 2708,4; da-
gegen bildlich vor allem in der ewig wiederkehrenden Reimformel:
an triuwen (freuden) unverhowen.
Endlich führt Jaenicke noch drei einzelne Wörter auf: künne
steht in der umschreibenden Formel, (wie P. 22,17, z. B. 288,2:
küniges künne. 5944, 6. 634, 1 (als Reimflickwort in einer überar-
beiteten Strophe Wolframs). 125,2 hat künne die concrete Bedeu-
tung = der Verwandte. — verch bezeichnet die ‘vis vitalis' in Nach-
ahmungen Wolframscher Stellen, wie 613,6. 1144,5 (cf. P. 578, 27.
710,29. 493,12), vcrchivunde 6155a (41, 15) 4; dagegen ‘caro’ in verch-
gevar: 3498,7; als Bezeichnung der Verwandtschaft 1343, 5. 5983,6.
— raste endlich gebraucht Albrecht, gerade wie Wolfram, promiscue
mit der modernen Bezeichnung mtle.
Von den bei Jaenicke aufgezählten Wörtern fehlen also im
Titurel nur: tnarc, mete, ivccllich. Dafür haben wir aber einige
andre Wörter dieser Kategorie für Albrecht nachzutragen, die bei
Jaenicke nicht mit aufgeführt werden : wunder mit abh. Genetiv
in der Bedeutung „eine grosse Menge von etwas“, cf. P. 25, 28: jä-
mers wunder. 654, 7. 638, 13. 565, 17 (cf. Haupt z. Engelh. p. 231).
Bei Albrecht ist es sehr beliebt und steht fast immer ira Reime *).
— diu getürst, das W. Tit. 123, 4 u. Wh. 210, 11 auf für$te(n) reimt,
ist bei Albrecht ein sehr beliebtes Reimwort auf fürsten geworden.
*) Vgl. wunderfüege : 3314, 4, an einer Stelle, die Motive des Volksepoa ver-
wendet und zugleich eine auffällige Häufung von Bildungen mit wunder zeigt.
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122
Ein Verbum getürsten : 5428,3. 5640,7 ( sich g.). — Ebenso ist ge-
nende, das Wolfram Tit. 2,1 (: hende) hat, bei Albrecht ausseror-
dentlich häufig im Reime; ferner genendic ; genendicliclie ; genenden
(cf. W. Tit. 57, 1): 2880,3; ernenden: 142(1,67)4. — blide, bei Wolf-
ram nur P. 530, 12, erscheint 2493, 3. 5218, 1 ; oft im Karlmeinet,
cf. Bartsch 273. Frauend. 194, 23. 279, 27. 282, 27. 457, 4. — Mit
grosser Vorliebe gebraucht Albrecht die mit den Adverbien tool,
hoch, grös , üs und einigen Participien und Adjectiven gebildeten
formelhaften Epitheta der volksmässigen Epen, die bei Wolfram
nicht ganz so häufig sind. Mit de zusammengesetzt erscheinen in
dieser Verwendung fast nur die Participien erkom und erlesen, die
dann fast ausschliesslich im Reime stehn. — müeliche (— schwer-
lich, so leicht nicht) findet sich oft in den Nibelungen (cf. 694, 4.
1017.4. 2026,4. Klage 3366), einmal bei Wolfram (P. 700, 8) und
einmal im Titurel: 2608,4, wo AD. dafür nytnmer einsetzt. —
hei, besonders in den Verbindungen hei was, hei wie, gehört der
volksmässigen Epik an, findet sich aber Er. 8856. Trist. 9160. P.
133,21 (ironisch) als Ausruf des Schmerzes, 525,24: heia hei, cf.
103, 20. 407, 17. 496, 22. Albrecht gebraucht es häufiger in der volks-
epischen Bedeutung : hei was-, 722,7. 842,7. 907,1. 1246,7. 1796,7.
3560, 7. hei allein : 2798, 5 (auch 2719, 5?). Ähnlich 952, 1 : Ahey wie.
1779,7: ahei was. 1790, 6 (H sahey, cf. P. 651, 11 var.). 2774, 6: aht wie
(H alhie, ebenso 2936, 1). *) — Gehört hierher auch das veraltete re :
2700.5. 3369,5 (=Tod). cf. P. 111,21. 751,27. W. Tit. 74,4?**).
Viel wichtiger, als die s. g. unhöfischen Wörter, in deren Ver-
wendung Albrecht fast ganz mit Wolfram übercinstimmt, sind die
französischen Lehnwörter im Titurel. Denn hier spricht
die Frage nach einer französischen Vorlage Albrechts mit. Eine
genaue Übersicht der franz. Lehnwörter, und besonders der franz.
Redensarten Albrechts liefert eine wertvolle Controlle für die Re-
•) Von diesem he y (ahey, ahi) ist iu trennen eine Interjection ey = wehe I
cf. 562a (5, 80) 1. 563, 1. 671, 6. 997, 6. 1000, 1. 2891, 1. 5699, 6.
**) Bei Wolfram kommen gar nicht vor: bräune: 1308,3. 1361,3. 3089,6.
3924,4 in formelhaften Aufzählungen der Waffen. Vgl. Lanz. 4500. Wigal. 7371.
7658. — rant — Schild : 4156, 5. 6607, 7 (nur H). Vgl. Lanz. 2378. Krone 19199.
— fürbüege : 8465, 4. 36s6, 6 (= Er. 820). 3860, 5. cf. Flore 2830 u. Lacbm. z.
Nib. 75,2; Ilaupt z. Er.’ 820. — meidem = männl. Pferd : 2787,1. Aus der höf.
Epik weiss ich keine anderen Belege, als Partenop. (Bartsch) 461. 470. 670. 596
u. ö. Troj. Kr. bl. 200. Dann in Dietrichs Flucht 2904. 2908. 3153. 5915. 6065.
cf. Mhd. Wtb. II 1 , 91b. — Ibbcsam hat Albrecht als Reimflickwort in einer überar-
beiteten Strophe Wolframs: 715,3 (= W. Tit. 76). 1158,1 (= W. Tit 144).
Wolfram meidet die Bildungen auf - sam fast ganz, cf. Haupt z. Eng. 1186: z.
Er.* 820. Steinmeyer, Über einige Epith. d. mhd. Poes. p. 13.
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sultate des ersten Teils dieser Untersuchung. Die franz. Lehn-
wörter im Titurel stammen durchweg aus der höfischen Umgangs-
und Litteratursprache, wie sie sich in den Werken der klassischen
mhd. Epiker uns darstellt. Eine ganze Reihe dieser Wörter ist
erst durch Wolfram in die mhd. Litteratur eingeführt worden; sie
finden sich bei Albrecht zahlreich wieder , aber auch von den
schon vor Wolfram bekannten franz. Fremdwörtern Albrechts steht
eine erhebliche Anzahl nur in directen Nachahmungen Wolframs.
Nur sehr wenige franz. Lehnwörter Albrechts finden sich nicht
bei Wolfram , diese stelle ich als besondere Abteilung an den
Schluss und ordne alle übrigen in ein paar sachlich bestimmte
Gruppen, innerhalb derer ich möglichst nach dem Alphabet gehe
und Belege hinzufüge, wo es angemessen ist*).
Auf Kampf und Waffen beziehen sich: baniere; barbiere: 3607a
(25,213)5. 4236d (29, 11) 6. 4492,7; btihurt (in H meistens behurt),
bühurdiere stf. : 1680,1. 4511,1, behurdieren, verbehudieret : 430,4;
busine ; drunze ; gabilöt : 4521 , 3. 6076, 7 ; galopieren : 5308, 6. 5517, 5 ;
gleve **) ; heimit: 3274,7. 2209,2. (cf. P. 813,22); hamasch ; hurt,
hurten, hurteclkh, hurtUch : 1266, 5, hurtä: 2181,1. 3252,4, gegenhurte ;
kastellän: 3252,5; hohe: 2969, 6, isergohen: 1222,2. 1371,2. 3140,4;
tcäpengolsen: 1649,2; krie, krien, krier : 2122,1, kriierer, kroieren ***)■,
kumpanie ; kurstl: 3859,6. 3930,1. 5607,1; tanze ; pavitün ; puneiz,
panieren, punier stn. (oder paniere stf.?): 4056,2 (cf. Athis E. 76);
rabine ; rotte, sich rottieren : 2568, 4. 3617,7. 3826, 3; sarjant : 2569, 1
(= Wh. 185, 1). 3630, 3 ; schürt zgel ( sureengel ): 3696, 6 (== Er. 820) ;
storje : 847, 6. 1686a (13, 57) 1. 2191, 3 , störte : 2062, 4 (: Syrie).
3178,6 (: Arabie) (ef. Wigal. 4660 u. ö.); t ambür ; tjoste, tjostieren,
tjosten : 1301,6. 4865,2; trumbc: 1962a (15, 46) 1 (cf. P. 571,2);
turnet , turneysie: 1930,2, furnieren: 558,1. 2181,5; taten {täten),
vale {vale) stf., välie: 2999,3 (cf. Lanz. 1946), ungcfcelieret : 1248,1
(cf. P. 738, 28. 754, 17) ; vesperte ; gezimieret.
Erst von Wolfram ein geführt, oder wenigstens bei Albrecht
directe Nachahmungen Wolframs sind folgende Wörter dieser
*) Vgl. zum Folgenden J. Kassewitz , Die frz. Wörter im Mhd., Disa. ph.
Strassb. 1890.
*») Albrecht hat 1 ) glhe (glavel): 919,3. 1680,5. 3928,6. 4492,3. 5699d
(89,208)5 glevy. H hat glevenit, wo das Metrum gleve fordert: 8642, 7. 3951,6.
4288,3. — 2) glevie (vgl. glavie, die Form Wirnts, cf. Medern, Abh.-Verh. Wirnts
v. Hartm. u. Wolfr., p. 5) : 1284,7, vom Metrum verlangt: 1966, 5. 2958,7. 8695,8,
aber niemals im Reime. — 3) Die Wolframsche Form glttvine erscheint als glevbte
(: Orasteginlesine) : 3269, 2. — 4) Die dreisilbige Form glevenie wird durch das
Metrum gestützt: 3668, 1. 1232,5 (gleineH). cf. Lexer I, 1030. Kass. p. 44. 71 f.
***) Nach der Analogie von krie bildet Albrecht schrie stf.: 4874,8 (: krie).
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Gruppe: barbigän: Mlb. 14,4; hatsche (Wh.); hersenier] karrätsche
(Wh); kotieren (Wh.): 813 (8, Bl) 1 AI). 849,5. 854,5. 2603,1.
4188. 2. 5005, 6, höbe) unge: 2574, 5. 4278, 5. 4940, 5. bekobert: 4490,6;
patelierre : 2568,5. 6076,6 ( P. 183,7—8. Wh. 223,10); poynder ;
quätschiure: 2723,4. 2735,6. 3714,4; amessiere : 2735,6 (= P. 164,
25. 167, 6) ; rotubumbes (= rotumbes Wh., wo op stets rotu(m)bumbes
haben); schumpfentiure ; tropel; turkopel : 2569, 1. 3280,5 (= Wh.
185, 1); fi&fi: 1576,3 (= P. 80,5. Georg 154); fianee : 2604,5.
2622. 2. 2710, 5 ; floitieren : 4092, 2 (= Wh. 34, 6) ; flören, florieren,
flörie stf. : 379a (3, 105 = Z. Gralt. 74) 2. 1237, 1 *) ; tcalap : 3883a
(27, 68)2. 4617,1. 5719,1.
Bei den französischen Bezeichnungen von Titeln und Würden
ist Albrechts völlige Abhängigkeit von Wolfram am deutlichsten :
barün : 1936, 4. 4543, 2. 4562, 4. 4606, 3. 4629, 2, niemals mit einem
Eigennamen verbunden. — duc, ausser 4629, 2 stets mit einem Ei-
gennamen verbunden: duc A stör: 1998,4. 2120,5. 5633a (39, 132)2.
6635(39,134)3 AD. (= P. 343,22); ferner 2026,6. 2029,4. Du-
cisse de Logreise : 1746(13,21)1 AD. 59541, cf. W. Tit. 58,1;
dagegen ducesse : (: messe) 5201,3 (= P. 435,23). (: wesst) 5142,1.
— lampriure: 4591,6. 4648,2 (P. 712, 9). — liconfe = li conte (vgl.
z. B. P. 87, 24): 1983b (15, 68) 6. 1991,2. 2006,6. 2021,3. Von
Albrecht als ein Wort aufgefasst, wie 3195,3 u. 3107,7 (licöne :
Rome) zeigen **). cont allein kommt nur vor in dem scheinbar
von Albrecht missverstandenen Namen Riwalikont: 1994,5. 2115,5
(= Riwalin kont, Tristans Vater); vgl. auch Bmrhunt: 1987,3 aus
biä kunt P. 46, 17, cf. oben p. 44. — markis : 2027, 1. 4746,4 (=
hl. Georg). 5930,5 (= Willehalm). — rois , stets mit einem Eigen-
namen verbunden : rois Poydiconjume : 1998,2.2116(16,48)1. 5633a
(39, 131) 1. 5634, 3 (= P. 343, 21). Sonst noch: 4934, 6 und beson-
ders in der Formel fil lirois : 2136, 6. 6926,4: Er ec fil li roys Lac
(nicht aus dem Erec, sondern aus P. 134, 6 [rois Gg]); vgl. 440, 1.
6991 (40, 242) 6 (= P. 809, 30). — talftn (= Schionatulander) aus
W. Tit. Im Reimzwange talfialte: 1317,4. 1586,2. 2561,1. 4999,6.
5002,5. — templeis. — tschahteliure : 3873,1. 3876,4. 3938,5. 4201,7
(aus Wh. 335, 18 u. ö. — tschatelakunte : 2647, 1 (= P. 43, 19. 52,
15), von Albrecht als Eigenname gefasst. — tschemschalt : Kingrün
tschemschalte : 1991,6. 2210, 1. 4515,5 (= P. 195, 15. 197,22). 4498,5
= Keye). — fil nur in fillirois, cf. oben rois. Jofreit jie Idael (P. 277.
*) Das deutsche Wort blüemen gebraucht Wolfram selten, Albrecht noch häu-
figer als florieren.
**) Der fr*. Artikel K erscheint ausser in diesem Worte nur noch in der For-
mel fil li roit, cf. rois.
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311. 413 u. ö.) giebt Albrecht 2208, 2 durch fil Idol Jofreiten (cf.
P. 413, 17), 2281, 1 u. 2346, 1 aber durch fis I. J. wieder, fis sonst
noch in Feraßs und der aus P. 113, 4 herübergenommenen französi-
schen Bezeichnung Parzivals bonfis kyrßs*) biäfis: 4387,6. — Hier
füge ich die orientalischen Titel hinzu, die Albrecht alle aus Wolf-
ram entlehnt hat (cf. Teil I): bdruch (niemals im Reime!), atmerdt
(davon bildet Albrecht atmerinne ) , antazzür , emerdl (einem Grafen
gleichgestellt 5250, 6, cf. 3294, 4), esclier. — Ich bemerke endlich,
dass Albrecht die Prp. de in Titulaturen selbständig anwendet,
z. B. 2076,5: bi dem fürsten de Lögreise u. ö., wofür er in den mhd.
epischen Gedichten reichliche Beispiele finden konnte.
In eine 3. Gruppe vereinige ich alle übrigen frz. Lehnwörter
Albrechts, die er mit Wolfram und der ritterlichen Sprache über-
haupt gemein hat : amie, dmis (amises 1954, 6 ; amtse D. Sg. 2166, 5.
G.P1. 3613,1. A. PL 3640, 4) , amten: 1567,5 (corrupt?); amor , ne-
ben der lat. Betonung geht die franz. einher, cf. 205, 6: atnörän ende.
1973.7. 2089,1: flörie Amor = Kampfruf des Anfortas, vgl. p. 128;
äventiure, sich äventiuren : 2400, 2 (= P.249, 4) ; ävoie : 5635 (39, 134)
3 AD. als Reimflickwort = ävoy P. 21,14 u. ö. ; bliät: 1250,1 (P.
313,11. 235, 10); gare, in: 1338,1.7. 1357,1; commune: 4521,1 (cf.
Wh. 117, 19. 113, 13) ; konditvieren ; cridtiure; kulier : 2508, 1 ; kunrieren :
852, 1, kunriere (: viere) stf. : 853, 4, kor, reit (: leie) : 866, 3. 1831, 1;
kurteis, stets im Reime , der aber niemals die Form kurtois sichert
(gegen Kass. p. 25 u. 81) , kurtoisie im Reime : 1943, 2. 3545, 5,
auch 628, 4. 4930, 6 herzustellen statt kurtaise (-oise ) , kurtesoie
{: tschoie) : 2240(17,13)3; löschieren : 1100,3 (cf. P. 755, 12. 360,
22). 1577(12,75)3 AD; marner ] massenie ; matras: 2134,7; menen:
2530,4 (= P.55, 16). 4003,3 (davon Adj. widermenne (: Tenne) 2166, 3 ?) ;
monte: 287, 7. 4649, 3. 2547,3. 5278, 3, nur 2090, 5: montan je (: planje) ;
sich mövieren (cf. P. 678, 12. Wh. 305, 16, latein. Ursprungs?); palas ;
pdrät : 600, 2. 2729, 4. 2796, 4 , pdrdtieren : 887, 4 ; pan ieren : 960, 5
(cf. unten p. 133) ; plane, stf. ausser 923, 4. Die Reime sichern die
Formen plane und plange, ist auch planje anzusetzen? (cf. Kass.
§§ 30. 32); povel: 2653, 3; present ; prts ; pruoven; quater: 5116, 5
(= P. 179, 11), cf. sinke: 4212,5. 6026, 7 ; riviere: 1136,6. 2984, 3.
6061.7. 6094,1; roch : 3107,3 (cf. P. 408,29); solideren : 2721,7.
2743, 6. 3999, 2 ; schapel ; serpent : 3366, 6. 4509, 7. cf. 3366, 1 ; solt,
übersoldct : 4008,4, soldament , soldende (: sende): 4359,5 H (corr.?),
soldimiete (: diele) : 5980,4. cf. 5981b (40, 226) 1 , soldamenden : 1827, 6,
soldiere: 1322,2 (P. 677,17); tavelrunder (: sunder) nur 2325,4,
sonst stets tavclrunde im Reime sowohl, wie im Innern des Verses
**) Zu kyr vgl. Kassewitz p. iO.
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(ausser 1356, 4 H, mit leichter Corruptel); tschoie: 2116, 3 H.
5690,3 H und vor allem im Namen der Urrepansc de tschoie] fier ;
sendäl: 1418,7. 1677,3. 1717,3.
Vor Wolfram nicht belegt sind folgende Wörter dieser Gruppe:
eise : 4061,7 (cf. P. 167, 10. Wh. 449,6), vereisen: 5237,4; (/rät;
parliure : 77,2 (= P. 465,21); schonte ; sortiere: 5106,1. 5206,1.
6358. 1. 5786, 1. 5217, 3. 6324, 1 (stets von Kundrie = P. 319, 1.
312,27); terre] tragemunt: 2525,2 (= Wh. 438, 6); viele stf. : 4104,5
( : hailc). 4717, 5, und sicher zu emendieren : 2503, 6*) ; foreis, 282, 1.
303. 1. 423, 6, findet sich zwar zuerst bei Wolfram, aber Albrecht
hat die Form des Wigalois gewählt, cf. Wig. 178. Wolfram hat
foreist P. 176, 4, sonst forest (foreht ), cf. Kass. p. 93 ff. ; furrieren im
Sinne von parrieren, cf. unten p. 133.
Ganz aus Wolfram stammen auch die frz. Composita Albrechts :
bi&mis : 2234,1. 5038,5 (— P. 613,1. W. Tit. 59,1; cf. Trist.
2679. — beäfis u. s. w. siehe oben unter ftl. — dBmercie stf., 5699, 1, ist
eine Weiterbildung von dB (die) mertis P. 578,3, wie gramer eine,
Tit. 264,3, von gramertis P. 351,8, cf. Ulr. Trist. 2340. Vgl. gra-
marze (: Katekarze): Tit. 1986, 3. gramazien swv.: 1931,4. — malvi-
sinen, 6964,2, ist abgeleitet von Wh. 163,16: nid vesin (mp mal
visin). — piteinansier : 2616, 4 ( pitic vnd mansier AD.) = pitit man-
gels Wh. 103,24 (cf. Orl. 978. 6680. 11109. Heinr. Trist. 858);
vgl. bldmentschier : 699(6,32) 3 (cf. Georg 1913). — Wegen der
Formel ßllirois vgl. oben rois.
Dieser ganzen Masse der bis jetzt besprochenen französischen
Lehnwörter Albrechts stehn nur folgende gegenüber, die sich nicht
in Wolframs Gedichten finden: birse: 4884,1. birseit : 4802, 2; schon
Nib. Trist. Lanz. — burdünc: 4521,3 (vgl. 3867,2), cf. Lexer II,
206. Kass. p. 28. — garät stf. : 3804, 5. 5784, 1. 5 ; von Albrecht
aus der techn. Sprache genommen , cf. Lexer I, 738. — goudine :
1807,2. 2531,2, cf. Krone 3308. 3389. 3413. 3721 u. s.w. Lexer I,
744. — grande : 6048,3: klein und gründe (: lande), cf. Oswald 985.
Bei Albrecht möchte ich es lateinischem Einflüsse zuschreiben
(vgl. unten p. 131 Anm.), wie die ganz unfranzösischen Bildungen
Albrechts, grandiponte 5989, 3 u. Grandimonte 2025, 7, zeigen ; grande-
werre, 4062,7. 4193,7, auch in e. unecht. Liede Nitharts MSH.
3,281a. — hurtenier : 3737,6, cf. Frauend. 450,14; danach bildet
Albrecht brustenier : 4690, 5. — capitdnc , ausser 3054, 2 immer im
*) Schultz, Höf. Leben 1 1,389, conjiciert hier ptl von Teseal (= Thessalien);
aber diu viele von Tattac ist an diesen Stellen eine Nachbildung der faile tuoches
von Surin 1’. 301,28 {vale G. vel g , 302,1: vale G. eile g), und für Tescac vgl.
Tit. 1263,1: Tescac : lac.
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Reim auf plane: 2176,2. 2206, 1. 3070, 6. 4129(28,11) 1. Ist das
vor Albrecht nicht belegte Wort latein. Ursprungs? cf. Kass. p.
40. — mal im Wortspiele mit mal und bene : 5956 ff. ; zu 5957a
(40,192) 2: nach der mul criatiure, vgl. Alalaeatiure P. 517, 16 ff.
diu roup-mal-kumpanie : 2691,7. — Davon malte = hitziges Ge-
fecht: 115,8. 3490,4. 3670,7. 4236a (29, 8) 2. 4475,3. 4938,1
(cf. Georg 1343. Frauend. 83, 9. 499, 23. Orl. 6623). — mahlt :
237, 5 (cf. Ulr. Trist. 2161. Gute Fr. 3631). — noklier (afrz. nodicr,
Kass. p. 37): 2540,3. 3491,6. 5561,4. 5562,2 (cf. Ernst 2997.
4534). — oyme : 2533, 1H (cf. Eracl. 3802. Wigal. 6711). —
pareliercn : 2389, 3. 2793, 4 (cf. Lanz. 503. 5438. Kass. p. 19. 34).
— parle stf. (= Partei): 3402,4, Widerparte: 1829,7. 2206,2.
3916, 3 (cf. Türh. Wh. 161a ; Kass. p. 22). — schamelät : 1418, 5,
aus der techn. Sprache genommen, cf. Weinhold, Deutsche Frauen
420. — senkel: 1212,1. 5502,2, vgl. Trist. Alex. Meier. ; Wacker-
nagel, Umdeutschung* 58. Lexer II, 885. Kass. p. 110a. — schan-
ticren : 2786,2, als subst. Inf. (cf. Mhd. Wtb. II*, 84b) von Albrecht
in eine aus dem Willehalm entlehnte Phrase eingesetzt , cf. Wh.
34,6 — 7 u. ö. — tassel: 4404,5 (cf. Trist. Wigal. Mai. Krone;
Kass. p. 110b). — treskamber: 5205,2, in Nachahmung von Reinm.
v. Zw. 136,1. — ville: 5101,4. 5436,6, cf. Krone. Türh. Wh.;
Kass. p. lila. — formieren, wie forme, wohl lat. Lehnwort (cf.
Wigam. 4939). — forte: 4750(33,74)3 (corrupt?).
Dazu kommen dann noch ein paar selbstständige hybride Bil-
dungen Albrechts, die fast alle nur dem Reimzwang ihr Dasein
verdanken: hofieren: 1577,3 H, vor Albrecht nicht belegt; pran-
gieren (= prunken): 1683(13,63) 4; wedelieren: 4514,7*); lazzanje
(: planje ): 2181,4, von iaz ; brustenier , cf. oben hurtenier ; vereisen,
cf. eise.
Die geringe Anzahl von französischen Lehnwörtern Albrechts,
die er nicht mit Wolfram gemein hat, zeigt uns also Albrecht
keineswegs als selbständigen Neuerer auf diesem Gebiete**); auf
*) samclieren: 1927, 8. 4042.2. |4590,2. 6548,3. 5688,2 (samelie : 3438,7),
steht schon P. 270,18. Wh. 45,7. 362,2. 367,18; und wandilieren , Tit. 543,4,
schon Trist. 4804. 12072 (vertcandelieren : Tit. 1876,4. wandelte : 3302,6).
**) Dieses Resultat wird wohl nicht mehr umgestossen durch ein paar Fremd-
wörter Albrechts, die ich nicht zu erklären im Stande bin uud deshalb hier auf-
zähle: ariibiere (: viere): 412,4, cf. Zarnckes Anm. z. Gralt. str. 94. — balieren:
3232,5; cf. Lexer I, 115. — gebarület (: unerfület): 4289(29,66)4. — (Ithine (: gra-
merzine) : 264,1; cf. Lexer 1, 421. — dunzi{je (: Predlje): 1939(15,19)4. Es
vertritt Schoydelakurt in der entsprechenden Anspielung Wolframs, P. 583,26 —
27; vgl. frauz. doncel(e) (= dominicellus Du Cange 111 162c); dem Sinne nach
passte auch lat. dotmeihum. — gem&ne stf. (: cajnläne) : 4129(28, 11) 3H. —
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den Einfluss einer directen franz. Quelle Albrechts führt nun
ebensowenig die Zusammenstellung der zusammenhängenden fran-
zösischen Redensarten, die sich im Titurel Snden. Der Kampfruf
des Anfortas ist flirte Amor : 1973, 7. 2089, 1 ; er beruht auf P.
478,30: Amor was sin krie. — Ein paar franz. Grussformeln bringt
Albrecht bei der Aufzählung der italienischen Hülfsvölker des
Kaisers Lucius von Rom an, 4559, 6 — 7 : ir deti sal gar vergolten
wart in niht mit deo wart mal mi Are. Ich glaube, dass es durch-
aus verfehlt ist, auf Grund dieser Stelle die oben p. 74 f. aufge-
deckte Quelle Albrechts für diese Aufzählung der Hülfsvölker des
Kaisers Lucius , die er der Erzählung von Gottfrieds Chronik
selbstständig einfdgt, näher bestimmen zu wollen. Vielmehr
wird der gelehrte Dichter diese ganz einfachen Phrasen der Um-
gangssprache lwohl sonst irgend einmal gehört oder gelesen
haben ; hier holt er sie nur deshalb hervor, um der ganz ähnlichen
Stelle Wolframs (P. 351,7 — 8: swcr byen sey vende da sprach, gra-
merzis er wider jach) eine Variation an die Seite stellen zu können.
Die sprachlichen Formen unserer Stelle sind ausserdem , wie mich
Herr Prof. Stimming belehrt, recht problematischer Natur. — Eine
zusammenhängende , längere franz. Redensart haben wir nur noch
2533,5: malevaut altut est tnorle, cf. 5557,6: altut est morte , so
fluchen die Schiffer im heftigeu Sturme, malevaut soll wohl so
viel sein, wie mal event, aber al in altut ist überhaupt kein franz.
Wort. Ich erkläre es mir so: Albrecht hat dreimal die franz.
Redensart alaterre (= k la terre) : 2540, 4 Der noklir . . . begunde mit
freuden schrien „ alaterre “ = 5562, 1 — 2. cf. 780, 1 : Gcnigen ala-
terre sf, erde lande und lüfte. Aus diesem alaterre scheint sich
Albrecht einen unmöglichen frz. Artikel al construiert zu haben ;
pallitrieren (pallicieren AD.) : 6923(40,161)1. — parlieritten (: dritten): 2987,3
(von parlieren im Reimzwang?). — parribiere : 3630(25,286)6 (barbiere AD.). 4520
(31,69)4: paritdere (H barbieren). Es scheint eine Truppenart zu sein, wie pa-
telierre ; vgl. Schultz, Hilf. Lehen *11,199. — steh rinnen: 6045,3; im lat. Ori-
ginal nur progredient ; hängt es mit ravine zusammen ? — scheniecen (: verdrie-
ten): 237 (1, 160) 2 H. — rerdormen: 6148a (35, 156) 4; von dormir(e) ? — Orienta-
lische Titel bedeuten: accedine: 3247 (24, 184) 3 (atmerine AD.), atzidiere (.ziere):
S215, 5. — In der Sammlung von Speisen, Tit. 699— 599a (6, 33), sind, ausser
den aua Wh. 134,9 — 14 entlehnten Namen, noch mehrere mir unklare Fremd-
wörter, die aber nur die Gelehrsamkeit Albrechts auch nach dieser Seite in helles
Licht stellen. Sicher lateinischen Ursprungs sind wohl: teearje (: Pirhdarje)'-
6624 (39, 13) 7 (AD.: in ir parje) ; von cesariee? — erster ( : stetster) : 2052(15, 144)3
(zitester AD.) ; vgl. griech.-lat. cestros, der Breunstiel, Brennspatel bei der enkau-
stischen Malerei , x. B. Plinius 36, 149, cf. Georges I, 1031.
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vgl. 61G4, 6 : Montsaltätsch ul terre (= N. Sg.) , ebenso Maledic
alterte, das Land der verfluchten Galiotten , 2668,6 cf. 2779,1.
bona Vinalterre: 2048,3; endlich 5163,6: der ztcö und sibenzic
spräche alterre, und unser altut (= (le) tout?).
Die wenigen hier aufgezählten Stellen sind die einzigen zu-
sammenhängenden französischen oder pseudo-französischen Phrasen
im ganzen Titurel. Hätte Albrecht nur etwas eingehendere Kennt-
nis der franz. Sprache besessen, als er sie hier zeigt, so würde
er sicherlich nicht damit hinter dem Berge gehalten haben , son-
dern sein langes Gedicht gehörig mit frz. Redensarten gespickt
haben.
Ich möchte nun endlich noch , um alles erschöpft zu haben,
hier zusammenstellen, was Albrecht in den Eigennamen, die er
selbst gebildet hat, an französischen Elementen aufweist*): Albrecht
hat bei seinen eigenen Bildungen eine Vorliebe für Namen mit
klär- und flör-, die Lieblingsbildungen der mhd. Epiker überhaupt;
vgl. Clärisse Tit. 449 tf. Clärissilie 2805,1. Clärissäre 3483,1. Clä-
rissidän 2281,1. — Flörie von Kanedic (Tit. 1477,1 u. ö.) stammt
aus W. Tit. 148. 149. P. 586; Flörlne von Syrie (Tit. 1612,1.
1775,2) aus dem Wigalois. Aber Albrecht fügt hinzu: Floriane
von Talimon, die Gemahlin des Teanglis: 1775,5. 1797, 6 (Fibröse).
Der Name Flörischatiz ist gebildet nach Alischavz. Flöristelle, das
2. Schlachtfeld in Schionatulanders orientalischen Kämpfen, 3825, 1.
4044,6. Vor allem aber das Fürstengeschlecht in dem Blumeu-
lande Flördibäle (5703, 1 ff.) hat lauter mit flör- zusammengesetzte
Namen: Flördiprinze (cf. 5710,1: Der höhen fürstm bltiome), Alba -
flöre, Flör amte (cf. 8707,5: der bluomen friundin).
Von den drei Geliebten des Ferafis, Tit. 5295 ff., ist der Name
der Albaröse (5295,2. 5314,1) sicherlich nicht proven^alisch , soa-
dern, trotz der Berufung auf Kiot, einfach lateinisch (cf. Teil I,
p. 90) wie Klaudillc (cf. 5299, 1 — 2). Barbidele endlich (vgl. ebenfalls
p. 90) ist ein Name wie Barille (Tit. 90, 1 ff.) , also gelehrt-latei-
nischen Ursprungs ; wie sich denn Albrecht nicht scheut, ganz la-
teinische Namen, wie Bonifante (124,5), Bonifacie (5464,1. 6002,1)
u. Fenitvnze (415,1), die beiden Bischöfe auf der Gralburg, einzu-
führen. Das Vorherrschen des lateinischen Einflusses bei Albrecht
zeigt auch deutlich das Missverständnis von Munsalvwsche , bei
*) Wie wir oben p. 63 gesehen haben, geben die wilden Kamen der orien-
talischen Fürsten und Länder, Tit. XXIV, für unsere Frage gar nichts aus;
und in dem langen Verzeichnisse der Fürsten und Ritter auf Floriscbanze sind
die von Albrecht selbst gebildeten Kamen meistens ganz unfranzösische Neubil-
dungen, die nur im Klange zuweilen an wirklich franz. Kamen erinnern.
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Albreeht Montsalvätsche ; es ist der ‘wilde Berg = mont salvage’,
Albreeht aber fasst es lateinisch auf als ‘mons salvationis’ (Tit.
289. 499, 2 — 4. (5174, 5). Ebenso latinisiert er Wolframs Terre de
Scdvecsche zu Salvatcrra. Dass Albrecbt das französische Wort sal-
vätsche (— salvage, sauvage) wirklich nicht verstand, geht noch
deutlicher aus seiner Bildung Salvätsch de Campidonte (6866, 3)
hervor. Es ist der Name des Klosters, das Gailet und Ekunat
nach Schionatulanders Tode bauen. Dieses Kloster wird nun (Tit.
6863) auf den Rat des Trevrezent nicht in die Einöde gebaut, in
der dieser selbst hauste, sondern lierdan üf duz gevilde hiez erden
werden bowen üf die plane, dä sie der dürfte gerende mdhten finden.
Das drückt Albreeht aus durch : Campidonte (von Campus = gevilde,
plane), setzt aber ein Salvälsche davor, was widersinnig wäre, wenn
er die wirkliche Bedeutung dieses Wortes gekannt hätte. Er
fügt es hinzu , weil ja auch die Klause des Trevrezent Salvätsche
de Fontäne heisst (Tit. 6866, 1 = P. 452, 13. 456, 2 : Fontäne la
salvälsche). Fontsedväcie heisst bei Albreeht auch die 2. Klause
der Sigune (6464,3), die bei Wolfram keinen eigenen Namen bat;
aber vgl. P. 435,7 — 9. 804,10 — 11. Föreis Salvätsch heisst der
Gralwald Tit. 282,1. 303,1. Für den Namen Ekunats, de Sal-
väsch flürlen, hatte Wolfram selbst die Übersetzung von Binome
diu wilde gegeben; daher wendet sie Albreeht häufig im Wort-
spiel und in der Umschreibung für Ekunat an. So bleibt nur
noch Albrechts Bildung zer wilden Laborie (Tit. 5100,1. 5377,7
Laboräne) übrig , die einen Teil des Gralwaldes bezeichnen soll,
(5378, 1 — 2) durch daz man dä die steine eem tempcl meistic uorhte.
Laborie ist also von lat. laborare abgeleitet; in dem wilde könnte
man ja das Salvätsche der übrigen Lokalitäten des Gralbezirks
erkennen , aber es ist doch nach dem Übrigen nicht notwendig.
— Mäledic al terre, das Land der »verfluchten Galiotten“, (2668, 6.
2779) ist vom lat. malcdicere abgeleitet, cf. 2669, 1. Die verfluochten Ga-
liotten. — Genteflürs, der Sohn des Gurnemanz (= Schentefliirs P. 177.
195. 198. 214) , wird erklärt 2056a (15, 148) : Und Gcnte/lürs ein
bltiome der werden diel ee diute. Das ist wohl französisch , könnte
aber auch lat. Weisheit sein. Sicher französisch ist 5009 (35,16)4:
gein einem walde, der hiez Precilie pitimont de clüse (H . prctinwnt, AD.
picimoiit). Gemeint ist der bekannte Wald Brezljan. pitimont ist
gebildet wie pitipunt Wh. 232, 26. 302, 11, cf. var. ; wegen des zu-
gefügten de clüse vgl. P. 382, 24 : zer muntäne Clüse. Pitimont ist
bei Albreeht auch der Name einer Stadt, zu der das Gralschiff
auf der Reise nach Indien kommt (5989, 1 Plimonte H. 5995, 6) ;
sie erhält da den neuen Namen Gräles nach dem Gral. Ich er-
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131
innere endlich noch an die schon oben erwähnten Missverständ-
nisse Albrechts bei likonle, tschahtelakunte, beäkunt u. a. in.
Das Gesamtbild, das sich aus all diesen Zusammenstellungen
ergiebt, ist also, dass Albrecht von der französischen Sprache nur
sehr oberflächliche Kenntnisse besessen hat. Er zeigt nirgends
Vertrautheit und Selbstständigkeit in der Anwendung der franz.
Sprache, sondern er hat seine franz. Fremdwörter sowohl, wie die
zusammenhängenden Redensarten, die er an ein paar Stellen bringt,
nur aus den Werken der früheren mhd. Epiker, vor allem aus
Wolfram, geschöpft. Auch das Resultat dieser Untersuchung führt
uns also dazu, eine franz. Quelle Albrechts überhaupt zu leugnen*).
Provei^alisehe Spuren haben sieh mir überhaupt nicht ergeben.
II.
Dem Capitel über die Wortwahl schliessen sich am nächsten
an eigentümliche Wortbildungen, die wir nach Wolframs Vor-
gänge bei Albrecht wieder finden. Wolframs Sprache ist nach
dieser Seite noch wenig durchforscht; was Boetticber a. a. 0.
p. 32B— 329 auf Grund der vorangegangenen und seiner eigenen
Untersuchungen zusammenstellt , ist für einen so eigenartigen
Dichter wie Wolfram doch wirklich etwas dürftig ausgefallen.
Damit ist auch unserer Untersuchung eine gewisse Beschränkung
auferlegt.
Das auffälligste Beispiel der Neubildnng eines Subst. bei Wolf-
ram ist erbarme stf. : P. 465, 8 (im Wortspiel mit erbarme = Conj.
des Verbums); cf. Wh. 2,30. 454,28 (erbärme P. 171,25. 214,2).
Albrecht hat erbarme selbst 396, 4 (aber cf. Zarncke, Gralt. str.
93) , ausserdem aber eine sehr reiche Fülle von andern , ganz
*) Ein wesentlich anderes Resultat würde die genauere Untersuchung der
lateinischen Fremdwörter Albrechts ergeben. Nicht uur Ubertreffen bei ihm die
lat. Fremdwörter ihrer Zahl nach die französischen um ein Bedeutendes, son-
dern sie geben auch der Diction Albrechts überall da, wo er selbstständig
auftritt, ihr eigentümliches Gepräge ; man vergleiche als abschreckendes Beispiel
str. 647 unter all den schönen Wolframschcu Strophen. Nachahmungen Wolframs
fehlen natürlich auch hier nicht, aber dafür geht Albrecht in der selbstständigen
Verwendung des Materials der lateinischen Kirchen- und Gelchrtensprache weit
über Wolfram hinaus. Wir finden im Titurel zwar nicht viele zusammenhängende
lat. Redensarten, denn die verbot der Stil des epischen Gedichtes selbst Albrecht,
aber dafür eine Fülle von seltenen lat. Fremdwörtern, meist gelehrter Natur,
darunter mehrere Neubildungen Albrechts , und sehr viele flectierte lat. Formen.
Ja, streiten sich bei einem Worte französischer und lateinischer Einfluss, so
dürfen wir für Albrechts Empfinden immer eher an das Lateinische, als an das
Französische denken.
9 *
132
nach dem Muster von erbarme mit dem Suffix -e direct von einem
Verbum (oder Adjectivum) abgeleiteten abstracten Femininen. Zu
erklären sind diese Bildungen durch ihre bequeme Verwendbarkeit
im klingenden Versschlusse ; sie sind dem gleichen Bedürfnisse
entsprungen , wie die zahlreichen , mit dem Suffix -e direct von
Verben abgeleiteten Adjectiva auf -c, bei denen sich Albrecht die
kühnsten Bildungen gestattet.
An Wolframschen Neubildungen von Verben aus Substantiven
finden wir bei Albrecht folgende wieder : hcrren unde frouwen,
P. 128, 24, steht Tit. 83, 3 — 4 u. 318,4 in der Bedeutung: zu Herrn
und Herrin (Mann und Frau) machen. Dagegen ist diese Formel
soviel wie hcren unde vrouwen (= her und vrö machen , vgl. auch
die aus Freidank entlehnte Ableitung des Wortes freude von frouwe
Tit. 1953,6 — 7): 2331,3. 6052,4. 6163,7; doch ist eine wortspie-
lende Beziehung auf die erste Bedeutung auch hier sicher anzu-
nehmen, cf. Zarncke, Gralt. p. 476 z. str. 318,4. — Albrecht geht
in ähnlichen Bildungen selbstständig weiter : 4257, 1 : Der was
noch kleine knabcnde ; cf. (ge-)mannen (2218,1. 4854,1. 5549,2), das
schon bei Türh. Wh. 160 b. 254c. 255b und bei Reinm. v. Zweter
vorkommt (ed. Roethe 101, 9: ir mannet! lät vrön Leen uiben I) —
gelibet : 5547,2: der ist so stark gelibet. — logen swv. : 370, 7. 6107,2.
6206i (41, 78)2. — geboumet: 3863a (27, 47) 5. — geneidet: 1742,3: ich
st inne oder geneidet . — beiden : Mlb. 13,4: Marten lop sich heidet mit
mägden vil manc tiiscnt. Die Vorlage hat: die meide, die sitit bi
dir tif der beide ; cf. Zarncke , Gralt. 518. — hellen : 152, 5 : von
der dä menschen könne wirt gehellet, und sonst sehr häufig. Der
Gegensatz dazu ist paradisen: 95,5. 187,3. 349,4. 519,7. 548,7
u.s. w. ; dafür steht himelrichen: 494,1. himeln: 2356,5; cf. Wart-
burgkrieg MSH. III, 174b 4: sie mögen mich gcliimelen noch gehellen.
— gewännet: 4413,1: Din eierde wart gewännet (: besännet). — Al-
brecht eigentümlich ist auch die Verwendung der in anderem
Sinne schon geprägten Wörter betagen und benähten : 5439,4: sie
kan von herzen riuwen umb uns ze guote betagen noch benähten u.
3343, 4. — geicitcrt und gesunnet : 5725, 3— 4 . — gefremdet : 1409, 2 : und
ie sin dventiure ist jeerlich gefremdet durch uii/wer wunder stiure (=
wunderbar, reich an Wundern gemacht). — Von zusammengesetzten
Substantiven sind abgeleitet: zehenvidten : 2611,4. hunderttüsent-
valten : 385, 7. mangerleien : 332, 7. 637, 4. 1629, 5. t Izgesumertockt :
1959,7 (cf. sumerlocke 5166,4). bekldr i funkelt : 4099,4. verkarfunkelt :
4826, 3. vertegelicltet : 1892, 5.
An beliebten Compositionen Wolframs finden wir folgende
im Titurel wieder:
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133
Von den zahlreichen mit under- zusammengesetzten Verben
gebraucht Wolfram eine Reihe als Variationen des Verbums «n-
dersniden in der bildlichen Bedeutung von portieren. Ebenso
Albrecht: uttderblenien : 1456,2, cf. 2728,5. undermengen : 377,7.
3715,4. undermeezen : 3328,6. undersetzen : 1195,5. 4328,7. undcr-
stözen : 675,3. 4840,3. 2796,4. understrewen : 353,4. undervähen :
378,2. 877,2, cf. 853,3. undervachen: 4818(33,145)3; cf. undertwäle:
2275,7. undersniden selbst kommt nicht vor; parrieren nur einmal:
960. 5. furrieren (cf. Kinzel a. a. O. pag. 36) öfter, noch ganz sinnlich
gefasst: 887,2. 1108.4. 1418,7; bildlich dagegen: 2202,5 und in
Nachahmung von W. Tit. 138,2: 3682,4. 5115,7. 5391,2.
Eine stattliche Anzahl von Neubildungen hat Wolfram bei
den mit sunder- zusammengesetzten Substantivis, vor allem im Wh.
(vergl. die Aufzählung bei San -Marte, Parz.-Stud. III, 232 ff.).
Albrecht folgt ihm getreulich , jedoch ist nicht immer mit Sicher-
heit Composition und adjectivischer Gebrauch von sunder zu unter-
scheiden *).
Die Adjectivbildungen auf -lieh (-liehe) sind im Mhd. überall
sehr verbreitet, Wolfram hat aber vielfache eigentümliche Ver-
wendungen und Neubildungen solcher Wörter ; cf. Förster p. 25 f.,
Boetticher p. 326 f. Was ich bei Albrecht an Nachahmungen
dieser Wolframschen Art und an eigenen Neubildungen finde, sei
hier im wesentlichen zusammengestellt : arbeitlkh (trotz Boett.
p. 325 unten) : 4097, 6 : von arbeitlicher tuvte ; cf. P. 334, 2 , öfter im
Barl. Pass., die es aus Wolfram nehmen ; cf. Tit. 5689, 4. — betwun-
gcnliche : 798, 7, cf. P. 745, 24. — bliclkh : 5917, 7 = W. Tit. 106, 4.
W. Lieder 7,17. — hei flieh : 5982a (40, 228) 7 (cf. Barl. 98,5), bei
Wolfram häufiger. — hungerlich: 1349,1, cf. Türh. Wh. 155d. —
muottiche (= mutig) gebären 1690, 7. 3145, 3 : tu. lebende ; oft im Lo-
hengrin. — under schiltliehcm dache : W. Tit. 71,4; Tit. 1320,2.
1895.5. 1914,6. 2874,6. 4366,6. 5062,7. 5844,6, cf. 5525,7. —
sturmlichee hurten : 828, 6 , cf. 4282, 4. 5746, 7. Ernst 1975. Trist.
*) sunder-ere: Tit. 4299,5. -glast'. 380, 5 (cf. Wh. 14,9). -glizen: 1706,7 (cf.
Wh. 898,10). -gruoz\ 4252,4. -harzen: 1457.6. -klage: 1001,7. 4310,5. -kleit :
1108.6. -kost : 370,2 (cf. sunderricheit Wh. 30,5). -krie : 832, 7. 841,7. 8065,7.
3941, 3 (cf. sututerruof Wh. 344,6). -kröne : 8358,6. -küssen : 1410,6. -laut:
3353.6. 3374,7 (cf. P. 737, 1. Wh. 30,5. 106,15. 401,10). -lön : 1613,5. -lop:
2330,2. -nuere: 393,2. -marke : 2830,4. •im'tme: 2551,7. -palas: 3337,3. -rotte:
1704,1 (cf. P. 618, 8. Wh. 814,7. 393,29. 412,16). -schar: 1703,7 (cf. P.805,25.
Wh. 239,2. 372,2). -schowen: 1695,1. -smerze: 6166,7. -spähe: 376,7. -strenge:
1727, 7 . -strilen: 3362,3. 4633,1. -tat: 841,6. -trähte: 1793,1. -iräpen: 3722,6.
3727.6. 4634,7(7) (cf. P. 216,18). -t eirde: 4253,4.
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961 (adv.) — 3818,2: der urteillichen stunde, cf. urteilt! eher tac'Wh.
13.4. 134,33. 462,23. 464,25 u. 402,14. Türb. Wb. 180a; ausser-
dem P. 210,28. 288,2. — 1567,3: in vanclicher eiihte, cf. gevangen-
Uche Wh. 159, 29. gevancUch Reinfr. 25112. 26741. — unter gezeenlich'.
1518,7 (cf. P. 811,7. Wh. 309,11). — 813,4: in fluhtlichem schalle,
cf. Krone 10708. Licht. 411,25. — wancliche : 2457,7, cf. W. Tit.
97.4. — 5744,4: unter xvdpenlichem kleide, cf. P. 761,25. Wh. 31,25,
schon Nib. 1634,3. — weinltch : 1058,4 = Wh. 252,27 (cf. mop),
cf. Lanz. 5262. — wortecliche : 46,4, cf. Renner 13663. — 4604,7:
mit jeeptcrlichem tröne. — Besonders merkwürdig : 809, 5 : von hdl-
scharlicher täte vorhte — Wh. 236,17, cf. P. 292,4. — heimvart-
liclr. 6780,7.
An einzelnen Zusammensetzungen kann ich noch anführen :
abereürnen : P. 463, 1 (vgl. aber P. 798,3); danach bildet Al-
brecht : dberhazzen : 2253, 6, und aberdrewen : 1862, 3. Nach dem
Muster von darkunft , Wh. 249, 24, und dankere, Wh. 222,22, hat
Albrecht gebildet: darhere stf., 413, 7, und dannekere: 1557,1. Vor
Wolfram findet sich dannekere schon bei Heinr. v. Melk, Priester-
leben 89; später Crane 9999. — Ähnlich ist gebildet: mitestn stn. :
Tit. 4583 (31,132)3 AD., cf. Mystiker 2,253,33. — Moldau stm.
(= uol dan), aus Wh. 90, 12. 96, 23. 236, 5, Tit. 2978, 6 : den Mol-
dau rifen , cf. 4686,4. — altutse , P. 109,13: ein altuiser man (cf.
P. 358, 27) , Tit. 914, 1 : Ein altxcise beiden, wohl auch 595, 1 ; aber
vgl. 1712,7.
m.
Von der Betrachtung der Wörter an und für sich, nach Wort-
wahl und Wortbildung, da wir die Formenlehre bis auf weiteres
übergehn müssen, gelangen wir jetzt zur Darstellung der Regeln,
nach denen sich die einzelnen Wörter zum Satze zusammenfügen,
und denen die einzelnen Sätze in ihrem Verhältnisse zu einander
unterliegen. Für die Syntax Wolframs fehlt noch eine zusammen-
hängende Darstellung , wie sie z. B. Otfrieds Syntax durch Erd-
mann zu Teil geworden ist; eine grosse Anzahl von Specialunter-
snehungen, die unglaublich verstreut liegen , bedeuten erst einen
kleinen Anfang zu der umfänglichen Aufgabe.
Von bemerkenswerten Structuren Wolframs, die die syntac-
tische Verwendung der einzelnen Wortkategorien im Satze be-
treffen, haben wir bereits Cap. I einige aufgeführt. Sie bezogen
sich auf Stellung und Flexion der Adjectiva, entsprangen aber
alle einzig und allein dem Reimbedürfnisse Albrechts.
Eine andere Gruppe von syntactischen Structuren, hat Wolf-
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135
ram mit den Volksepen gemeinsam; sie fallen unter denselben
Gesichtspunkt wie die oben behandelten s. g. „unböfischeu“ Wörter,
cf. Jaen. p. 27 — 28. Die appositionelle Nachstellung des artiku-
lierten Adjectivs ist schon Cap. I erwähnt. — Zum schwach flec-
tiertenPron. poss. tritt der Artikel (J.s Schema: die dhun not)-. Tit.
82, 7 : daz sin geslelde. 562a (5, 80) 3: der sincn mclodien. 566,4 (sicher
zu erschlossen) : der tninen f rühte. Ferner 1032,4. — 2518(19,119)2
AD. 2586 (20, 63) 7 AD. 2651,3. Diese Construction ist in der
Überlieferung vielfach verwischt worden. — Ein Eigenname im
Genetiv wird zwischen Artikel und Subst. eingeschobeu (J. der
O&wdnes munt): 495,1: Das Titurels gesichte. 942,4: dm Gainu-
retes munt.— 2548, 5. 2650,6.2841(22,71)6.-5557,4. 5786,4. —
Ein Eigenname im Genetiv folgt direct seinem artikulierten Nomen
regens: (J. der hruoder Liäzen) ; bei Albrecht sehr häufig: 415,2:
der hruoder art Parillen. 883,6: daz hemde Herzelöuden. 2673,2.
4120.1. 4148,5.4159,6. 4171,2. 4502,2; cf. 4538,6. 5301,1. 5523,5.
5786,5. 5993a (40, 247) 2. 6206,3. — Dass der Artikel in die Mitte
zwischen Substantiv und abhängigem Genetiv tritt (cf. Paul, Mhd.
Synt. § 191), findet sich bei Wolfram noch nicht, aber sehr oft
bei Albrecht, der damit ein Zeugnis für das rein silbenzähleude
Princip seiner Metrik ablegt: 1580,6: gezelt daz Gumuretes. 3611,2:
fruht diu Ackerincs = 3997,2; ebenso 3671,6. 4139,2. 4314,6.
4453.2. 4582,6. 5879,7. 6025,3. 6205,1-2. 6206n (41,82)2; zu er-
schlossen : 3846, 6.
Dass Wolfram eine Vorliebe für die substantivierten Infini-
tive hat, um damit Abstracta zu bezeichnen, hat Boetticher p. 314
ausgesprochen. Dass substantivierter Infinitiv und abstractes Sub-
stantiv als gleichartige Worte coordiniert werden (P. 779, 16),
einen, nach Grimm Gr. IV, 260, Lachm. zu Nib. 1,3, sehr sel-
tenen Fall , finden wir bei Albrecht mehrfach ; doch geschieht dies
bei ihm nicht, wie bei Wolfram, aus einer Vorliebe für die sinn-
liche Verbaluatur, sondern es ist bei ihm die reine Unbeholfenheit.
Man vergl. Mlb. 22,4: und darinne wunder sehen und ha-ren und
lob der magt. 866,4: daz ein durch konreie, daz ander von dem wal
die töten lesende , daz dritte durch nuere. 1410,6— 7. 3505,5 und vor
allem 246, 3 — 5 : daz eine kiusche in jugende , daz atidcr ist der de-
müctic riche , daz dritte liden armuot mit gedulde.
Über die Albrecht so ausserordentlich geläufige Verwendung
des Part. Prs. mit der Copula sin oder werden zur Umschreibung
des Verbums finitum vgl. Cap. I. Eine andere Verwendung des
Part. Prs., die Albrecht aus Wolfram herübergenommen hat, ist
der formelhafte passivische Gebrauch des Part. Prs. einiger we-
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136
niger Verba, wobei man auch an eine Pereonificierung des mit
dem Part, verbundenen Substantivs denken kann. Das häufigste
dieser Participien ist klagende. Albreeht verbindet es hauptsächlich
mit leit, not, ptn, riuice ; ferner mit: leieh: 562a (6, 80)5. munl :
5138,4. säte: 5946,7. sitz: 515-1,3. sorge: 1083,4. stimme : 5143, 7.
stccere : 1237, 6. triutcc: 2065, 7. frcise : 5431, 3. teeine: 3744, 7. teilte:
4256,3. teort: 1073, 5 (cf. P. 514,24). — schämende zuht: 1599h
(12,106)6. riutcc: 4276,4. vartce : 5576,6. — ir hehide reise : 3580,7
(cf. P. 466, 20). gehende st iure: 1897,1. 5957a (40, 192)4, cf. gebende
haut (= Freigebigkeit) Wh. 135,18. Tit. 5597,3. 4288,2: mit tödes
gebendem snterzen. gernde gunst : 1956,3. mit grabender lüttste: 553,2.
siner körnenden reise : 2682, 7 (cf. Wb. 135, 22). habenden grünt : 2543, 4.
in Sitten lebenden stunden: 6155a (41, 15)2, cf. 969,7. 5347,2. senede
not: 1007,4. 1396,4. 2331,3. 5160,4. ton tobender tiuhte: 2321,7.
ir aller eogenden reise (= Acc. Sg.) : 1960, 2. von der suntten höch
üfnemender gönnte (cf. P. 490, 3. Tit. 4462, 4).
Das Part. Praet. gebraucht Wolfram ein paar mal, um den
absoluten Verbalbegriff auszudrücken, z. B. P. 212, 19: sic gctcunnen,
sic vcrlorn, icart sunder dä mit strite erlorn ; cf. Grimm Gr. 111, 534,
Boett. p. 303 oben. Für die mhd. Spruchdichter vgl. die Zusam-
menstellung Roethes, R. v. Zweter, p. 288 u. Anm. 335. Bei Al-
brecht finden wir: 596,6: der junge g etc an nie grözer schade an Ube
danne über lanc gestanden. 1548, 7 : stcaz ieman und er harnasch kan
erstriten , dass ist ein spil mit tocken dä gein ersehinet blitz an allen
silen. 3613,3—4: der handelttnge . . . diu dä heizet minneciich gesellet ;
vgl. 3735, 7. 4897,6. 5393,4. 5781b(40, 15) 5, ferner 2960, 4. 6692,1.
In dem Verhältnisse der einzelnen Satzglieder zueinander, so-
wie in der Verknüpfung von Sätzen und Satzgruppen beobachten
wir bei Wolfram in einer Reihe von Fällen eine Vernachlässigung
der strengen grammatischen Regeln zu Gunsten einer freieren lo-
gischen Behandlung. Diese Neigung äussert sich innerhalb eines
Satzes in der Vernachlässigung der Congruenz von Subject und
Praedikat ; im zusammengesetzten Satze z. B. in der lockeren Be-
ziehung des Pron. relativum, sowie im Gebrauche von und als hy-
pothetischer Conjunction ; beim Zusammentreffen zweier Sätze vor
allem im &jtb xoivov, sowie in wirklichen Anakoluthien , die durch
das Zusammenflüssen zweier Satzgebäude entstanden sind , im
plötzlichen Wechsel des Subjects und verschiedenen Attractionen ;
im Verlaufe der Rede in dem plötzlichen Übergange aus der oratio
directa in die oratio indirecta. Wolfram hat alle diese lockeren
Fügungen mit dem Volksepos gemein; bei beiden beruhen sie auf
derselben Voraussetzung, der Freiheit des bequemeren mündlichen
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137 —
Ansdruckes, während das Schreiben derartige Freiheiten der Rede
verbannt. So finden wir z. B. das dttb xotvov bei Ulr. v. Lich-
tenstein wieder, der wie Wolfram des Schreibens unknndig war
(cf. Haupt zu Er. 1 6414 p. 391 u. s. w.). -Wenn wir nun bei Al-
brecht, der, nach all seiner Gelehrsamkeit und vor allem nach
der Composition seines Gedichtes zu urteilen, sicherlich lesen und
schreiben konnte, alle diese Freiheiten der Rede wiederfinden und
sie in seinem umfangreichen Gedichte mit zahlreichen Beispielen
belegen können , so sind sie bei ihm nicht mehr unwillkürliche
Äusserungen des an die lebendige Rede gewohnten Dichters, son-
dern beabsichtigte, Wolfram nachgeahmte Constructionen. Sie
mussten dem Nachahmer, der nach Eigentümlichkeiten der Wolf-
ramschen Diction ausspähte, am ehesten in die Augen stechen und
eben wegen ihrer Auffälligkeit in der schriftlichen Fixierung sein
Wohlgefallen erregen. Dass sie ihm ausserdem bei seinem com-
plicierten Strophenbau mitunter recht gute Dienste leisten, ist ein
zweiter Grund ihrer häufigen Verwendung.
Der leichteste Fall der Incongruenz von Subject und Praedi-
kat im Numerus (cf. Boett. 284 — 86) ist die Verbindung eines sin-
gulären Collectivbegrifi’s mit dem Plural dos Verbums: Tit. 2299,
1—2: Nü wurden Übereogende von Marroch dag gesinde. 2346,4:
diu meiste menige woldes jähen. 2544,1—2. 4463,3 — 4. 5246,6 —7.
6866,4. Als Colleetivbegriff gilt auch manec: 963,5—6: manic
werdet sarrazin in liehter wate im vdlgten alle klagende. 2516, 4 — 5.
4071,3 — 4; ferner sicae mit dem Gen. PI. von Personen, z. B. 195,
1—2: Swae sich von TiturcUe der heulen ie getauften ; so auch 1901,
1 — 2 : Lehelin selbander, die wollen hie beliben (cf. 1908, 1 — 3. 1897, 4) *).
Nach diesem Muster bildet sich Albrecht mit gewagter Attraction
eine eigentümliche Verwendung der mit selb zusammengesetzten Ordi-
nalia, die Zarneke (Gralt. p. 486) „verständlich, aber grammatisch
barock“ nennt; vgl. 362, 6— 7: Johannes was des dritten köres herre;
selb ewelfte siner geverten gehtiset luten bedenthalp niht vert e. 277, 2 :
Er ist ein ar , ein trache , selb sibend sind sie pflegende , cf. 810, 3.
3459, 1-3. 3615 (25, 220)3—6.
Häufiger und auffallender ist die Verbindung eines Plurals des
Subst. mit dem Singular des Verbums. Die Constr. ist erklärlich,
wenn sich der Plural als eine collective Einheit zusammenfassen
lässt, doch ist das bei vielen Beispielen Wolframs und Albrechts
*) Ein solcher collectiver Singular wird durch ein Relativum im Plural wie-
deraufgenommen: 5354, 2 — 8: dt» geslehte » , die nie trotten. 78,6 — 7. 113,4—6.
987,2—3. 2679,3 — 4 . 2714, 3 — 4 . 2744,4—5: vit maniger, .. die einer kraft in
sorge wären. 2676, 1—2.
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nicht mehr möglich. Das Verbum wird in allen diesen Verbin-
dungen gern vorangestellt. Vgl. Tit. 1107, 3 — 4: Von Aräbi üz
pfellen wart im und Sitten gesellen gesniten klcii (Heil ist Plural, cf.
1108). 2848,1: Em het für schimpf genuoge, cf. 3717, 1 — 2. 4849,
3— 4 (corr.?). 1459, 3-4. 3954,3—4. 4085,4—5. 4531, 3-5. 5842,
6 — 7. Nach dem Vorbilde von P. 104, 17 verbindet Albrecht den
PI. ougen mit dem Sg. : 198,5. 958,5. 1325,5. 1752,3 — 4. 3059,1.
5287,2, cf. 251,6 — 7. Statt des Subst. im PI. tritt ein ganzer Satz
ein: 1921,3 — 4. 4255,6 — 7. Als collective Einheit fassen Wolfram
und Albrecht nicht nur die ursprünglich substantivischen Zahlwörter,
wi e hundert, tüsent, sondern jedes beliebige Zahlwort; das zugehörige
Subst. tritt dann zuweilen in den Genetiv ; cf. Tit. 594, 2 (100). 2148, 1
(12). 3718,5 — 6(4). 366,1(3). 2751,3(4 + 3). mancc tüsent c. Sg. Endet
sich z. B. Wh. 66, 26-27. Tit. 2655,3. 2923,1—2. 4128,5. 4235,7.
3863a (27, 47) 4. Sonstige Beispiele sind : 86, 4. 831, 1 — 2. 1390,3 — 4.
1502,6—7. 1632,1-2. 1738,4. 2140,5 u.s.w. 4322,1-2 (= 4+3).
387,5(3x2), cf. 2999, 1. 5623,1. — Hierher gehört auch vil mit fol-
gendem Gen. PI. eines Subst. Albrecht gebraucht es fast nur mit dem
Sg. des Verbs gemäss der alten , eigentlichen Bedeutung des
Wortes. Ebenso construiert er uenic: 243,7. 1978,2. Meine: 906
4- 5. 3411,1—2. 6133,5. wer: 1984,1. 2275,1—2. 3688,4. icaz
(stcaz) (cf. oben p. 137): 301,3. 1791,6—7. 3047,1. 3063,4. 3354,5,
3598, 1. 4122,6-7. 4132,4. ungezalt (cf. Wh. 340,28): 810,6—7:
ob amazzür und eseelier und emeräl iht ungezalt beltbe, cf. 3072, 7. Sonst
ist ungezalt im Tit. stets Adjectiv.
Die Verbindung zweier Substantive im Sg. mit einem Verbum
im Sg. ist nicht gerade auffällig ; cf. Grimm Gr. 4,198. Vgl. nur
Tit. 460, 6 — 7 mit Üb.W. (H.) 39 — 40. Viel seltener wird der Fall
schon , wenn eins dieser beiden Subst. oder gar beide ira Plural
stehn (cf. Grimm 4, 290). Auch davon giebt Albrecht mehrere Bei-
spiele : 251, 6 — 7 : wie dicke im liebte ougen und munde rot die mimte
künde erwecken. 329,4—5. 414,4 — 5. 3564,6 — 7. 3754,6 — 7. 4067,
1—2. 4250,4 - 6*). 4187,5—6.
Eine lockere Form der Verbindung von Haupt- und Nebensatz
bezeichnet unde , wenn es Bedingungs- oder Relativsätze einleitet.
Dieses ursprünglich nur coordinierende unde gehört dem Volksepos
an, von den höfischen Dichtern hat es nur Wolfram ein paar Mal.
Bei Albrecht leitet unde einen hypothetischen Satz ein: 129,4.
*) Der gröbste Fall der Vernachlässigung des grammatischen Verhältnisses
ron Sg. und PI. im Titnrel ist die Verwendung des einander 5178, 2; sie erinnert
an die gleich harte Vermischung von act. u. pass. Construction 2171, 1—2.
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328,7: so tceer mir not , und wtrr ich bat versunnen. 401,4. 889,7.
— 2663,1. 2671,5. — 5963,7. 5984,7 u.s. w. ; einen Relativsatz, der
oft einen Temporalsatz vertritt: 298, 1. 321, 2. 486, 7. 577, 5. 908, 4.
5726, 4. 5780, 6. 5843, 6.
Eine Vernachlässigung der Congruenz des Relativpronomens
mit dem Worte, auf welches es sich bezieht, haben wir schon oben
p. 137 Anm. constatiert. Nun giebt es aber eine Reihe von Fällen bei
Wolfram, in denen das meist vorausgeschickte Relativum überhaupt
keinen Bezug erhält, sondern der Dichter fortfährt, als wenn er
mit einem Conjunctionalsatze begonnen hätte; z. B. P. 127,26 — 28,
cf. Paul, Mhd. Syntax § 346. Albrecht liebt diese Construction sehr,
weil sie ihm vielfach den langgestreckten Bau seiner Strophe er-
leichtert ; 56, 6 — 7 : vgl. der mir die niht cntsetect , so teil ich lip und
leben sust behalten *).
Ein der Schriftsprache gleich fremder Fall von plötzlichem
Wechsel des Subjects findet sich bei zwei durch einfaches und coor-
dinierten Sätzen, indem aus dem ersten der beiden irgend ein an-
derer Begriff, als das Subject , herausgenommen und im zweiten
Satze als Subject gesetzt wird ; cf. Paul, Mhd. Synt. § 345a 3. Wolf-
ram gestattet sich diese Construction öfter, und Albrecht giebt viele
Beispiele: 175,4—5: diu ntinne, die nieman sihtic wesende üf erden
ist unt vert dorh mit gewalte. 264,3—5. 503, 6 — 7 : hat in der touf
begatten und ist ddbi an tagenden unverhowen. 531,1 — 2**).
Die wichtigste hier anzufiihrende Erscheinung bei der lockeren
Verbindung zweier Sätze ist aber das s. g. ixb xoivov. Wolfram
hat diese alte, in der Volkspoesie noch ganz geläufige Fügung
mit grosser Freiheit angewandt, wie es die schöne Sammlung Haupts
zu Erec* 5414 zeigt. Den übrigen höfischen Dichtern ist das dnb
xoivov wenig geläufig, bis auf Ulrich von Lichtenstein, der wieder
Wolfram folgt. Albrecht hat viele Beispiele dieser Form: Die meisten
gehören zu der ersten der von Haupt aufgestellten Unterabteilungen.
Ein Subst. ira Nom. steht (eno xoivov zwischen zwei Satzglieder
eingeschoben: 206, 2 — 4: das in vil gerne sähen die werden tcol ver-
*) cf. 4,1. 41, 1—2. 291, 1 ff. 315, 1 ff. 354,7. 600,5-7. 630,3. 939.4.-
2707,6—7. 2729,8—7. 2756,4 2910(22,140)6-7. 2960,6-7. 2967,3. — 5617,6.
5626,2-4. 5651,3—4. 5818, 1 ff. 5835, 1 ff 5907,8. 5915,6-7.
**) Ebenso 803, 1-8. 1113,3-5. 1455e(U, 117)7. 1461,3-4. 1477,6. 1487,6.
1542.5. 1835,7. 2200,7. 2370,1—2. 2442,4. 2497,4. - 3073,5. 3184,1. 3205,7.
3607.5. 4056,5. 4147,4. 4606,5. 4659,2. 4715,6-7. 4782,4—5. 4955,4. 4978,2.
6032.5. 5043,5. 5329,5. 5498,7. — 6198,1 — 2. Zuweilen lässt sich diese Con-
struction durch die Annahme einer Parenthese erklären, *. B. 4956,4. 916,5 — 7.
374, 3-6.
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140
sunnen im s6 vil der ganten tagende jähen. 435,2 —4: und wart nie
kiinic sd riefte noch keiner sin genöte nie Invilde enphiene so tecrdicliche.
450. 4— b(die junge Z. 5 zu streichen!). 1437,4 — 6. 1936,4 — 5. 2580
(20,63)3 — 4. 2965,1 — 3. 2979,1: Ein velt , hiez Plenanze , därüf
u.s. w.*). 3550,4- 5. 3669,7—70,3. 4089,3. 4131,4- 5. 4897,3—4.
490!) (34, 55)7 ( der in H zu streichen!). 5948(40,181)1 — 3 (zu er-
schlossen). — Das eingeschobene Subst. steht im Acc. : 959, 5 — 7 : dä
du in kummer stieze den cdeln fürsten kleinen von dir in sollte freise
varcn lieze\ ebenso 1120,6 — 7. 4186,3 — 4. — Das eingeschobene
Subst. ist zugleich Acc. und Nom. : 62(68)4—5: iedoch min sin (wol)
merket dtn kraft für alle crefte wunderzeichet (wenn nicht nnch Wb.
2, 18 ein dich einzuschieben ist). 5802, 4 — 5: sd sie mohten viht er-
langen daz seil vor siegen sicher was dä schöne. 4562, 5 — 7 (freiere
Stellung!). — Ein Verbum steht äxb xotvov : 4797,4 — 5: durchriten
vil der teile haben wir den anher vil gesuochet. 3988, 3— 5 : erbrächet
diu tjost von den die hurticlich gebären künden dä der drunten vil
verswingen. — Eine adverbiale Bestimmung: 4509,3—5: er weer tn
zorne lebende noch scherf er t/an ne krön mit dem kressen hol sin stimme.
Haupt fügt am Ende seiner Aufzählung ein paar Beispiele
von nachlässigen Constructionen Lichtensteins und Wolframs an,
die sich mit dem äitb xotvov berühren ; cf. P. 683, 19 — 23. An sol-
chen freieren Verwendungen des äno xotvov , die schliesslich in
offenbare Anakolutbien ausarten, ist Albreeht auffällig reich. Wir
dürfen hier nicht mehr von absichtlichen Nachahmungen Wolframs
reden, sondern haben in diesen, oft recht harten und dunklen Con-
structionen ein Zeugnis für die mangelhafte Durchbildung und die
Schwerfälligkeit von Albrechts Sprache zu erkennen. Am nächsten
an das uxo xotvov schliessen sich noch folgende Fälle an : Tit. 1107,
4 — 7 : daz in keinem lande nicman bezser wät erziugen möhte danve
er und sine gesellen truogen wät diu siner teirde wol lohte. 2129, 1—4:
Damit wart ouch gesetzet sunder küniges stuole an wirde ein teil ge-
letzet lac Kingrisin. 2211,1 — 3: Die werdikeit errungen het schiere
an disen beiden des jach man dä dem jungen (statt der junge 1 .); cf.
5915. 4— 6. 4090, 3-6. 3947, 1 -3. Vgl. noch 1617, 1-4. 2892, 1-4 ;
corrupt scheint 5374 (37,56)4— 5 n. 4739, 1—4 zu sein. Man sieht
bei genauerer Betrachtung der Beispiele deutlich, wie Albreeht
durch die langgestreckte Form seiner Strophe zu derartigen un-
erhörten Constructionen verleitet wird **).
*) cf. Wh. 82, 4 : Arofels ors, hiez Volatin, da üf saz er al zehanl. P. 2B, 4 ff.
u. Tit. 6887, 4, vielleicht auch 5472, 5.
”) Ein paar Fälle von harten Altractionen mögen diesen für Albrechts Sprache
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141
Die letzte lockere Structur, die wir in diesem Capitel zu er-
wähnen haben, ist der unvermittelte Übergang aus der oratio in-
directa in die oratio direeta. Er sagte Wolframs Natur so zu,
dass der Dichter ihn, wie Boett. p. 284 bemerkt, häufiger als alle
Volksepen anwendet, cf. Jaen. p. 29. Albrecht hat infolgedessen
eine solche Fülle von Belegen dieser Structur , dass wir uns
mit Stichproben begnügen dürfen: vgl. Tit. 266,6: den hice Ti-
turel diu lant nu Wien „ durch fröne himelveste sült ir iuch derselben
hie vergüten 280a (2, 24)3: und dancten got, der irtn so vil an im er-
kennet, „den wir dö sollen leren, der hat uns diner lere sö vil benennet;
ferner: 419,1. 606,1. 815,5. 868,7. 871,6.986,1. 988,7.-2970,5.
— 5550,6. 5560,6. 5583,6. 5613,6. 5622,6. 5633b (39, 132) 3. 5648b
(39,149)3. 5656,3. 5700,6. 5740 (39, 256) 1 AD. 5805,6.5870,6.
5941, 5.
Mit den letzten Untersuchungen sind wir bereits hart an die
Grenze der rein stilistischen Eigentümlichkeiten von Albrechts Sprache
gelangt. Wolfram hat die eben besprochenen „lockeren Construc-
tionen“ nicht etwa erst aus dem Volksepos entlehnt, sondern er
hat unbewusst den Freiheiten der mündlichen Redeweise auch in
seinem Gedichte einen grösseren Spielraum gelassen, indem er da-
bei seiner lebendigen, schnell fortschreitenden Auffassung nachgab,
ohne ängstlich überall möglichste Glätte und Flüssigkeit der Sprache
anzustreben. Sind also die besprochenen Erscheinungen bei Wolf-
ram durchaus nur syntactische Eigenheiten, so werden sie in der
Hand des Nachahmers Albrecht beinahe schon zu bewussten stili-
stischen Hülfsmitteln.
Cap. m. Stil und Manier.
Wolfram zeigt im Gesamtcharakter seines Stils eine merkwür-
dige Doppelung: Auf der einen Seite hat er, wie Boetticher (p. 299)
sagt, „eine förmliche Liebhaberei für Zusammenziehung seiner Ge-
danken in möglichst kurze, fragmentartige Ausdrücke“. Das ist
die schwer verständliche, bilderreiche Sprache der reflectierenden
Partien, ich erinnere vor allem an die Einleitung des Parzival. An-
dererseits hat Wolfram eine ganze Reihe von Spracheigentümlich-
keiten, die sich alle auf das Streben zurückführen lassen, den Ge-
danken in möglichst allen seinen Beziehungen zum Ausdruck zu
wichtigen Abschnitt beschlossen : 5389, 1 — 3: Owe der teizen beine, diu wolgeetalt
diu klären, diu luont mich freuden eine. 4327, 3—7: daz künde verdriezen ir vier,
den ez ir herze künde vereniden, talfine Ekunat und Gailelen, Lehelin der vierde,
mit triuwen sie «tu jämers eil dö heten. Ist 3611,2 fruht diu Ackerines auch xu
v. 1 xu riehen?
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142
bringen. Es ist das die Fülle der Wolfraraschen Umschreibungen,
welche als formale , objectivc Stileigentümlichkeiten , zugleich mit
den subjectiven Stilmitteln des Humors und des Hervortretens der
Person des Dichters, die behagliche, aber nicht leichtflüssige Breite
der erzählenden Partien bewirke^. Diese anscheinenden Gegen-
sätze treffen sich in Wolframs Natur, wie sich überhaupt in ihm
die Extreme berühren. „Höchsten Idealismus gepaart mit entschie-
denstem Realismus“ zeigt Wolframs Humor, nach Steinmeyers Ur-
teil (Zs. A. 7,65), als sein Charakteristikum. Albrechts Stil ist
dagegen einheitlich ; er ist das gerade Gegenteil der knappen,
aber gedankenschweren Sprache der Parz. -Einleitung (man ver-
gleiche nur die Transcription derselben in die Sprache und Manier
Albrechts Tit. 22 ff.) und baut sich zum grössten Teile aus den
formalen, objectiven Stilmitteln der erzählenden Partien Wolframs
auf. Die unausstehliche Breite der Sprache Albrechts beruht
hauptsächlich auf der ausgedehnten Verwendung der mannigfachen
umschreibenden Ausdrucksweisen Wolframs, die Albrecht alle über-
nimmt und von denen er gerade die seltsamsten mit Vorliebe cul-
tiviert und weiter ausbildet. Dazu tritt daun das auch nur äusser-
liche Hereinziehen der Person des Dichters in sein Gedicht, wie
es besonders in den Anreden an seine Zuhörer und an die Per-
sonen seines Gedichtes geschieht. Albrecht verwendet diese Gruppe
von Stilmitteln sogar mit besonderem Geschick, denn er baut auf ih-
nen hauptsächlich seinen Versuch, selbst als Wolfram zu erscheinen,
auf. Dagegen suchen wir Wolframs Reichtum des bildlichen Aus-
druckes und seinen sprudelnden Humor im Titurel vergeblich.
I.
Wir haben eben den Begriff „umschreibende Ausdrucksweisen“
in etwas weiterer Bedeutung gefasst; gemeint sind alle die Stil-
eigentümlichkeiten Wolframs, die den Zweck haben, einen Begriff
möglichst klar zn veranschaulichen , ihn auf jede Weise hervorzu-
heben. Ich stelle deshalb den eigentlichen Umschreibungen voran
die „absolute Voranstellung eines Begriffes“. Ein Ei-
genname oder Subst. wird im absoluten Nominativ dem ganzen
Satze vorangestellt und nachher durch ein Pronomen in irgend
welchem Casus wiederaufgenommen. Für Wolfram vgl. Boett.
pg. 289—91. Das wiederaufnehmende Pronomen steht im
1) Nominativ; der leichteste, noch in unserer nhd. Umgangs-
sprache ganz gewöhnliche Fall. Tit. 543, 1 : Korallus, een und ougen
kan er clärificieren. 604, 1 : Der edel reine siieze , mit tagenden gar
durcheündet, wie er den sun nü griieee ; cf. 505,1. 802,6— 7 u. s. w.
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143
u. 8. w. — Eine Attraction tritt hinzu z. B. 5825, 1 : Den heim
mit dem trarhen, den Trebuehet teorlife, er.
2) Accusativ: 962, 5 — 6: sehs glestr laue . . ., diu truoc man.
279,3. 982,4. — 2507, 3— 4. 2530, 3 - 4. 2787,5. 2844, 1.-6781 b
(40,15)1—3. 5778, 1—7 (hierher oder zum Nominativ?).
3) Genetiv: Mlb. 11,1. 282,1: Fünf lande kröne, ob ich der
wier enpfüeret. 2989, 5 — 7. — 5704, 5 — 6. 5935, 5 — 6. Mlb. 11, 1.
1056,1 — 3. 2362,7: so siinge ich, meistir Stetere, bi des teise. — Für
den Gen. tritt das Pron. pos3. ein: 354,3 — 5. 594,5 —7. 800,5 — 6.
— 5704,1-4. 5931, 1-2.
4) Dativ : 355, 3 — 5 : diu goltrarwe sunnc und darsuo der silber
gebende mäne , den beiden tcärn cxempel da gerichet; cf. 336, 1—4.
2563,6 — 7. 2993,1 — 3. — 5528,4. Hierher und zu 5) gehört 431
/4,16)l—4, wo zwei absolut vorangestellte Begriffe nebeneinander
stehn, ein sehr harter Fall.
5) praep. Begriff : 5752, 5: Kundwirämtirs und ouch der gräl diu
beide, mich den pflac er sorge ; cf. 259,1 — 4. 414,3—4. 431,1 — 4
(cf. 4). — 2959,1-4. — 5988b (40,237)1-3.
Man sieht aus diesen Beispielen , dass Albrecht gern seine
Strophe mit einem solchen absolut vorausgestellten Begriffe beginnt.
Zuweilen füllt er dann die ganze Strophe nur durch die Zusätze
aus, die er an den vorausgestellten Begriff anschliesst, und nimmt
ihn erst wieder in der folgenden Strophe auf (cf. 3692 — 93) , wenn
er ihn nicht ganz vergisst *) **). —
*) Wenn der wiederaufnehmende Nominativ das Pronomen der 2. Person (dd,
ir) ist, so steht das absolut vorangestellte Subst. nicht notwendig im Voc. , son-
dern häufig auch im Nom., was der binzugefllgte bestimmte Artikel zeigt: Wh.
846,2 — 3: die sehen süne min, ir sult haben die Herden schar-, ebenso Tit.
8622,1—2. 3623,1-2. 3182,1-4. 3229,3-4. 3231,2-3. Vergl. die von einer
2. Person abhängenden Relativsätze, Paul, Mbd. Synt. § 239 a. 2.
**) Der absolut vorangestellte Begriff kann auch ein ganzer Satz sein; es
sind daun meistens Umschreibungen einer Person oder Sache durch einen ganzen
Satz, die weiter unten zur Besprechung kommen werden.
Die Umkehrung der eben besprochenen Figur ist die Vorwegnahme eines erst
nachfolgenden Subst. durch ein Pronomen, vor allem die eines nachfolgenden Gen.
durch das Possessivnm (cf. Boett. p. 291 Mitte): P. 214,6: ir r ater, Lüuen. Tit.
5242, l : Ir muoter, Secundillen. 5239, 1—2 : AM ist es doch sin bruoder, des edlen
Parcifäles ; cf. Wh. 170, 28—29. Tit. 805, 2 - 3. 2804, 1—2. 2859, 7. 2931, 7-
— Der nachfolgende Genetiv ist unflcctiert : P. 662,17 : des marschalc , Utepan-
dragün. Albrecht geht hierin viel weiter, indem er überhaupt einem voraus-
gebenden Subst. in einem Casus obl. eine Apposition im ahs. Nom., der durch
keine Art voc Attraction zu erklären ist, folgen lässt: 195, 1 — 3: Swas sich von
Titurellc der beiden ie getouften, gein tcerdikeit der snelle, die . . . 1774, 2: Savie
des küniges eicester, ein vogt in Britäne, 2105,5. 3584,1—2. Mlb. 22,1—3.
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Eine zweite Art und Weise, einen Begriff hervorzuheben , ist
die, dass man den Begriff nicht absolut hinstellt, sondern ihn als
Teil eines grösseren Ganzen fasst und ihn in seiner speciellen Natur
den übrigen Teilen dieses Ganzen entgegensetzt. Das sprachliche
Hülfsmittel ist in diesem Falle die Anwendung der Negation, und
wir kommen damit zu der mannigfachen Verwendung der Negation
zur Verstärkung des positiven Ausdrucks. Über den Gebrauch
der Negation bei Wolfram handelt Kinzel sehr gut, a. a. 0. p. 3— 13;
er charakterisiert denselben mit Recht dahin, dass alle diese Ver-
stärkungen des positiven Ausdrucks durch den negativen in Wolf-
rams Händen ihre ursprüngliche Stärke verlieren und schliesslich
ganz formelhaft werden, wie Wolfram so oft das Originelle durch
den häufigen Gebrauch abnutzt. Albrecht ist auch hier nur Wolf-
rams Nachtreter.
Die einfachste Form der hierhergehörigen Fälle ist die nega-
tive Antithese (: der junge, niht der alle)*). 1) Der Gegensatz
wird eingeführt durch niht : Tit. 106, 7 : an die grase und niht min-
ner. 280, 3 : in süezer stimme , niht harte. 425, 3 : «n süezem döne,
niht helle. 248,5. 375,2. 480,6. 532,3 ( niender ). 572,6. 800,1.832,1.
848,4. — 2524,1-3. 2746,6-7 ( nieman ). 2766,6. 2840,1—2. —
6525,3. 5829, 2 (niendert). 5995,1 — 2**). Eine Unterart hiervon ist:
offenliehe, gar unhelende: 906(8,91)7. 5552,7. 5651,7; cf. 5813, 3. —
Seltener wird das negative Glied vorangestellt: 336,5 — 6: si wären
niht mit aschenglas v er spannen , es wären lieht eristallen. 969, 1 — 2.
2563.7. 6502,5—6. 5801,1—2. 5946,4. 5993,6. 6996,4-6***). —
Statt niht wird für (vor) oder eine comparativische Construction
gesetzt (cf. San -Marte p. 277): 911,4: gesellen kund er sich stccter
arbeit für trage. 5764, 7 : das ich der eren Miete vor unprise. Zu
5569, 3. 4138,4 cf. Haupt zu MF. 4, 17.
2) Der Gegensatz wird eingeführt durch äne , sunder : 143, 7 :
cwicllch än ende. 142, 7 : mit voller hant gar sunder lihen. 505, 2 :
vil fröuden sunder sorgen f). Diese Ausdrücke mit äne und sunder
*) Vgl. für Wolfram noch San-Marte, Parz.-Stud, III, 226—29.
**) Die Verstärkung des niht vor einem Adj. oder Adv. durch ze (cf Kinzel
p. 13) findet sich bei Albrecht weder in der negat. Antithese , noch für sich
stehend.
***) Nur sehr selten fällt das positive Glied ganz weg, z. B. 2591,3: an richeit
niht den kleinen ; cf. 2836,3—4. 6743, 3. 5996,4.
t) cf. 404,4—5. 552,7. 656,4. 579, 1—2. 694,5. 786,6-7. 856,3. 899,2.
921.7. 922,5. 926,2—3. 935,8-4.- 2503,3.2525,7. 2534,2—3. 2781,5—6.
2967,1-4. — 5632,5.5575,8. 5633, 6-7. 6699k (32,214) 1. 6744, C. 5772,2. 7.
6781b (40, 15)7. 5792,4. 5793,2. 5865,4. 5876,3.77,3.86,4.93,2. 95,2.98,2.
4.5. 97,6—7. 99,4 AD. 5909,4. 6923,3—4. 5931, 2—4. 6992a(40, 244) 6-7.
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145
erscheinen bei Wolfram sehr häufig ohne das zugehörige positive
Glied (cf. Kinzel pag. 11 — 12). Sie geben dann der Rede zuweilen
eine humoristische Färbung (cf. Stark pag. 21 f.), meistens aber
sind es Reimflickwörter. Bei dem reimbedürftigen Albrecht ist
infolgedessen ihr Gebrauch noch viel häufiger, und es ist nicht
nötig, Beispiele anzugeben.
3) Einen ganz besonderen Fall der negativen Antithese end-
lich hat Wolfram , wenn er nicht einen einfachen , sondern einen
zusammengesetzten Ausdruck hervorheben will. Es tritt dann, an
Stelle der negativ eingeführten einfachen Umkehrung , die positiv
angereihte Umkehrung der beiden indem hervorzuhebenden Ausdrucke
enthaltenen Begriffe als 2. Glied der Antithese ein. So sagt Wolfram
P. 581, 1 : Der eren riche und last er s arm (= Gawan) , cf. 639, 28.
640,9 — 10: sin riwe smal, sin vreude breit wart dö ; cf. 584, 10 — 11.
630,18 — 20. 737,20—21: die mit kiusche lember wären und lewen an
der vrechheit, von Albrecht nachgeahmt : Tit. 1776, 5. 257, 5 — 7. 1021,
6 — 7 ; wie denn die Beispiele dieser Art gern einen bildlichen Aus-
druck enthalten. Vgl. ferner Mlb. 10, 6 — 7 : tugent tninnen und al untu-
gentsnuehen. Tit. 439,4— 7. 466,7. 479,1-2.534,4-5.580,6—7.
646, 1-2. 1002, 3-4. 947, 6-7 (cf. P. 600, 10). — 2695, 3—4. 2904,
6—7. - 5509, 3—5. 5576,5-7. 5595, 3-4. 5770, 1—2. 5919, 6-7. —
Hierher gehört sodann die Figur der Antiphasis. Ein
Verbalbegriff wird dadurch hervorgehoben, dass ihm eins der an
sich negativen Verben verbern, vermiden, vergeezen u.s.w. mit niht
verbunden vorausgeschickt wird. Sehr oft tritt dann der hervor-
zuhebende Verbalbegriff in Abhängigkeit von dem doppelt negierten
Vordersätze, wobei nach den Regeln der mhd. Syntax auch im ab-
hängigen Satze ein ne hinzugefügt werden muss. Für Wolfram
ist der überaus häufige und weitgehende Gebrauch der Antiphasis
charakteristisch, cf. Kinzel p. 5 — 11; bemerkenswert aber ist es,
dass nach Kinzel p. 5 sich in W. Tit. keine Spur dieser Figur
findet. Albrecht dagegen verwendet sie gern. Die genaueren syn-
tactischen Verhältnisse bei der Antiphasis sind in unserer ungenügen-
den Überlieferung (Hu. AD.) wohl öfter verwischt worden, vgl. über
W olf'rams Gebrauch Strobl zu Berth. v. Reg. H, 304. — Die in der
Antiphasis verwandten negativen Verben sind: läsen, erläsen: Tit.
420, 4 — 6 : das sie des iht erlieze . . . , das sie doch zwei mit nanwn
nach in hiese (das im abh. Satz bei Wolfram verboten!). 2609,3—4:
doch wolten sie niht läsen , sie müssten in die stat dä mit in riten.
2974,4- 6. beliben läsen: 2680,1—3. 2907,4—5. miden : 2672,1—2.
verdriesen: 2738,6—7. vergessen: 6640,3 — 4*).
*) Bei Wolfram finden sich nicht: sich äntn: Tit. 2931,5— 6. belangen : 784
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146
Selten wird das negative Glied naebgestellt, dann ist die Con-
struction der beiden Glieder stets von einander unabhängig : Tit.
313, 1 — 3 : Ddrumbe wart gefräget , . . . des wären s unbeträget. 398,
1 — 3: Ein smaragt seiner schiben dar gevelzet, man Ke des niht beliben.
339. 4. 5620, 6 — 7. 5947, 2. — Der von den oben aufgezählten
Verben abhängige Satz kann auch in ein abhängiges Substantiv
zusammengefasst werden. Hervorgehoben wird dann aber stets ein
VerbalbegrifF; deshalb ist das Subst. gern ein substantivierter Infi-
nitiv, sonst ist der Infinitiv zu ergänzen (cf. Kz. p. 8). So gebraucht
Albrecht: belangen: 5526,3 — 4. betrügen: 5613b (39, 108)4. 5639,
3—4. 992,4. entwälen : 338,1: Verwierens niht cntwalcn tcold man.
375.4. 5554,4-5. 5956,7. 5613c (39, 109)2-3. mtden : 5714,7.
verlern: 400,3 — 4: die meister niht verbüren von reben strick, ver-
gessen: 135,1—2. 137,1-2. Mlb.2,5 . 2969,1-2. 5833,7*).
Wolfram dehnt nun diesen Gebrauch ganz bedeutend aus, indem
er nicht nur eine Reihe den oben aufgezählten verwandter Verba
ebenso verwendet, sondern schliesslich überhaupt jeden positiven Ge-
danken, wenn es ihm beliebt, durch eine doppelte Negation ausdrückt.
Von einer Hervorhebung des positiven Gedankens ist da wenig mehr
zu spüren ; die Manier ist völlig formelhaft geworden und ein
Hauptcharakteristikum von Wolframs Sprache, da sie sich in dieser
Ausdehnung nur bei ihm und seinen Nachahmern findet. So ist
auch der Titurel voll davon : 105, 1 : Die reise tccnic sparende was (er).
193, 7. 357, 1 : Vil wenic sie vermisten vierlei bilde. 397, 7 : mit richeit
niht geletzet. 403, 6 — 7 : aller richeit tiberkraft was dt i niht ein siden
breit gebrosten. 432, 6 — 7 : niht verborgen. 786, 3 — 4 : durch was die
Babylone den buruch niht mit strite wollen triegen**). Hierher ge-
3 — 4. 6erou6en: 5992b (40, 245)3— 4. bestedren: 333,4 — 5. betragen i 786,5—6.
2579,3-4, cf. 468,3—4. enthalten: 2599,5 — 7. entieenken : 2706,1 — 2. erbiten :
613» (6, 50)4-5. 3000,8—5. encinden: 2747, 1-3. 5844, 5-7. erteenden: 2823,
4— 5. gerauten: 5966,6—6. echeiden: 5649,3 — 6. sich svmcn : 2600,1 — 2. ticälen :
5727,1 — 3. entwcllen: 5834,4-6. tiräle haben: 5585,3—4. röten: 5608(39,101)
8 — 4 (mit daz !). verdorben beliben: 5661, 3-4. verirren: 4561,6 (cf. Wh. 368,12).
versmähen: 5699h (39, 212) 6 — 7. tristen: 2809,4—6.
*) Plcoaastisch wird dabei zuweilen noch einmal ein abhängiger Satz hinzu-
gefügt: 402, 3—4: den künic niht bestedren der kost entcolt, er hiez . . . lecken.
820.3 — 4. 6699d (39, 208)3— 5. 5877,5. — In ganz zusammcngedrängtcr Form er-
scheint die Figur 2537(20,14)3—4: unz an den morgen pflögen unvergezzen dise
ritter übercraft mit sorgen (cf. P. 738, 29 j Kz. p. 9). 2919,6. 612(6, 47) 7 AD., cf.
694.4 unverdrozzen.
**) Cf. 912,7. .— 2526,6—7. 2571,7. 2617,4. 2618,3-4. 2727,6-7. 2791,7.
2823.7. 2824,3. 2829,4. 2854,6-7. 2911,4. 2960,7. 2975,7. 2995,7. 2997,6-7.
2998,6. - 5503,7. 6607,3-4. 5637,1—2. 6673,4. 6674,6-7. 5680,6-7. 5777,4.
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147
hören auch die zahllosen mit Mn- zusammengesetzten Part. Prt. sol-
cher Verba , die schon an sich einen negativen Sinn haben. Al-
brecbt hat manche sonst nicht belegte Bildungen darunter. Ich
nenne von allen hier nur die beliebte Formel mit triuwen unver-
howen : 60,3. 607,3. — 2575,7. 2908,7. — 6499,3. 6852,7. 5913,
7 *). — Adjcctiva statt dieser Participia sind Belten : 5575, 5 : er
leleip der werdekcü unirre. 2505,1. 2984,7. — 5848,7. 5948,2.
Besondere Beachtung verdient auch hier wieder die Behandlung
des zusammengesetzten Ausdrucks. Wird in der oben p. 145 ab-
gehandelten Form der neg. Antithese das erste (pos.) Glied unter-
drückt, so erhalten wir die Form der lästere arme zur ausdrucks-
vollen Bezeichnung des ‘Ehren reichen’. Diese Form ist an und
für sich gar nicht auffallend. Allein Albrecht wendet diese und
nahe verwandte Formen in einer ganz pretentiösen Weise an, in-
dem er die Künstelei, die leicht in allen diesen Ausdrucks weisen
erscheint, absichtlich auf die Spitze treibt. An Wolframsche Weise
klingt noch an Tit. 1981,3—4: von im Jcunde er stöeen, alles das
pris und er was nider legende. 2034, 6 — 7 : swas sich gein eren virret,
dd muost man in sehen ie den schieben ; cf. 5614,3—4: in beiden was
entrannen was mannes muot an manheit ie verirde. Aber erst Al-
brecht durfte sich solche Künsteleien und zugleich Wortspielereien
erlauben', wie 1575,5: das dü noch U'ceres libes /tust eilende (=
am Leben !). 5919, 6 — 7 : sie wielt ouch armiiete , diu dä heiset ge-
bresten an aller tugende ; dieser ungeheuerlich geschraubte Ausdruck
ist veranlasst durch Z. 6. guotes riche. Eine Auslese solcher Kün-
steleien bietet str. 3793, vgl. noch 3876, 4 — 6. 4281, 1 — 4. 4282, 1. —
Alle bisher besprochenen Verwendungen der Negation dienten
nur zur Umschreibung und Verstärkung eines positiven Begriffes.
Wolfram, und mit ihm Albrecht, ist aber auch reich an Umschrei-
bungen der Negation selber ; cf. Kinzel p. 3 — 5. Dieselben gehören
jedoch fast sämtlich in das Gebiet des bildlichen Ausdrucks und
sollen deshalb auch da behandelt werden. — In der Verstärkung
der Negation durch Substantivs (wie hör, ber, ei etc.) gehen Wolf-
ram und Albrecht ihre eigenen getrennten Wege. —
5868,3. 5892,4. 6915,7. 5929, 1—2. 5985,1—2. 5990b (40, 241)5. 5992,7. 5995a
(40, 253) 3.
*) Cf. Tit. 103, 4. 128,7. 178,3 - 4. 278,5. 288,7. 292(3, 13)3. 303,7. 324,3.
— Mlb.7,4. 15,3. — 446,2. 449,5. 644,5. 681a(6,8)7. 592,4. 869,2. 891,1.
899,7. 919,4. 927,2. — 2529,4. 64,7. 2609,7. 26,7. 72,6. 93,7. 2710,7. 64,7.
83,8 -4. 87,4. 2838,3. 53, 1. 67,6. 69,8. 70,7. 2923, 4. 49,4. 64,7. 66,4. 78,4.
— 6553,4. 65, 3—4. 5617,4. 23,7. 33, 1.7. 84,4. 5708,6—7. 82,2. 91,3. 6803,3.
*7,4. 93,7. 6963(40,203)6. 78,5. 98,7.
10 *
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148
in.
Wir kommen jetzt zu einem dritten grossen Gebiet von sti-
listischen Erscheinungen, die zur Hervorhebung eines Begriffes
dienen. Der Begriff wird hier nicht, wie bei all den Umschrei-
bungen mit Hilfe der Negation, als Teil eines grösseren Ganzen
gefasst und als solcher seinem Gegenteil gegenübergestellt, sondern
er wird selbst als ein Ganzes, das sich in verschiedene Teile zer-
legen lasst, aufgefasst und ausgedrückt 1) durch die Summe seiner
Teile; dahin gehört eine ganze Reihe von formelhaften Verbin-
dungen, wie junc und alt u. s.w. u.s. w. 2) durch einen bestimmten
seiner Teile ; dahin gehören die eigentlichen Umschreibungen von
Personen und Sachen , und in zweiter Linie der ganze bildliche
Ausdruck, indem überall, wie Boetticher p. 306 sagt, specielle Mo-
mente an die Stelle des allgemeinen treten.
Ein Begriff wird ausgedrückt durch die beiden entgegenge-
setzten Seiten seines Iuhaltes. Wolfram beschränkt diesen Ge-
brauch auf eine Reihe von formelhaften Verbindungen, die entwe-
der durch und (mit, zuo) oder durch oder verknüpft werden ; cf.
San-Marte, Parz.-Stud. III, 237 — 2-10: Gegensätze als Ausdruck
fiir eine Gesamtheit; und für die distributive Form speciell Förster,
a. a. 0. p. 17 — 19. Albrecht giebt folgende Beispiele:
a) Subst.: man und leint : 653, 7. die viende mit den friunden : 910, 5.
mit liebensö mit leiden: 110, 1. 5737,1—3. 5925,2. weder in turnci noch
in vesperte: 832,5. in schimpf od in der lwrte: 2907,4. Dem Franzois
noch dem Wallten: 5973,1*).
b) Adject. : die jungen zuo den alten: 53,4; cf. 136,7. 560,2.
849,4. 892,7. 911,5. 913,7.2622,3.2694,3. 2734,3. 2938,4. 5694,4.
5891,2. die werden und die nideren : 424, 2, cf. 2710, 5. 5837,1. 2831,6.
5991.1. 5893,7. die kleinen und die grözen: 397,1. 669,1. 2760,5.
5570.2. 5817,5. die fremden und die künden : 858,4. 881,4; cf. 461, 7.
859a (8, 77) 4. 865,2.5867,3. 5958,7**).
c) Adv. : die lazzer und die gäher : 832, 3. ob und under : 2828, 3.
2881.7. 2914,3. 5997, 7 AD. 2808, 3. nach und verre : 5556,6. 5791,4.
5964.3. 5983,4. 2735, 1 ; cf. 2886, 1. 6847,4. 2761,2. 2839,6. 5541,3.
d) Verba: schüffunde oder drohende: 229,3. Versionen noch ver-
gähen : 2735, 3. siizunde oder siende : 2794, 6. ze brüten noch ze sieden
het ir wirt duz kalte noch daz warme: 5857, 3—4***).
*) Vgl. 492,8. 438,7.605,4. 420,4. 160,4. 483,7. — 2913,3.2911,6.2957,6.
2665.7. — 5981(40,224)5. 6694,1. 5660,1. 6621,6.
**) Vgl. 669,2. 597,3. 886,2. 2961,3. 860,7. 6867,1. 2755,3. 5857,4. 6981,5.
59,2. 5931,7 (= P. 203,9). 2708,3. 2814, 8. 2884,1. 5735,2. 4656,4. 483,4. 560,3.
***) Cf. 551, 1. 862,1. 2602,7. 2679,5. 2680,7. 5660,3—4. 5699e (39, 209)2.
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149
Wie hier zuletzt verschiedene Verba, so verbindet Wolfram
zwei verschiedene Tempora eines und desselben Verbums zur Ver-
stärkung des Verbalbegriffes (cf. Fürst, p. 24—25) ; ebenso Tit.
75b (82)7: an den din kraft was und ist hiutc geschehende. 194, 1—2:
Jr striten was dem toufe und ist noch hinte ein ere; cf. 603, 4. 2852
(22, 82) 1 - 3 AD. 2875 (22, 205) 5 AD. 4290, 5. 4929, 7. 5440, 5. 5925, 7.
5985, 6—7. 5982a (40, 228) 5 *).
IV.
Ich wende mich jetzt zu den eigentlichen Umschreibun-
gen zunächst einer Person. Das ist wieder ein Gebiet von sti-
listischen Formen, auf dem Wolfram an den mannigfachsten Er-
scheinungen reich ist. „Es scheint ihm (wieBoett. p. 304 sagt) zu
dürftig, eine Person einfach bei ihrem Namen einzuführen und dann
weiter im persönlichen Pronomen von ihr zu reden“. Darum er-
weitert er die gewöhnlichen Umschreibungen der poetischen Sprache
nach verschiedenen Seiten und fügt ausserdem ein paar ganz neue
Umschreibungen selbständig ein. Dabei geht der ursprüngliche
Zweck aller dieser Formen, eine Person oder Sache durch Hervor-
hebung eines auffallenden charakteristischen Zuges sinnlicher darzu-
stellen, als es der Eigenname vermag, leicht verloren, indem durch die
eigentümliche Wahl der Umschreibung die Person oder Sache eher
verdunkelt als in helleres Licht gerückt wird. In diesen Fehler
ist der Nachahmer Albrecht noch viel mehr verfallen , da er bei
seinem geringen Stilgefühl Wolframs Sonderbarkeiten bis zur Ge-
schmacklosigkeit übertreibt. Sehr häufig sieht sich dann der Dich-
ter genötigt, seinen dunkeln, schwerverständlichen Umschreibungen
die Lösung des Rätsels, durch das erläuternde ich mein eingeführt,
unmittelbar folgen zu lassen **).
*) In diesen Zusammenhang gehören eigentlich auch die vielen formelhaften
Verbindungen des alten Epos, die aus der Alhtterationspoesie herstammen. Al-
brecht hat eine ganze Reihe derselben: liult und laut: 1819,5. 2483,7. 4574,5.
4600,5. Hpund laut: 5295, 3. Up und leben: 3461,5. 4522,5. 5341,6. tnäge und man :
4673.3. 6077,7. sig und stehle : 44 19,7. die stein sam die stocke : 4706,2. 4764,1,
und vor allen: singen und sagen : 646,3. 815,7. 882,7. 900,5. 1605,3. 2386,4.
2515.4.2820.7.2897.5.5311.3. 5986(40,234)7.6163,4, cf. 2907,5. Wolframs
bürge und laut (Jaen. p. 26) hat Albrecht niil.t, von den Übrigen an dieser Stelle
von Jacnicke anfgez&hlten Formeln kann ich bei Albrecht nachweisen: rotes golt:
218,7. 311,5. 324,6. 345,2. 368,2. 372,1. 1650,4. 3492,4. 3767,4. 5450,7.
5467.4. 5494,2, cf. 1466,4. 5592,5. — das mecre ginget: 2720, 1. 6159a (41, 22) 4.
nü nähent mtere: 3818(27,1)1—2 = Wh. 334,14.
•*) Cf. Tit. 44,6. 46,6. 60,2. 125,5. 196,2. Mlb. 21,7. 510a (5, 34)6. 626,6
728.4. 790,4. 603,7. 857,2. 867,5. 878,7. 904,4. 906,5. — 2536,3.2575,5.
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160
Eine Fülle von Umschreibungen einzelner Personen gewinnt
Wolfram mit Hülfe von Länder- und Personennamen, die zu der
umschriebenen Person in irgendwelcher Beziehung stehn. Hier wirkt
das Reimbedürfnis stark mit, wie Hoffmann p. 23 — 28 nacbge-
wiesen hat. Um ein Bild von der Fülle der Belege dieser Manier
bei Albrecht zu geben, stelle ich hier nur die so gebildeten Um-
schreibungen des Helden Schionatulander zusammen, auf den Al-
brecht auch viele Bezeichnungen Parzivals und Gamurets über-
trägt: Die häufigste Bezeichnung Schionatulanders ist der Grä-
hardois (80 mal), sodann die mit Graswalde gebildeten Umschrei-
bungen (55mal). Ferner heisst er der Anschnitt : 1516,4. 4171,4. der
Wäleise: 1403,6. 2772,7. 2773,4. 4406,6. 4423,1. 4661,4. der von
Kamfoleise : 1462,2. 1638,5. 1786,7. 1812,6. 2772,2. der dz Kingri-
t /die: 2005,5. 2771,1. Mit Hülfe von Personennamen sind gebil-
det: dem Gureegrines kint und Mahedea: 1494,4. sun der Gurze-
grtnes: 4453,2. 4885,6. 6042,1. Sigunen friunt: 1362,5. 4427,4.
4951,1. diener Sigünen griieze : 1291,1*). friunt der Arentiure:
1903,6. wirt der Äv.: 2229,5. der Äv. wtsel : 4867,2. beämis der
höhen Minne : 2234,1; cf. 2611,3: der cristen herre. 1443,2. 1999,1.
2482,2: der fünf lande herre**). —
Eine weitere Reihe von Umschreibungen dient hauptsächlich
zur nachdrucksvollen Ersetzung des Pron. pers. : es sind die Um-
schreibungen einer Person durch das Pronomen poss. (resp. den Gen.
poss.) und das „thätige Organ“ oder „einen Zustand oder Eigen-
schaftsbegriff“ ; cf. Kinzel pag. 22 — 25 , Haupt zu Erec 2788. In
den meisten Fällen wird so der Nominativ umschrieben. Ganz all-
gemein gebräuchlich ist in dieser Umschreibung das Wort llp***),
2904,5. — 5502,5—6. 5535(89,24)7. 5561,5. 5578,6. 5674,4. 5781,2. 5792,2.
5822, 3. 5873,3. 5888,3. 5962d (40, 197) 1. Bei Wolfram ist ich mein etwas we-
niger häufig.
*) So lange Schionatulander im Orient weilt, nennt ihn der Dichter nur Ga-
muret den andern (ntutcen, jungen ) oder Gamuret allein, cf. oben p. 53. In
diesem Zusammenhang heisst er 3768, 4 sogar der von der art der feien, eine Be-
zeichnung, die eigentlich nur dem wirklichen Gabmuret zukommt, cf. P. 96, 20.
**) Albrecht eigentümlich ist die seltsam spielende Manier, eine und dieselbe
Person mit Hülfe ihrer verschiedenen Titel als eine Mehrheit zu fassen : 4135, 1 - 2 :
Bäruch und atmeräte, den beiden wart ein wunde, cf. Z. 6 sie beide. Ygl. 4196,5.
2923 (23, 18) 6 — 7 ist diese Construction in AD. verwischt, 5652 (39, 158) aber
wohl erst von H bineininterpoliert worden. Ähnlich Waith. 19, 8 — 10.
***) Cf. Tit. 563, 5: mit welcher tat ti habe min Up verschuldet. 512,7. 774, 4.
908,7. 946,6. 947,5. — 2617,6. 2875,7. — 5640,6. 5948,2. Im obliq. Cas.:
126, 1. 269, 5. 422, 5. 573, 7. 924, 5. 967, 4 — 6647, 5.
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1B1
nicht ganz so häufig haut*), fast alle übrigen Substantivs aber
die sich im Titurel so gebraucht finden, sind nur bei Wolfram
häufiger. Das „thätige Organ 11 ist z. ß. : munt : 694,6. — 2520,1,
cf. 884, 7. zunge : 583,3, cf. 5469 (38, 62) 7 AD. ougen : 357,6. 958,7.
— 2882,7. 2998,5. — 5994,4(5616,4: der ougen mcz = P. 295, 14).
Mlb. 19,7. houbet: 1442,2. Mlb. 15,1. brüst: 2732,2. herze : 324,4.
424, 7. 983,5. — 2596,4. 2638, 1. 2667, 5. 2887,2. 2957, 7. - 5948,7.
5560, 5. 5644, 3. vel : 5569, 2. — 2678, 3 : erc siner lichten ecke male
erstreit (von e. Schwerte gesagt). Einen Zustands- oder Eigen-
schaftsbegriff verwendet Albrecht sehr gern zu diesen Umschrei-
bungen ; wie weit er in dieser Manier geht , mögen ein paar Bei-
spiele zeigen : 780, 7 : sin tjost beginnet etlichen veilen. 2660, 2 : däht
im mi diu wirde sine. 5958, 1 : Diu hcilikeit des gräles tet abstrich
des müles. 5746,4: tcol sinen jungen jdren , diu sollten pris habent
erhoweit, und 3853, 3 : eins Babilöncs kere was gein im hie drohende **).
Die formelhafte Natur aller dieser Umschreibungen zeigen deutlich
die Stellen , wo unmittelbar auf die Umschreibung das Pronomen
personale selbst folgt: Tit. 178, 1 — 3: Da tcas sin reiniu giiete mit
zuht also bewahret, daz er; ebenso: 324,4. 560,1. 2722,3 und be-
sonders 357,6. —
Eine andere , ihm ganz eigentümliche Art der Umschreibung
einer Person gewinnt Wolfram mit Hülfe der bildlichen Aus-
drucksweise. Er liebt es bekanntlich , bestimmte Vergleiche, die
sich auf Personen beziehen, ohne jede Vergleichungspartikel ein-
zufiihren, z. B. er bluome au mannes schoene. Es ist nun die höchste
Steigerung dieser Manier, wenn Wolfram solche Ausdrücke ohne
weiteres für den Namen einer Person selbst eiusetzt. Bei Kinzel
pag. 29 — 31 sind diese Fälle nicht gesondert. Boetticher pag. 305
hat sie richtig erkannt und zusammengestellt, aber versäumt, auf
ihren Zusammenhang mit der p. 316—17 behandelten Erscheinung
hinzuweisen. Die Beispiele Albreolits sind: der eren bluome (Ar-
tus): 1826,1, cf. 1776,6. 3010,1. 4768,1. 5720,1. der minne fiörie
(Sigune): 1237,1, cf. 1399, 1 (?). ir eren kranz und kröne (Schiona-
tulander): 3055,6, cf. 2989,1—2. 1294,7. 5428,1. 5669,2. der
•) Cf. Tit. 913,5: daz in sin hant des tages von prlse drunge. 951,6. 952, 5
(cf. 61,6). - 2677,7. — 5825,5. Im obl. Cas. : 479,7. 782,5. 842,3-4. 876 a
(8,86) 3. 910,6. 960,6. 987,3. — 2664,5. 2713,1. 2779,3.5. 2833,4. 2855, 7.—
5592,3. 5621,2. 5657,5. 5699.5. 5797,7.
**) Ferner gebraucht Albrecht noch die Substantivs: sin, teilst, tvmpheit, ge-
dankt, kraft, eilen, gemalt, manheit, muot , gemüete, freude, zuht, triuwe, geloube,
gedingt, güete, girdt, begerde, snelheit, clärheit, wirde, hulde, ere, pris, arbeit, helfe,
jugrnt.
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152
eren leaste (Sch.): 2188,5, cf. 4554,2. 3388,1 — 2. der Iriteen arke
(Sigune): 6774,3 = P. 804,16. urliuges gar ein lerne (Killikrates) :
3423,3. der tnissewende ein fluht mit aller teste (Secureis) : 2981, 1 — 2.
der höhen minne garte (Areste) : 3175, 3. der minne toicic rose (Se-
cureis) : 3335,1. der treskamber triuice (Kundrie): 5205,2. Eine
bemerkenswerte Häufung dieser Form bietet 1776,4— 7; vgl. sonst
noch: 5166,4. 2462,1. 5850,6—7. 6030,7 . 5960,3. 1558,7. —
Am charakteristischsten für Wolfram sind endlich die zahl-
reichen Umschreibungen einer Person durch einen ganzen Satz.
Eine umfassende Sammlung derselben giebt Förster p. 38 — 42 ;
cf. Kinzel p. 25 — 26, Boett. p. 304 — 305. Wolfram liebt diese
Umschreibungen deshalb so sehr , weil er in ihnen gleich eine
kurze Beschreibung der Person oder wichtige Beziehungen, in denen
die Person zu seinem Gedichte steht, mitgeben kann, die natürlich
viel besser über die einzelnen Personen orientieren, als der blosse
Eigenname es vermag. Andrerseits liegt aber nirgends die Gefahr
so nahe, wie hier, durch die Umschreibung einen Namen vielmehr
zu verstecken. Zuweilen ist das Absicht, öfter aber, wenigstens
bei Albrecht, künstlerisches Unvermögen. Wie Albrecht auch hier
das richtige Mass fehlt, zeigen Ungetüme von solchen Umschrei-
bungen, wie Tit. 1837,1—6. 2491,1 — 6.
Mit Vorliebe umschreibt der Dichter die Person der Gottheit,
vor allem Gott selbst: des nam sich hat gedriel: 581,7. 4917,7.
5890.1 — 2. der aller engel schar beschtiof so kläre: 5471,5. ein mei-
sten, des tvinkelmee und wäge lert nach der slihte howen: 6137, 1—3.
Ganz in der Art Wolframs sind besonders die Umschreibungen,
die sich auf einzelne Facta der biblischen Geschichte beziehen :
278.1— 2: der hende, diu Moysi gap geleite. 1586 a (12, 85) 2: den
der Moysen lerte. 1740,5: der Paulum von unrehtem dienste kerte.
2417, 1 — 3: dem der Davide mit gäbe niht künde schelhen. 2491,
1—2: der itven machte heilic üs Adämes rippe. 2518 (19,119)
4 — 5 : der Dänieles pflac in dem wurmgarten , und sin gesellen vor
dem starken fiure. 5983,1 — 2: den Abrähäm erkande , das er was
ein herre*). — Umschreibungen Christi sind z. B. 790 (8, 9) 6 : den
sie malten sam die mörder. 3489, 5 — 6 : der da seiget sper kröne
und kriuse und sin vil here wunden. 806, 5 : durch den , nach
dem wir sin genennet crislen. Vgl. 362,2 — 4. 532,6. 1547,4 — 5.
*) So wird ferner Gotte* Allmacht hervorgehoben: 44a (47) 1. 64a (70) 5.
270,5. 280b (2,25) 7. 806,6. 2317,4. 2578,4. 2611,2. 2769,1-2. 3692,4.
4161,6—7. 4381,7. 5860,1-2. 6993d (40,250) 7. 5999b (40,261) 4-6; Gotte*
Allgöte: 489,7. 620,2—3. 1852, 1—2. 2666,3. 6982a (40, 228) 4 ; vgl. endlich 30,2.
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— 153 —
4910,6 — 7, und zwei Beispiele für die Jungfrau Maria: 362,1—2
u. Mlb. 12,7.
Ebenso reichlich werden die drei Helden des Gedichtes, be-
sonders Schionatulander, bedacht. In seinem Verhältnisse zur Aven-
tiure zeigen ihn uns: 4708,5. 5024,3 —4. 3056,1—3; auf seine
Charaktereigenschaften weisen hin : 2701, 3. 2734, 4 — 7. 2778, 2 — 4.
3966.2— 7. 4163,5. 4257,3—5. 4268,7. 4339 (39,117)4-5. 4366,4.
4537.3— 4. 4707,6—7. 4708,4. 4774,4. 4875,7. 4921,6—7. 4929,
3 — 4, cf. 2475,1 — 4. 4741,1—2; auf seine Thaten : 1496,6. 1508,5.
3899,2. 4078,3 — 5. 4771,3 — 4. 6258,7; auf andre Umstände seines
vergangenen oder noch bevorstehenden Lebens : 1694,3 — 5. 2638,2.
3520.4— 5. 4434,7. 5789 (40,23)4—6 (cf. AD.); auf Zustände, in
denen er sich gerade befindet: 1286,5. 1451,4. 4103,1 — 2. 4238,4.
4520,7. 4777,4. 4864,7. 4918,2 — 4, cf. 4657,2; auf sein Wappen-
zeiehen : 2546, 6. 2563, 6. 2604, 7. 4529, 7 ; auf seine Länder :
1487.5. 2185,1 — 2. 2711,6 — 7. Schionatulander und seine 11 Ge-
fährten ira Orient: 3521,1—2. 3564,4 — 5. 4162,6. — Gamuret:
990,2- 3. 4275,4. 783,3-4.6 -7. 3503,5-7. 981,3. 3760,5-7.
998. 5. 892, 1-4. — Parzival : 469, 7. 1057, 2. 5699b (39, 206)7 — 99c, 1.
5318.5— 7. 5693,3. — Die sehr zahlreichen sonstigen Fälle der
Umschreibung einer einzelnen Person durch einen ganzen Satz hier
sämtlich aufzuzählen, würde zu weit führen. Albrecht verteilt sie
ohne Unterschied auf die gerade hervortretenden Personen seines
Gedichtes, auch Namen von Frauen*) und selbst von ganz ausser-
halb des Gedichtes stehenden Personen**) fehlen unter den Bei-
spielen nicht.
Die Manier wird dann weiter ausgedehnt, indem auch ganze
Gruppen von Personen so umschrieben werden : 3470, 4 : die Samar-
göne schriten iif PISnanee = die Mannen des Glororaatis von Persia.
Ebenso: 1552,3—4. 1578,5—6. 4932,6. 2980,6—7. 3020,2-3.
3369.6— 6. 4003,1—3. 4006,1. 3469.4—6. 3521,1—2.4013,3—4.
4528,3 — 4. 4648,1. 5944,5; das Gralgeschlecht: 5201,6— 7. 5484,
3 — 6. 5713,2—4. — Noch allgemeiner sind die Begriffe: 3826,7:
die diu criuze mit dem segen kiesen — die Christen, cf. 2563,3 — 4.
3398,6; die Heiden: 242,4. 2573,5. 3974,6, cf. 5999a (40, 260) 4—5 ;
der Begriff ‘König’: 1452,4— 5. 2025,4. 2203,7. 2311,7. 2851,5.
*) Vgl. z. B. Sigune: 1282,6. 1328,2. 4848,4—5. 6192,2, cf. 1122,3-6,
4393,6-6.
**) Erzengel Gabriel: 2505,3—5. Johannes der T&ufer : 6036,2. Ul. Oswald:
396,5. Lucifer: 6181,6—7. Venus: 6533,5. 6298,5: diu dä Vbius ,hiez und
Pallas, die goltinne.
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154
3353.6- 6. 3655,4 - 5. 3673,5. 3893,3-4. 3900,3-4. 3995,6—7.
4227,6. 4317,6. 4370,6. 4900,3 —4; Herzog : 2852, 5 : und nitro, der
her mit zogte. 1983, 2 : des namen her nach zogte. Das letzte Beispiel
zeigt deutlich, wie leicht bei einer so der Willkür des Dichters
überlassenen Stileigentümlichkeit ein geschmackloser Dichter, wie
Albrecht, auf Irrwege geraten musste. Zwar hat auch er Bei-
spiele dieser Umschreibungen, die wirklich treffend und von star-
ker Wirkung sind*), aber im Grossen und Ganzen wird Albrecht
zu leicht geziert und unverständlich, oder trivial **).
Ganz dasselbe gilt von den Umschreibungen von concreten
und abstracten Dingen durch einen ganzen Satz. Ein paar Bei-
spiele müssen auch hier wieder den sehr allgemeinen Gebrauch
dieser Stileigentümlichkeit anzeigen. Nicht selten spricht aus die-
sen Umschreibungen ein launiger Humor, von dem man nur nie-
mals weiss, ob er Albrechts Geist entsprungen ist***). Auf der
andern Seite liebt Albrecht aber auch die lederne Umschreibung, vor
allem abstracter Begriffe, durch daz da heizet f) ; nur oft zu verstrickt
er sich ferner in allzulange , dabei nicht selten ganz verquere
und knifflige Satzgebäude (z. B. 4079,2—5), und den unheilvollen
Einfluss des Reimzwanges fühlen wir gleichfalls nur zu oft durch ff).
Wir haben hier nun noch ein paar einzelne umschreibend ge-
brauchte Wörter zu besprechen, die von Wolfram zur Hervor-
*) Vgl. i. B. 4255,7: dem bäruch was gesellet, die reibe herze und ougen sit
beweinden (= die Blüte seiner Ritterschaft); und die Wolfram nachgeahmten Um-
schreibungen 1232, 4 : dafür kund ez wol taten, der ez mit fitze t corhte meister-
lichen (= der Meister), cf. 3482,3. 3952 (27, 135) 1—2. Wh. 370,18. P. 233,23.
229,29. Wh. 269, 9. P. 604,6.
**) Vgl. noch: 114,5 (cf. 3611,4. 3655, 1. 4303,6. 6186,2). 494,4. 813(8,31)
8. 865,3.
***) 4104,7: daz sich da nimt namen gerne herie (= die weibl. Scham), cf.
4717, 5. 2572 (20, 49) 1—3. — 2561, 4—5: daz einem ougen wazzer bringet (= eine
Zwiebel). 3051,4: des daz da machet hie geladen bare (= crnstl. Kampf). 3956,
3—5: etzlicher kröne vogte wart von im daz ichz mit halber marke von niemen
kouft ob ich ez fände veile (= der Tod). 1444,4 — 5: sit daz Addmes rippe ver-
holne wart gemachet zeinem bilde.
t) Vgl. P. 78, 6— 6. 489,18 — 19. Tit. 2295, 4: daz da heizet fremdiu äeentiure.
2386, 5 : daz da heizet haben und behalten, ebenso 893, 8 — 4. 2003, 4. 3020, 5.
8613,3-4. 3686,4. 3735,6—7. 3920,7. 4227,6-6. 4373,5. 4896,7. 5393,4.
5408,5. 6472,5. 5667,8—4. 5781b (40,15) 5. 6897, 4. 5919,7. 5967,6.
++) Vgl. im Ganzen noch folgende Stellen : 512,4. 5047,4, 6858,7. 1111,6.
1233.6— 7. 1473,7. 2727,6—7. 4510,5—6. 3518,1—2. 5747,6. 5004,3—4. 6736,
8—4. 5755,6. 6014,3-4. 3486,5 (cf. 5503, 5). 1624,4. 1660,6—7. 3465,7.
8678,2—4. 6173,6 (cf. 5276, 2— 4). 6315,4. 2784,3. 2642,7 (cf. 4004,8-4).
3488, 8—5.
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hebung eines Begriffes verwandt werden: Die bei Wolfram häufig
so gebrauchten und zugleich als beliebte Reimwörter verwandten
Substantivs eil , site, kraft , name (Kiuzel p. 31 — 33) finden sich bei
Albrecht selten , da er keine stumpfen Versausgänge gebrauchen
kann, eil im Reime nur Tit. 719,3: üf der verte eil (— W. Tit.
80,2 üf die vartf), sonst noch Tit. 1006,7: üf jämers eil geseteet.
2764, 6 : über eil der mäze. 6027, 5. Noch deutlich schimmert die
eigentliche Bedeutung von eil durch 4984,5: davon uns freudcn eil
so lenget. — site nur 1887, 4 : von zornes sit unreine. — kraft ist häu-
figer : 1 14, 4 : mit hur/es kraft. 127, 4 : mit tjoste kraft , cf. 3977, 4.
2763 (21,125) 7 AD. 2833,1. 2914,7: mit eornes kraft (cf. P. 78, 8).
3539,4: des todes craft. 5238,4. — name erscheint nur in Verbin-
dung mit Personenbezeichnungen, wie 590, 5 : mannes namen kan diu
minne twingen. 1448,2. 5440,6 wtbes name.
Eine 2. Gruppe bilden die Formen bekant, erkant, kunt etc.,
die Wolfram in doppelter Weise umschreibend verwendet (cf. För-
ster p. 9—12; Jander, a. a. 0. pag. 28). Einmal verstärkt er-
kant in völlig pleonastischem Ausdrucke ein Substantiv oder Ad-
jectiv, sodann umschreibt die Verbindung bekant (kunt) werden oder
tuon den einfachen Begriff 'erleiden, zu Teil werden’, resp. ‘zu Teil wer-
den lassen, zufügen’. Die Beispiele Försters zeigen, dass da3 Gebiet
der beiden Formen erkant und bekant nicht streng geschieden ist;
Albrecht gebraucht beide Verba promiscue. Da diese beiden Um-
schreibungen Wolfram eigentlich nur zur Gewinnung eines stumpfen
Reims dienen, ist ihr Gebrauch naturgemäss bei Albrecht lange
nicht so ausgedehnt , doch verwendet auch Albrecht alle diese
Formen (ausser kunt) nur im Reime; er hilft sich, indem er statt
erkant die Form erkennet gebraucht und das bei Wolfram seltenere
Praet. erkande häufiger anwendet. Vgl. Tit. 73 a (81) 3: dä s» (=
die Erde) vil ganz erkennet was (ganz ist betont !). 3570,5: Mauricius
ein fürste rxche erkennet. 8,4. 556,2 — 3. 969,5 — 7. 5687,7. 5707,7.
5713,4. 6095,3*). — Beispiele der 2. Verwendung : 2630,3: der triu-
wen vü bekand er (= besass er). 2632,7: eebant man freise niht er-
kande, cf. 441 , 3- 4. 280a (2, 24) 1 - 2. 271 1 , 5. 5580, 4. 5799,5. 5812, 3.
6838,3. 5886,3. kunt nur 2628,7. 4780,2. In flectierter Form im
Reime: 517,4. 5532,6. künde etwas häufiger : 11,3. 594,4. 1581,4:
swenne dae herz gewinnet jämers künde. Auffallend ist 414b (3, 142) 1.
Ebenso wie hier das Verb erkennen ( bekennen ) seine ursprüng-
*) Ganz ähnlich diesen sind Falle, wie 990,3: der vil werde, an dem ich
triuwe erkande cf. 818,4. 2933,3—4. 6615,5. 5651,4. 5794,5. 6945, 6, 5993,6.
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liebe Bedeutung ganz eingebüsst hat, so das Verbum leren in
einem andern Wolfram eigentümlichen Gebrauche. „Er umschreibt
nämlich durch Kren mit dem Inf. oder dem Acc. eines Substantivs
einen Verbalbegriff" (Kinzel p. 27). So findet sich im Tit. :
668,3—4: das lert vil manigen schrieben. 895,4: diu geturst in Urte
icider stüsen. So: schaden leren: 907,2. teuren: 943,7 .jümer: 5711,7.
strüchen: 5699c (39,207)4. 5827,2. v liehen: 6004,7. arheit: 826,7.
vollen: 881(8,98) 7 AD. — Ein Satz mit das folgt 530,6—7. 897,
3—4. 997,1 — 2. Pleonastisch steht auch lerc in jdmersUre: P. 575, 12.
Tit. 934,7. 564,2*).
Hierher gehört endlich noch der formelhafte Gebrauch des
Verbums hinnen, den Albrecht ebensosehr liebt wie Wolfram.
Bei der ungeheuren Menge der Belege ist es oft schwer, die ge-
naue Grenze zwischen beabsichtigter Wirkung und rein formel-
haftem Gebrauch zu ziehen. Man darf aber ruhig behaupten, dass
Albrecht diese Manier noch stärker veräusscrlicht hat als Wolfram
Cap. IV. Bilder und Vergleiche.
„Wolfram ist in Bildern und Gleichnissen geradezu uner-
schöpflich. Die bildliche Redeweise spielt in alle Einzelheiten
seiner Sprache hinein und giebt eigentlich äusserlich der Wolfra-
mischcn Sprache den am deutlichsten erkennbaren Charakter“
(Bötticher, p. 315). Diese Fülle von Bildern ist bei Wolfram ein
Ausfluss seines reichen originellen Geisteslebens, das schönste
Zeugnis seiner poetischen Begabung. Auch Albrecht ist durchaus
nicht arm an Bildern und Vergleichen ; aber sehen wir uns seine
Bilder einmal etwas genauer an, so finden wir hier im kleinen ein
getreues Spiegelbild von Albrechts dichterischer Persönlichkeit
überhaupt. Nichts ist bei ihm originell, und dabei ist er doch
auch wieder kein einseitiger Nachahmer Wolframs ; die unend-
liche Menge der beliebten und zum Teil abgedroschenen Bilder
und Vergleiche der mhd. Poesie überhaupt steht im Titurel
neben Nachahmungen der kühnsten Wolframschen Bilder, die als
willkommener Schmuck der dichterischen Sprache bei jeder Ge-
legenheit als lumina aufgesetzt werden. Albrecht führt auch zu-
weilen die ihm überlieferten Bilder nach der einen oder der an-
*) Als Subject tritt zu dem so gebrauchten leren und einigen verwandten
Verben, wie röten, txcingen u. a., gern ein abstracter Begriff, der dann als leise
personificiert aufgefasst werden kann. Diese bei Wolfram ausserordentlich be-
liebte Ausdrncksweise (cf. Kinzel p. 26 ff. Förster p. 43 — 45) findet sich auch
bei Albrecht häufig.
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dem Seite weiter aus, meistens zum Nachteil des dichterischen
Wertes der Bilder; aber von einer selbständigen schöpferischen
Thätigkeit Albrechts auf dem Gebiete der bildlichen Ausdrucks-
weise in der Art Wolframs kann nirgends die Rede sein.
Was die äussere Form der Bilder und Vergleiche anbelangt,
so finden wir vor allem die für Wolfram so charakteristische Ein-
führung einer bestimmten Gruppe von Vergleichen ohne jede Ver-
gleichuugspartikel im Titurel wieder. Es erscheinen in dieser
Verwendung besonders schür hagel bluomc krunz kröne u. s. w. (cf. Kz.
29—31. Boett. 316). Die sehr zahlreichen Beispiele Albrechts für
diese Gruppe von Vergleichen finden sich, unter die einzelnen Stich-
wörter verteilt, in der unten folgenden ausführlichen Aufzählung ;
ich weise hier nur auf ein paar Häufungen solcher Vergleiche hin:
Tit. 1326. 1601,5 — 7. 1776,4 — 7 u.s. w. *). — Mit Wolframs oben
charakterisierter Vorliebe für den negativen Ausdruck hängen die
s. g. „negativen Vergleiche“ zusammen. Sie haben zugleich eine
stark humoristische Färbung, cf. Stark, a. a. 0. p. 30. Im Titurel
finde ich von dieser auch bei Wolfram nicht gerade häufigen Ma-
nier ein paar Beispiele: 2593,3 — 4: den tören und den narren fuoren
dise eicen vil ungdiche. 5008,5: alsant Erec er sie mit im niht füerle-,
cf. 6926, 1—2. 5943, 1 - 4 **).
In das Gebiet der Negation gehört auch die Fülle der bild-
lichen Umschreibungen der Negation hinein, über deren weite Aus-
dehnung bei Wolfram Kinzel p. 3 — 5 handelt. Ich gebe deshalb
hier, ehe ich zu den einzelnen Bildern und Vergleichen übergehe,
eine zusammenhängende Darstellung von Albrechts Gebrauch. Nach
der bekannten rahd. Ironie verwendet auch Albrecht die Ausdrücke
liurc, lützcl , selten , tvenie, kleine, krank zur Bezeichnung einer star-
ken Negation ausserordentlich häufig***). Ebenfalls nicht speciell
Wolfram eigentümliche Umschreibungen der Negation sind die
Verbindungen von frt, äne (äne sin, rinnt) , eine (vereinen) mit dem
Genetiv ; doch ist hier wiederum die auffallende Häufigkeit der
Benutzung dieser Constructionen hervorzulieben f). Bei den fol-
*) Die Verwendung solcher Vergleiche zur Umschreibung einer Person haben
wir schon oben besprochen.
**) Mit P. 630,11—13 (c£ Stark 21) vergleicht sich Tit. 2787, 5—7, cf. 5518,
und der ähnliche Ausdruck 8151,6—7.
***) Mit dem Genetiv oder einer Praeposition verbindet Albrecht krank 1033,2:
die freuden kranken (= W.Tit. 115,3). 2886,4. 3239,7. 5407,4. 3071,4. 4676,8.
2469,7. 4018,5. an crenkrank-, 1281,6; cf. 613,4. 1133,2. 2823,7. 6204,2. 3857, 7.
der kranke gein unprise : 4035,6, cf. 4989,3. bekrenket: 1262, 2. 1917,4. 2187,4.
2394,4. 2744,3. 2880,4. 8504,5.
t) Eine deutliche Nachahmung Wolframscher Manier ist die Formel Sigün
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genden Ausdrücken aber ist Wolfram das einzige Vorbild Albrechts
gewesen (Kz. 4 — 5): bl 6s : die tauf es blasen: Tit. 234,1. der freuden
blöse: 1257,3.3689,4; cf. 1397a (11, 60) 3. 1403,7. 2067,5. der schän-
den blöse : 1796,3. 2381,1. 2252,3-7; cf. 2328,7. 2341,7. 3796,7.
3838.3. 4170,3.4236,4. 4902,7.4988,7. 5120,1—2. 6150,7. 6156,4;
mit vor verbunden : 242, 4. 280b (2, 25) 4. 957, 3. 1463, 7. 2466, 7.
4725.4. 3302,5 - 6. 5992,4. 6002,7, mit an: 483,3. 1191,6. 2157,7.
4121,4 -5. 4718,4 - 5. 5040,4. 5591,4-5, mit von: 1367,4. 5158,4.
5140,3—4 enbloezet. — Utre : freuden leere: 944,5. 983,4. 984,7.
1017.3. 6841,7. von dem schänden leeren : 6692,2, cf. 1019, 4. 2819,7.
2904.7.4453.3. — weise: Kyöt der freuden weise: 653, 1. 1176,4 4982,4.
6060,7; cf. 2028(15, 118)7. 1786,5—6. 5277,7. 3471,6. anhöhencren
ein weise: 2429,5; ähnlich verweiset: 861,5— 6, 1542,2. 1819,3.
— eilende: der sageheit eilende: 4697,3. 4861,7; cf. 1575,5. 5066,
3 — 4 5224,7. 5513,3. 5830,7. 5771,4. 6187,6 — 7. Mit an verbunden:
1897.7. 5037,7, mit vor : 3876,4 — 5, praedikativ: 6041,4. sich ei-
lenden : 4544, 3 — 4. — verre gebraucht Albrecht meistens praedikativ,
cf. 477,22. 2821,7. 1443,4. 2108,4. 2683,7. 3003,3.4006,4 4242,3.
4535,4. 4776,4. 5071,2. 5243,3. Den Genetiv regiert vetre: 306,5,
von: 4734,4. — dünne : P. 213, 16. Tit. 288, 4. 2461,3 - 4 1620,4.
5210,4: davon trüren dünnet. — sihte: davon ir freude wart sihie:
923, 7. der iren sihte : 5423, 3. Mit an : 1426, 3. 2695, 4 ; in ausge-
führterem Bilde: 1885(14,52)7. 3909,1-2. 3372,3. 6049,1-2. -
Bezeichnungen menschlicher Gebrechen sind: hm (Kz. 4), bei Al-
brecht nur erlamende: 562,7. 5307,1. 4233,7. 3420,4. 2226,7;
erlemdct 1409, 4. — toup : P. 475, 6 : an den witeen toup. Tit. 2553, 3.
6631,1 — 2. 236,7. 2586,4, cf. 793,6. — blint: P. 10,20: ist got an
einer helfe blint. Wh. 355, 3. Tit. 2901,7. 4545,1—2. — heisa-: Tit.
4593, 3. — schelch : 3953, 7. — kal : 2946, 3, cf. 4097, 1. - schiech : P. 316,
13 : ir sit manlicher eren schiech. Tit. 554, 7. 628, 7. 3023, 7. 2058, 6—7*
4279. 7. 4555, 5. — siech : P. 316, 14 : an der werdekeit so siech ; cf. P.
531,28. Tit. 1323,6. 2401,4 2856,4. 6194,7. Das Verbum siechen ;
W. Tit. 86,3. Tit. 802, 3. 3036,4. 3296,3. 3761,7. 4745,4 - 5 .—tot:
P. 609, 15: tötgeinvalsche. Tit. 6194, 7. 1372,5. — las (Kz. 4): Tit. 1393,
5. 4476,3. Das Verbum lassen : 4899, 3— 4. 2832,6. 2072,2. 3793,7:
gein aller lasheit verlasset. — trage : P. 66, 12 : gein valscheit der treege :
Tit. 1936,3 - 4. 2012,4- 6. 3778,3—4. 4281,1. der valsches trage:
1406, 1. 5537,1. 4587, 3. 2381, 4. 4250,3. 4544, 2. 5648a (39, 148)5—6.
1797.7. 5422,3, cf. seine : 3279, 4. — läge: 4281,3, cf. 4544, 4. slisec;
diu freuden äne: Tit. 5427,6, cf. P. 16,8: dt« sfiese valsches «ne; vgl. noch TU.
694,1. 1097,6. 1635,5. 4300,4.
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159
4759, 4 : an craft niht werden slisec. -- Auch ein paar Substantive gehören
noch hierher: P. 26, 21: er was gein valscher fuorecin tör. Tit. 1980, 8.
3793, 1. 2408, 7. 2499, 3 — 4. gast : P. 742, 8 : er was schumpf ent iure
ein gast, cf. 328, 16. 116,29. Tit. 2839, 4. 793,1—2. 2898,3—4. fluht:
P. 4, 22: vor missewende ein war tu fluht, cf. 162,24. Tit. 2981,1 — 2*).
Wenn ich jetzt eine möglichst umfassende Zusammenstellung
der sonstigen Nachahmungen Wolframscher Bilder und Vergleiche
im Titurel zu geben versuche, so kommt es mir in erster Linie
auf solche bildlichen Ausdrücke an, die Wolfram selbst erst ge-
prägt hat; alle andern führe ich nur dann hier auf, wenn sie ganz
offenbare Imitationen Wolframscher Stellen sind**). Ich folge
dabei der Einteilung Försters (p. 45 — 76) , die nach den Gebieten
ordnet, denen die Bilder und Vergleiche entnommen sind.
A. Bilder und Vergleiche den Bereichen des Menschenlebens ent-
lehnt:
1. Religiöse und kirchliche Begriffe (F. p. 46): P.308, 1 — 3: Do
truoc der junge Farsiväl äne fliigel eng eis mal wird nachgeabmt Tit.
166, 4. — Tit. 2569, 7 : nach der helle geverwet. 2570, 7 : den helle-
varwen, aus P. 51,24. 463,14; cf. Tit. 803,7 die hellemören. — das
wir Gamuret hetwungen venje suochens unser fliese: 869,4 — 5 = P.
744,12—13; cf. Tit. 5622,2, wo ein ganz ausgefübrtes, aus lauter
religiösen Bezeichnungen zusammengesetztes Bild angeschlossen wird.
2. Teile , Zustände und Eigenschaften des Menschen : erborn :
Tit. 2624, 6 : er ist von ganzer triuwe erborn, cf. P. 763, 20. 732, 17.
Tit. 5888,1. 3164,1. 5214,3. 1398,4. — der alte und der niwe site:
P. 203, 9. Tit. 5931,6-7, vgl. 2344,7. — sein: Tit. 3265,7:
driu sper mit tjoste versern ; cf. P. 444,2— 3. 738,24. Tit. 3919,3 — 4.
4270,4 — 5: er zertc freuden vil. 4205,3 — 4. — Über lam, blint, toup
u. s. w. vgl. oben p. 158. — hinken : 1064, 1 : Min höchgemüete hin-
ket. 1383,7. 3532,5. 4212,7. 1869,5. 2731,2: an wirde hinken, cf.
5618,3 - 4 1536,6.
3. Verhältnisse der Familie, der Gesellschaft, der Stände und
Berufe (F. p. 47 — 49) : der tugent ein frowe : Tit. 4162a (28, 46) 3, cf. P.
80, 8 : diu riwe was sin frouwe. P. 56, 2. — voget aller siihte : Tit. 2288, 1,
cf. P. 734, 30. Tit. 3805,4. P. 338, 30. bevogten : Tit. 892,6. 6017,3,
*) Im weiteren Sinne würden in das Gebiet der bildlichen Umschreibung der
Negation auch die bei Albrecht unzählig oft wiederholten Ausdrücke, wie (<m eren)
gepf endet, verderbet, beraubet, unericendet, unervaret etc. etc. gehören, cf. Kt. 5 Anm.
**) Diejenigen Vergleiche, die zugleich eine Anspielung anf bestimmte Dich,
tnngen oder auf eine Person oder eine Örtlichkeit aus der Zeit des Dichters ent-
halten, sind im Zusammenhänge unten im 6, Capitel unter den „Subjectiven An-
merkungen des Dichters“ aufgeführt.
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160
cf. 6625,4. 5059,6-7. Wh. 4,18. 371,29. — Tit. 134, 4 ff. (die
Rute des Zuchtmeisters) ist eine übertreibende Nachahmung von
P. 174,7 — 9, cf. Tit. 4933,7. — Die vielen Bilder mit gesinde,
nächgebür , geselle u. ä. enthalten nirgends deutliche Imitationen ;
zu vergleichen ist etwa Tit. 1845, 1 : Dü eren p/lichtgeselle mit P.
819,7: des grales pflichtgcsellen . — P. 158, 5: kein schüttere entwürfe in
bas, wird nachgeahmt Tit. 2109, 3. — Schiffahrt: lenden, bildlich =
zum Ziel bringen, Tit. 1526 (12, 24) 1 : Wie sich ir reise lernte {: presente)-,
2006.7. 3372,3—4. 5823,7. P. 41,28. 307,28. Wh. 10,23. — Tit.
1872,4 — 5: ich ween er höher eren anker senke in schänden grünt,
da er immer lit versunken, cf. P. 641,14. Mit Tit. 3342,5 vgl. P.
642, 17. — Tit. 2472, 7 : siecht er oder sinket er an prise ? = W. Tit.
170, 4, cf. Tit. 1064, 3. 4358, 6- 7. 4548, 6 -49, 3. — ruoder : P. 364, 8
diu strites ruoder — die Schwerte ; ebenso Tit. 3164, 7. 4208, 3.
4606,4. 4746,4, weiter ausgeführt in humoristischem Vergleiche:
3447.3 — 6. Ähnlich Tit. 5760, 4: mit tödes ruoder ; cf. 3862,4. P.
694, 13. — ich ween es käme ein barke diu sper getrüege des von Iserterre :
1990. 4— 5, cf. Wh. 22, 6. Tit. 3444, 3. 2090, 1—4. - Von den bei
Albrecht äusserst beliebten Bildern mit Heit, kleiden u. ä. ist hier
zu erwähnen muoder : Tit. 4245, 7 : das dem von Ekunäte wart ge-
sniten also des tödes muoder, cf. Wh. 52,6. Tit. 2059,3*). — Andere
Beschäftigungen (F. p. 48) : sie der tniiede ein teil von in sjnelten :
4239.7, cf. P. 293,27. Wh. 254, 24. Tit. 460, 1— 3. — untdt müswerte
was er von im schabende: 1971,4, cf. 3832,3. 4161,1 — 2. 4976,4.
6841. 4— 5. 2445, 4. 4818, 6—7. P. 160, 15. 311, 22. — Zuo clagen
mich noch wetset ein dinc üf jdmers lere : 564, 1 — 2, cf. P. 616, 10. —
es walken vom heftigen Kampfe : 2011, 3, cf. P. 82,7. — der verte
hüeien im übertragenen Sinne, nach W. Tit. 143 — 63, Tit. 1846 — 1890
in der Schrift des Brackenseiles ; ferner in Reminiscenzen an die-
selbe: 2730,2. 2735,1—2. 3520,1. 4486,5. 4487,5. 4495,7. 4874,3.
— der aller tugende hört was an sich lesende: 118, 7. 3162,4, cf. P.
79, 30. — gesoten von der hitse wurdens von dem strite iiberal be-
garwe : 4096,6 — 7, cf. Wh. 60,18. — die sult ir in dem wäge sin
hie padende: 2861,4, humoristisch wie Wh. 436,8. — die niht vol-
lende acker wollen messen : 1676,5 = P. 174, 30; cf. Tit. 2206,3 — 4.
5566, 3 — 4. Ebenso vom Falle der Ritter in der Tjost gebraucht
wird einem beiten : Tit. 2118, 1 — 5, in Ausführung von P. 444, 26.
289, 6 ff. ; cf. Tit. 4184,1—3. — aller sünden vire: 332,3. 3466,4.
1653,3, cf. Wh. 107,5.
*) Über schroten, versniden, verhowen siebe oben pag. 121, über panieren,
furrieren, undersniden pag. 133.
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4. Rechts- , Kauf- und Handelsverhältnisse (F. pag. 49—60)
bürge: 861, 1 — 2: Man nam ze beiden siten niht toan den tot ze bürgen
cf. Wh. 24, 25. Tit. 110, 7. — Sicherbote wird Scliionatulander W. Tit.
170, 4 genannt, weil er sich anheischig gemacht hat, das Brackenseil
zu erwerben. So sagt Albrecht Tit. 2648, 5 von Erec, der fest darauf
rechnet, ohne Unfall über die Wunderbrücke zu gelangen: er wände
sicher sin vor [aller] unzühte, rcht sam ein Sicherbote in urteile. Vgl.
noch P. 741, 25. — Tit. 1832, 1 : Zuo freuden lipgedinge (H lieb
gedinge) saz nü ir herze nähen-, cf. P. 103, 17. — pfant,pf enden in bild-
licher Bedeutung ist ausserordentlich häufig, vor allem bei der bild-
lichen Umschreibung der Negation (cf. oben p. 159 Anm. 1). Die Ter-
mini des Geldgeschäftes verwendet Albrecht gleichfalls sehr häufig für
den bildlichen Ausdruck, doch hält er sich da ganz in ausgetre-
tenen Gleisen. Für Albrechts Lieblingswort borgen vergl. Mhd.
Wtb. I, 162 — 63. Gerne verwendet Albrecht die Ausdrücke kou-
fen, verkoufen und ihre Synonyma in der übertragenen Bedeutung 'er-
werben, verdienen’, resp. 'verlieren’. In gleicher Bedeutung gebraucht
Wolfram meistens das Wort bczaln, vgl. bei Albrecht pris bezahl,
175, 7. 479,6. 1599 f (12,104)5. 3053,4. 3064,4. 3196,6. 3475(25,
79)6. 3947,7. 4084,4. 4201,3-4. 4462,3. 4859,7. 5642(39,141)2.
werdikeit: 200,3—4. gncalt : 609,4. tilgende: 2185,3, cf. 3503, 4 — 5.
4120,7. 4851,7. 5827,5 — 6. — Tit. 1846,7: so wirt sin pris vil selten
veile f unden — W. Tit. 145,2. — urborn, ein Lieblings wort Wolf-
rams, Tit. 2573, 7. 5698 (39, 203) 1 AD. 5659b (39, 162) 7. 5297, 4.
5. Spiele (F. p. 63 — 64) : Tit. 1548, 6: daz ist ein spil mit
tocken dägein, cf. Wh. 222,18. Tit. 1370,. 7. 4533,4. 5560,7. —
Tit. 1064, 2 : min /'unden freude ist flüstec = Wh. 167, 3. Die Aus-
drücke des Würfelspiels verwendet Albrecht reichlich in übertra-
gener Bedeutung. Wolframs Vergleich ritersehaft ist topclspil, P.
289,24, variiert Albrecht Tit. 2035,6-7. 4498,5—7. 3471,1-4.
— der wurf der sorgen: Tit. 2371,3 P. 248, 10, vgl. Tit. 2492, 6:
der wurf der minne. — Tit. 5116,4—5: st« leit daz was gedriet, an
daz qtiater wirt ez nü gesetzet = P. 179, 10 — 11, cf. Tit. 4590, 4— 6.
Ähnliche Bilder : 847, 6-48, 2. 1522, 1-2. 3101,3—4. 3239,3. 4212,5.
6026, 7 , cf. Wh. 43, 29. 162, 22. — Tit. 2591, 7 : so seit er ma-
n igem nicU mit tödes schäche, ähnlich : 406, 4—6. 693 (6, 25) 7. 951,
1—2. 2104,6. 2222,3. 3394,3. 4787,5. 6640,7; cf. Förster p. 53.
6. Waffen und Kampf (F. p. 62 — 53): jämers lanze: 1103,1
= Wh. 105,2. Tit. 6883,4 — 5: zebrach der helfe lanze, cf. 2221,
6—7 sper. — ez brasl ir freuden klinge in dem hefte: 1525,3 = P.
103,18-19; ebenso Tit. 2928,6—7. 2425,4-5. 5691,7, cf. 2457,
3 — 4. Eine Variation der beliebten Redensart ist 2531, 3—4.
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6617.3— 4. — ob ez ein mangenswenkel erziuget het, ez war ein un-
geverte (von einer harten Tjost): 3667,6—7 = P. 212,15. bresten
sam die spachen: 845,7 = PA219, 10, cf. Tit. 3919,6 — 7. 4557,
5 — 7. daz stniu lit tut krachent : 445, 7 — P. 35, 24, cf. Tit. 1995, 5.
2480,5. 3765,7. 5391,5. 5434,4. davon ir herze erkrachet: 4398,4,
cf. Wh. 70,30. Tit. 3820,1. 4408,4. 5062,5. 5068,4. — für
jänter starke hecke sltioc er in mit Mutzen : 265, 3— 4, cf. P. 813, 22. Georg
2749. 3933. — durch daz die büre Gamurct ein lützel künde riten :
3403.4— 5 = P. 267,28-29, cf. Tit. 3300,4—5. 3051,1-4. 3540,
3 — 4. — der minne saldiere : 1322, 2 = P. 677, 17. — er was ein burc
ze velde : 3447,6 = P. 339,5..
7. Das Haus und seine Teile, allerhand Geräte (F. p. 54 — 56):
1208, 1: Ein dach, ein fun da tuende in inercrcn , cf. 657, 6. 3 193, 3 — 4. 3252, 3.
3750,4. 3783,2. P.740,6. Wh. 162,27. Wh. 361,24: trunzüne wur-
dens veldesdar.h wird variiert Tit. 2172, 1 — 2, cf. 1987,4.2032, 3 - 4. —
schilte und darzuo heim venster wit entrennen : 1341,3—4. 2030,6 — 7.
2150, 3—4. P. 295, 15. 505, 4. — arke einmal = schützendes Obdach
(wie die Arche Noah): P. 477, 12: ein arke für unkiusche fluot , Tit. 577, 4;
zweitens — Behälter, wie P. 804, 16: diu ist rehter güete ein arke,
Tit. 5774, 3 : der trheen arke (= Sigune). In derselben Bedeutung haste :
Tit. 2188,5. 4554,2. 3388,1 — 2. Nur wenig verschieden von dieser
letzten Gruppe ist die Bedeutung von arte Tit. 1369,4: in tödes arke,
cf. 3573, 2. 2550, 7. 4524, 4. 1862, 7. — vencvach (= vengec vach P. 317
28) : Tit. 2234, 5 : ir vencvach und ir Hoben stricke netze (= der Minne) (
cf. 3012, 4. — zangc : 1192, 4 : ir herze was ein klamme habendiu zange —
P. 114,14—15. der rehten minne ein zange (= Condwiramurs) : Tit.
1769.3. cf. 1482, 3 — 4. P. 130, 4 — 6. 311,20. miner freuden ein zange:
Tit. 563, 3. järners zange: 5208,7. 5845, 3; vgl. noch 2889, 3—4. 6062,
2—3. 4611,3. 1879,7. 3758,7. So steht Hamme : 456,3—4. 1768,1.
1779.3. — als obs in einer presse betwungen waren : Tit. 848,3 — 4
= Wh. 391,20-21, cf. Tit. 948, 1—2. 4046,6—7. 5962b (40, 195)
5— 7. — ze manegem nötstallc die zwelfe sie da hurtiklichen drangen :
2602,3 — 4 = Wh. 391,24. — den tninnen poyen: Tit. 1611,7. der
rehten Husche ein poye: 1765,3; cf. 3495,3. 5272,4 — 5. 5706,4 — 5.
6205.4. P. 56,20. Wh. 397,22. — sie wären beide tif ein insigel ge-
driieket : Tit. 1958, 7 = Wh. 274,20—21. Eine Variation davon ist
Tit. 2052(15,144)3 —4: sie zwei in einer cestcr warn ergozzen. —
verklüsent mit den hantvesten tödes herte: Tit. 4102,5 = Wh. 391,
26—27, cf. Tit. 2377,6—7. Eine Variation davon ist 2689,7: des
tödes schilt gemcnle. — slahen dolte, sam aneböz in smitten : 4203, 3 — 5,
vgl. 3654,4. 3783,6-7. 3897,3-6. 4272,3-6. 4643,4—6. 5815,
6 — 7 ; auch 3898, 5. 3550, 4—5, vgl. Forst. 47. — di» parte sol sin
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— 163 —
wenic houwen nach der snüere: 3249,6 — 7, cf. Wh. 394,13—16. 18 —
19. — mhts herzen inner Spiegelglas du wäre: 6118,6 = Wh. 67,
13, cf. Tit. 943,7. — Tit. 4641,4 — 5: diu rotte noch diu gige
nie so mangen spot enpfienc von munde, alsam die üf der flöhte
= P. 143,25 — 27. Trist. 11364—67. — die strdze brächen (= mit
den Gefallenen auf dem Schlachtfelde): Tit. 3441,5 — Wh. 397,
28 -29 (cf. F. p. 56). — dürkel, cf. oben p. 121.
B. Tier- und Pflanzenreich (F. p. 58 — 64): P. 737,21: lewen
an der vrechheit (= Parzival und Feirefiz). Imitationen der ganzen
Stelle sind Tit. 1776,5: ein Icive an siner kraft u. s. w. 257,5—7.
1021,6-7; vgl. 2009c (15,98) 5. 2185,6—7. 2566,6. 2778,3—4.
3392,1. 4545,5. Der Scblachtenlärm wird mit der Stimme des
Löwen verglichen, der seine totgeborenen Jungen zum Leben er-
weckt: 4091,1 — 5 = Wh. 40,4—7, cf. Tit. 5152. — alsam ein Itase
wenken : 763,7, cf. P. 1,18 — 19. — der werdikcit vorloufe brühten sie
vil an die tciderkcre, die liht enpflohen waren manegein laezen : 194,
3_4 Wh. 435,10-12 (cf. v. 2—3). — Tit. 4011,6—7: Die
von Friende trugen so strahlenden Schmuck an Gold und Edel-
steinen auf ihren Rüstungen, elliu strüzen eier mühten sich der briiete
hie wol niesten, vgl. Wh. 364,27 — 29, auch Tit. 5153. — Diu turtcl-
tübe erkiuset den dürren ast gezwiet, swcnn sie ir liep verliusd :
5109, 1 — 3 = P. 57, 10 — 14. — strichen dar mit gcschozze als alle
storche nisten al üf den wichüsen der hei fände: 3499, 3—5 =
Wh. 375, 10 — 11. — Vom Mausern der Vögel hergenomraen sind
folgende Bilder: P. 170, 18: der tcont in der müze rer, dd im werde-
keit entriset. So Tit. 494, 4 : die da pflegent der tagenden müze rere,
cf. 497,7. 1191,5 -7. 3011,4-5. 6155 a (41,15)3—4. müeen
allein: Tit. 548,3 — 5. 5479,7; reren allein, wie Wh. 392,25:
diu kristenheit sich rerte, diu heidenscliaft sich inerte, Tit. 604, 7 :
gelücke reren. 1304,5: pris reren, cf. 3609,3 — 4. — vil baniere sach
man dd vcderslahcn gein den lüften: 1830,7, cf. P. 425,21.
Ein reizelklobe der iren ist schäm diu hoch gehörte : Tit. 897,1 — 2,
cf. P. 508, 28 : sie wäre ein rcizel minnen gir. Tit. 3402,3: noch
roeter danne ein furne , cf. 4186,4—5. Wh. 439,1—3.
Pflanzen (F. p. 60 — 64) : mir begruonct freude nimer mere : Tit.
1064, 5 = Wh. 122,26, cf. Tit. 1192,5. 5113,7. 1045,5. 3726,4. —
ir angeborne tagende ie was erjeten vil gar vor bcesein gliiste: Tit.
1200,7, cf. P. 317,12 u. ö. Tit. 5191,5. 3332,6 -7. sie waren
die gemuoten uz dd jetende : 3453, 7 = Wh. 98, 18 — 19. — Tituri-
süne ein Wurzel manr.ger tagende : Tit. 98, 5, cf. P. 128, 27 : ein wurzel
der giiete. Wh. 48, 24. Tit. 5829, 1 — 2 : Sin edel herz daz reine
ein wurzel stam gctoldet. — der triwen ein bernder stam: Tit. 721,3
U*
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(= Wolfr. ?). 1326,2: ein stam wiplicher eren-, cf. P. 128,28. Tit.
1065.2. 5325,5 — 6. 5829,1 — 2. — «cf: Tit. 929,5 — 6: das du ir wirst
zuo einem blüendvn ziele an freuden in ir muote; cf. P. 195,4: er
mann es schäme ein bittende rts. Tit. 1326, 1 : Sie blüede wünschelrises.
— blttome, von Personen gebraucht, wie P. 109,11. 252,16 u. ö.,
Tit. 1391,4: aller wipltchen eren ein bluome. 1776,6: der clär-
licit ein blttome ; ferner 1826,1. 1839,2. 2082,2. 2488,1. 2773,5.
2876.3. 3010,1. 3159,5. 3175,5. 4768,1; ähnlich 5875,3-4. -
Über blüemen und florieren, flörie vgl. oben p. 124. — fruht, zur um-
schreibenden Bezeichnung von Kind und Mensch überhaupt, findet
sich im Titurel unzählig oft. — kerne, wie P. 429, 25, Tit. 3423, 2 :
ttrliuges gar ein kerne. 4884, 5 : gein höhen Salden ein kerne ; cf. 258, 1.
1536.1 — 2. 1840,3 —4. 2589,3 — 4. 3197,4 — 5. — ein dorn du weere
der vinde : 947, 6 — 7 = P. 600, 10. — kr ans, von Personen gebraucht,
wie P. 122,13: aller manne schcenc ein bluomen hatte u. ö., Tit.
1242,3: du seelden krane, 1294,7 : der minne solch eren kram, so noch
1279.7. 1306,1. 1326,5. 2989,1. 3035,3. 3055,6. 3349,6. 5396,7.
— Ebenso gebraucht wird kröne-. 1326,5: sie kröne, er kraue der
spilnden ougen eierde, cf. 1279, 7. 1359, 5 : ein kröne ob allen junge-
Ungen-, ferner 91,1. 1542, 6. 1581, 5. 2542,2. 2818,7. 3055,6. 5119,2.
5428,1. 5669,2. P. 781,14. 692,5. — Directc Nachahmungen
Wolframscher Stellen sind auch die von der bittenden heide her-
genommenen Vergleiche. Man vergleiche nur Wh. 20,4 — 9 mit
Tit. 3907,4—7. Variationen dieses Themas sind Tit. 843,4 — 5.
1706,6—7. 1959,4- 5. 2728,4. 4675,3. 4862,7. 6023,3 -4. —Ei»
mcien eit der ougen tcas dirre knabe sceldenbare: Tit. 166,1 — 2 =
Wb. 64,11. P. 531,24; ebenso mciett blic: Tit. 1065,6. 1937,2.
2160.7. 6393,6. 5577,1. — P. 805,21: reht ob prünnc gar der tvalt
wird paraphrasiert Tit. 1966,3 — 4, Wh. 372,12—13: oberst nu
donret der tvalt, Tit. 3919,6 — 7. — Wh. 370,16 — 17: man hört ttz
manegen vorsten den tvalt dä sere krachen = Tit. 1963, 1 — 2, cf.
855, 7. i ealtswende : 2572, 6 = P. 57, 23. Ilei was er waldcs stvande :
Tit. 907, 1, cf. 1990, 3—4; ähnlich 1822, 7. 2004, 7 (= W. Tit. 102, 1).
2078.1— 2.5. 3304,4—5. 2136, 4—5. Vgl. Förster 63 ff.; Kant 114.
Ähnlich gebrauchte Übertragungen von swenden sind noch : ein freu-
denswende : Tit. 999,7, cf. 3777,5. 6087,3. 5360,4. 5364,3. P. 416,
15. lebenswende-. 3493,1. 3927,7. ougenswende : 4011,4. has stcen-
den: 4987,7.
C. Das Reich der unbelebten Natur (F. p. 64 — 69) : er weer
gein strite ein flitise: Tit. 5259,3 = Wh. 76,7. — dem das dä in
der sunnen vert geliche : Tit. 4,4, cf. P. 198,20. Tit. 3863 a (27, 47) 3.
6892, 6. 6135, 6—7. — sprizen gceben schate vor der sunnen, W. Tit.
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165
2.3. wird variiert Tit. 2079,6 — 7. 260,6—7. 149,6 — 7. — baz dann
Saphir in dem golde : Tit. 1884,7, cf. P. 3,14 ( saphir gg). Tit.
218,7. — blawer danne iasure : Tit. 2800,2 = P. 313,5. — grüene
als ahnardente : Tit. 5790, 3, cf. Wh. 426, 8 — 10. P. 36, 29. — des
herze wart in j&mers tal geleitet : Tit. 357, 7, cf. 3773, 5. 3774, 4.
5205. 3. 1046 (8, 247) 6 — 7 : ir beider höchgemüete wart nü in jämers tal
gesenket. Das im letzten Beispiele versteckte Wortspiel ist echt
Wolframisch, vgl. P. 195, 10: sin höher muot körn in ein tal. Wh. 51,
2—3. 82,19 — 21. Tit. 1064,4: inins herzen halte ist niderbrüstec = Wh.
167,4. Vgl. noch Tit. 953, 2. 1525,1—2. 1800,2-3.2194,5 -6. 3372,4.
3583, 1—2. 4124,7. 4544, 3-4. 5459, 6. - Die zahlreichen Stellen Wolf-
rams, wo er das Weinen durch ausgefiihrtere bildliche Umschreibungen
mit wazzer, regen u. ä. ausdrfiekt (Forst, p. 67), sind im Titurel reich-
lich variiert; cf. Tit. 44 — 44b (46 — 48 AD). 263,6—7, 330,4 — 5.
472.3. 954,5 -6. 1023,4. 1193,3-4. 1581,1-4. 1913,1-2. 2613,
6— 7. 3410. 4175,6-7. 4231,4. 4274,6. 4605,5. 4995,4. 5057,
7— 58. 5090, 1—5. 5097,4. 5907, 3-6. - heres fluot : Tit. 947,5. 2256,3.
2930.5. 3067,5. 3803,4. 4235,1. 6098a (40, 377) 7. bi froicen fliiete :
1693.1. fluot allein = Heeresflut: 3176,4. 3236,5. 3506,5. 3617,5.
4043. 1. — ir freude wart in riuwen furt erlrenket : Tit. 1046 (8,247)5
= P. 114,4; cf. Tit. 4357,5. 1869,7. 2873,5.7. 4385,5. furt noch
Tit. 1885(14,52)7. 3909,1-2, cf. Wh. 346,14. — Hut und ors in
siceize wurden badende: Tit. 3409,5 = P. 262, 30. — mit tagenden
begozzen: Tit. 3164,4, cf. Wh. 463,8. Tit. 2423,6- 7. 3702.7.
3755.6. — Der wart der heideti schüre, ir strenger nächgebiire: Tit.
112,1.3 — P. 56,3—4. Tit. 1601,5: er ltiez mit tjost der rittcr
schüre, der vinde ein hagcl strenge. Vgl. noch 188,6 — 7. 259,6. 860,
1-5. 3001,7. 3551,6-7. 5806,2. 3949,4. 3946,3-4. 4257,4- 5. -
ich müht von Wochen langem regen sprechen (von einer grossen Zahl) :
Tit. 4043,5. = Wh. 99,2 — 3. — von im suite ei n niuwe leise: 4282,
4—6 =. P. 73,15, cf. Tit. 1369,4. 901,1—4. 1973, 3—4. — sam alle
die wochcn drunzen warn gesnlet: 2176,7, cf. Wh. 209,12: als ob
du ritcr sniten. 425,10—11. Tit. 4087,4 —5. 4534,7. 1967,1: Ouch
vielens sam diu snie, cf. 2691,5. 3468,5. 3854,7. Wigal. 10978. —
noch gelfer danne fanken in dem fiure: Tit. 961,4. 5594, 7 = Wh.
33,20—21; cf. Tit. 1686 a (13,57) 3. 2189,4. 4012,3—4. Wh. 368,
23 — 25. — vH zimierde ist iifhelmen von tnines swcrles eke enbrunnen, W.
Tit. 2, 4, wird nachgeahmt Tit. 149, 5 u. 260, 3—5. Variationen dieses
auch bei Wolfram häufigen Vergleiches hat Albrecht übermässig viel,
vgl. 839,4—7. 896,6—7. 901,6—7. 917,4—5. 918,3—4. 951,5.
2216,4-5 (= P. 222,5). 2587,5. 2678,6—7. 3221,6—7. 3309,6-7.
3413. 7. 3656,4. 3673,6 -7. 4133. 5662, 3-4. 5808, 3-6. 5818, 6-7.
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16G
— duz im schin erlosch der Hehlen sele : Tit. 1976,7, cf. Wh.
416, 14—16.
Cap. V. Humor.
Wie die bildliche Redeweise ist auch der Humor Wolframs
ein Ausfluss der innersten Dichterseele und ein Gradmesser für
die Kraft der dichterischen Persönlichkeit. Seine Dichtungen sind
an allen Enden vom Humor durchzogen und getränkt, und es ist
wohl eine der reizvollsten Aufgaben, Wolframs Gedichte nach
dieser Seite hin zu durchforschen. Den Reichtum des Materials
stellt Kant a. a. 0. zusammen, die sprachlichen Formen von Wolf-
rams Humor sucht Stark auf. Albrechts schwerfällige Natur hatte
keinen Raum für den beweglichen Humor, der bei Wolfram alles
durchzieht. Was sich an humoristischen Wendungen findet, ist
mühsam angequält: zum grössten Teil sind es Nachahmungen
Wolfrarascher Stellen, die, mit leichten Variationen, unendlich oft
wiederholt werden ; wagt sich Albrecht aber einmal auf eigene
Füsse, so wird er gar zu leicht albern. Nur im Wortspiele findet
seine gelehrte Natur ein geeignetes Feld der Thätigkeit, jedoch
sind seine Wortspiele meistens künstliche Spielereien, die nur dem
ausklügelnden Verstände, nicht der Phantasie und dem wirklichen
Humor entsprungen sind.
Verhältnismässig am wenigsten der subjectiven, humoristischen
Zuthat bedürfen die humoristischen Charaktere und Situationen,
die im stofflichen Gehalte des Gedichtes schon enthalten sind (cf.
Kant p. 4ff. 'Sachlicher Humor’, Stark p. 3 ff.). Gegenüber dem
Reichtum an komischen Charakteren und Situationen, den Wolfram
hat, empfinden wir die Armut des Albrechtschen Gedichtes doppelt:
Der anmutigen Darstellung der Jugend Parzivals setzt Albrecht
die Schilderung des jungen Titurel an die Seite, allein, was er an
humoristischen Zügen bringt, bewegt sich meistens doch nur in
Nachahmungen Wolframs; so das Gebot der Königin, dass
niemand dem jungen Titurel von der tninne reden dürfe (vgl.
oben p. 9), ferner die Schilderung des ersten Beilagers, das Titurel
und Ricbüude halten (vgl. oben p. 12). Nicht müde wird dann der
Dichter, den von ihm selbst erfundenen komischen Gegensatz zwi-
schen Titurcls hohem Alter und seinem jugendlichen Aussehen
und Empfinden zu Wortspielen auszunutzen (vgl. oben p. 8 — 9; Tit.
str. 252 ff. 421.425,1.431,1—2. 432,1. 434,4)*). — Der langweilige
Musterheld Schionatulander zeigt in seiner ganzen Geschichte, die
*) Den gleichen humoristischen Zug verwendet Albrecht für den alten Jüng-
ling Dtpandragun 2437 f., vgl. P. 66,1.
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167
doch den grössten Teil unseres Gedichtes auemacht, auch nicht
die geringsten humoristischen Ziige. Wo der Dichter einmal ver-
sucht, ihn zum Mittelpunkte einer komischen Situation zu machen,
wie Tit. 4691 ff., 4921 f., ist sein Witz entweder gezwungen oder
läppisch. — Von dem jungen Parzival weiss Albrecht noch zu be-
richten, 4387,5 — 7: (er) was gewahsen also balde, daz Herzelöuden
sorge wart diu strenge, daz bonfis kyrfis beäfis wahsen wolt die heehe
an risen lenge. — Über Keye und Segramor3 vgl. oben p. 34. —
Die Mohren von Zazamanc (Tit. 2541 — 2627) werden nach Wolf-
rams Vorbilde (cf. Stark p. 7) ihrer Farbe wegen humoristisch be-
handelt, vgl. bes. 2569 — 70. 2605, 1 — 2. — Eine komische Situ-
ation bringt Albrecht noch an 594, 5 — 96, wo Schoisiane zum ersten
Male den Gral trägt. — In der Weise Hesse sich vielleicht noch
das eine oder das andere auffinden, nirgends tritt uns aber eine
bedeutendere humoristische Gestaltungskraft entgegen, da auch die
einzige scheinbare Ausnahme, die humoristische Behandlung der
Brückenprobe und der davon abhängigen kleinen Episoden, sich
vollständig aus den Anlehnungen an die älteren Muster dieser
Probe erklärt (vgl. oben p. 49).
Unter den humoristischen Zuthaten, mit denen der Dichter
komische Zustände und Vorgänge erst in das richtige Licht setzt,
ist wohl die wichtigste die s. g. ' komische Individuazion’ (Stark
p. 8) in längeren Schilderungen. Sie stellt die grössten Ansprüche
an das humoristische Talent des Dichters, darum entzücken aber
Stellen, wie die Ausrüstung Parzivals (P. 127. 144), die Beschrei-
bung Cundries (P. 313. 780) und die anschauliche Schilderung des
Treibens der siegreichen Christen im Lager Terramers (Wh. 446 ff.),
stets aufs neue. Bei Albrecht finden sich wiederum nur traurige
Reste: Tit. 4240 ff., wo er die Rast der Marroeheise im eroberten
Zeltlager der Babylonier schildert, folgt er zwar in den einzelnen
Zügen der Handlung deutlich der erwähnten Stelle des Willehalm,
aber die wundervolle humoristische Schilderung Wolframs fallt,
bis auf wenige Andeutungen str. 4240 f., ganz unter den Tisch.
Ebenso woiss Albrecht von Knndrie nichts weiter zu sagen als
ein armseliges Wortspiel, Tit. 5370. Von Trevrizent heisst es
Tit. 5857(40,91)3 — 4 in Anspielung auf die breite Schilderung
Wolframs (P. 485 — 87, spec. 486,11): ze brüten noch ze sieden het
ir tvirt daz kalte noch daz warme. Etwas ausführlicher wird
Albrecht bei der Beschreibung der Speisung durch den Gral. Das
Vorbild für die beiden Tit. -Stellen ist P. 238,8 — 239,7. Doch ver-
liert sich Albrecht str. 597 — 599 a (6,33) sofort in eine trockene
Aufzählung seltener Speisen, die ihrerseits wieder aus Wh, 134,
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168
9 — 14 schöpft; und str. 6990b (40,241) reproduziert er auch nur
P. 239, 1—5. Einen Ansatz zu eigener humoristischer Ausmalung
habe ich nur an zwei Stellen des Titurel gefunden: str. 4950, wo
die Flucht Lehelins und seiner Mannen in die Veste Kanfoleis an-
schaulich geschildert wird, und, negativ gewandt, str. 3323 ff. in
der Beschreibung des kostbaren Zeltlagers der Babylonier und des
Secureis; vgl. 3323,6 — 7. 3324,6 — 25 (3334), und bes. 3336.
Die negative Form des Ausdrucks, die wir in dem letzten
Beispiele finden, ist nun überhaupt eins der beliebtesten sprach-
lichen Mittel des Wolframschen Humors (cf. Stark, p. 13 — 15).
Sowohl die s. g. r mhd. Ironie“, wie die mannigfachen, oben näher
besprochenen Umschreibungen Wolframs, die mit Hülfe der Ne-
gation einen positiven Begriff hervorheben, geben dem Ausdrucke
zugleich sehr häufig eine stark humoristische Färbung. Beispiele
für diese Art des Humors bietet auch Albrecht reichlich, da er ja
Wolframs Vorliebe für den negativen Ausdruck teilt. Vgl. z. B.
3654, 7 : er tcarp dem Sultan kleine aldä ge hulden (= er tötete ihm
viele). 5768,4: Lot noch Gailet künden weder steimmen da noch
tuchen (= sie gingen unbeanstandet über die Brücke). 4491,4 — 5:
ir orscn niht dar klamme het die hiiege noch diu lit lekrenket. 902,
6 — 7: das wart von im zertrennet in kleiner eit an veil sunder sänge;
u. s. w. u. s. w. Besonders gern aber verwendet Wolfram, und nach
ihm Albrecht, die negative Ausdrucksweise in den beliebten kurzen
humoristischen Anmerkungen, die Wolfram überall anbringt,
Albrecht gern an das Ende seiner Strophe setzt. Soweit diese
Anmerkungen Albrechts zugleich die Persönlichkeit des Dichters
heranziehen oder auf zeitgenössische Namen und Verhältnisse an-
spielen, werden sie erst im nächsten Capitel aufgeführt werden.
Hier vgl. Tit. 597, 6 — 7 : keiner noch den kochen truoc nicman has,
truhsasen noch dm schenken. 1567, 5 : es tccer im vor dem riche niht
erteilet (== P. 152,14 — 15). 5074,3 - 4: sicer lichte vel erkennet, der
het in keinen tcls für einen moren (= P. 37,19); vgl. noch 630,7.
1569,7. 1683,6—7. 1987,5. 2265,5- 7. 3511,5. 4820,6—7. 5152,
6—7. 5358,6—7. 5968,6—7. 5995,4*).
Diese kurzen humoristischen Anmerkungen sind auch oft posi-
tiv : Tit. 824, 6 — 7 : sö vil unkunder geste het cinm armen wirt vil
liht erschrecket (= P. 627, 26), cf. 829,3—7. 326,6 — 7: das ndc.h ein
*) Gerne steht hier das Hülfsverb dürfen-. 1992,6 — 7: steer gein im einer
tjoste gesas, der dorft sin niht ton schäme erröten. 4097, 3—4 : weder Tätrer
noch die Val wen dorften sich vor hunger da niht taten ; cf. 593,6—7. 2843,6-7.
3113,6-7. 3657,3—4. (4413,7). 4094,4-5. 4559,6—7.
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Wäleis tunibe gesworn het, das er bi lebene tceere (cf. P. 121,6—10);
cf. 2119,3 - 4. 2350,6—7. 2834,5 -7. 3401,6—7. 3866,6—7. 4168,
4 — 5. 4523,4 —7. 5989,3 — 5. u. s. w.
Die Nachahmungen von huraorist. Bildern und Vergleichen
finden sich iin vorigen Cap. mit den übrigen Bildern vereinigt.
Das Wortspiel cultiviert Albrecht mehr als Wolfram, es liegt
dem ausklügelnden Verstände unseres Dichters am nächsten und
muss ihm den innerlichen, wahren Humor ersetzen. Gelegentliche
Nachahmungen Wolframs fehlen natürlich auch hier nicht, beson-
ders bei der eintachen Paronomasie *), aber man kann es schon
nicht mehr als Nachahmung bezeichnen, wenn Albrecht die über-
mässige Häufung gleichklingender Wörter, wie sie Wolfram P. 76,23
— 77,18 im Briefe der Ampflise einmal charakteristisch anwendet,
alle Augenblicke in der masslosesten Weise benutzt **).
Unter den Sinnwortspielen bilden eine besondere Gruppe die
wortspielenden Erklärungen von Eigennamen. Wolfram erklärt
einmal den Namen Sigune (W. Tit. 105,4): Sigün diu sigehaft ü f
dem wal, da man weit magede lausche unrie ir siiese. Nach diesem
Muster fabriziert Albrecht unzählige Etymologien, wie 3906,5:
ron SigdebutU ( Erosse ), tcan er vil oft gesigte in manigem sturme herte.
3993.1 — 2: Sardine von saricecte und riclie von den langen (= Lan-
zesardine). 1231,1 — 2: Durch sine kost vil tiure wart es Dürans
geheisen. Ähnlich erklärt Albrecht Herzelöude: 1031,6 — 7. 5424,
6 — 7. 5923,1 — 4. 1068,6 — 7; Ither von Kummerlant: 1344. 3462,
1.3. 4639,6—7. 4650,7; Graswalt: 1295,1-2. 1340,3—4. 1395,
1 — 2. 5109,5; Sulvaterre : 296a (3,18)6 — 7.289.304,5; Betschale-
munt (= Patelamunt): 2568, 1—2; Trakun : 4712, 1—2. Oft spielt der
Dichter mit dem Namen Ekunats (cf. W. Tit. 153): 1382,1. 1460, 1 — 4
(cf. 1845). 1839,2. 5765,1-2. 5792,1, cf. 5720,1—2. Ein ab-
schreckendes Beispiel von Albrechts Geschmacklosigkeit ist endlich
3545. 1 — 2, wo die Aventiure den Dichter (Wolfram!) anredet: Min
friunt, ein räm der wolfe, ir solt min so niht rämen. — Auch die humo-
ristischen Ausführungen, die sich auf die doppelte Bedeutung des
Wappenzeichens stützen (Kant, p. 74; Starck, p. 16) hat Albrecht
oft : 4489, 6 — 7 : nti hiieten vor dem strüsc die viende sich , sit er kan
slinden isen (cf. P. 42,10), ebenso 4484,5 (cf. 3548,1 — 2). 4004,
*) Vgl. z. fl. dienstliche dienen: 798,5. 946,3. 8108,8—4, cf. P. 199,12. ein
glüende gluot : 822,4, cf. P. 81,22. dem wiplichen leihe : 1054, 4, cf P. 10,17-
Wh. 75,12 (cf P. 4,11). freuden klinge klone: 5617,3-4, cf P. 69, 16.
**) Man vergleiche die abschreckenden Dissertationen über die werdekeit:
Tit. 167 — 172 u. 5220— 32; cf. 3 152 ff. {lugende), 3813—17 (Paraphrase von Walther
8,14 ff). 519-24. 4120—21 und 5956-58 (mal).
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6 — 7: der Anker Gamurets, cf. 4003,3 — 4. 5686,4. P. 14, 29 ff.
1826,3— 4: der Adler des Artus, cf. 1954,1. Vor allem 5800ff. :
Orilus Drache und Ebunats Bracke.
In das Gebiet des Wortspiels gehört auch noch die Manier
Albrechts, ganz paradox klingende Behauptungen aufzustellen und
dann in längeren Erörterungen eine spitzfindige Erklärung dazu zu
geben. Vgl. z. B. 4141 : Dass der verwundete Ackerin dem Schiona-
tulander nicht beistehn kann, ist für letzteren s*n hcrsenliep, sin her-
eenleide ; die folgenden Strophen erklären dann diesen anscheinenden
Widerspruch. Ebenso 4970 ff. 5005,3 —5006,4. Bisweilen erhalten
solche Behauptungen ihren paradoxen Charakter erst dadurch, dass
sie wohlbekannten Charaktereigenschaften einer Person des Ge-
dichtes schnurstracks zuwider laufen, es sind 'in der Regel Vor-
würfe, die der Dichter dieser Person macht, die er dann aber
stets sofort zurücknimmt. Hierzu finde ich auch ein Vorbild bei
Wolfram, Wh. 31,1 ff.; ebenso Tit. 1199—1201. 5343 -44. 5873.
142 -44. 947—48 (cf. 945, 1).
Eine Parallele zu dem auf scholastischer Grundlage beruhen-
den Rätsel Wolframs P. 463, 26 ff. bietet Albrecht Tit. 2476 — 78.
Cap. VI. Hervortreten der Person des Dichters.
Die Kraft und Vielgestaltigkeit des bildlichen Ausdrucks und
des Humors, die Wolfram auszeichnen, geben uns ein Bild seiner
starken dichterischen Individualität; aber die Person des Dichters
selbst tritt dabei doch durchaus nicht in den Vordergrund. Das
Vorwalten des subjectiven Elementes nach dieser Seite hin charak-
terisiert eine andere Reihe von mehr äusserlichen Stilmitteln, die
gleichfalls in ihrer Gesamtheit für Wolframs Stil sehr bedeutsam
sind. Dazu gehört zunächst das Hervortreten des Dichters i m
Verkehr mit seinem Publikum (cf. Forst, p. 26 — 38. San-
Marte p. 240—44. Boett. p. 278 ff.). Wolfram hat die hier zu
besprechenden Eigentümlichkeiten mit den volksmässigen Epen ge-
meinsam, doch wendet er sie, wie Förster p. 30 bemerkt, noch
viel häufiger an, als die Dichter der Volksepen. Albrecht bietet
überall reiche Belege.
Der Dichter denkt sich bei der Abfassung seines Gedichtes
stets unter eine Menge von Zuhörern, die seinen Worten lauschen.
So redet er denn jeden Augenblick einmal seine Zuhörer an. Er
fordert sie auf zur Aufmerksamkeit: Tit. 982,3 — 4: nü haert , wie
es anvienge der bäruch. 2707, 3 — 4: nü lät iu niht verdriezen und
hart, wie er... 2738,1-2. 2911,2. 5597,2. 5850,7. 5932,7. nü seid
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wag ers genügte: 917,7. Seht wie: 860,1. 214,1. 2781,4. 2901,7.
6502.7. 5508,1. 5519,7. 5555,6. 5559,6 (in dieser Häufung nur
in H!). 5699 a (39,205) 4. 5831,1, cf. 148,7. Sonstige Aufforde-
rungen : 60, 1 : NA wünschet, reine frowen, dag mir Altissimus die
sec Id e gebende si dag ich die liventiur geleite (cf. P. 129, 2 — 4). 2554, 5:
ddbi verstet die kurist der heidenschefte. 2597, 2. 2656, 6. 2868, 2 (cf.
P. 899,7—8). 5501,3 - 4. 5596, lff. 5899, 7. 5979, 1. Der Dichter
schliesst sich oft mit ein, z. B. 2885, 1 : NA läse wir sie ringen •
2837,6—7. 2893,1 — 2. Hinweise auf Bekanntes, Mitteilungen
enthalten diese Anreden z B. 463,3 : ir kunnct niht vergessen sins
namen. 2840, 4 : als ich iu bediute, cf. 5692, 3. 7. Ganz auffällig an
bekannte Situationen der Volksepen erinnert 2707,6 — 7.
Eine zweite Gruppe bilden die häufigen Beteuerungen der
Wahrheit des Erzählten: 795,7: geloubet mire ah ob ich dürumb
steuere. 972.1: das gloubet, cf. 402,6 — 7. 404,6 — 7. 800,3 — 4 (cf.
Wh. 9,4—6). 973,4.' 3935,7. 4823,5. 5689,5—7. 6164,3—7. Ko-
misch gewandt ist die Beteuerung der Wahrheit 3942, 6 — 7.
4043. 5 — 7, cf. 2694, 7 ff. Breit ausgeführte, für Albrecht sehr cha-
rakteristische Versicherungen der Wahrheit sind 3254 — 56. 3341,3
—3345.
Eine besondere Gruppe der Beteuerungen der Wahrheit sind
die formelhaften Berufungen anf die Quelle, die wohl von den
wirklichen Berufungen auf die Quelle zu scheiden sind (Fürst. 27
— 39). Albrecht kann diese Formeln viel weniger im Reime ver-
wenden, als Wolfram, er hat sie aber doch häufig genug. Meistens
beruft sich der Dichter auf eine Vorlage, das meere (nur 1652,4)
oder die äventiure. V gl. 95, 6: des gibt diu äventiure. 323, 2 : nach äventiure
gehöre ; vgl. 202,2. 527, 7. 829,7. 1978,6. 2125,2. 2158,7. 3893,5.
4354.5 — 7. 5598,6. 5680 (39,184)4 AD. — 1218,7: es si das diu
äventiur sich noch terkere. 4560, 1 — 2 : Mich wil diu äventiure ur-
liuges niht erlügen; ähnlich 2205,6 — 7. 5319,4. 4536,3 — 4. Mlb.
42.7. 5766,7. Ebenso oft beruft sich Albrecht auf die även-
tiure, wenn er etwas übergehn will, cf. 94, 5 — 7. 307,1 — 2. 1782,7.
2063, 3 — 4. 2111,5-7. 2357,3-4. 2469,5.2619,3. 2834,4-7. 4042,
3-7. 4188,5. 4323,1-4. 4477.5. 4633,1—4. 4811, 4. 5346,4—7.
5492,4*). Vielfach sind die Berufungen aber auch ganz allgemein
*) In einer Reibe der eben aufgczählten Fälle ist deutlich eine Personi-
fication der öretifiure walirzunchmen ; am ausgeprägtesten zeigt Bich dieselbe aber
in den bei Albrecht sehr beliebten Gesprächen des Dichters mit der Äventiure.
Albrecht verallgemeinert damit den schönen Eingang von P. IX (P. 433 — 434, 10),
wo die Aventinrc dem Dichter erscheint nnd ihm auf seine ungestümen Fragen
Auskunft über Parzivals Geschick giebt. Eine directe Anspielung auf diese
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gehalten, vgl. 1378, 3 : jä warn ir viertle, heere ich sagen. 1377, 2. 4300, 4 :
man sagte mir (bei einer directen Anspielung auf P. 57, 19 — 20).
962, 7 : man jach, daz cdlez halsem drinnebrunne, cf. 188, 4. 262, 3. 5525, 4.
6831 (40, 66) 3 AD. 2696, 7. 5912,6. 1891 (15, 58) 1 AD. 2020,4. 541,3.
Zuweilen sind die Berufungen auf die Quelle absichtlich ganz un-
bestimmt gelassen, um eine humoristische Wirkung hervorzubringen
(cf. Kant p. 68); meistens lehnt der Dichter eine längere Auf-
zählung oder Beschreibung ab, cf. P. 604, 5. 397, 7—8. Wh. 208,
28 — 30. Tit. 3255,3—4: wem sie nü die behänden warn, der ist ouch
min geziug darunder, vgl. 1722, 3 — 4.
Für die Zuhörer berechnet sind ferner die kurzen formelhaften
Verweisungen auf die Zukunft; fiir Wolfram sind die Fälle noch
nicht gesammelt : Tit. 102, 1 : Das wart in sit gewandelt. 104, 6 :
ich toten daz sit geschähe*). Besonders häufig sind im weiteren
Verlaufe des Gedichtes die Hinweise auf den schliesslichen Unter-
gang des Helden Schionatulander, cf. 1219. 3806. 4217,3 — 4218.
4356 - 58. 4449,5—7. 4462,4. 4477,5—7. 4538. 4670,4—7. 4858,
6 -7. 4890,7. 4915—18. 4969,3—5**).
Der Dichter lässt aber auch seinen Zuhörern selbst das Wort,
indem er häufig kurze Fragen, gleichsam aus dem Munde seiner
Zuhörer, in seine Darstellung einstreut (Förster p. 35—38): Tit.
106, 1 : Waz tiü der heiser täte ? 386, 1 : Ob sie da heeten griifte ?
Nein, herre got enwelle, daz u. s. w.***). Albrecht liebt es, seine Strophe
Stelle findet sich Tit. 3964 in einem Gespräche des Dichters mit der Aventiure;
und eine Imitation der gehäuften Fragen P. 433, 8 ff. ist Tit. 2469—72, wo der
Dichter zwar die Aventiure anredet, aber ein wirklicher Dialog nicht stattfindet.
In allen übrigen Fällen bemüht der Dichter die Aventiure nur, um ihr erst Tor-
würfe zu machen, und darauf von ihr gescholten und eines besseren belehrt zu
werden. Diese Armut der Erfindung macht die Manier unleidlich. Vgl. Tit.
227.6- 266. 678,1— 681a (6,8). 627—630. 3544-46. 3961—74. 6019,6— 5030 (cf.
5020, 1. 6022,6. 5028, 1). 6091, 5—6095. 6283—39. Kürzere Anreden au die Aven-
tiure, ohne dass sich ein ganzes Gespräch daraus entwickelt, finden sich noch :
2240,3-7. 2340,6—7. 2469,2. 2638,5—7. 2884,6—7. 3691,5—7. 4636,5-7.
4671.6 — 72. 4928,4 — 7; der stap der Aventiure wird erwähnt 3153,5.
») Vgl. 107,3—6. 149,4—5.459,6—7. 839,5. 844,6-7. 874,7. 907,6. 908,5.
915a (8, 118)7. 976,8. 981,5.-2548,1—4. 2619,4—7. 2713,5—7. 2814,7. 2884,
5- 7. 2894,5 -7. - 5516,4-7. 5580,6. 6712,6. 5732,7. 5759, 7 (cf. 5760). 5879,
6 - 7 ff. 5917, 8—4. 5963,5.
**) Einmal weist aber auch der Dichter diejenigen zurück, die allzuneugierig
immer wieder nach dem Ausgange der Geschichte fragten ; das sei ein Zeichen,
dass daz meere ihnen langweilig geworden sei, solchen Leuten solle man gar nichts
weiter erzählen (Tit. 2896 — 97). Albrecht denkt dabei gewiss an Wolframs
Worte P. 734,1—3.
***) Vgl 201, 1— 2. 423,4.810,6—7. 891,4. 980,5. 993,5. 1000,6.-2531,1.
60,1—3. 87,1-2. 96,2. 2630,1-2. 38,1—2. 54,3- 4. 82,4. 2707,5. 31,6. 36,
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mit solch einer Frage zu beginnen. Einen wirklichen kurzen Dia-
log zwischen Dichter und Publikum habe ich nur Tit. 2094, 5 ff.
gefunden.
Zu erwähnen ist hier endlich noch die Manier des Dichters,
„das zu Erzählende nicht einfach und direct, sondern gleichsam
aus der Wahrnehmung anderer, und in diesem Sinne indirect zu
berichten"' (Förster p. 26 — 27). Es sind ein paar bestimmte For-
meln, vor allem man sach : Tit. 242, 4: der, die man vor toufe sach die
11 dsen. 256, 4 : mit arheit iiberlesten sach man in den lip u. s. w.*)
man siht: 153,7. 601,4. 628, 7. 802, 1. Mlb. 15,4. wart gesehen : 454, 5.
2960.6. 5659b (39, 162) 6-7. man schonte: 114,7, cf. 844,1. man
hös: 1082,7. 1130,7. man hörte : 472,6. 843,3. 5661,7. 6663,1.
5824.7. cf. 497,4. man vindet: 926,4, cf. 116,4. 991,4. 292,4 — 5.
448.7. 854,7.
Im Verhältnisse des Dichters zu den Personen
seines Gedichtes zeigt sich die subjective Natur Wolframs
besonders in der Gewohnheit, in lebhafter Erzählung die handeln-
den Personen seines Gedichtes anzureden; vgl. z. B. P. 742, 27 — 30.
743,14—15 (Parzival). 740,19 — 22 (Condwiramurs und der Gral).
Wh. 49, 12-14 (Vivians). 30,21-30.403,1—10 (Giburc). 400,1—12
(Jeristen Hute). Albrecht verwendet dieses Kunstmittel besonders
gern, indem er solche Personen anredet, die selbst gerade nicht
Vorkommen , aber mit den eben Auftretenden eng verknüpft sind
(cf. P. 740, 19 —22) ; der Hörer wird dadurch an diese entfernte
Person lebhaft erinnert (cf. Hamburger, a. a. O. p. 25 Anm. 1). Daher
die vielen Anreden an Sigune: Tit. 1272,3. 1318,7. 1319,6—7.
1338,6. 1378,7. 2578. 2637. 2700. 2706,1. 4171,3. 4643. 4673,1.
4894,1 — 3. 5343,1; Herzelöude: 915a (8, 118) 1. 1037,5; Sigune
und Richöude: 2665; Klauditte: 4203; Kundwiramurs : 5462,1.
6945,4; Anfolise: 959,1. Wirklich handelnde Personen werden
angeredet: Schionatulander: 4885,6. 5034,2—5035,6; Parzival:
6609. 5699 ; personificierte Abstracta: Aventiure, cf. p. 171 Anm.
Minne: 2579, 6ff. 4238,6; Fortune: 4177,6; Gelücke: 5275,3, cf.
6218,3 — 4; Untriuwe: 904,4; Werlt: 1967,7. Vgl. endlich 4637, 6 ff.
1—2. 77,1—2. 87,5. 2870,5. 96,1—2. — 5516,4—7. 19,1—2. 21,1—2. 5609,5.
18c (39, 109) 1—2. 29,1. 87,5. 92,1—2. 5781,1.8. 81a (40,14) 2. 5868, 1-2.
87,1—2. 5916, 1—2. 46,5. 62 a (40, 194) 8. 62 b (40, 195) 1—5.
*) Vgl. 260,4. 379a (3, 105) 7. 879b (3,106)4. 895,4. 414a(8, 141)5. 430,4. 458,2.
467.3. 831,5. 839,1. 840,2. 845,1. 860,5. 851,1. 860,4. 899,3 - 4. 902, 1. 957,7.
972.4. 974, 1. 978,2.-2600,7. 53,7. 2702,7. 17,4. 21,4. 97,3. 2838,4—5. 86,4.
2977,7. 98,2.4. 8000,1-2. — 5617,4. 18,4. 85,4. 5629,4. 6719,7. 21,3. 24,7.
90.4. 5817,7. 19,2. 5918,4. 37,7. 62d (40, 197)8; cf. 724,7. 978,4. 2996,4 - 5.
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(Salamander); 4020,1 ( toußcerc terre, cf. Wh. 400,1—12). 944,1
(lant ec Norgäls, Wäleis und Anschowe, cf. Z. 6 iuwer) *).
Die Anreden des Dichters an die Personen seines Gedichtes,
bei denen die Person des Dichters selbst für einen kurzen Augen-
blick lebhaft hervortritt, bilden eigentlich nur einen Teil des grossen
Kreises jener beliebten kurzen subjectiven Bemerkungen, mit denen
Wolfram seine Darstellung auf Schritt und Tritt begleitet. Jeden
Augenblick sehen wir den Dichter aus irgend einem Winkel her-
vorlugen, und wir empfangen den Eindruck, dass er sich immer
fort mit seiner ganzen Aufmerksamkeit in die Handlung seiner
Gedichte hineinversetzt. Bald giebt er nur seine Meinung an über
das, was er gerade erzählt, er rät, ermahnt, tadelt; öfter noch aber
zieht er seine Person und seine Verhältnisse näher heran, indem
er sie den Personen und Verhältnissen, von denen er berichtet,
gegenüberstellt ; gewöhnlich ist dann humoristische Selbstver-
spottung der charakteristische Zug dieser Vergleiche. Albrecht
ahmt die Manier Wolframs in grossem Umfange nach, eine Reihe
von solchen Bemerkungen übernimmt er einfach aus Wolfram, in
vielen spricht er sich aber auch selbstständig aus.
Die leichteste Form, in der diese subjectiven Bemerkungen auf
treten, ist die Einfügung eines ich wenn, das dem Gedanken nur eine
leichte subjective Färbung giebt**). Dem Gebrauch von ich man
stehn Stellen am nächsten, wie Tit. 2661,6 — 7: ich rät, daz wunden
Meine und arme finde niemen niht versmähen, cf. 1316, 6 — 7. 1543, 7.
*) In gelegentlichen Bemerkungen, aus denen wir uns ein Bild von dem
Verhältnis des Dichters zu seinen Personen machen können, ahmt Albrecht öfter
Wolfram nach: l'il. 3512 — 14 begründet der Dichter, weshalb er neben seinem
Helden auch noch anderer Kämpfer Thaten rühmend hervorhebe, cf. 4635 f. P. 338.
— Tit. 3227 — 28 nimmt der Dichter Gamuret in Schutz gegen die Anschuldigung
des Ipomidon, cf. 1333; vgl. die Entschuldigung der Orgeluse durch den Dichter,
P.516,3 — 14; Keyes, P. 297, 13ff. (naebgeahmt Tit. 4498 ff.). Gegen seinen eigeneu
Spott verteidigt Albrecht Kundrie Tit. 5371 fast genau mit Wolframs Worten (P.
487, 1 1 — 22). - An die Bemerkungen, mit denen Wolfram Parzivals Kampf mit Feirefiz
(P. 734— 44) begleitet, erinnert Tit. 4710, 5— 7. 5693,3. — Dagegen lehnt Albrecht,
io Nachahmung von Wh. 408, 30 ff., eiu näheres Verhältnis zu Persoueu seines Ge-
dichtes ab: Tit. 3994,3-4. 1749,3. 1722,3-4. 2036. Zu W. Tit. 148,2—3 vgl.
Tit. 1905,6—7. 5001,4 -6.
**) Es regiert den blossen Conjunctiv des abh. Verbums: Tit. 64, 4. 104,6.
190,4. 206a (1, 13) 7. 836,3. 944,6. 953,6. — 2586,6. 2700,7.2732,4. 2887,6.
2897,7. — 5722,5. 5806,6. 5864,6. 5885 a (40, 119)6. 6929,3. 5948,4. Es folgt
daz: 83,6. — 2686,4. 2772,4. Der abh. Satz ist unabhängig von ich ic<en: 50,7.
801,6. 370,7. 404,7. 916,4. 962,3. 964,4. - 2800(22,29)7 AD. 2871 (22,101)8
AD. 2968, 4. 2971,6. - 6518,5. 6530,5. 5606,7. 5766,4. 6801,7. 6808,2. 5814,7.
6817,2. 5818,4. 5865,7. 5995,4. 5996,5.
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897a (8,94) 3—4 : mit sinnericher käste kan ich dem kein wisheit
kiesen; cf. 1268,7. 1935,6-7. 3983,6—7. 4026,6—7. 4054,6—7.
4941.5 — 7. 5197,6 — 7. Schärfer tritt das subjective Element aber
in den folgenden Beispielen hervor; ich stelle die directen Nach-
ahmungen Wolframscher Stellen voran: Tit. 5962,4 — 5: gelücke
alsolhe minne von mir wende, diu mir von liebe helfe solhcr leide ; cf.
W. Tit. 18, 2-4. P. 604, 4-6. Tit. 4836. — Tit. 5962, 6—7 : ich bin
der minne erlösen, min amte enruoht wenn ich von ir scheide; cf. P.
334, 8 — 10. — Tit 5626, 3— 5 : ez w<er ouch sunder langen min dage, der
mich getribcn hcete dannen, duz ich ein sohh tjoste wahr unschende = P.
262, 20 — 22, cf. Tit. 2865, 3 — 7. — Tit. 2068, 6 — 7 : sö wolt ich gesitzen,
soll ich dürumb nü wirde und eie kiesen — P. 75,22—23. — Tit.
1674,7: ich weiz ir (— Fürsten) vil, ir zuht diu würde wiltvenge ;
cf. W. Tit. 87,4. Tit. 2732,6. — Tit. 163,3-4: ich hän den
nachgebür, der disen kriec sö wol niht künde entslieeen (cf. 401, 3 — 7)
= Wh. 26,22 — 24. — Tit. 3338,3-7 ist eine Paraphrase von P.
735,9 — 11. — Keine directen Nachahmungen Wolframscher Stellen,
aber vollständig in W olframs Manier sind : Tit. 258, 7 : durch als
riche pfruonde wolt ich mich dar gerne hüsgenözen. 1495,6— 7: al-
so! hen wirt ich lobte, wenn ich erbeizte miiede unde speete. 1988, 1—4;
In minem boumgarten wolt ichs ungeme ltden, ob ich het einen zarten.
4819, 5 — 7 : der garte min wirt nimmer so vergeteret, ob er halt jar-
lichen mit blüeten würde wol dristunt überbleteret, cf. 4821, 3 — 5. *).
Von besonderem Interesse lür uns werden aber die subjec-
tiven Bemerkungen Wolframs, wenn er dabei auf Örtlichkeiten
seiner Ueimat, oder auf bekannte Örtlichkeiten, Personen oder Er-
eignisse seiner Zeit anspielt (vgl. die Aufzählung Försters p. 57 ;
Kant, p. 86). ln der Nachahmung solcher Stellen lässt sich schon
deutlich das Bemühen Albrechts erkennen, auch äusserlich sich mit
der Person Wolframs zu ideutificieren. Weniger auü'.tllig tritt
dies bei den Anspielungen auf bekannte Örtlichkeiten seiner Zeit
hervor. Wo Albrecht solche Stellen Wolframs nachahmt, ver-
tauscht er gerne die dort genannten Namen mit ähnlichen, ebenso
bekannten, behält aber den eigentlichen Vergleich bei. So setzt
er für Spehtshart, Wh. 96, 16, llunzeväle ein Tit. 1677, ebenfalls für
Spehteshart, P. 216,13, Boehcm tealt Tit. 6010 a (40, 275) 4. Sicher-
lich aus Wolframs Vergleich Wh. 377,23 — 30 (den Albrecht ohne
*) So vgl. noch Tit. 579,4—5. 882,4—5. 909 (8, 111) 6-7 AD. 1705,
1—4. 1827,3—5. 1963,6-64. 2001 (15,87)5—7 (cf. AD.). 2049,6-7. 2164.
2223.6- 7. 2240,4—7. 2400,6—7. 2405,6—7. 3471,4-7. 8763,4—7. 3918,8—5.
3930,3-4. 3966,4- 7. 4025,6—7. 4087,6—88,2. 4096,3—5. 4607,3—6. 4917,
6-7. 6082,7. 6962.
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176
die Anspielung genau nachahmt Tit. 2384. 3 — 5) hervorgegangen ist
Tit. 3474,6— 7: t rer mäht das Ump i» Spehtehart gesellen ?, cf. 4043.
1 — 4, wo dafür Swarzualt eintritt. Dagegen sind directe Nach-
ahmungen Wolframs: Tit. 1823,6— 7 = W. Tit. 31,4 (Swarzwalt).
Tit. 4094,5 — P. 184,14 — 15 ( Ungersch zager). Tit. 326.6 — 7
geht zurück auf P. 121,5 — 12 ( ein 1 Yältis (timbe). Auf der andern
Seite schöpft aber Albrecht gerade hier gern aus seiner eigenen
geographischen Gelehrsamkeit: Tit. 2150,6 — 7 (nur H): ritterlicher
tjoste wart nie gesehen in Strübinger plärre. 2191,3—6: «7 maniger
storje dringen dä gieng entleer alsam die starken ünde üf einem wilden
si in Engellande (cf. Wh. 392, 6 — 9, wo aber die Anspielung fehlt !).
3344,5 —7: wer sich bi dem lline erdiirsien lieze, cf. 3447,4 — 5.
3512,1—4: dafür ich Teisachkerpfen ezzen wolt. 4097,3 — 7: weder
Tätrer noch die Valtcen dorflen sich vor hunger dä niht taten. 4518,
6 — 7 : ze Berne üf kampelmarkte so riehen kouf die slatzneer nie ge-
truogen. 4824,5 — 7: denselben luft ich michel sanfter dolte , dann
ob ich in dem augste dort in Aglei biirger wesen solide (cf. hl. Georg
5856). 6165,1 — 3: G ein Ilöm gein Ache den verten (= Pilgerzügen).
5322,3 — 4: Eranzoiser noch Alemänen wart nie bekant diu flust.
2244,3: von Saders uns an Möge. 4709,3: von Isse um an Parlitte.
4865,3: von Kriechen um an Vedrüne (cf. P. 419, 21), cf. 3518, 1—3.
Deutlicher fühlen wir das Bestreben Albrechts, als Wolfram
zu erscheinen, bei den Anspielungen auf Ereignisse der Zeitge-
schichte oder auf zeitgenössische Personen. Nur einmal gestattet
sich nämlich Albrecht eine (reichlich dunkle) Anspielung auf Ver-
hältnisse seiner Zeit (Tit. 2942 tf.), und gerade aus dieser Stelle
pflegt man Albrechts Zeit zu bestimmen. Sonst begnügt er sich,
abgesehen von ein paar allgemeinen Anspielungen (Tit. 462, 4—7.
1605,5 — 7, vgl. unten die Anm. !), damit, Anspielungen Wolframs zu
wiederholen oder zu variieren. So ist die Anspielung Albrechts
auf die Königskrönung Ottos IV., Tit. 4005,4 —7, nur eine nach-
ahmende Variation von Wh. 393,30 —394,5. Albrecht setzt statt
der Kaiser- die Königskrönung Ottos IV. ein, die am 12. Juli
1198 zu Aachen stattfänd (cf. Lachmann z. Waith. 9,13). Er
schiebt damit die Anspielung noch 11 Jahre weiter zurück und
rückt sie so ganz aus der Zeit Wolframs heraus ; in seinem Be-
streben, Wolfram vorzustellen, hat Albrecht hier also einmal übers
Ziel hinaus geschossen; cf. Lachm. z. Waith. 17,11.*). Ebenso
*) Gar bis zum Jahre 1197 wäre Albrecht in einer Anspielung zurückge-
gangen Tit. 1505(12,3)5—7, wenn San-Marte (Leben u. Dichtenil, 206) und
Pfeiffer (Freie Forschung S. 278) die Anspielung auf den römischen Kaiser,
der im Brautstuhl auf dem GunzenlC sass, richtig datieren: Kaiser war Philipp
1197 freilich nicht, nur Herzog.
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177
charakteristisch für Albrechts Verhältnis zu Wolfram sind die
wiederholten Anspielungen auf Landgraf Hermann von Thüringen :
Hermanns Freigebigkeit feiert Wolfram besonders Wh. 417, 22 — 26,
cf. P. 297, 20. So vergleicht ihn auch Albrecht mit dem freige-
bigen Artus, Tit. 2381,3 — 7, und 3757,6—7 mit dem vor allem .
durch seine mitte ausgezeichneten Secureis. Diese beiden Anspie-
lungen gedenken nach dem Vorbilde von Wh. 417,22 — 26 u. Tit.
str. 727, die vielleicht noch von Wolfram selbst herrührt (cf.
Lachm. z. W. Tit. 82 u. p. XXIX), Hermanns bereits als eines Ver-
storbenen. Dagegen bemerkt Lachmann zu Walther 17, 11 mit Recht,
dass Tit. 2840 (22, 70) Landgraf Hermann noch als Lebender er-
scheint*), wie P. 297. Albrecht würde demnach, falls Tit. 727 wirk-
lich Wolfram gehört, auch hier, in zu ängstlicher Nachahmung der
Anspielungen Wolframs, einen chronologischen Fehler gemacht haben.
(ranz als Wolfram giebt sich Albrecht in den Anspielungen
auf zeitgenössische Dichtwerke und ihre Verfasser. Es ist eine
merkwürdige Thatsache, dass der so viel spätere Albrecht keine
anderen Dichter namentlich anführt, als der ein halbes Jahrhun-
dert ältere Wolfram. Anspielungen auf die deutsche Heldensage
finden sich bei beiden, aber ohne directe Nachahmungen Albrechts
(cf. Tit. 1710. 3312. 3355). Von den höfischen Epikern nennt Al-
brecht nur Veldeke und Hartmann, Wolframs Vorgänger. Die
Erwähnung Veldekes, Tit. 4831, ist eine directe Nachahmung von
P. 404,28— 30 und besonders von Wh. 76,22 — 29. Auch Albrecht
möchte seinen Meister und Herren herbemühen , damit derselbe
mit seiner reicheren Kunst aushelfe; aber leider ist er zu früh
gestorben. Herrn Hartmann von Ouwe redet Albrecht zwei mal
an, au Stellen, wo er von Personen seiner Gedichte Ungünstiges
zu berichten hat: Tit. 2352 u. 4539. Beide Stellen klingen deut-
lich an Wolframs Worte, P. 143,21 — 144,4, an, wo der Dichter
*) vor hundert järn ist Uht in Düringlande et» fürste lange erfülct, den
man du lltrman als nü disen nande (vgl. AD!). San-Marte (Leben u. Dichten
p. 287) bezieht diese Worte auf den 1241 gestorbenen Landgrafen Hermann II.,
da er den Titurel dort überhaupt in die Zeit von 1822 — 50 setzt. Welcher Her-
mann v. Thüringen aber mit disen gemeint ist, giebt er nicht an. Mir scheint
Lachmann richtiger geurteilt zu haben: Albrecht spricht wiederum in Wolf-
rams Namen und meint mit den Worten alsarn nü disen den bekannten Gönner
Wolframs ; es bleibt dann zu untersuchen, welcher Hermann von Thüringen um
1120 — 30 geherrscht hat. Der erste Landgraf von Thüringen war Hermann von
Winzenburg, dessen Sohn, Hermann II., 1130 wegen begangenen Mordes dieser
Würde verlustig ging (vgl. Knochenhauer, Geschichte Thüringens z. Z. d. ersten
Landgrafenbauses, Gotha 1871, pag. 88—94). Sollte hier vielleicht einer von die-
sen beiden Hermann gemeiut sein?
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178
den jungen Parzival dem Wohlwollen der Personen Hartmanns,
des Artus und der Ginover, empfiehlt und im andern Falle mit
scharfem Spotte droht. Albrecht hat hier diese Drohung ausge-
führt. Tit. 6090 ff. macht Albrecht bei der Schilderung des auf-
richtigen , tiefen Schmerzes der Sigune einen Ausfall gegen die
Frauen, denen die Thränen um den toten Geliebten nicht vom
Herzen kämen. Er beruft sich dabei auf Ovidius und auf Hart-
manns Laudine (5094); gerade wie Wolfram P. 263, 10 — 18 u. 436,
4 — 10 den starken Gegensatz zwischen Sigune und der leicht getrö-
steten Laudine hervorhebt. Endlich scheint Albrecht bei Tit. 1939, 4
die Anspielung Wolframs auf den Erec, P. 683, 26 — 27, deutlich im
Sinne gehabt zu haben.
Bei der Erwähnung eines groben Verstosses gegen die hö-
fische Sitte ruft Wolfram Wh. 312, 11 ff. den Nithart als Wächter
über die gute höfische Sitte an. Ebenso führt Albrecht Nithart
ein Tit. 889, 6 — 7.
Ausser den schon genannten Dichtern nennt Wolfram nur noch
zweimal Walther: P. 297, 24 — 25, wo er einen Vers eines uns un-
bekannten Liedes Walthers citiert, und Wh. 286, 19. Da sich nun
auch bei Albrecht an ausdrücklichen Citaten anderer Dichter nur
noch eine wörtliche Einführung von ein paar Versen eines Wal-
therschen Gedichtes findet, so worden wir nicht fehlgehn, wenn
wir auch hier eine bestimmte beabsichtigte Variation der Wolf-
ramschen Anspielungen annehmen, cf. Tit. 578*). —
An dieser Stelle möchte ich die Anspielungen Albrechts auf
Wolframs Gedichte einreihen. Die Anspielungen auf Stellen aus
Wolframs Titurel gehören streng genommen nicht hierher, da
Wolframs Fragmente ja eineu Teil des Titurel selbst bilden. Für
die Abschnitte, in denen Albrechts Darstellung mit der Wolframs
parallel geht, verweise ich auf den 1. Teil dieser Arbeit. Albrecht
nennt den Parzival Wolframs ausdrücklich: Tit. 18, 5 ff., wo er in
Wolframs Namen auf den Eingang des Parzival hinweist, dessen
Paraphrase er beginnen will; 77,6. 525, 1 — 4 u., zugleich mit dem
Willehalm, 5910. Der Parzival ist auch gemeint an folgenden
Stellen : 261, 1 ff : Wie vil der fugenden tccere an dem gräle und
tcirde, dass seit ein ander »leere; derselbe Ausdruck : 294(3, 15)5 (cf.
AD.). 5192, 4 — 7. 6515, 3. 6774, 5 — 7 : das seit ein ander buoch mit
ganzem meere. Ferner 463,1 — 2: Sin (= Anfortas) clärheit über-
messen ist vor in ävenliuren ; ebenso 310. 6920. Endlich 5204 : des
sult ir fragen meere Trefrescent, der seit es Parcifäle an dem kern
*) = Walther (ed. Lachm.) 8, 19—22; Albrecht hat die Lesart von BC vor
sich gehabt.
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kartage bt dm fiure. Mäht ich eicö rede üz einer, so jceiie mir Jcnnst
niht ordenlkher stiure (vgl. Gregor. 3153). Von den überaus häu-
figen Anspielungen Albrechts auf Personen und Situationen des
Parzival, ohne dass er Wolframs Werk als solches nennt, gebe
ich alle Stellen, die mir aufgefallen sind , ohne absolute Vollstän-
digkeit beanspruchen zu können : Tit. 300, 3 — 7 : Parzival auf der
Gralburg (= P. 226, 10 ff.). 524 f.: Ferafiz Taufe (P. 816-18).
783,4: Gamuret vor Alexandrie (= P. 18, 14 — 16. 106,9 — 11),
cf. 919, 6—7. 2918, 1—2. 3354, 1. 3376, 5—7. 3485, 5—7. - 908,
5—7: Herzelöudes Tod (P. III). 1000: den Gamuret betrauern
Anfolise (cf. P. II), Herzelöude und Belakane (1000,5 = P. 750,
25). 1024, 7 : das Turnier zu Kanvoleis (P. II), cf. 1370, 4 — 7.
1930,4. 2081,1—2.2086,3—5. 2091,3—4. 4452,5. 4510,5—7. 6928,
3 — 4 ; speciell auf P. 84, 24 geht Tit. 1669. — 1098, 6 — 7 : Genteflurs
Tod durch Clamide (P. 178). 1137: Gamurets Zelt (cf. P. 1). 1604:
Pelrapiere und Clamide (P. IV). 1665: Feirefiz t cäpenroc (P. 735,
19—30). 1748,5 — 6: Hiuteger vor Patelamunt (P. I). 2045,1 — 4:
Pliporie von Orilus besiegt (P. 134, 28). 2046, 6 — 7 : Kyrot v. Ro-
sabinse und sein Kranz (P. XIII), cf. 2153 — 54. — 2080 — 81: Har-
diz, Alize, Kailet (P. 89, 7 ff. 100,21—22), cf. 2597,5—7. — 2156
— 57: Gramoflanz und Zitegast (P. XIII). 2354,6 — 7: Lehelins
Kämpfe mit den Gralrittern (P. 340,1 — 6. 473,22 — 30). 2528—29:
Gamurets Anker, cf. 5685,5. — 2541 ff. : öftere Anspielungen auf
Gamurets Tliaten in Zazamanc (P. I). 2801 : Gamuret vor ßaldae
( P. II. Tit. VIII). 2941 ff. : die krame des Secureis (cf. P. 562— 63.
Wh. 279), spec. 2946: die Harfe Swalwe (P. 623, 20 ff. 663, 15 — 18).
3152 ff. : Ekuba von Janfuse (P. VI), cf. 5240— 41. 6304. — 3263,7:
Artus bei dem Plimenzole (P. VI, cf. Wh. 356, 8 — 9), cf. 5527, 5 (wo
aber die Beziehung erdichtet ist). 5636. — 3689, 6 — 90 : Herzelöudes
Schmerz bei Gamurets Tod und Parzivals Abschiede (P. II — III).
3760: Feirefiz Überfahrt zu Artus (P. XV). 3807,1 — 3: Galoes
Tod durch Orilus (P. 134,23—26), cf. 4437,6-7. 4442,5. 4870,
1 — 2. 5762, 3. 5885, 5. — 3964 : Die Avcntiure und der Dichter
(P. 433). 4016,5: das Hemd der Herzelöude (P. 101,9 — 13. W. Tit.
81). 4297 — 98: Parzival von seiner eigenen Mutter gesäugt (P. 113,
cf. Tit. 1080 — 81). 4300: Belakane küsst den Feirefiz auf seine
weissen Male (P. 57, 19 — 20). 4532, 5 — 7 : Gandin und Galoes , cf.
5885,6 (P. I). — 4612,3 — 4: Entführung der Arnive durch pfaffen
liehe (P.66, 4f.). 4850 — 54: Anfortas und Secundille (P.519; cf. Wh.
279). 4887,6 — 7: Parzival und Jeschute (P. 111), cf. 5035. — 6217,
5 — 7 : Parzival von Kundric gescholten (P. 314 — 18), cf. 6318, 5 — 7.
6366, 6—7. 5446, 6 — 7. — 5218 — 19 : Ausblick auf Parzivals spä-
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tere Schicksale bis zur Erwerbung des Grals (P. XV — XVI), cf.
5239. 5— 6. 5843. — 5429, 4 : die drei Blutstropfen im Schnee (P. VI).
5523.5— 7: Gurncmanz Lehren (P. 170,25), cf. 5443,3 (P. 23', 11
-13). 5741,5—7 (P. 171, 25-30). — 5531,6-32,2: Parzivals Ver-
zweiflung an Gott (P. 332). 5699h (39, 212)3 — 5: Parzivals Herberge
bei dem Fischer (P. 142 — 143). 6736, 6—7 : Herzelöude hütet ihren
Sohn vor Ritterschaft (P. III). 5760,5: Parzivals Kampf mit Fei-
refiz (P. XV). 6762,4 — 5: Parzivals Lande von Lehelin geraubt
(P. 141, 6 ff.). 5793,5 — 7: Parzival versöhnt Orilus und Jeschute
(P. 266-71). 5844 : Fest von Joflanze (P. XV— XVI). 5881, 3-5:
Krönung desKardeiz (P. 803; bs. 22— 23). 5881,6 — 7: Feirefiz und
Repanse de tschoie (P. 822, 21 fl 1 .). 5885, 6 — 7 : Gurnemanz und seine
drei Söhne (P. 177 — 79). 5922 -23: Gamuret, Belakane und Her-
zelöude (P. I— II); Parzival und Kondwiraraurs, cf. 5927,6 — 28,4.
6932,1—2. - 6943,1—2: Kundrie (vgl. z.B. P. 318, 9— 10). 5962d
(40, 197): die Klagen um Anfortas und seine Heilung (P. XVI). 6172 :
Hinweis auf Wolframs Bericht über die Beschaffenheit des Grals
(P. IX).
Wolframs Willehalm nennt Albrecht Tit. 6910 zugleich mit
dem Parzival. Anspielungen auf das Gedicht finden sich : Tit. 1220, 7 :
Prahange, das Ross Terramers (Wh. 353, 30 u. ö.). 2836 — 41 : Aus-
führlicher Hinweis ; Berechnung des Zeitunterschiedes der beiden
Epen (cf. oben p. 16). 6929, 3 — 7 : Kyburc streitet selber mit (Wh.
226, 29 ff.). 5930, 5—7: Kyburc heisst Willehalm durch die Feinde
reiten (Wh. 103, 9 ff.). 6931,5 — 7: Kyburcs Treue (vgl. z.B. Wh.
260). Auf Rennewarts Kämpfen mit seiner Stange (Wh. 416,
28 fl 1 , u. ö.) spielt wohl an Tit. 3501 ,7 : ob sie halt striten raste latic
mit stangeii. In einer Liste von Heiligen wird Willehalm aufgeführt:
Tit. 3670, 6—7.
Nichts illustriert deutlicher Albrcchts Abhängigkeit von Wolf-
ram, als die Menge der hier aufgezählten Anspielungen auf Wolf-
rams Werke*). —
Nur zu verstehn unter der Voraussetzung, als ob Wolfram
selbst rede , sind ferner die wirklichen Berufungen Albrechts auf
seine. Quelle. Albrecht tritt schon Tit. 18—20, wo er die Para-
phrase seiner Parzival-Einleitung beginnt, offen als Wolfram auf.
Mit str. 77 tritt er in die eigentliche Darstellung ein und schickt
derselben als sein Programm diese Strophe voraus : „ Der von Pro-
*) Nachahmungen von Anspielungen Wolframs auf Stoffe anderer Epen (vgl.
oben p. 177 f.) finden sich Tit. 1S67, 5—6 : sü er (= Orilus) tt Kanadick dm
epencterc sv manigcm ritter torbehielt (= P. 135, 7 — 12). Über die Anspielungen
auf Hern am, Herlint u. Fridebrant (P. 25), Tit. 1528 ff. u. 2681 ff., vgl. oben p. 37 f.
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181
vensdle und Flegetänis parliure, heidenisch ton dem grvde und franseis
tuont sie kunt vil dventiure , das wil ich diutsch, gan mir sin got, hie
künden: was Parcifäl du birget , das wirt se liehte braht än vakel-
Sünden “. Was Albrecht hier in Wolframs Namen Z. 1 — 5 über
seine Quellen vorbringt, ist aber nichts als eine kurzgefasste, ab-
sichtlich wohl etwas dunkel gehaltene Zusammenfassung der aus-
führlichen Auslassungen Wolframs über Kiot und Flegetänis, P.
416,20-30. 463,11—455,22. 827, 3—14. Ja, man darf alles, was
Albrecht Z. 1 — 5 sagt*), mit Ausnahme des Namens Flegetänis,
den er aus P. 453, 23 ff. hat, eine einfache Paraphrase von P. 416,
25 ff. nennen, wo Wolfram sagt: Kyot ist ein Provensäl , der dise
äventiur von Parsiväl heidensch geschriben sach. swas er en fransoys
da von gesprach , bin ich niht der witse las, das sage ich Huschen
fürbas. Albrecht fügt dem auch nicht das geringste neue Moment
hinzu, er nennt den Flegetänis parliure (77,2), wie Wolfram den
Kyot wenige Verse vor der eben citierten Stelle (P. 416, 22) schan-
tiure nennt. Die Bezeichnung parliure stammt selbst wieder aus
Wolfram, der sie dem Plato beilegt, P. 465, 21; pareliure bedeutet
da ‘Prophet’, eine Bezeichnung, die ja auch auf den Astrologen Fle-
getanis, wie ihn Wolfram P. 454, 9 — 30 schildert, passt. Eine zweite
Stelle, an der Albrecht etwas ausführlicher über Kiot allein redet,
ist Tit. 2942,4—6: ob uns Kyot niht triuget , von dem diu äventiur
üs heidenschefte den cristen ist gewissen ; sie enthält aber ebenfalls
gar nichts Neues. Dazu kommen dann noch ein paar kurze Berufun-
gen auf Kiot, nach Art der oben behandelten formelhaften Beru-
fungen auf die Quelle; vgl. P. 431,2. 453, 5 ff. 776,10. 805,10.
Tit. 5295,5—7: alsus genant so was ir nam se diute se Provens in
der spräche, ob Kyot hie niht iriegen kan die liute, und unmittel-
bar darauf 6296: 6we was hän ich üf in gesiuget , von Provensiale
an siner dventiure also niht triuget, vielleicht auch 4539, 5 — 6 : Edo-
lans, den ein Profcnciäle prüefte für die teer den (cf. oben p. 42).
Diese formelhaften Berufungen auf Kiot beweisen natürlich, wie alle
derartigen Hinweise auf das meere oder die dventiure, gar nichts.
Was endlich Albrecht Tit. 82, 5 — 7 (gleich nach der ausführl. Be-
rufung str. 77) aus dem Werke des Flegetänis selber zu citieren
scheint, ist eine deutliche Anspielung auf die von Wolfram als
Worte des Flegetänis angeführten Verse P. 454,27 — 30.
So gewinnen wir aus allen bisher besprochenen Berufungen
Albrechts auf Kiot und Flegetänis auch nicht den geringsten An-
haltspunkt dafür, dass Albrecht wirklich diese Quelle eingesehen
*) Dass erst Z. 6—7 Albrechts wahre Meinung enthüllen, haben wir oben
p. 6 gezeigt.
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182
und benutzt hätte. Die Entscheidung bringt aber die letzte, allein
noch übrige Stelle des Titurel, str. 6206r (= AD. 41,86). Diese
Strophe fehlt in H , sie ist nur in AD. (= E s Zarnckes) und C 1
(dem hannoverschen Titurelcodex) überliefert und abgedruckt von
Lachmann (Wolfram v. E. p. XXXII) und Zarncke (Germania 22,
15). Ich halte beide Herstellungen für nicht ganz einwandsfrei
und lese (fast ganz nach AD): Kyöte Flegetäntse, der ( dem C 1 ) was
hern (her C 1 AD.) Wolfram gebende dise ( die AD.) dventiur ee prise :
die bin ich Albreht hie nach im (in C 1 ) üßcbende, därumbe dae drier
dinge minder wcere, der Sünden und der schänden : dae drite, mich
drücket ormuot diu swcere *). Hier, wo Albrecht am Schlüsse seines
Werkes, ohne Wolframs Maske, noch einmal den Zweck darlegt,
um dessentwillen er den Titurel verfasst hat, bezeichnet er also
Wolfram als seine unmittelbare Quelle, was aufs trefflichste über-
einstimmt mit der Untersuchung der Quellen des Titurel (cf. Teil I),
die für die Hauptmasse des Titurel Wolframs Gedichte mitsamt
ihren Andeutungen als Quelle festgestellt hat. Dass Albrecht das
Buch des Kyot jemals eingesehen haben sollte, ist absolut zu ver-
werfen **).
Wir haben bis hierher, im Anschlüsse an die subjectiven Ele-
mente in Wolframs Stil und Manier, die verschiedenen Mittel anf-
gezählt, deren sich Albrecht bedient, um selbst als Wolfram zu
erscheinen. Ich beschliesse diesen Abschnitt deshalb mit einer
Sammlung der Stellen des Titurel , an denen Albrecht sich selbst
Wolfram nennt oder nennen lässt, oder ausdrücklich im Namen
Wolframs spricht. Albrecht benutzt vor allem seine beliebten
Gespräche mit der Aventiure dazu, sich von ihr als Wolfram
anreden zu lassen. Sie nennt den Dichter Wolfram-, Tit. 231,6.
238a (1, 162) 6. 252,4. 3545,1 (im Wortspiele); friunt von Eschcn-
bach : 3962, 6 ; ritter von Eschenbach : 6092, 1 — 2 ; friunt von Blien-
velde : 579,6. 5028,1. 5236, 1, cf. Heidelbg. Brachst. I, str. 4,3 — 4:
der von Plivelden her Wolfram (vgl. über diese Bezeichnung Wolframs,
*) Fiegä&nist Z. 1 ist Nominativ , das anorganische -e ist aDgehängt , wie
häufig im Titurel bei Eigennamen im Reime (vgl. z. B. 2521, 1. 2547, 1. 2559, 1.
2783,4. 2979,5. 5633a, 1. 5819,2 u.s.w.) Albrecht beobachtet in dieser Strophe
genau die Aufeinanderfolge der Quellen: von Flegetanis kam die Aventiure an
Eiot, von Kiot an Wolfram, und nach Wolfram hat sie Albrecht aufgenommen.
**) Von den Berufungen Albrechts auf eine Chronik als seine Quelle dürfen
wir nur Tit. 4022 f. anerkennen, wo Albrecht die lateinische Chronik Gottfrieds
v. Monmouth im Auge bat (cf. oben p. 71 ff.). Dagegen sind die Chroniken , die
Albrecht 3115,6—7 (cf. 3122,4) und 5791 angiebt, rein fingiert, da sie beide
Male nachweisbare Imitationen Albrechts bezeugen sollen. — Auf die bl. Schrift
beruft sich Albrecht Tit. 156,6. 2830,3. 2927,5.
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183
die sich bei ihm selbst gar nicht findet , Haupt bei Beiger , M.H.
als akad. Lehrer , p. 275). Albrecht lässt sich von seinen Zu-
hörern her Wolfram anreden in dem einzigen im Titurel vor-
handenen ausgeführten Gespräch zwischen Dichter und Publikum,
Tit. 2094,7. Albrecht selbst nennt sich Wolfram: Tit. 1951a (15,
32)6 — 7 (fehlt H): mit Heden Titurelles ich Wolfram niht tcan ouch
desselben muote. 2816, 1 : Ich Wolfram wol klagen solde u. s. w.
(str. 2816 — 17 [cf. 2814 — 15] sind eine breite Paraphrase der scher-
zenden Bemerkung Wolframs P. 130, 14 — 16). Ausdrücklich in
Wolframs Namen spricht Albrecht in seiner Einleitung str. 18, 5 ff.,
wo er beim Beginn seiner Paraphrase von Wolframs Parzival-Ein-
leitung auf den Eingang des Parzival mit den Worten hinweist:
den ewivel hän ich vor ein teil enbwret, me er nach helle verwet, an
Parcifül man das von erste hairet, cf. str. 19 u. 20. ln derselben
Weise spricht Albrecht wahrscheinlich in Wolframs Namen Tit.
5204, 6 u. 525, 1 — 4. — Tit. 3964 spielt der Dichter im Gespräch
mit der Aventiure auf P. 433, 2—5 an : Es ist nü eil vil lenge, das
iuch niht künde verdriesen, ir emcoldet iuch an der enge in min s her-
sen kämer Idn besliesen. Was Wolfram über sein Verhältnis zu
den Frauen sagt (P. 337 u. 116,5—14), reproduciert Albrecht als
Wolfram (cf. 5092, 1 — 2) Tit. 5092 — 95 in einem Gespräche mit
der Aventiure *).
Wir ersehen aus den hier aufgezählten Fällen, dass es falsch
wäre, anzunehmen, Albrecht spreche nur an solchen Stellen in Wolf-
rams Namen , wo er auch Wolframsches Gut im Stoffe behandele.
Vielmehr verteilen sich die Fälle gleichmässig ohne diese Beschrän-
kung auf das ganze Gedicht Albrechts von der Einleitung an bis
zu der Strophe, in der er die Maske abwirft, Tit. 5883. Von hier
an redet Albrecht von Wolfram immer in der 3. Person, cf. Tit.
5912,6. 620or (= AD. 41, 86) 2 (cf. Lachmann, W. v. E. , pag.
X X X 11) ; Heidelberger Bruchst. 1, str. 4, 3 — 4; H, str. 13, 3. Darum
ist auch 5910 (40, 143) 3 die Lesart von AD. ich habe unbedingt
zu verwerfen, cf. 5912,6**).
*) Wolframs Selbstbekenntnis (Wb. 2, 16 ff.), dass er der Schrift der Bacher
unkundig sei, wiederholt Albrecht wörtlich Tit. 62 in seiner Einleitung and str.
4833 im unmittelbaren Anschluss an die aus Wolfram entlehnte Berufung auf
Veldeke. Er thut das sicherlich auch uur, um als wirklicher Wolfram durebzu-
gehn ; in Wahrheit wird er unzweifelhaft habeu lesen und schreiben können.
**) Auffallend ist nur noch, dass schon Tit. 885(4,61)6 Wolfram einmal in
der 3. Person genannt wird (denn die Lesart von AD. ich Wolfram ist sicherlich
falsch); allein str. 885-90 sind rein redactioneller Matur, Albrecht fällt da für
«inen Augenblick aus der Bolle.
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184
Schlussbetrachtungen.
Unsere Untersuchung hat die völlige Abhängigkeit Albrechts
von Wolfram in der Behandlung des Stoffes, wie in den sprach-
lichen und stilistischen Erscheinungen dargethan. Wie kommt es
nun, dass wir trotz den heissen Bemühungen Albrechts, sich in
jeder Weise Wolframs Manier anzueignen und so seinem Gedichte
den Ruhm des Wolframschen Namens zu verschaffen, dennoch so-
fort den Titurel als das Werk eines Wolfram weit untergeordne-
ten Dichters erkennen? Zu einem Teile veranlasst uns dazu ge-
rade die übermässige Nachahmung Wolframs, deren sich Albrecht
schuldig gemacht hat, mehr noch aber das auf Schritt und Tritt
hervortretende Unvermögen Albrechts, sich von seiner eigenen In-
dividualität freizumachen. Der Stempel von Albrechts Persönlich-
keit ist seinem Gedichte in jeder Beziehung so stark aufgedrückt,
dass selbst die intensive Nachahmung Wolframs dagegen verblasst
und ihre Kraft verliert.
Albrecht ist in erster Linie ein gelehrter Dichter und damit
das gerade Gegenteil seines Meisters Wolfram. Dieser Gegensatz
zeigt sich schon in der Behandlung des Stoffes: Wolfram hat die
Geschichte Parzivals durch psychologische Vertiefung und epische
Folgerichtigkeit in weit höherem Grade, als sein Vorgänger Chrestien,
zu einem einheitlichen Kunstwerke ausgestaltet. Albrecht dagegen
benutzt die nach den Angaben und Andeutungen der Wolframschen
Gedichte zusammengestellte Geschichte von Schionatulander und
Sigune nur als Ausgangspunkt, um in breiter Ausführung die von
Wolfram im Parzival und Titurel oft nur spielend angedeuteten
Sagenstoffe möglichst umfassend zu erledigen. Pedantische Ge-
nauigkeit in der Beobachtung auch der kleinsten Andeutungen
Wolframs, und dabei gelehrte Combination der überlieferten An-
gaben zu scheinbar neuen Resultaten, sind die hervorstechendsten
Züge in dem Bilde der stofflichen Abhängigkeit Albrechts von
Wolfram. Albrecht ist aber nicht zufrieden damit, Wolframs Ge-
dichte in der schlimmsten Weise für sein Werk auszuschlachten,
sondern unermüdlich holt er von allen Seiten weiteres Material
für den Stoff seines Gedichtes herbei," das er in mannigfachen
Episoden und eingearbeiteten Anspielungen zum Besten giebt. Die
gelehrten Neigungen des Dichters haben damit jeden einheitlichen
Bau des Gedichtes um so sicherer zu Nichte gemacht, als ihm die
Fähigkeit fehlte , die toten Stoffmassen geistig zu durchdringen
und künstlerisch zu bewältigen: denn dazu hätte es, von allem
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185
andern abgesehen, zum mindesten jener dichterischen Selbständig-
keit bedurft, die Albrecbt in geistiger Selbstverstümmelung dem
grossen Meister Wolfram allzu willig hingeopfert hat.
Freilich nicht in allem; und wo Albrecht das eigne Gesicht
zeigt, da bedauern wir fast, dass er dem Vorbild nicht noch treuer
geblieben ist. Albrecht erzählt seine aller Orten zusammengetra-
genen Aventiuren nicht etwa in schlichterWeise eine nach der an-
dern, sondern er durchsetzt seine Erzählung von Anfang bis zu
Ende mit den für den Titurel charakteristischen gelehrten Excursen,
die verschieden lang und ausgeführt, bald rein gelehrte Untersuchun-
gen, bald moralisch - didaktische oder mystisch -religiöse Ergüsse
darstellen, in jedem Falle aber die Handlung des Gedichtes unter-
brechen. Diese Manier unterscheidet Albrecht scharf von Wolfram,
der zwar Ansätze zu gelehrten Abschweifungen gleichfalls zeigt,
aber durch sein gesundes künstlerisches Gefühl jedes Übermass
fern gehalten hat. Albrecht dagegen ist in diesen Abschweifungen
in seinem eigensten Element, hier giebt er sich, wie er ist, und
wenn er natürlich auch die hier aufgespeicherte Gelehrsamkeit
durchweg aus zweiter Hand hat, so dürfen wir doch sagen, dass
er diesen Teilen seines Gedichtes ein fast noch grösseres Interesse
entgegenbringt , als seinem eigentlichen Stoffe. Die mannigfachen
Notizen, Belehrungen und Nachweise dieser Excurse ergänzen, nach
Albrechts Absicht, den entlehnten epischen Stoff, und erst wenn
wir gelernt haben, die in den Excursen Albrechts vorgetragene
Weisheit für mindestens ebenso wertvoll zu halten, wie die in der
eigentlichen Handlung berichteten Thatsachen und Momente, dann
erst haben wir Albrechts Auffassung von dem Werte seines Ge-
dichtes erreicht.
Dem entspricht auch die Wirkung, die sich Albrecht von sei-
nem Gedichte auf seine Zeitgenossen verspricht. Er will seinen
ritterlichen Lesern und Zuhörern (denn an ein ritterliches Publi-
kum wendet sich sein Werk) nicht nur eine unterhaltende Lectüre,
in den Schilderungen der endlosen Abenteuer seiner Helden , son-
dern zugleich auch ein Musterbuch höfischer Sitte, ein Repertorium
der damals umlaufenden gelehrten Kenntnisse und eine Auswahl
der damals gerade beliebt werdenden mystischen Ausdeutungen in
die Hand geben. Die gelehrten Neigungen Albrechts finden also
ihre letzte Befriedigung in der Belehrung seiner Leser: die eigene
htnst, die er sich durch die mühevollste und fleissigste Arbeit er-
worben hat, will er an den Mann bringen. In der fortwährenden
Hervorhebung der kunst steht Albrecht ganz in seiner Zeit , die
sich ja mit der Betonung des technischen Könnens und der ge-
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186
lehrten Behandlungsweise bereits deutlich dem ausgeprägten Meister-
gesänge nähert; aber er bildet darin den schärfsten Gegensatz zu
Wolfram. Dem grossen Dichter des Parzival geht sein Schildes
ambet bekanntlich über seine Sangeskunst (P. 115) ; seine äventiure
vert äne der buoche stiure, und im Eingänge des Willehalm (2, 21 f.)
sagt er von seiner Kunst: niht anders ich gelcret bin, tcan kän ich
kunst, die git mir sin. Albrecht spricht ihm zwar dies Bekenntnis
nach (4832) , aber er benutzt es nur als eins seiner Mittel , für
Wolfram durchzugehn; im Grunde seines Herzens ist er ganz an-
derer Ansicht, wie wir aus vielen Stellen seines Gedichtes mit
völliger Gewissheit ersehen können. Obenan steht da die grosse
Dissertation über die Stufenleiter der werden (6220—32). Nach
den Priestern, die natürlich die erste Stelle einnehmen, folgen un-
mittelbar die gelerten der buoche mit kunstricher wiiee ; erst nach
ihnen rangieren die von adel hoch gebürte. Die lange Auseinander-
setzung klingt aus in die Lehre, die besonders den Rittern einge-
schärft wird: Stcer wirde welle erwerben, der st an künste meister-
schaft begernde, und dazu bietet sich (5232) disiu äventiure selbst
an : vil kunstricher stiure ist sie die werden alle schölte wernde , die
sich des niht beherent noch beträgent, dae sie werdeclichen nach der
äventiur durch lere frägent. Überall , wo Albrecht sonst noch von
der Tendenz seines Gedichtes spricht, hebt er die lere hervor, cf.
str. 59 f., 3687, 7 und besonders 2898 — 2910 , wo Albrecht , ausge-
hend vom Lobe der gelehrten (Buch-)Dichtung, endigt mit der Em-
pfehlung seines eigenen Gedichtes, das für Fürsten und Ritter in
der That aller Salden beste bringe.
Albrecht bat sich in seinen Erwartungen nicht getäuscht, sein
kolossales Gedicht beherrschte in der seinem Erscheinen folgenden
Periode poetischen Niederganges das deutsche Mittelalter als ein
haubt ob teutschen pucchen und ‘eine Anweisung zur höchsten und
edelsten Ausbildung’ (Zarncke, Gralt. p. 376 [4]) ; wir werden nicht
fehlgehn, wenn wir annehmen, dass gerade Albrechts Gedicht einen
grossen Teil dazu beigetragen hat, Wolfram zu dem gelehrten Meister
zu machen, auf den die Meistersinger ihre edle Kunst zurückführten.
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Inhaltsübersicht.
P»«-
Einleitung; 1
Teill: Stoffliche Abhängigkeit Albreehts Ton Wolfram 4
Teil II: Albreehts Abhängigkeit von Wolfram in Sprachgebrauch und Stil HD
Cap. I: Metrisches: Stumpfe Ausgänge an fL Stelle. — Stumpfe Caesur-
reime. — Syntact. Eigentümlichkeiten im Keime. — Dinlectische Reime.
— Bemerkenswerte Flexions- und Wortformen im Keime. — Beliebte
Reimwörter und Reimverbindungen. — Enclisis des Pron. pers. an
das Verbum im Reime. — Enjambement
Cap. II: Wort und Satz
L Wortwahl: Unhöfische Wörter. — Franz. Fremdwörter. . .
II. Wortbildung: Neubildungen. — Beliebte Zusammensetzungen .
III. Syntact. Structuren: Rückblick auf die in Cap. I erörterten
Fälle. — Volksepische Structuren. — Subst. Infinitiv. — Part. Prs.
in pass. Bedeutung. — Part. Prt. zur Bezeichnung des abs. Ver-
balbegriffs. — Lockere Constructionen im Verhältnisse der Satz-
glieder (Vernachlässigte Congruenz zwischen Sg. u. PI. — unde. —
Relativum ohne Beziehung. — Plötzlicher Wechsel des Subjects in
coord. Sätzen. — &n'o noivov. — Wirkl. Anakoluthe. — Übergang
aus der indirecten in die directe Rede) .
Cap. III: Stil und Manier
L A b s olute V o r an stel lung
II. Verwendung der Negation: Neg. Antithese. — Antiphasis.
— Doppelt negierte (= pos.) Sätze. — der eren riche und lasten arm . 144
III. Formelhafte Verbindungen: junc und alt. — Zwei ver-
schiedeneTempora eines Verbums verbunden. — FormelndesVolksepos. 1AS
IV. Umschreibungen: einer Person (mit Hülfe von Länder- u.
Personennamen — durch das Pron. poss. mit dem „tbätigen Or-
gane“ oder einem „Zustands- oder Eigenschaftsbegriff“ — durch
die bildliche Ausdrucksweise — durch einen ganzen Satz). — einer
Sache oder eines abstracten Begriffs durch einen ganzen Satz. —
Einzelne umschreibend gebrauchte Wörter (eil, eite, kraft, name —
erkant, bekamt, kunt — leren — kunnen) 149
Cap. IV. Bilder und Vergleiche IM
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SEE EEEE
166
170
Cap. V. Humor
Cap. VL Hervortreten der Person des Dichtere
I. im Verkehre mit seinem Publikum: Anreden an die Zu-
hörer. — Beteuerungen der Wahrheit. — Formelhafte Berufungen
auf die Quelle. — Verweisungen auf die Zukunft. — Fragen aus
dem Sinne der Hörer. — man such, man härte 170
II. in seinem Verhältnisse zu den Personen seines Ge-
dichtes: Anreden an die Personen des Gedichtes. — Gelegentliche
Bemerkungen des Dichters über dieselben 173
HI. in kurzen subjectiren Bemerkungen 174
IV. Albrechts Mittel, umsichfürWolfram auszugeben:
Anspielungen auf Örtlichkeiten, Ereignisse und Persönlichkeiten der
Gegenwart und Zeitgeschichte, speciell auf zeitgenössische Dichter.
— Wirkliche Berufungen auf die Quelle. — Albrecbt spricht direct
in Wolframs Hamen 176
Schlutabetrachtungen 184
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Vita.
Ich, Conrad Borchling, bin geboren am 20. März 1872
zu Hitzacker, Kreis Dannenberg, als Sohn des Kgl. Rechnungsrats
August Borchling und seiner Gemahlin Marie, geb. Eilen-
bürg. Ich bekenne mich zur evangelisch-lutherischen Confession.
Auf den Gymnasien zu Leer, Hildesheim und Emden, wo ich zum
Ostertermine 1889 das Abiturientenzeugnis erwarb, vorgebildet,
bezog ich nach einer halbjährigen Ruhepause, die zur Kräftigung
meiner angegriffenen Gesundheit nötig war, Michaelis 1889 die
Georgia-Augusta und habe ihr seitdem bis Ostern 1896 ununter-
brochen als akademischer Bürger angehört. In den ersten Jahren
durch Kränklichkeit vielfach behindert , habe ich mich , bei der
allmählichen Erstarkung meiner Constitution, von Jahr zu Jahr
eifriger meinen Studien hingeben können, die sich gleichmässig
der deutschen und der klassischen Philologie zugewandt haben.
Dem deutschen Seminar habe ich 6 Semester, dem philologischen
Seminar 3 Semester als ordentliches Mitglied angehört. Ausserdem
habe ich 2 Semester an den Hebungen des archaeologischen Se-
minars, und 2 Semester an denen des englischen Proseminars teil-
genommen. Am 29. April 1895 wurde meine hier vorliegende
Bearbeitung der Preisaufgabe der philosophischen Facultät mit
dem vollen Preise gekrönt; inzwischen habe ich am 27. April 1896
das Examen rigorosum und am 1. August 1896 das philologische
Staatsexamen absolviert.
Es ist nun noch meine angenehme Pflicht, allen meinen aka-
demischen Lehrern meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Zwei
Männern aber fühle ich mich ganz besonders verpflichtet, Ulrich
von Wilamo witz-Moellendorff, dessen unveränderten Wohl-
wollens ich mich nicht nur für meine Studien, sondern auch für
meine Person bis zuletzt zu erfreuen gehabt habe, und Gustav
Roethe, dem unermüdlichen Förderer dieser Arbeit, der mir als
Gelehrter wie als Mensch gleich nahe getreten ist. Die hohe
Auffassung dieser beiden Männer von der Philologie soll auch mir
stets als das Ideal meines Strebens dastehn.
*/
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I
!
t
i
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»Ci xj Vk. rtivy/.v». jrroc.
18 DDE ON THE LAST DATE
btamped below
IAL FINE OF 25 0ENT8
SESSED FOR FAILURE TO
ON THE DATE DUE THE PENALTY
ASE TO BO CENTS ON THE F ° U "™
■o «i oo ON THE SEVENTH DAY
lsiuia ant-
U£R
KECDU! QES2870-2PH9« !
XjD 41-100m-7,’«0(8»8#l)
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UNIVERSJTY OF CAUFORNIA LIBRARY